Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Schlechterfüllung einer im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts übernommenen Vertriebspflicht für ein gemeinsam herauszugebendes mehrbändiges Nachschlagewerk.
Normenkette
BGB §§ 276, 705
Verfahrensgang
LG Stuttgart |
OLG Stuttgart |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. April 1980 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, eine schweizer Verlagsgesellschaft, plante die Herausgabe eines mehrbändigen Nachschlagewerkes unter dem Titel „Persönlichkeiten Europas”. Im Jahre 1974 erschien der Band „Schweiz”, Ladenpreis 245 sfr; 1975 der Band „Österreich”, Ladenpreis 1620 öS. In den Jahren 1976 – 1977 sollten die Bände „Deutschland I – III” folgen.
Da der Verkauf der aufwendig ausgestatteten Bände nicht den Erwartungen der Klägerin entsprach, setzte sie sich 1976 mit der Beklagten in Verbindung, um deren Vertriebserfahrungen zu nutzen. Die Parteien einigten sich auf eine Zusammenarbeit, nachdem sie abgesprochen hatten, den Preis, das Format und den Umfang der Ausgabe zu ändern. Am 11. Juni 1976 schlossen sie einen Vertrag über die Produktion und den Vertrieb des zunächst auf 5 Bände festgelegten Werkes. Der Inhalt lautet auszugsweise:
§ 1
1. I. ist 1 Alleininhaber sämtlicher für die Vorbereitung des Werks erforderlicher Rechte und versichert, daß dem keine Rechte entgegenstehen, aus denen Ansprüche Dritter gegenüber B. erwachsen könnten.
3. Das Werk ist zunächst auf fünf Bände geplant, von denen die ersten drei Bände sich auf Persönlichkeiten Deutschlands, der vierte Band auf Persönlichkeiten der Schweiz, der fünfte Band auf Persönlichkeiten Österreichs beziehen.
4. Weitere Bände zu Persönlichkeiten anderer Länder Europas sind beabsichtigt…
5. Als Startauflage der fünf Bände des Werks sind je 10.000 Exemplare vorgesehen…
7. Im Impressum jedes Bandes werden, entsprechend dem Welturheberrechtsabkommen, die Copyrights von I. wie von B. … genannt…
§ 2
1. I. räumt B. alle diejenigen Rechte ein, die zur Erfüllung seiner Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag erforderlich sind, insbesondere das Vertriebsrecht im gesamten deutschen Sprachgebiet.
§ 3
1. I. produziert das Werk entsprechend den Vereinbarungen des § 1 und liefert die fertigen Bände des Werks an B..
2. Als Zeitpunkt für das Erscheinen des ersten Bandes ist der September 1976 von I. wie B. vorgesehen. Die übrigen vier Bände sollen aufeinanderfolgend bis Ende 1977 erscheinen. So früh als möglich wird I. B. die genauen Ablieferungstermine aller fünf Bände nennen, spätestens aber vier Wochen vor Ablieferung jedes Bandes.
3. Der Kostenanteil von Iatas für Produktion und Rechte beträgt DM 10,80. B. übernimmt die Kosten für Werbung und Vertrieb in gleicher Höhe, wie es in § 4 Abs. 2 geregelt ist.
§ 4
1. B. nimmt die von I. produzierten Bände entsprechend den Bestimmungen der §§ 1 und 3 ab und ist zum Vertrieb in den in § 2 Abs. 1 genannten Gebieten allein berechtigt und verpflichtet.
2. Der Kostenanteil von B. für Werbung und Vertrieb betragt DM 10,80; er entspricht in der Höhe somit den von I. für die Produktion aufgewendeten Kosten.
3. Der Verkaufspreis je Band des Werks wird wie folgt festgesetzt: Ladenpreis DM 48,–, Netto-Verkaufspreis DM 26,40, Änderungen dieser Preise bedürfen der Zustimmung beider Vertragsschließender.
