Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbot der Tätigkeit eines Steuerberaters im Vorstand einer unternehmensberatenden Aktiengesellschaft
Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit eines Berufsangehörigen der steuerberatenden Berufe im Vorstand einer unternehmensberatenden Aktiengesellschaft ist gewerbliche Tätigkeit.
Normenkette
StBerG § 50 Abs. 2, § 57 Abs. 2, 4 Nr. 1, § 72 Abs. 1, § 74 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 31.05.1995; Aktenzeichen StO 1/94) |
LG Köln (Urteil vom 24.11.1993; Aktenzeichen 171 StL 9/93) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. Mai 1995 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
1. Der Berufsangehörige ist Rechtsanwalt. Als Geschäftsführer zweier Steuerberatungsgesellschaften ist er Pflichtmitglied der Steuerberaterkammer und unterliegt dem Berufsrecht der Steuerberater (§§ 50 Abs. 2, 74 Abs. 2, 72 Abs. 1 StBerG). Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer ist der Berufsangehörige Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft, deren Gegenstand nach ihrer Satzung die betriebswirtschaftliche Beratung von Unternehmen und die Vermittlung von Unternehmenskaufverträgen ist.
Die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Landgerichts Köln hat darin eine unzulässige gewerbliche Tätigkeit nach § 57 Abs. 2, Abs. 4 Nr. 1 StBerG gesehen; sie hat dem Berufsangehörigen deshalb wegen fahrlässiger Berufspflichtverletzung einen Verweis erteilt. Auf seine Berufung hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 31. Mai 1995 das angefochtene Urteil aufgehoben und den Berufsangehörigen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die – wegen grundsätzlicher Bedeutung vom Oberlandesgericht zugelassene – Revision der Staatsanwaltschaft, mit der eine Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
2. Der Entscheidung des Berufungsgerichts liegen im einzelnen folgende Feststellungen zugrunde:
Der Berufsangehörige ist seit 1986 als Rechtsanwalt zugelassen. Seit 1989 ist er Geschäftsführer der Dr. B., Treuhand- und Steuerberatungsgesellschaft mbH in K.; daneben war er von 1990 bis Frühjahr 1993 Geschäftsführer der Dr. B., Steuerberatungsgesellschaft mbH in T..
Durch Vertrag vom 30. September 1990 wurde der Berufsangehörige zum weiteren Vorstandsmitglied der Firma Dr. B. Unternehmensberatung Aktiengesellschaft in K. bestellt. In diesem Vertrag ist u.a. vereinbart:
„§ 1 Grundpflichten; Zuständigkeit
(1)
Der Vorstand wird zum weiteren Vorstandsmitglied berufen.
Der Vorstand ist berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft nach Maßgabe der Satzung zu vertreten.
Die Bereiche Akquisition, Unternehmensberatung, Bearbeitung von Gutachten, Rechnungswesen, Fakturierung und Personal liegen im Verantwortungsbereich von Frau Dr. E..
Herr Rechtsanwalt B. übernimmt ausschließlich die Rechtsberatung der Gesellschaft, insbesondere bei Beteiligungsfragen, bei der Übernahme von Franchisegeberstellungen und im Bereich des Arbeitsrechts. Den letztgenannten Bereich übernimmt Herr Rechtsanwalt B. eigenverantwortlich.
Abweichend von der Vertretungsbefugnis laut Satzung wird Herr Rechtsanwalt B. die Vertretung der Gesellschaft nur in seinem Bereich übernehmen, es sei denn, daß aus dringenden Gründen eine Vertretung durch Herrn B. notwendig wird (z.B. Krankheit von Frau Dr. E.).
Der Vorstand ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
(2)
Der Vorstand führt die Geschäfte der Gesellschaft nach den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmanns. Gesetz und Gesellschaftsvertrag sind von ihm zu beachten.
§ 3 Arbeitszeit
Eine feste Arbeitszeit besteht nicht.
