Leitsatz (amtlich)
Tritt ein Hauptunternehmer, der in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist, seinen Vergütungsanspruch gegen den Bauherrn entgegen einem vertraglichen Abtretungsverbot an den Subunternehmer ab, so kann die Erklärung des Bauherrn, er erkenne die Abtretung „auf der Basis des § 16 Nr. 6 VOB/B” an, bei interessengerechter Abwägung als vorbehaltlose Genehmigung auszulegen sein (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 1994 - VII ZR 124/93, BauR 1994, 624 = ZfBR 1994, 210).
Normenkette
VOB/B § 16 Nr. 6
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Oktober 1996 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Firma GTS-GmbH (künftig: GTS). Er fordert von der beklagten Stadt aus eigenem und abgetretenem Recht Werklohn, hilfsweise Schadensersatz.
Die Beklagte beauftragte im Frühjahr 1990 die Firma K. GmbH (künftig: K.) mit dem Wiederaufbau der städtischen Bühnen; der Vertrag enthielt ein Abtretungsverbot. K. beauftragte die GTS als Subunternehmerin mit der Elektroinstallation. Nach Beginn dieser Arbeiten geriet K. in Zahlungsschwierigkeiten. Als K. die vereinbarten Abschlagszahlungen nicht leistete, erklärte GTS, sie stelle vorläufig ihre Tätigkeit ein. Daraufhin trat K. der GTS am 15. Juni 1990 ihre Werklohnansprüche gegen die Beklagte in Höhe von 531.449,87 DM sowie in Höhe der noch zu erwartenden weiteren Vertragsleistungen ab.
Wegen der Zahlungsschwierigkeiten von K. und der vorläufigen Einstellung der Arbeiten der GTS fand am 26. Juli 1990 eine Besprechung statt, an der Vertreter der K. und der GTS sowie der Beklagten teilnahmen. Es wurde vereinbart, daß GTS über ihre bisher erbrachten Leistungen eine Rechnung erstellen und über K. an die FAAG, die von der Beklagten mit der technischen Leitung beauftragt war, weiterleiten sollte; diese sollte 70 % des geprüften Rechnungsbetrages als Abschlag an GTS zahlen. Der weitere Inhalt der Besprechung ist bestritten. Nach der Behauptung des Klägers soll der Geschäftsführer der GTS die Abtretung der K. vom 15. Juni 1990 vorgelegt und erklärt haben, daß eine Fortsetzung und Fertigstellung der Arbeiten nur dann in Betracht komme, wenn die Beklagte die Abtretungserklärung anerkenne und sich verpflichte, die Vergütung für bereits erbrachte und noch zu erbringende Leistungen der GTS zu zahlen. Dies solle auf der Basis des § 16 Nr. 6 VOB/B erfolgen; dem habe die Beklagte zugestimmt.
In der Folgezeit leistete die FAAG auf die geprüfte Rechnung der GTS die vereinbarte Abschlagszahlung von 70 %. Am 3. Dezember 1990 übersandte die GTS der K. eine weitere Abschlagsrechnung in Höhe von 563.725,15 DM. Diese Rechnung war Gegenstand einer Besprechung am 30. Januar 1991. Dabei wurde vereinbart, daß GTS die Abtretungserklärung der K. vorlegen und seitens der Beklagten geprüft werden solle, ob eine Zahlung an GTS möglich sei. Im Gegenzug sagte GTS die Fertigstellung ihrer vertraglich noch geschuldeten Leistungen zu. Nach Behauptung des Klägers soll die Beklagte ihre Zahlungszusage wiederholt haben.
Mit Schlußrechnung vom 28. Februar 1991 forderte GTS von K., über deren Vermögen kurz zuvor das Konkursverfahren eröffnet worden war, insgesamt 907.406,31 DM. 1992 wurde über das Vermögen der GTS das Konkursverfahren eröffnet.
Der Kläger hat als noch offene Werklohnforderung der GTS unter Berücksichtigung geleisteter Abschlagszahlungen 840.523,58 DM geltend gemacht. Landgericht und Berufungsgericht haben die Klage mangels schlüssigen Vorbringens des Klägers abgewiesen. Hiergegen richtet sich seine Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht führt aus, der Kläger könne aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt Zahlung von der Beklagten verlangen. Die Abtretung der Ansprüche der K. an GTS sei unwirksam. Das zwischen der Beklagten und K. vereinbarte Abtretungsverbot sei weder aufgehoben worden noch sei ersichtlich, daß die Beklagte die Abtretung genehmigt habe. Die ausweislich der Aktenvermerke über die Besprechungen vom 26. Juli 1990 und 30. Januar 1991 getroffenen Vereinbarungen seien in Verbindung mit den vom Kläger behaupteten Äußerungen der Beklagten dahin zu verstehen, daß die Beklagte sich gegenüber GTS verpflichtet habe, Abschlagszahlungen in Höhe von 70 % nach Maßgabe des § 16 Nr. 6 VOB/B für diejenigen Arbeiten zu leisten, die GTS als Subunternehmerin der K. erbracht habe. Damit habe die Beklagte sich zur unmittelbaren Zahlung an GTS nur unter der Bedingung verpflichtet, daß ihre Zahlung gleichzeitig gegenüber K. schuldbefreiende Wirkung habe; andernfalls wäre die Bezugnahme auf § 16 Nr. 6 VOB/B nicht zu verstehen. Aufgrund des Konkurses der K. könne die Beklagte nicht mehr mit schuldbefreiender Wirkung an GTS leisten.