§ 5
1. Der nach Abzug aller Unkosten verbleibende bzw. vereinbarte Verlagsanteil in Höhe von DM 4,80 je Band wird zwischen I. und B. hälftig geteilt.
2. Eventuelle Erlöse über diesen Betrag hinaus werden ebenfalls hälftig zwischen I. und B. geteilt.
3. Über den Verkauf der einzelnen Bände des Werks informiert B. I. monatlich. Die Rechnungslegung erfolgt vierteljährlich, und zwar innerhalb von 14 Tagen nach Quartalsende.
4. Die Beträge aus der Abrechnung an I. sind jeweils 60 Tage nach Rechnungslegung fällig,
§ 7
4. Maßgeblich für die Vertragsbeziehung zwischen I. und B. sind die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland. Ergänzend hierzu sind die Bestimmungen des deutschen Urheberrechts anzuwenden.”
Von dem in einer Auflage von 10,000 Exemplaren zunächst gedruckten Band „Deutschland I” lieferte die Klägerin je einen Teil im Oktober 1976 und im Juli 1977 an die Beklagte aus; nach einer Abrechnung der Beklagten vom 31. Dezember 1978 wurden von diesem Band insgesamt 667 Exemplare verkauft. In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu Differenzen. Die weiter geplanten Bände sind bislang nicht erschienen. Die Klägerin hat ihre Verlagsproduktion im Frühjahr/Sommer 1977 eingestellt.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 640.000,– DM.
Sie hat die Ansicht vertreten, daß die Beklagte ihre Vertriebspflicht verletzt habe. Dazu hat sie im einzelnen vorgetragen: Die Beklagte habe entgegen der vertraglichen Absprache und wiederholten Zusicherungen nicht für das gemeinsame Werk geworben; sie habe es weder in ihre Herbstinformation 1976 noch in ihre Frühjahrs- und Herbstinformation 1977 aufgenommen. Da die Beklagte auch sonst nichts für einen erfolgreichen Vertrieb getan habe, habe sie – die Klägerin – sich aus wirtschaftlichen Überlegungen gezwungen gesehen, auf eine Fertigstellung der noch ausstehenden Bände zu verzichten. Sie selbst habe ihre vertraglichen Verpflichtungen eingehalten; und zwar habe sie die Biografien für das gesamte Werk im wesentlichen im Jahr 1976 zusammengetragen sowie die Bände „Schweiz” und „Österreich” im März/April 1977 neu redigiert, auf das kleinere Format umgestellt und druckfertig an die Druckerei geliefert. Der Band „Deutschland II”, über dessen Inhalt sie die Beklagte durch Übersendung eines Teils der Arbeitsfassung informiert habe, sei satzfertig und die Arbeiten für den Band „Deutschland III” seien weit fortgeschritten gewesen, als sie ihre Verlagsproduktion habe einstellen müssen.
Die Beklagte hat demgegenüber bestritten, ihre vertraglichen Verpflichtungen verletzt zu haben. Zu einer Durchführung der von ihr ausgearbeiteten Vertriebskonzeption sei es aus Gründen, die die Klägerin zu vertreten habe, nicht gekommen. Zum einen sei die urheberrechtliche Berechtigung der Klägerin an dem Nachschlagewerk ungeklärt gewesen, da ein schweizer Rechtsanwalt ihr gegenüber im Juni 1976 und erneut im August 1977 Urheberrechte an dem Verlagswerk geltend gemacht habe. Zum anderen habe die Klägerin ihre Mitwirkungspflichten nicht erfüllt, so daß sie – die Beklagte – keine wirksame Werbung habe starten können. Für ein mehrbändiges Werk könne grundsätzlich nur geworben werden, wenn die Erscheinungstermine vorlägen. Diese seien ihr aber von der Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung nicht genannt worden. Vor allem sei eine sinnvolle Werbung aber dadurch verhindert worden, daß die Klägerin zu keinem Zeitpunkt vollständige Inhaltsverzeichnisse (Namenslisten) über die Bände Deutschland II und III vorgelegt habe. Sie sei dazu ständig gedrängt worden und habe die Übersendung der Verzeichnisse auch verschiedentlich in Aussicht gestellt. Für den Band Deutschland II habe sie – die Beklagte – nur einen Teil der vorgesehenen Beiträge erhalten. Nach dem von ihr festgelegten und der Klägerin bekannt gegebenen Marketingkonzept sei aber die Kenntnis aller Namen und der Erscheinungstermine notwendig gewesen, weil ein derartiges Werk nicht über den Sortimentshandel, sondern im wesentlichen nur unter Einschaltung von Mailorder-Firmen vertrieben werden könne. Letztlich sei eine Durchführung des Vertrages daran gescheitert, daß die Klägerin in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei.
Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der Verzugshaftung aus § 326 BGB geprüft und das Vorliegen der Voraussetzungen hierfür verneint. Dazu hat es ausgeführt: Die Beklagte sei schon deshalb nicht in Verzug geraten, weil ihre Leistung noch nicht fällig gewesen sei. Der Vertrag vom 11. Juni 1976 enthalte keine ausdrückliche Regelung darüber, wann und auf welche Weise die Beklagte mit der Werbung für das gemeinsame Werk habe beginnen sollen. Da sie insoweit einen gewissen Ermessensspielraum gehabt habe, könne ihr nicht vorgeworfen werden, daß sie das Nachschlagewerk hauptsächlich mit Hilfe einer Mailorder- oder Vertreterwerbung habe vertreiben wollen. Eine derartige Werbung sei aber erst sinnvoll und erfolgversprechend, wenn das Gesamtwerk vorliege oder wenigstens der Inhalt und die genauen Erscheinungstermine festständen. Die Beklagte habe die Klägerin auch auf das vorgesehene Vertriebskonzept aufmerksam gemacht. Aus den genannten Gründen würde eine etwaige Säumnis der Beklagten von ihr nicht zu vertreten sein, so daß ein Verzug auch daran scheitere. Darüber hinaus sei auch nicht ersichtlich, daß die Klägerin die Beklagte überhaupt gemahnt und ihr eine Frist mit Ablehnungsandrohung gesetzt habe.
Für den Fall, daß wegen der starken gesellschaftsrechtlichen Bestandteile des Vertrages vom 11. Juni 1976 die Anwendung des § 326 BGB ausscheide, hat das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Anspruchsbegründung aus positiver Vertragsverletzung erwogen, aber verneint, da es auch insoweit am Verschulden fehle.
Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsirrtum.
II. 1. Die vom Berufungsgericht in erster Linie geprüfte Verzugshaftung nach § 326 BGB würde voraussetzen, daß die geschuldete Leistung ganz oder teilweise überhaupt nicht erbracht worden ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Nach dem Klagevorbringen geht es nicht darum, ob die Beklagte mit ihrer vertraglich übernommenen Vertriebspflicht in Verzug geraten ist, sondern darum, ob sie sich unzureichend um den Vertrieb gekümmert, den Vertrag mithin schlecht erfüllt hat. Der Vertrieb ist im Streitfall nicht gänzlich unterblieben; denn von dem zunächst gedruckten Band „Deutschland I” sind 667 Exemplare verkauft worden. Die Klägerin hat ihre Klage dementsprechend darauf gestützt, daß die Beklagte nicht alles getan habe, was für einen erfolgreichen Vertrieb erforderlich gewesen wäre; insbesondere nicht hinreichend für das gemeinsame Werk geworben habe.