Der Vorstand bleibt berechtigt, neben seiner Tätigkeit für die Gesellschaft weiterhin seine Tätigkeit als freier Rechtsanwalt und Geschäftsführer von Steuerberatungsgesellschaften uneingeschränkt auszuüben. Soweit die Belange der anwaltlichen Tätigkeit oder der Tätigkeit als Geschäftsführer von Steuerberatungsgesellschaften durch die Vorstandstätigkeit beeinträchtigt werden sollten, ist die Gesellschaft verpflichtet, solche Tätigkeiten durch Frau Dr. E. oder andere Mitarbeiter ausüben zu lassen, damit die anwaltliche Tätigkeit oder die Tätigkeit als Geschäftsführer von Steuerberatungsgesellschaften nicht beeinträchtigt wird.
§ 4 Bezüge
Da der Vorstand nur rechtsberatend tätig wird, berechnet sich seine Tätigkeit nach BRAGO.
Gleiches gilt für Auslagenersatz und Spesen.”
In der Satzung der Dr. B. Unternehmungsberatung Aktiengesellschaft ist u.a. bestimmt:
„§ 2
Gegenstand des Unternehmens
1. Gegenstand des Unternehmens ist die betriebswirtschaftliche Beratung von Unternehmen und die Vermittlung von Unternehmenskaufverträgen.
2. Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die dem Gegenstand des Unternehmens dienen. Sie kann zu diesem Zweck Zweigniederlassungen errichten, andere Unternehmen gründen, erwerben oder sich an ihnen beteiligen.”
Zum Vorstand bestimmt die Satzung:
„§ 6
Zusammensetzung
1. Der Vorstand besteht aus mindestens einem Mitglied. Im übrigen bestimmt der Aufsichtsrat die Zahl der Mitglieder des Vorstands. Der Aufsichtsrat kann einen Vorsitzenden des Vorstandes sowie einen stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstandes ernennen. Es können stellvertretende Vorstandsmitglieder bestellt werden.
2. Die Beschlüsse des Vorstandes werden mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.
§ 7
Vertretung der Gesellschaft
1. Ist nur ein Vorstandsmitglied im Amt, vertritt es die Gesellschaft allein.
2. Sind mehrere Personen zum Vorstand bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Vorstandsmitglieder oder durch ein Vorstandsmitglied zusammen mit einem Prokuristen vertreten.
3. Der Aufsichtsrat kann einzelnen Mitgliedern des Vorstandes die Befugnis erteilen, die Gesellschaft alleine zu vertreten und/oder von den Beschränkungen des § 181 BGB Befreiung erteilen.”
Nach dem Ergebnis der vom Berufungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme hat sich die Aktiengesellschaft nur mit Unternehmensberatung im betriebswirtschaftlichen Sinne befaßt. Entgegen dem in § 2 der Satzung auch umschriebenen Unternehmensgegenstand, hat sie seit ihrer Gründung davon abgesehen, Unternehmenskaufverträge zu vermitteln.
Der Berufsangehörige ist im Rahmen seines Vertrages für die Aktiengesellschaft im wesentlichen rechtsberatend mit einem zeitlichen Aufwand von weniger als fünf Stunden in der Woche tätig geworden. Zur Vertretung des Vorstands ist er nicht herangezogen worden.
Vor Antritt seines Vorstandsamtes hat der Berufsangehörige den Sachverhalt der für ihn zuständigen Rechtsanwaltskammer mitgeteilt; diese hatte keine Bedenken im Hinblick auf das anwaltliche Standesrecht.
3. Das Oberlandesgericht hat den Berufsangehörigen vom Vorwurf der Berufspflichtverletzung freigesprochen, weil er im wesentlichen nur rechtsberatend – also im Rahmen einer vereinbaren Tätigkeit nach § 57 Abs. 3 Nr. 2 StBerG – im Vorstand mitgewirkt habe. Eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne von § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG sei seitens der Aktiengesellschaft tatsächlich nicht entfaltet worden; denn Unternehmenskaufverträge habe die Aktiengesellschaft zu keinem Zeitpunkt vermittelt. Bei dieser Sachlage könne dahinstehen, ob schon die mit dem Vorstandsvertrag eingegangene Verpflichtung zur Vertretung der Aktiengesellschaft aus dringenden Gründen wegen der weitergehenden Satzung eine „Tätigkeit” im Sinne des § 57 StBerG darstelle. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 57 Abs. 2 Satz 1 StBerG könne es im Hinblick auf die Grundsätze der Berufsfreiheit und der Verhältnismäßigkeit nämlich nicht auf einen in der Öffentlichkeit möglicherweise entstandenen Anschein einer unerlaubten Tätigkeit ankommen, sondern nur auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit. Gesetzesanalogie zum Nachteil des Berufsangehörigen sei unzulässig.