II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht schlüssigen Vortrag vermißt. Es hat die behaupteten Vereinbarungen rechtsfehlerhaft ausgelegt und ihre Tragweite verkannt. Seine Auslegung, die GTS habe keinen unbedingten Anspruch gegen die Beklagte erworben, verletzt den Auslegungsgrundsatz, daß die Interessen beider Parteien gegeneinander gerecht abgewogen werden müssen (§§ 133, 157 BGB).
1. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die behauptete Vereinbarung nicht dem Regelungsgehalt des § 16 Nr. 6 Satz 1 VOB/B entspricht. Nach dieser Regelung ist der Auftraggeber berechtigt, zur Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen aus § 16 Nr. 1 bis 5 VOB/B mit befreiender Wirkung gegenüber dem Auftragnehmer an dessen im einzelnen bezeichnete Gläubiger (Drittgläubiger) zu leisten, wenn der Auftragnehmer in Zahlungsverzug gekommen ist. Nach allgemeiner Auffassung ist es dem Auftraggeber erlaubt, auf jede Forderung des Drittgläubigers zu zahlen; ihn trifft jedoch keine Verpflichtung hierzu (Senatsurteil vom 19. Mai 1994 - VII ZR 124/93, BauR 1994, 624 = ZfBR 1994, 210). Eine hierauf gerichtete Vereinbarung liegt nicht vor.
2. Das Verständnis des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die behauptete Genehmigung der Abtretung von der Bedingung abhängig gemacht, daß eine von ihr an GTS zu leistende Zahlung gleichzeitig gegenüber K. nach Maßgabe des § 16 Nr. 6 Satz 2 VOB/B schuldbefreiende Wirkung haben müsse, berücksichtigt die wirtschaftlichen Interessen der GTS nicht hinreichend. Nach der vorgenannten Regelung ist der Auftragnehmer verpflichtet, sich auf Verlangen des Auftraggebers innerhalb einer von diesem gesetzten Frist darüber zu erklären, ob und inwieweit er die Forderungen seiner Gläubiger anerkenne. Sie bezieht sich allein auf das Verhältnis des Auftraggebers zum Auftragnehmer. Sie schützt nur das Interesse des Auftraggebers, bei Schweigen des Auftragnehmers an dessen Gläubiger mit befreiender Wirkung leisten zu können, ohne dies jedoch tun zu müssen.
Das widerspricht den Interessen der GTS. Sie war nach dem Vortrag des Klägers an einer Sicherheit interessiert, die nicht vom Belieben oder von Bedingungen der Beklagten abhing, auf die sie keinen Einfluß hatte. Die Abtretung der Ansprüche der K. gegen die Beklagte und die behauptete Genehmigung sprechen dafür, daß die GTS das Insolvenzrisiko der K. nicht tragen wollte. Die GTS hatte das Bedürfnis, ihre Vergütung angesichts der finanziellen Schwierigkeiten ihres Vertragspartners jedenfalls von demjenigen zu erhalten, für den ihre Werkleistung bestimmt und dessen Bonität nicht zweifelhaft war; das war die Beklagte. Diese hatte ihrerseits ein erhebliches Interesse an einer zügigen Fortführung des Bauvorhabens.
Soweit in der behaupteten Vereinbarung auf § 16 Nr. 6 VOB/B Bezug genommen wird, läßt sich dies dahin verstehen, die Beklagte habe vor einer Zahlung an GTS zunächst K. als ihre unmittelbare Auftragnehmerin nach etwa bestehenden Einwendungen befragen wollen, um diese gegebenenfalls dem Zahlungsbegehren der GTS nach § 404 BGB entgegenhalten zu können.
3. Die gebotene, vom Berufungsgericht nicht hinreichend vorgenommene Abwägung der Interessenlage beider Parteien legt die Auslegung der behaupteten Vereinbarung dahin nahe, daß die Beklagte zu einer Sicherung der GTS bereit war und die Abtretung anerkannt hatte. Die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang gewürdigten Aktenvermerke über die Besprechungen enthalten lediglich Indiztatsachen, die es nicht rechtfertigen, den Vortrag des Klägers als unschlüssig zu werten. In den Besprechungen vom 26. Juli 1990 und 30. Januar 1991 konnten weitergehende Regelungen getroffen worden sein als dies in den Aktenvermerken festgehalten worden ist.
III.
Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um über die behauptete Vereinbarung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats Beweis darüber zu erheben. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht zugleich Gelegenheit, unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien zu prüfen, ob in der Behauptung des Klägers, die Vertreter der Beklagten hätten der GTS zugesichert, für sämtliche Verbindlichkeiten der K. bezüglich des Auftragsvolumens der GTS einzustehen, ein Schuldbeitritt zu sehen ist.
Unterschriften
Thode, Hausmann, Wiebel, Kuffer, Kniffka
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 03.12.1998 durch Heinzelmann Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539111 |
DB 1999, 524 |
NJW 1999, 1331 |
BauR 1999, 394 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 799 |
MDR 1999, 417 |
ZfBR 1999, 135 |
ZfBR 1999, 59 |