Für diese Beurteilung kommt es entscheidend auf die Rechtsnatur und den Inhalt des Vertrages an. Das Berufungsgericht hat zwar darauf hingewiesen, daß der Vertrag der Parteien vom 11. Juni 1976 in starkem Maße gesellschaftsrechtliche Bestandteile enthält; es hat jedoch letztlich seine Rechtsnatur offengelassen. Da es keiner weiteren Tatsachenfeststellungen bedarf, kann das Revisionsgericht diese Frage selbst abschließend entscheiden. Der Vertrag vom 11. Juni 1976 ist seinem Inhalt und Wesen nach unter Berücksichtigung der von den Parteien zugrundegelegten Zweckverfolgung als Gesellschaftsvertrag (§ 705 BGB) zu beurteilen. Die Parteien haben sich zur Förderung eines gemeinsamen Zweckes zusammengeschlossen. Die Ziele der Klägerin, die die Herstellung und Vervielfältigung des Werkes übernommen hat, und die der Beklagten begegnen sich in dem gemeinsamen Interesse an der von der Beklagten übernommenen Verbreitung des unter einem gemeinsamen Impressum herauszugebenden Werkes. Die für den Gesellschaftsvertrag wesentliche Zweckgemeinschaft kommt auch darin zum Ausdruck, daß beide Parteien das wirtschaftliche Risiko gemeinsam tragen. Von dem Nettoverkaufspreis eines Jeden Bandes von 26,40 DM (vgl. § 4 Nr. 3 des Vertrages) erhalten sowohl die Klägerin für die zur Verfügung gestellten Rechte und die Produktion (§ 3 Nr. 3 des Vertrages) als auch die Beklagte für Werbung und Vertrieb (§ 4 Nr. 2 des Vertrages) einen Kostenanteil von je 10,80 DM, während der verbleibende Betrag von 4,80 DM je Band zwischen ihnen hälftig geteilt wird (§ 5 Nr. 1 des Vertrages).
Die – wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang zutreffend ausgeführt hat – nicht fristgebundene Vertriebspflicht der Beklagten war nach dem Vertrag vom 11. Juni 1976 als gesellschaftsrechtliche Verpflichtung zur Leistung von Diensten (§ 706 Abs. 3 BGB), die über einen längeren Zeitraum fortlaufend zu erbringen waren, ausgestaltet. Dieser Vertriebspflicht ist die Beklagte nach dem Klagevorbringen unzureichend nachgekommen; sie soll also ihre Vertriebspflichten schlecht erfüllt haben. Ein solcher Fall der Schlechterfüllung ist aber bei Verträgen ohne gesetzliche Gewährleistungsvorschriften – wie den Gesellschaftsverträgen – allein nach den Grundsätzen über die Haftung für positive Vertragsverletzung zu beurteilen (vgl. Palandt-Heinrichs, Kommentar zum BGB, 41. Auflage 1982, § 276 Anm. 7 b aa; Jauernig-Vollkommer, Kommentar zum BGB, 1979, § 276 Anm. V 2 a aa). Einer Abmahnung entsprechend der in § 326 Abs. 1 BGB enthaltenen Regelung bedurfte es bei der besonderen Fallgestaltung nicht. Es liegt in der Natur des auf eine längere Dauer angelegten Gesellschaftsverhältnisses der Parteien, daß die Vertriebspflicht der Beklagten nicht fristgebunden, sondern fortlaufend zu erfüllen war. Die Schlechterfüllung einer solchen Verpflichtung zeigt sich in aller Regel erst, wenn der Erfolg ausbleibt. Die Frage, ob die Klägerin die Einstellung der Verlagsproduktion der Beklagten hätte ankündigen müssen, kann allerdings im Rahmen des zu prüfenden Mitverschuldens bedeutsam werden (vgl. unten unter III, vorletzter Absatz).
Die Klägerin kann ihren Anspruch im Streitfall auch unmittelbar gegen die Beklagte geltend machen. Denn angesichts der klaren Aufgabenteilung und der wirtschaftlichen Selbständigkeit der beiderseits erbrachten Aufwendungen bedarf es mangels eines Gesellschaftsvermögens ausnahmsweise keiner gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung. Der dem Streitfall zugrundeliegende Vertrag ist so gestaltet, daß er lediglich Einzelansprüche beider Vertragspartner vorsieht.
2. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es mithin darauf an, ob die Beklagte ihre Vertriebspflicht durch unzureichende Werbung schuldhaft verletzt und dadurch den Vertragszweck vereitelt hat.
Das Berufungsgericht hat insoweit lediglich festgestellt, daß unter Berücksichtigung der Bekundungen des Zeugen M. kein Verschulden der Beklagten angenommen werden könne.
Diese Begründung hält auch unter Einbeziehung der zuvor im Zusammenhang mit der Fälligkeit angestellten Erwägungen des Berufungsgerichts den Angriffen der Revision nicht stand. Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht den Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt hat.
a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Vertrieb des Nachschlagewerks eine wirksame Werbung erforderte. Das Berufungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß der Vertrag vom 11. Juni 1976 nicht regelt, wann und wie die Beklagte mit der Werbung zu beginnen hatte. Danach war es zwar grundsätzlich Sache der Beklagten, über Art und Umfang sinnvoller Werbemaßnahmen selbst zu entscheiden. Falls das Berufungsgericht aber aus der fehlenden vertraglichen Regelung gefolgert haben sollte, daß der Zeitpunkt für den Beginn der Werbemaßnahmen im Ermessen der Beklagten lag, wäre dies nicht richtig. Denn aus dem Gesamtinhalt des Vertrages, der Interessenlage und dem eigenen Verhalten der Beklagten ist zu entnehmen, daß die Erfüllung der Vertriebspflicht eine baldige Werbung notwendig machte. In § 3 Nr. 2 des Vertrages ist geregelt, daß die fünf zunächst geplanten Bände aufeinanderfolgend in etwa dreimonatigen Abständen fertiggestellt und an die Beklagte ausgeliefert werden sollten. Das kann nur den Sinn gehabt haben, daß korrespondierend auch der Vertrieb und damit die Werbung der Beklagten bald einsetzen sollte. Dafür sprechen auch wirtschaftliche Überlegungen, Denn die Klägerin hatte für die Produktion erhebliche Vorleistungen zu erbringen (vgl. § 3 Nr. 3 des Vertrages), Auch die Beklagte selbst ist davon ausgegangen, daß eine alsbaldige Werbung notwendig war, um den Vertrieb einzuleiten. Denn schon mit Schreiben vom 26. April 1976, mit dem sie der Klägerin zugleich den den Vertragsentwurf übersandte, teilte sie mit: „Für unsere Herbstinformation benötigen wir ganz dringend den Schutzumschlag des ersten Deutschland-Bandes”.
b) Ihrer Verpflichtung zu einer alsbaldigen Werbung ist die Beklagte nicht nachgekommen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gehörte zu einer wirksamen Werbung vor allem die von der Beklagten selbst für erforderlich gehaltene Brief- (Mailorder-) und Vertreterwerbung. Die Beklagte hat jedoch sowohl die Anfertigung eines für eine solche Werbung notwendigen besonderen Prospektes als auch diese Werbung selbst unterlassen. Sie hat das zu vertreibende Werk auch nicht – wie in ihrem Schreiben vom 26. April 1976 angekündigt – in ihrem Verlagsprospekt aufgeführt. Nach ihren eigenen Angaben hat sie das Werk lediglich in ihre Vertreter-Auftragsblöcke für 1977 bis 1979 aufgenommen und ihre Vertreter für den ersten Besuch mit einem Band und später mit einer sog. Backlistkarte ausgestattet; außerdem hat sie die Aufnahme des Werkes in den O.-H.-B. veranlaßt. Die Beklagte geht selbst davon aus, daß dies keine ausreichenden Werbemaßnahmen waren.
c) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die unzureichende Werbung nicht verschuldet, weil ihr die Klägerin weder die kompletten Namenslisten noch die Erscheinungstermine der einzelnen Bände mitgeteilt habe, beruht auf einer unvollständigen Würdigung des Sachverhalts.