Auf die Frage, ob die im Urteil des Berufungsgerichts festgestellte unternehmensberatende Tätigkeit der Aktiengesellschaft eine dem Berufsangehörigen zuzurechnende gewerbliche Tätigkeit im Sinne von § 57 Abs. 4 StBerG darstellt, ist das Oberlandesgericht – anders als die Anschuldigungsschrift und ihr folgend das Landgericht – nicht eingegangen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist zulässig (§ 129 Abs. 1 Nr. 3 StBerG) und begründet. Die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen eine gewerbliche Tätigkeit des Berufsangehörigen im Ergebnis verneint wird, halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Nach § 57 Abs. 2 StBerG haben Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufes nicht vereinbar ist. Als nicht vereinbar mit dem Beruf gilt nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG insbesondere eine gewerbliche Tätigkeit.
Dieses gesetzlich geregelte Verbot gewerblicher Betätigung ist nach § 72 Abs. 1 StBerG ausdrücklich auch auf Berufsangehörige sinngemäß anzuwenden, die nicht Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte sind, sondern als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft (§ 50 Abs. 2 StBerG) Mitglieder der Berufskammer sind (§ 74 Abs. 2 StBerG) und insoweit dem Berufsrecht der Steuerberater unterliegen. Davon unberührt bleibt die Mitgliedschaft eines solchen Berufsangehörigen aufgrund einer anderen Berufsqualifikation in einer weiteren Berufskammer mit den daraus sich ergebenden – möglicherweise abweichend geregelten – standesrechtlichen Pflichten. In einem solchen Fall ist das jeweils strengere Berufsrecht maßgebend, will der Berufsangehörige umfassend den ihm obliegenden Pflichten entsprechen (BVerfGE 54, 237, 247; Kuhls/Maxl, StBerG, § 57, Rdn. 10; Gehre, StBerG, 3. Aufl., § 57, Rdn. 5 jew. m.w.N.).
a) Das Verbot der gewerblichen Tätigkeit ist die Folge der Regelung in § 32 Abs. 2 StBerG, wonach Steuerberater und Steuerbevollmächtigte einen freien Beruf und kein Gewerbe ausüben. Sie sind – den Rechtsanwälten vergleichbar – ein unabhängiges Organ der Steuerrechtspflege; das Berufsbild ist ausgerichtet auf den Vorrang der persönlichen berufsspezifischen Leistung vor den wirtschaftlichen Aspekten der Tätigkeit (Kuhls, StBerG, § 32 Rdn. 14). Es ist geprägt durch die unabhängige und unparteiliche Erfüllung der den steuerberatenden Berufen übertragenen Aufgabe, eine umfassende Hilfeleistung in Steuersachen zu gewährleisten.
Daß der Gesetzgeber befugt ist, Berufe, die sich zunächst frei entwickelt haben, rechtlich zu ordnen und ihre Berufsbilder festzuschreiben, ist vom Bundesverfassungsgericht frühzeitig anerkannt und auch für die steuerberatenden Berufe wiederholt bestätigt worden (BVerfGE 21, 173, 180; 22, 275 = NJW 1967, 1317 und 1747; BVerfGE 54, 237, 246). Die gesetzlich geregelten Unvereinbarkeiten zwischen dem Beruf und anderen – insbesondere gewerblichen – Tätigkeiten, sind von Verfassungs wegen im Hinblick auf Artikel 12 GG nicht beanstandet worden. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht derartige Regelungen für besonders geeignet erachtet, den Beruf eindeutig zu prägen, das Berufsbild klar zu umgrenzen, die Aufsicht über die gewissenhafte Erfüllung der Berufspflichten zu erleichtern und so das Ansehen des Berufes zu fördern (BVerfGE 21, 173, 181).
