Leitsatz (amtlich)
Auf Ansprüche nach § 5 Abs. 2 Satz 2 PGH-VO findet § 74 GenG weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung, die Verjährungsfrist beträgt vielmehr dreißig Jahre.
Normenkette
GenG §§ 73-74; BGB § 195; PGH-VO § 5 Abs. 2 S. 2, § 9a
Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG |
LG Cottbus |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 16. Juni 1999 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin war Mitglied der Produktionsgenossenschaft des Friseurhandwerks „E.” Bad L. (PGH „E.”). Diese ist im Sommer 1992 rückwirkend zum 1. Januar 1991 in die beklagte eingetragene Genossenschaft umgewandelt, ihre Altverbindlichkeiten sind Ende 1993 getilgt worden. Mit ihrer im Oktober 1997 eingereichten Klage begehrt die Klägerin, die nicht Mitglied der Beklagten geworden ist, Auszahlung des ihr zustehenden Anteils an dem unteilbaren genossenschaftlichen Fonds der PGH „E.” i.H.v. 11.979,68 DM. Die Beklagte, die der Klägerin die genannte Summe mit Schreiben vom 27. Oktober 1992 mitgeteilt und zugleich darauf hingewiesen hatte, der Betrag werde bestimmungsgemäß in sechs Jahresraten nach Bestätigung des Jahresabschlusses 1994 ausgezahlt, hat sich im Rechtsstreit u.a. damit verteidigt, die geltend gemachte Forderung sei verjährt.
In den Vorinstanzen ist der Klage stattgegeben worden. Mit der – zugelassenen – Revision macht die Beklagte weiterhin geltend, die Klageforderung sei verjährt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Beklagte ist mit Recht zur Zahlung des geltend gemachten Betrages verurteilt worden. Dabei bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob es ihr verwehrt ist, die Einrede der Verjährung zu erheben, nachdem sie der Klägerin seinerzeit mitgeteilt hatte, sie könne ihren Anteil nur in Raten und frühestens nach der Bestätigung des Jahresabschlusses für das Jahr 1994 – das ist erst in der Mitgliederversammlung vom 29. November 1995 geschehen – verlangen. Die Verjährungsfrist für den zutreffend auf § 5 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung über die Gründung, Tätigkeit und Umwandlung von Produktionsgenossenschaften des Handwerks vom 8. März 1990 (PGH-VO) gestützten und von der Revision mit Recht nach Höhe und Fälligkeit nicht mehr in Zweifel gezogenen Anspruch auf Auszahlung des Anteils der Klägerin an dem unteilbaren Fonds der Rechtsvorgängerin der Beklagten war nämlich bei Klageerhebung nicht abgelaufen.
Die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegende Annahme, daß die Ansprüche nach § 5 Abs. 2 Satz 2 PGH-VO in dreißig Jahren (§ 195 BGB) verjähren, weil § 74 GenG weder unmittelbar noch analog anwendbar sei, hält den Angriffen der Revision stand.
1. Die Anwendbarkeit von § 74 GenG auf die genannten Ansprüche läßt sich aus den Bestimmungen der PGH-VO nicht herleiten. Dieses Regelwerk enthält keine Generalverweisung auf das Genossenschaftsgesetz, sondern erklärt dieses Gesetz nur punktuell und subsidiär zu den nach § 9 a Abs. 2 PGH-VO fortgeltenden Bestimmungen des Musterstatuts (DDR-GBl. 1973 I, 121, 122-125) für anwendbar, wie sich aus § 3 PGH-VO für die Gründung und die Tätigkeit der PGH, aus § 6 a PGH-VO für Fragen der Umwandlung und aus § 7 PGH-VO für die Durchführung der Auflösung der PGH ergibt. Insbesondere § 6 a PGH-VO betrifft allein den Verfahrensgang der Umwandlung, allein für die mit ihr zusammenhängenden Fragen soll subsidiär das Genossenschaftsgesetz angewandt werden. Dagegen wird die materielle Stellung der PGH-Mitglieder, welche nicht in die neue Gesellschaftsform eintreten, in § 5 PGH-VO geregelt. Wollte man wie die Revision eine Parallele zu den §§ 73, 74 GenG hinsichtlich der Verjährungsfrage ziehen, hätte deswegen im sachlichen Zusammenhang mit dieser Bestimmung wie in den anderen genannten Einzelfällen auf das Genossenschaftsgesetz ergänzend verwiesen werden müssen.
Aus der Entscheidung des Senats vom 26. Februar 1996 (BGHZ 132, 84 ff.) kann die Revision für ihre Auffassung nichts herleiten. In ihr hat der Senat zwar ausgesprochen, daß das Genossenschaftsgesetz den entscheidenden Orientierungspunkt und verbindlichen Maßstab für die Ausgestaltung der Verhältnisse in den Produktionsgenossenschaften darstelle, dem gegenüber die Regelungen des Musterstatuts ggfs. zurücktreten müßten (BGHZ aaO S. 92); in demselben Zusammenhang hat er aber mit näherer Begründung festgestellt, daß für vor dem Inkrafttreten der PGH-VO gegründete PGH – wie die Rechtsvorgängerin der Beklagten – eine direkte Anwendung des Genossenschaftsgesetzes ausscheidet.