Offengeblieben ist die Frage, warum die Beklagte entgegen ihrer eigenen Ankündigung in dem genannten Schreiben vom 26. April 1976 das Werk nicht in ihre Verlagsprospekte aufgenommen hat. Einen Grund dafür hat sie selbst nicht angeführt; insbesondere hat sie nicht behauptet, den erbetenen Schutzumschlag für den Band „Deutschland I”, der im übrigen im O.-H.-B. abgebildet ist, nicht rechtzeitig erhalten zu haben. In dem Schreiben vom 26. April 1976 werden außer dem Schutzumschlag keine weiteren Angaben für die Herbstinformation oder sonstige Prospekte verlangt. Es ist danach nicht ersichtlich, warum die Beklagte nicht für den bereits im Oktober 1976 an sie ausgelieferten ersten Band des Nachschlagewerkes noch rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft 1976 geworben hat.
Weiter reichen die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht aus, die Beklagte von dem Vorwurf zu entlasten, den für eine Brief- und Vertreterwerbung erforderlichen Prospekt nicht fertiggestellt zu haben. Die Revision rügt zu Recht, daß die Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagte könne sich damit entschuldigen, daß die Klägerin ihre Mitwirkung versagt habe, nicht verfahrensfehlerfrei getroffen worden ist. Weder aus den Bekundungen der Zeugen noch aus dem vorgelegten Schriftwechsel ist zu ersehen, daß die Beklagte die genauen Erscheinungstermine für die späteren Bände und die fehlende Namensliste für den Band „Deutschland III” rechtzeitig und deutlich genug erbeten hat.
Allein aus der Bekundung des Zeugen M., auf die sich das Berufungsgericht stützt, läßt sich dies nicht entnehmen. Das Berufungsgericht läßt offen, wann der Zeuge die Klägerin auf die Notwendigkeit weiterer Angaben hingewiesen hat. Er hat sich bei seinen Vernehmungen zeitlich auch nicht genau festlegen können. Das Berufungsgericht hat bei seiner Beweiswürdigung auch die Aussage des Zeugen Dr. M. nicht hinreichend berücksichtigt. Die Annahme, zwischen beiden Aussagen bestehe kein Widerspruch, ist nicht denkfehlerfrei.
Denn nach der Bekundung des Zeugen Dr. M. waren Gegenstand seiner Gespräche mit dem Zeugen M. im Winter und Frühjahr 1977 auch die Werbemaßnahmen; der Zeuge M. habe ihm immer wieder erklärt, daß die Werbung im Konzept fertig sei. Das Berufungsgericht wird im Zusammenhang damit auch den von den Parteien vorgelegten Schriftwechsel zu würdigen und weitere Feststellungen zu der Behauptung der Klägerin zu treffen haben, daß die Beklagte sie nicht rechtzeitig und deutlich genug darüber aufgeklärt habe, welche Angaben sie für ihren Prospekt benötigte. In dem erwähnten Schreiben der Beklagten vom 26. April 1976 wird weder die Namensliste noch die Angabe der genauen Erscheinungstermine verlangt. Die Namensliste für die Bände „Deutschland II” und Deutschland. III” forderte sie – soweit ersichtlich – erstmals mit Schreiben vom 26. Januar 1977 an; darin werden die Listen jedoch in einem anderen Zusammenhang erbeten. Aus dem Schreiben ergibt sich nicht, daß die Beklagte die Listen für einen Prospekt benötigte; auch ist ihm nicht zu entnehmen, daß die Erscheinungsdaten fehlten. Die Beklagte machte vielmehr den Vorschlag, die ganze Werbung hinauszuzögern, bis eine Konzeption für ein Gesamtwerk mit 16 Bänden vorläge. Dieses Verlangen war unberechtigt, da sich der Vertrag vom 11. Juni 1976 zunächst nur auf fünf Bände bezog. Auf dieses Gesamtkonzept und nicht auf die fehlende Namensliste und die Erscheinungstermine kommt die Beklagte dann auch in ihrem Schreiben vom 1. Juni 1977 zu sprechen. Die Erscheinungstermine werden schriftlich