b) Diese Grundsätze gelten zur Vermeidung einer Kommerzialisierung für die steuerberatenden Berufe im Interesse einer wirksamen Steuerrechtspflege auch weiterhin (vgl. BVerfG DStR 1993, 530). Dem steht nicht entgegen, daß das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 4. November 1992 (BVerfGE 87, 287 ff. = NJW 1993, 317) für den Beruf des Rechtsanwalts im Einzelfall eine kaufmännisch-erwerbswirtschaftliche Tätigkeit im Zweitberuf für vereinbar gehalten hat, sofern eine Interessenkollision durch eine klare Trennung der Tätigkeitsfelder vermeidbar ist und dem Berufsangehörigen ausreichend Zeit für die Ausübung seines Anwaltsberufes verbleibt.
aa) Die Berufe des Steuerberaters und des Rechtsanwalts sind weitgehend wesensgleich; die dem jeweiligen Standesrecht zugrundeliegenden Berufsauffassungen und Pflichten sind gleich (BVerfGE 80, 269, 280, 281). Dies hat indessen nicht eine absolute Gleichbehandlung der Angehörigen dieser Berufsgruppen zur Folge; vielmehr ist auf die spezifischen Besonderheiten der jeweiligen Berufe abzustellen (vgl. Kuhls/Maxl, StBerG, § 57 Rdn. 403 f.). Abgesehen davon, daß § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG – anders als die allgemein gefaßten Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) – ausdrücklich ein gesetzliches Verbot gewerblicher Betätigung durch den Steuerberater normiert, liegt in einem Fall wie dem vorliegenden – in dem die beratende Tätigkeit eines Steuerberaters mit der eines Unternehmensberaters zu vergleichen ist – die vom Bundesverfassungsgericht für schädlich und dem Beruf abträglich erachtete Gefahr einer Interessenkollision schon bei allgemeiner Betrachtung auf der Hand. Während die anwaltliche Tätigkeit in einer Vielzahl von Fällen auch ohne Kenntnisse von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Mandanten denkbar und wirksam möglich ist, bringt es die steuerberatende Tätigkeit nahezu ausnahmslos mit sich, daß dem Berater die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse eines Mandanten umfassend im Rahmen einer oftmals jahrelangen dauerhaften Zusammenarbeit offenbart werden müssen, wenn eine sachgerechte Hilfe in steuerlichen Angelegenheiten gewährleistet werden soll. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 15. Februar 1967 (BVerfGE 21, 173, 182) für die steuerberatenden Berufe eine Kombination mit einer gewerblichen Tätigkeit für noch weniger erträglich erachtet, als bei anderen freien Berufen. Schon die Möglichkeit, Kenntnisse und Informationen aus der steuerberatenden Tätigkeit im Rahmen des eigenen Gewerbes zum eigenen Nutzen und zum Nachteil des Mandanten umzusetzen, könnte die vom Gesetzgeber gewollte Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Beraters gegenüber seinem Auftraggeber sowie das Vertrauensverhältnis zwischen diesen beeinträchtigen (ebenso: BGH NJW 1981, 399, 400; sowie zu § 57 Abs. 4 Nr. 2 StBerG: BFH BStBl II 1979, 202, 206; BStBl II 1987, 790; BFH/NV 1993, 693). An diese Entscheidung anknüpfend hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 4. November 1992 (NJW 1993, 317, 321) die überaus naheliegende Interessenkollision bei gewerblicher Tätigkeit eines Steuerberaters hervorgehoben und die aufgezeigte andersartige Interessenlage des Rechtsanwalts davon abgesetzt; nur diese gebietet danach von Verfassungs wegen im Hinblick auf die Freiheit der Berufswahl eine differenzierte Regelung, die dem Einzelfall gerecht werden kann.
