Entscheidungsstichwort (Thema)

PGH-Mitglied, Mitgliedschaftsverhältnis, Arbeitsverhältnis, Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine nach Inkrafttreten des § 9a PGH-VO ausgesprochene, ausdrücklich auf das Arbeitsverhältnis beschränkte Kündigung eines PGH-Mitglieds führte auch dann nicht zur gleichzeitigen Beendigung der Mitgliedschaft, wenn das Musterstatut der PGH der neuen Gesetzeslage nicht angepaßt worden war.

 

Normenkette

DDR: PGHV § 5 Abs. 2 S. 2, § 9a

 

Verfahrensgang

Thüringer OLG

LG Gera

 

Tatbestand

Der Kläger war seit 1973 Mitglied der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der PGH H. R.. Schon im September 1990 wurde in der PGH über Möglichkeiten und Wege einer Umwandlung in eine GmbH diskutiert, dabei wurden auch die Fragen der Abfindung beim Ausscheiden und der Trennung von Mitgliedschafts- und Arbeitsverhältnis erörtert. Wegen Auftragsmangels hatte die PGH seit März 1991 „Kurzarbeit mit null Stunden” angeordnet. Unter dem 9. April 1991 – wenige Tage vor der als „Gründungsversammlung” bezeichneten Mitgliederversammlung, die über die Umwandlung Beschluß fassen sollte – sandte der Kläger an die PGH ein als „Kündigung” bezeichnetes Schreiben, in dem es heißt:

„Hiermit kündige ich mein Arbeitsverhältnis mit der PGH H. R. zum 15.4.1991”.

Er war von da an nicht mehr für die PGH tätig. Seinen persönlichen Anteil i.H.v. 1.346,– DM, den ihm die PGH daraufhin im Mai 1991 auszahlte, überwies er an diese zurück. In der Folgezeit wurde der Kläger nicht nur an den Mitgliederversammlungen vom 25. April und 26. Juni 1991, sondern auch an dem Umlaufverfahren Ende Mai 1991 beteiligt, in dem die Mitglieder schriftlich über bestimmte Fragen der Satzungsgestaltung der künftigen GmbH beschließen sollten. Erst im Februar des darauffolgenden Jahres wurde – ohne Mitwirkung des Klägers – die Umwandlung der PGH in die Beklagte beschlossen und festgelegt, daß sich die Anteile an dem unteilbaren Fonds nach Mitgliedsjahren bestimmen.

Die unter dem 26. Februar 1992 gestellte Forderung des Klägers, ihm seine Anteile am unteilbaren Fonds auszuzahlen, wies die Beklagte mit der Begründung zurück, er sei bereits vor der Umwandlung aus der PGH ausgeschieden. Die zuletzt auf Zahlung von 77.663,28 DM gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zum Erlaß eines Grundurteils zugunsten des Klägers und nach §§ 565 Abs. 1, 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, das über die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Auszahlung seines Anteils an dem unteilbaren Fonds zu befinden hat.

1. Einen Anspruch auf Auszahlung des Anteils am unteilbaren Fonds einer umgewandelten PGH (§ 5 Abs. 2 Satz 2 PGH-VO) haben – wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat – nur diejenigen Mitglieder, die anläßlich und wegen der Umwandlung, aber nicht schon vorher, sei es durch Kündigung oder durch Ausschließung aus der PGH ausgeschieden sind (st. Rspr., vgl. BGHZ 132, 84 ff. = ZIP 19961, 674; Urt. v. 3. Juni 1996 – II ZR 217/95, WM 1996, 1776 = ZIP 1996, 1682 und dazu Hillmann ZGR 1997, 249 ff. und Lohlein EWiR 1996, 1045).

2. Ein Fall, in dem das Mitgliedschaftsverhältnis durch Kündigung vor der Umwandlung beendet worden ist, liegt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht vor. Wie der Senat in seiner bereits erwähnten Entscheidung vom 26. Februar 1996 (BGHZ 132, 84 ff.; vgl. auch Bommel/Wißmann ZGR 1997, 206 ff., 214 f.) im einzelnen begründet hat, ist seit der Einfügung des § 9a PGH-VO durch Art. 8 Nr. 4 des Hemmnisbeseitigungsgesetzes vom 22. März 1991 (BGBl. I 766, 787) abweichend von dem früheren Rechtszustand zwischen Mitgliedschafts- und Arbeitsverhältnis zu trennen, so daß sich eine Kündigung der einen Rechtsbeziehung nicht automatisch auch auf die andere erstreckt. Aus dem nicht geänderten Musterstatut der Rechtsvorgängerin der Beklagten, das entsprechend den früher verbindlichen Regelungen eine Arbeitspflicht des Mitglieds zwingend vorsah, läßt sich – anders als das Berufungsgericht gemeint hat – weder herleiten, daß der Kläger nur beide Rechtsverhältnisse einheitlich beenden konnte, noch daß die Organe der PGH die ausdrücklich auf das Arbeitsverhältnis beschränkte Kündigungserklärung nur in diesem Sinn hätten verstehen können. Denn mit § 9a PGH-VO hat der Gesetzgeber gerade die Klarstellung bezweckt, die Weitergeltung des Musterstatuts auf die mitgliedschaftlichen Fragen zu beschränken (vgl. BGHZ 132, 84 ff. = ZIP 1996, 674, 676 li. Sp. m.w.N.) und damit dem einzelnen Mitglied die Möglichkeit zu geben, sein Arbeitsverhältnis zu beenden, ohne zugleich die Mitgliedschaft in der PGH aufzugeben und der im Falle von deren Umwandlung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 PGH-VO entstehenden Abfindungsansprüche verlustig zu gehen.