offensichtlich erstmals mit Schreiben vom 9. August 1977 erbeten. Es spricht deshalb vieles dafür, daß die Beklagte zunächst die Regelung in § 3 Nr. 2 des von ihr selbst entworfenen Vertrages vom 11. Juni 1976 für ausreichend hielt. Danach war als Zeitpunkt für das Erscheinen des ersten Bandes der September 1976 vorgesehen, während die übrigen vier Bände aufeinanderfolgend bis Ende 1977 erscheinen sollten. Gestützt wird diese Annahme durch die Angaben im Vertreter-Auftragsblock der Beklagten. Dort wird als Erscheinungstermin für die Bände „Deutschland II und III” Frühjahr 1977, für den Band „Österreich” Sommer 1977 und den Band „Schweiz” Herbst 1977 angegeben.
Bei dieser Sachlage liegt die Annahme nahe, daß die Beklagte schon frühzeitig in der Lage war, einen Prospekt für eine Brief- und Vertreterwerbung anzufertigen. Die Grundlagen für eine inhaltliche Ausgestaltung dürften ausgereicht haben. Die Beklagte kannte den Inhalt der Bände „Deutschland I”, „Schweiz” und „Österreich”, für den Band „Deutschland II” hatte sie auf ihre Anforderung vom 26. Januar 1977 von der Klägerin mit Schreiben vom 17. Februar 1977 den Entwurf einer Namensliste erhalten. Es fehlte mithin lediglich die Namensliste für den Band III. Da in einem Prospekt aber ohnehin nur beispielhaft auf den Inhalt des Werkes – hier auf die in ihm enthaltenen Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik – hingewiesen werden kann, ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum die Beklagte die notwendigen Hinweise nicht den Namenslisten für die Bände „Deutschland I und II” entnehmen konnte. Jedenfalls fehlt es insoweit an gegenteiligen Feststellungen des Berufungsgerichts.
Mit der Anfertigung eines Prospektes wäre der Beklagten aber auch die für erforderlich gehaltene Brief- und Vertreterwerbung möglich gewesen. Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß eine derartige Werbung erst sinnvoll und erfolgversprechend sei, wenn das Gesamtwerk vorliege (BU 14), entspricht nicht dem Inhalt des Vertrages, der von einer sukzessiven Fertigstellung des mehrbändigen und auf ein mehrjähriges Erscheinen angelegten Werkes ausgeht (vgl. § 3 Nr. 2). Die Fertigstellung des ersten Bandes erfolgte im Herbst 1976; nach dem Vertrag sollte ersichtlich jeweils vorher bereits für die Einzelwerke und die gesamte Reihe geworben werden. Die vom Berufungsgericht weiter für erforderlich gehaltenen Voraussetzungen, daß vor einer wirksamen Werbung wenigstens der Inhalt des Werkes und die genauen Erscheinungstermine feststehen mußten, lassen sich danach jedenfalls für den hier benötigten Zweck nicht ohne weiteres in Abrede stellen. Dies gilt auch dann, wenn man dem Berufungsgericht (BU 14) darin folgt, daß mit der Werbung vorwiegend Kaufinteressenten im Umkreis der von der Klägerin ausgewählten Persönlichkeiten und darüber hinaus Verbände, Institute und Betriebe angesprochen werden sollten, in denen diese Persönlichkeiten tätig oder bekannt sind. Um diese Zielgruppe zu erfassen, war die Beklagte aber – wie das Landgericht zutreffend annimmt – nicht zwingend, auf die Namensliste für den Band „Deutschland III” angewiesen. Falls die Beklagte anderer Ansicht war, hätte sie dies der Klägerin rechtzeitig und deutlich zu erkennen geben müssen. Das hat sie nach den getroffenen Feststellungen aber nicht getan. Vor allem ist nicht ersichtlich, warum sie von der Klägerin nicht gleich bei Vertragsabschluß eine vollständige Übersicht über den Inhalt der fünf Bände verlangt hat, wenn sie dies zur Durchführung einer wirksamen Vertriebskonzeption für erforderlich hielt.