bb) Der Gesetzgeber hat dementsprechend an dem absoluten Gewerbeverbot für die steuerberatenden Berufe festgehalten. Während das anwaltliche Berufsrecht mit der Neufassung der §§ 7 Nr. 8, 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen verfassungsrechtlichen Anforderungen angepaßt wurde, blieb § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG bei der Novellierung durch das 6. Steuerberatungsänderungsgesetz vom 24. Juni 1994 (BGBl I S. 1387) – das vor allem dazu diente, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Standesrichtlinien der Rechtsanwälte auch für die steuerberatenden Berufe umzusetzen – unverändert. Mittelbar fand § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG dadurch eine Bestätigung, daß in der Begründung zum 6. Steuerberatungsänderungsgesetz ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, eine gewerbliche Betätigung solle wie bisher mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbar sein, eine Soziierung mit Gewerbetreibenden demnach auch unzulässig bleiben. Dies entspreche der Grundvorstellung der „freien” und durch berufsständische Selbstverwaltung überwachten Berufsausübung (BT-Drucks. 12/6753 S. 11, 2. Spiegelstrich; S. 17). Ob die uneingeschränkte Anwendung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG auch auf Sachverhalte, bei denen eine Interessenkollision auszuschließen ist, verfassungsrechtlich unbedenklich wäre, kann hier dahingestellt bleiben. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
c) Der Begriff der gewerblichen Tätigkeit im berufsrechtlichen Sinne ist nicht abschließend geklärt (vgl. Kuhls/Maxl, StBerG, § 57 Rdn. 405 f.). In Anlehnung an die steuerrechtliche und gewerberechtliche Definition hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die nicht vereinbare (vom Berufsbild des freien Berufes nicht mehr erfaßte) gewerbliche Tätigkeit im Sinne von § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG als selbständiges, gleichmäßig fortgesetztes und maßgebend von erwerbswirtschaftlichem Streben nach Gewinn bestimmtes Handeln gekennzeichnet (BGH StB 1976, 219; BGH NJW 1981, 399; Gehre, StBerG, 3. Aufl., § 57 Rdn. 86). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Steuerberater im eigenen oder im fremden wirtschaftlichen Interesse handelt und in welcher Rechtsform die gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird (Kuhls/Maxl, StBerG, § 57 Rdn. 412 m.w.N.). Organschaftliches Handeln für eine gewerblich tätige Gesellschaft ist mit dem Beruf des Steuerberaters aber in keinem Fall vereinbar, weil der gewerbliche Charakter der Unternehmenstätigkeit das Handeln als Organ prägt, ohne daß es darauf ankommt, ob der Steuerberater alleine oder mit anderen Vorstandsmitgliedern zur Vertretung berufen ist (BGHSt 35, 232, 236). Die Beschränkung des Vorstandsamtes auf vorrangig solche Aufgaben, die sich im Rahmen einer steuerberatenden Tätigkeit halten, ändert an der Unvereinbarkeit mit dem Beruf nichts (vgl. BGHSt 35, 232). Auch untergeordnete Tätigkeiten im Rahmen der Geschäftsführung, die ohne jede offizielle Funktion für das gewerbliche Unternehmen ausgeübt werden, sind unzulässig (Kuhls/Maxl aaO, Rdn. 425). Denn nach dem aufgezeigten Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen des Steuerberatungsgesetzes soll bereits der Gefahr einer möglichen Interessenkollision zwischen den verschiedenen Tätigkeitsfeldern des Berufsangehörigen begegnet werden. Ob es sodann zu einer nach außen erkennbaren gewerblichen Tätigkeit, die sich gar zum Nachteil von Mandanten auswirkt, tatsächlich kommt, ist ebenso unerheblich, wie die innere Bereitschaft des Berufsangehörigen, im Falle einer von ihm erkannten Kollision sich berufstreu zu verhalten und die gewerblichen Interessen zurückzustellen. Insoweit kommt es ausschließlich auf die objektiven Rahmenbedingungen an (Kuhls/Maxl aaO, Rdn. 411).