2. Die Verjährungsbestimmungen des GenG sind auch nicht analog anwendbar. Mangels ausdrücklicher Verjährungsregelung in der PGH-VO gelten die allgemeinen Vorschriften des BGB. Ihre Anwendung führt entgegen der Ansicht der Revision nicht zu unangemessenen, die analoge Heranziehung der kurzen Verjährungsfrist des § 74 GenG gebietenden Ergebnissen. Die Beklagte setzt sich darüber hinweg, daß die Fallgestaltungen, die in § 5 Abs. 2 PGH-VO einerseits und in §§ 73, 74 GenG andererseits geregelt worden sind, weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht vergleichbar sind.
Der Auseinandersetzungsanspruch des aus einer eingetragenen Genossenschaft ausscheidenden Mitglieds beschränkt sich nach § 73 Abs. 1 und 2 GenG grundsätzlich auf das Geschäftsguthaben, das sich aus der Bilanz der Genossenschaft ersehen läßt. An den Reservefonds und dem sonstigen Vermögen nimmt der Ausscheidende hingegen grundsätzlich nicht teil. Etwas anderes gilt nach § 73 Abs. 3 GenG allein dann, wenn ein besonderer Fonds gebildet worden ist, aus dem ausscheidende Genossen, die ihren Geschäftsanteil voll eingezahlt hatten, eine Art von Treueprämie, die zu dem Geschäftsguthaben hinzutritt, erhalten sollen. In beiden Fällen lassen sich die Ansprüche des ausscheidenden Mitglieds unschwer ermitteln, was im Interesse der fortbestehenden Genossenschaft die kurze Frist für die Geltendmachung derselben rechtfertigt.
Dagegen sind, wie die zahlreichen gerichtlich ausgetragenen Streitigkeiten um die Auszahlung der Auseinandersetzungsguthaben anläßlich der Umstrukturierung von früheren PGH in Gesellschaftsformen des Rechts der Bundesrepublik Deutschland belegen (vgl. näherBommel/Wißmann, ZGR 1997, 206 ff., 208 – 217 m.w.N.), die Verhältnisse bei PGH in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht von den betroffenen Mitgliedern deutlich schwieriger zu überschauen. Dies beruht nicht allein darauf, daß die nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit erforderlich gewordene Überführung der früheren PGH in Gesellschaftsformen der Bundesrepublik Deutschland erstmals das Problem aufgeworfen hat, daß und in welcher Höhe ein ausscheidendes PGH-Mitglied mehr aus dem PGH-Vermögen zu beanspruchen hat, als seinen eingezahlten Anteil und einen Anteil aus dem Gewinnausschüttungsfonds. Nicht nur Grund und Höhe des nach § 5 Abs. 2 Satz 2 PGH-VO bei der Umstrukturierung entstehenden Anspruchs, sondern auch seine u.a. von der Tilgung der Altverbindlichkeiten abhängige Fälligkeit oder die Behandlung und Rechtsfolgen fehlerhafter Beschlüsse über die Umstrukturierung und die Bilanzfeststellung heben die in der PGH-VO geregelte vermögensrechtliche Auseinandersetzung so entscheidend von der Abfindung eines ausscheidenden Mitglieds einer eingetragenen Genossenschaft ab, daß es nicht sachgerecht ist, die Ansprüche eines ehemaligen PGH-Mitglieds der kurzen Verjährungsfrist des – allenfalls analog anwendbaren – § 74 GenG zu unterwerfen (vgl. schon OLG Dresden, OLG-NL 1994, 231 ff.).
Ein anerkennenswertes Interesse der umgewandelten PGH, bereits nach Ablauf von zwei Jahren Gewißheit über den Umfang der Auseinandersetzungsansprüche von ehemaligen PGH-Mitgliedern zu erhalten, die sich an der Umwandlung nicht beteiligt haben, besteht entgegen der Meinung der Revision nicht. Die Rechtsnachfolgerin der PGH ist nach § 5 Abs. 2 PGH-VO verpflichtet, den ausgeschiedenen Mitgliedern deren Anteil an dem unteilbaren genossenschaftlichen Fonds auszuzahlen. Sie allein verfügt über die zu deren Berechnung erforderlichen Unterlagen und kann nach ihrem Buchwerk übersehen, wann ohne Verstoß gegen die gläubigerschützende Bestimmung des § 5 Abs. 2 Satz 2 PGH-VO eine Auszahlung vorgenommen werden kann. Auf eine Geltendmachung der Forderung durch die betroffenen ehemaligen Mitglieder muß sie nicht warten, sondern kann – womit sie im übrigen ihrer nachwirkenden Pflicht aus dem beendeten Mitgliedschaftsverhältnis nachkommt – von sich aus die Abfindungsansprüche erfüllen und auf diese Weise sicherstellen, daß die umgewandelte Genossenschaft in Zukunft frei von den durch die Umwandlung begründeten Verbindlichkeiten ihre wirtschaftliche Tätigkeit fortsetzen kann.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Goette, Kurzwelly, Kraemer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 13.03.2000 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556207 |
BGHZ |
BGHZ, 64 |
DStR 2000, 781 |
DStZ 2000, 427 |
NJW 2000, 1952 |
EWiR 2000, 875 |
NZG 2000, 749 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 1145 |
ZAP-Ost 2000, 335 |
ZIP 2000, 746 |
NJ 2000, 543 |
OVS 2000, 212 |