3. Dieses von Rechtsirrtum beeinflußte Verständnis des § 9a PGH-VO hat, wie die Revision mit Recht geltend macht, die Auslegung der Kündigungserklärung des Klägers durch das Berufungsgericht geleitet. Aus diesem Grunde hat es alle übrigen Umstände, die für die rechtliche Einordnung des Kündigungsschreibens von Bedeutung sind, in seine Prüfung nicht einbezogen. Da diese unstreitig sind und weitere tatsächliche Feststellungen nicht in Betracht kommen, kann der Senat die erforderliche Auslegung selbst vornehmen. Sie führt dazu, daß der Kläger allein sein Arbeitsverhältnis hat beenden wollen und daß auch die Rechtsvorgängerin der Beklagten hierüber nicht im Zweifel gewesen ist, so daß das Mitgliedschaftsverhältnis des Klägers im Zeitpunkt der Umwandlung nicht beendet war und er nach § 5 Abs. 2 Satz 2 PGH-VO Anspruch auf Auszahlung des Anteils am unteilbaren Fonds hat.

Aufgrund der sich über Monate hinziehenden, unter Hinzuziehung von Rechtsanwälten geführten und in Protokollen niedergelegten Diskussion über die Umstrukturierung der Rechtsvorgängerin der Beklagten war nämlich allen Beteiligten bewußt, daß zwischen Mitgliedschafts- und Arbeitsverhältnis des einzelnen PGH-Mitglieds zu unterscheiden war und daß es für die Beteiligung an dem unteilbaren Fonds entscheidend darauf ankam, daß die Mitgliedschaft zum Zeitpunkt des Umwandlungsstichtages noch bestand. Angesichts dessen konnten die Organe der PGH nicht annehmen, daß der Kläger mit seiner ausdrücklich auf das Arbeitsverhältnis abstellenden Kündigung zugleich seine seit fast 18 Jahren bestehende Mitgliedschaft beenden und den Verlust seines Anspruchs nach § 5 Abs. 2-, Satz 2 PGH-VO in Kauf nehmen wollte. Dies gilt um so mehr deswegen, weil unstreitig die Rechtsvorgängerin der Beklagten seit März 1991 nicht in der Lage war, ihren Mitgliedern eine Beschäftigung zu ermöglichen, sondern „Kurzarbeit mit null Stunden” angeordnet hatte und eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses naheliegenderweise Ausdruck des Wunsches war, anderweit einer bezahlten Tätigkeit nachgehen zu dürfen, ohne das neben der Mitgliedschaft in der PGH bestehende Arbeitsverhältnis zu verletzen. Gegen den Wunsch des Klägers, auch als Mitglied bei der PGH auszuscheiden, spricht ferner, daß er die nach dem insofern fortgeltenden Musterstatut zu beachtende Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende (§ 9 Abs. 4 MSt-PGH) nicht eingehalten hat. Daß auch die Rechtsvorgängerin der Beklagten dies nicht anders beurteilt hat, zeigt ihr eigenes Verhalten. Für eine Beendigung der Mitgliedschaft ohne Einhaltung der Kündigungsfrist hätte es eines förmlichen Aufhebungsvertrages bedurft. Außerdem hat die frühere PGH den Kläger auch nach seiner Kündigung ständig als aktives Mitglied behandelt, indem sie ihn an den Mitgliederversammlungen vom 25. April 1991 und 26. Juni 1991 beteiligt und zudem veranlaßt hat, daß er wie alle anderen Mitglieder Ende Mai 1991 in schriftlicher Form über die Gestaltung der Satzung der GmbH mit beschlossen hat, in die die PGH umgewandelt werden sollte. Bei dieser Abstimmung noch hatte der Kläger seinen Willen deutlich gemacht, seine Mitgliedschaft aus Anlaß der Umwandlung nicht zu beenden. Dieses gesamte Verhalten der Organe der Rechtsvorgängerin der Beklagten hat um so mehr Gewicht, als die PGH die Rücküberweisung des persönlichen Anteils des Klägers zuvor entgegengenommen hatte, mit der er seinen Willen unterstrichen hatte, ungeachtet der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterhin Mitglied der PGH zu bleiben.

4. Die von der Beklagten in erster Instanz erhobene Einrede der Verjährung gegen den danach dem Grunde nach bestehenden Anspruch aus § 5 Abs. 2 Satz 2 PGH-VO greift nicht durch. Durch die am 27. Dezember 1993 zurückgenommene erste Klage ist die Verjährungsfrist wirksam unterbrochen worden; nach § 212 Abs. 2 Satz 1 BGB dauert diese Unterbrechungswirkung an, weil der Kläger bereits zwei Tage später die am 19. Januar 1994 zugestellte – vorliegende Klage erhoben hat.

5. Zur Entscheidung über die – folgerichtig – von den vorinstanzlichen Gerichten bisher nicht geprüfte Höhe des Anspruchs wird der Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen; der Senat entscheidet mit dem Erlaß des Grundurteils zugleich an Stelle des Berufungsgerichts (§§ 565, 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 604862

DStR 1998, 131

WM 1998, 74

ZIP 1998, 84

NJ 1998, 420

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