Eine solche weite Auslegung des Begriffs der „gewerblichen Tätigkeit” im Sinne von § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG ist verfassungskonform, weil – wie das Bundesverfassungsgericht in den oben bezeichneten Entscheidungen zum Berufsrecht der Steuerberater wiederholt ausgeführt hat – zum Schutz des wichtigen Gemeinschaftsgutes einer wirksamen unabhängigen Steuerrechtspflege bereits der Möglichkeit einer Interessenkollision und der Gefahr der Kommerzialisierung des Berufsstandes entgegengewirkt werden soll.
Dem Berufsrecht sind solche Interessenabwägungen, die in die Freiheit der Berufsausübung eingreifen und diese begrenzen, durchaus nicht fremd. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn sie durch vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls gedeckt sind. So darf der Gesetzgeber Sozietäten zwischen den freien Berufen des Wirtschaftsprüfers und des Notars einschränken, um denkbaren Gefährdungen für die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Notaramtes vorbeugend entgegenzuwirken (BVerfGE 54, 237, 250; 80, 269, 279). Entsprechendes gilt auch hier.
III.
Auf der Grundlage dieser Erwägungen ergibt sich für den vorliegenden Sachverhalt folgendes:
1. Die Tätigkeit des Berufsangehörigen als Vorstandsmitglied der Dr. B. Unternehmensberatungs AG war als gewerbliche Betätigung nicht vereinbar mit seinen Pflichten nach §§ 50 Abs. 2, 72 Abs. 1, 57 StBerG.
a) Nach § 3 AktienG gilt die Aktiengesellschaft als Handelsgesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht im Betrieb eines Handelsgewerbes besteht. Selbst wenn man zunächst außer acht läßt, daß die Dr. B. Unternehmensberatungs AG in ihrer Satzung auch die Vermittlung von Unternehmensverkäufen vorsieht, ist die im übrigen betriebene entgeltliche betriebswirtschaftliche Beratung im Rechtssinne eine gewerbliche Tätigkeit. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG eine wirtschaftsberatende Tätigkeit als mit dem Beruf vereinbar bezeichnet und eine solche Tätigkeit auch im Rahmen einer Aktiengesellschaft nach §§ 49 ff. StBerG als Steuerberatungsgesellschaft betrieben werden kann.
Steuerberatungsgesellschaften sind für die Berufsangehörigen ein Instrument der Berufsausübung (Gehre, StBerG, 3. Aufl., § 49 Rdn. 1). Sie bedürfen der Anerkennung durch die für die Finanzverwaltung zuständige oberste Landesbehörde (§ 49 Abs. 3 StBerG) und müssen von Steuerberatern mitverantwortlich geführt werden (§ 50 Abs. 1 StBerG). Sie sind Mitglied der Steuerberaterkammer nach § 74 Abs. 1 StBerG, die vor ihrer Zulassung gehört werden müssen. Auch für Steuerberatungsgesellschaften gelten die Regelungen des § 57 StBerG sinngemäß (§ 72 Abs. 1 StBerG). In ihrer Tätigkeit unterliegen sie der standesrechtlichen Aufsicht durch die Berufskammer. Ein kommerzielles Handeln ist durch die enge Einbindung der Steuerberatungsgesellschaften in das Berufsrecht trotz ihrer rechtlichen Eigenschaft als Kapitalgesellschaft ausgeschlossen. Dies gilt für andere Gesellschaften, die nicht der strengen Aufsicht einer Berufskammer unterliegen, von vornherein nicht.
Soweit das Steuerberatungsgesetz eine Wirtschaftsberatung neben der steuerlichen Hilfeleistung zuläßt, ist dies ebenfalls nach Sinn und Zweck des § 57 StBerG nur im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit vereinbar. Wird die wirtschaftsberatende Tätigkeit in einem davon abweichenden rechtlichen Rahmen durchgeführt, sind gewerbliche Elemente dabei mit dem Beruf nicht mehr vereinbar, die an sich zulässige Tätigkeit schlägt in eine berufsrechtlich nicht zulässige gewerbliche Tätigkeit um (Kuhls/Maxl, StBerG, § 57 Rdn. 408).
So liegt es hier. Denn die Dr. B. Unternehmensberatungs AG war keine dem Berufsrecht unterliegende Steuerberatungsgesellschaft, sondern nahm am allgemeinen Wirtschaftsverkehr mit Gewinnerzielungsabsicht teil. Damit wurde die Tätigkeit im Vorstand der Aktiengesellschaft bereits allgemein gewerblich geprägt und war deshalb schon nicht mit dem Beruf nach § 57 Abs. 4 StBerG vereinbar. Deshalb kommt es nicht darauf an, daß bis zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht durch die Aktiengesellschaft tatsächlich keine Unternehmensverkäufe vermittelt worden sind.
b) Unerheblich ist auch, daß der Berufsangehörige in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied nicht als Organ in Erscheinung getreten ist.
Nach § 78 AktienG vertritt der Vorstand die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Zwar können die Geschäfte zwischen mehreren Vorstandsmitgliedern intern aufgeteilt werden; die Vertretungsbefugnis bleibt davon unbeeinflußt, sie kann nicht beschränkt werden (§ 82 Abs. 1 AktienG). Dementsprechend sieht der Vertrag vom 30. September 1990, mit dem der Berufsangehörige zum weiteren Vorstandsmitglied der Dr. B. Unternehmensberatungs Aktiengesellschaft bestellt wurde, in § 1 vor, daß dieser die Gesellschaft nach Maßgabe der Satzung zu vertreten hat. Aus dringenden Gründen ist neben der Vertretungsbefugnis in seinem Bereich der Rechtsberatung auch eine Vertretung in allen übrigen Verantwortungsbereichen ausdrücklich vorgesehen. Damit ist die Möglichkeit eröffnet, daß der Berufsangehörige auch tatsächlich aufgrund der gewerblichen Tätigkeit als Vorstand der Aktiengesellschaft in eine offene Interessenkollision bei solchen Mandanten gerät, die durch die von ihm geführten Steuerberatungsgesellschaften beraten werden. Daß entsprechende Verbindungen zwischen den von der Aktiengesellschaft betriebswirtschaftlich beratenen Unternehmen zu den Steuerberatungsgesellschaften bestehen und andererseits Mandanten der Beratungsgesellschaften auch von der Aktiengesellschaft betreut werden, hat der Berufsangehörige selbst eingeräumt. Bei dieser Sachlage kommt es auf die Feststellung einer konkreten Interessenkollision nicht an. Denn Inkompatibilitäten sollen von vornherein typische Interessenkollisionen ausschließen und es ermöglichen, daß die Berufskammern die Einhaltung der beruflichen Pflichten überwachen können. Dem stünde es entgegen, wenn erst das Bekanntwerden tatsächlicher Verletzungen beruflicher Pflichten ein Einschreiten der Berufskammer zuließe.
Ebensowenig kann es bei dieser Sachlage auf eine Außenwirkung der von Berufsangehörigen wahrgenommenen gewerblichen Tätigkeit ankommen. Zu Recht weist die Beschwerdeführerin allerdings darauf hin, daß durch die im AktienG normierten Pflichten nach §§ 80 und 81 AktienG auch nach außen eine dem Beruf des Steuerberaters widerstreitende Verbindung des Berufsangehörigen mit einer gewerblichen Betätigung in der Öffentlichkeit erkennbar wird. Schon einer Gefährdung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Berufsstandes aber soll entgegengewirkt werden (vgl. BVerfGE 54, 237, 248 f.; 80, 269, 279).
c) Diese Erwägungen gelten im übrigen auch für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts. Ob die Auskunft der Rechtsanwaltskammer Köln, die Vorstandstätigkeit des Berufsangehörigen sei im Hinblick auf das anwaltliche Standesrecht unbedenklich, in dieser Allgemeinheit zutreffend war, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Fundstellen
BB 1996, 1628 |
NJW 1996, 1833 |
JZ 1996, 1183 |