III. Das Berufungsurteil konnte danach keinen Erfolg haben. Es war auf die Revision der Klägerin aufzuheben, und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für die erneute Verhandlung und Entscheidung kann ferner die vom Berufungsgericht offen gelassene Frage bedeutsam werden, ob die Beklagte ihre Vertriebspflicht bereits deshalb nicht zu erfüllen brauchte, weil von seiten eines Dritten (S.) Urheberrechte an dem gemeinsam herauszugebenden Werk geltend gemacht worden sind.
Für den Umfang einer etwaigen Haftung der Beklagten wird es auch darauf ankommen, ob die Verletzung der Vertriebspflicht inzwischen dazu geführt hat, daß der Vertragszweck mit den seinerzeit vorgesehenen Bedingungen nicht mehr erreicht werden kann. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin zwar im Frühjahr/Sommer 1977 ihre Verlagsproduktion eingestellt. Dem Berufungsurteil ist indessen nicht zu entnehmen, ob und ggfs. zu welchem Zeitpunkt die Parteien den Gesellschaftszweck als endgültig gescheitert angesehen haben.
Sollte das Berufungsgericht zur Annahme einer Haftung der Beklagten gelangen, wird es weiter zu prüfen haben, ob die Klägerin ein Mitverschulden trifft. Dabei wird es insbesondere darauf ankommen, ob die Klägerin ihre Mitwirkungspflichten nicht hinreichend erfüllt und dadurch die Werbung erschwert hat. Ferner wird zu prüfen sein, ob der Klägerin anzulasten ist, daß sie sich nicht zu der mit Schreiben der Beklagten vom 26. Januar 1977 vorgeschlagenen Konzeption für ein Gesamtwerk mit 16 Bänden geäußert und schließlich im Frühjahr/Sommer 1977 die weitere Produktion ohne vorherige Ankündigung und Fristsetzung eingestellt hat. In diesem Zusammenhang wird auch zu prüfen sein, ob es der Klägerin zumutbar war, auf eigenes Risiko weiter zu produzieren, nachdem infolge der unzureichenden Werbung kein nennenswerter Absatz erzielt werden konnte.
Die vom Berufungsgericht angeführten Bedenken, daß das Landgericht durch Grundurteil entschieden hat, sind unbegründet. Vorliegend ist eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür gegeben, daß der geltend gemachte Klaganspruch – seine Begründetheit vorausgesetzt – in irgendeiner Höhe besteht (vgl. BGHZ 53, 17, 23). Es kann hier dahingestellt und einer Klärung im Betragsverfahren überlassen bleiben, ob die Klägerin zur Fertigstellung des gesamten Werkes in der Lage gewesen wäre. Die Umstände sprechen jedenfalls dafür, daß zumindest von dem bereits in einer Auflage von 10,000 Exemplaren hergestellten Band „Deutschland I” bei einer wirksamen Werbung mehr als 667 Exemplare verkauft worden wären.
IV. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht auch zu prüfen haben, ob über den im Verhandlungstermin vor dem Landgericht vom 8. Februar 1979 anerkannten Betrag von 8.804,40 DM, den das Landgericht bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hat, zu befinden ist.
Unterschriften
v. Gamm, v. Albert, Piper, Erdmann, Teplitzky
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 04.03.1982 durch Mehrhof Justiz angestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen