Entscheidungsstichwort (Thema)
Internet-System-Vertrag. Erstellung und Betreuung einer Internetpräsentation bzw. Website. Gewährleistung der Abrufbarkeit. Festgelegter Zeitraum. Wirksamkeit einer Vorleistungspflichtsklausel des Kunden. Werkvertrag. Access-Provider-Vertrag. Application-Service-Providing-Vertrag. Web-Hosting-Vertrag. Web-Design-Vertrag. Wirksamkeitsklausel. Interessensabwägung
Leitsatz (amtlich)
Zur rechtlichen Einordnung eines "Internet-System-Vertrags", der die Erstellung und Betreuung einer Internetpräsentation (Website) des Kunden sowie die Gewährleistung der Abrufbarkeit dieser Website im Internet für einen festgelegten Zeitraum zum Gegenstand hat.
Zur Frage der Wirksamkeit einer Klausel, die in einem "Internet-System-Vertrag" eine Vorleistungspflicht des Kunden begründet.
Normenkette
BGB §§ 307, 611, 631; AGB § 1; BGB § 305c
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 19.02.2009; Aktenzeichen 21 S 53/08) |
AG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.12.2007; Aktenzeichen 31 C 8544/07) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 21. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 19.2.2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien schlossen am 14.6.2005 einen "Internet-System-Vertrag" des Typs "EUR Premium Plus" mit "Editorfunktion" und "Full Service". Nach der vertraglichen Leistungsbeschreibung schuldete die Klägerin dem Beklagten, der ein einzelkaufmännisches Unternehmen ("B. Abbruchsprengungen, Beton-, Bohr- und Sägearbeiten, Großfeuerwerke") betreibt, die Recherche und Registrierung einer Internet-Domain ("Domainservice"), die Zusammenstellung der Webdokumentation - Bild- und Textmaterial - durch einen Webdesigner ("Vor-Ort-Beratung"), die Gestaltung und Programmierung einer individuellen Internetpräsenz nach bestimmten einzeln aufgeführten Vorgaben, das "Hosting" der Websites und Mailboxen auf den Servern der Klägerin sowie die weitere Beratung und Betreuung über eine Hotline. Neben Anschlusskosten von 99 EUR zzgl. Umsatzsteuer, die bei Vertragsabschluss zahlbar waren, hatte der Beklagte für die vereinbarte Vertragslaufzeit von insgesamt 36 Monaten ein Entgelt von monatlich 120 EUR zzgl. Umsatzsteuer zu entrichten. Zur Zahlung dieses Entgelts trifft § 1 Abs. 1 der im Vertrag in Bezug genommenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Klägerin folgende Regelung:
Der Berechnungszeitraum beginnt mit dem Datum der Unterschrift unter diesem Vertrag. Das nach diesem Vertrag zu zahlende Entgelt ist am Tag des Vertragsabschlusses und jeweils am selben Tage des folgenden Jahres jährlich im Voraus fällig. Abweichend von Satz zwei ist im ersten Vertragsjahr das Entgelt dreißig Tage nach Vertragsabschluss jährlich im Voraus fällig.
Rz. 2
Der Beklagte zahlte die Anschlusskosten und das Entgelt für das erste Vertragsjahr (2005/2006). Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zahlung der Entgelte für das zweite und dritte Vertragsjahr (2006/2007 und 2007/2008) nebst Zinsen und vorgerichtlicher Kosten.
Rz. 3
Der Beklagte hat eingewandt, die Bestimmung einer Vorleistungspflicht in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB sei gem. § 307 BGB unwirksam, die Klägerin habe die von ihr geschuldeten Leistungen nicht wie geschuldet erbracht und er, der Beklagte, habe den Vertrag wirksam gekündigt.
Rz. 4
Das AG hat der Klage im Wesentlichen - bis auf einen Teil der Zinsforderung - stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das LG die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht (MMR 2009, 867) hat ausgeführt:
Rz. 7
Der Klägerin stehe kein fälliger Anspruch auf die verlangten Entgelte zu. Ein solcher ergebe sich nicht aus der in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB vereinbarten Vorleistungspflicht, da diese Regelung wegen der Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften der §§ 641, 632a BGB und erheblicher Benachteiligung der Vertragspartner der Klägerin nichtig sei. Bei dem "Internet-System-Vertrag" überwiege der werkvertragliche Charakter, denn der Schwerpunkt des Vertrages liege in der Gestaltung und Programmierung der individuellen Internetpräsenz und nicht in der Zurverfügungstellung von Software und Speicherkapazitäten auf den Servern der Klägerin. Etwaige Ansprüche aus §§ 649, 632a oder 642 BGB habe die Klägerin nicht hinreichend dargelegt.
II.
Rz. 8
Diese Begründung hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
Rz. 9
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erweist sich § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB nach Maßgabe des revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalts nicht als unwirksam.
Rz. 10
a) Die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB kann der erkennende Senat selbständig auslegen, weil eine unterschiedliche Auslegung durch verschiedene Berufungsgerichte in Betracht kommt (BGHZ 163, 321, 323 f.; BGH, Urt. v. 17.9.2009 - III ZR 207/08, NJW 2010, 57 Rz. 16; BGH, Urt. v. 16.6.2009 - XI ZR 145/08, NJW 2009, 3422, 3423 Rz. 20). Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle ist gem. § 305c Abs. 2 BGB in Zweifelsfällen die "kundenfeindlichste" Auslegung geboten, wenn diese zur Unwirksamkeit der Klausel führt und damit für den Kunden im Ergebnis am günstigsten ist (BGH BGHZ 175, 76, 80 f Rz. 9 m.w.N.; BGHZ 176, 244, 250 f Rz. 19 m.w.N.; BGH, Urt. v. 16.6.2009, a.a.O., Rz. 21).
Rz. 11
§ 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB begründet hiernach eine Vorleistungspflicht des Vertragspartners der Klägerin (Kunde bzw. "Partnerunternehmen"). Denn ihm wird aufgegeben, das vertragliche Entgelt jährlich im Voraus zu entrichten, und zwar unabhängig davon, ob und inwieweit die Klägerin die ihr (für den jeweiligen Zeitabschnitt) obliegenden Leistungen - überhaupt oder ordnungsgemäß - erbringt.
Rz. 12
b) Die Überprüfung der Wirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung, die eine Vorleistungspflicht des Kunden begründet, richtet sich in aller Regel - so auch hier - nach den Maßgaben des § 307 BGB. Danach ist eine Klausel, die den Kunden abweichend von der gesetzlichen Regelung zur Vorleistung verpflichtet, nur dann zulässig, wenn für sie ein sachlich rechtfertigender Grund gegeben ist und den berechtigten Interessen des Kunden hinreichend Rechnung getragen wird, insb. keine überwiegenden Belange des Kunden entgegenstehen (BGHZ 100, 157, 161 ff.; 141, 108, 114; 145, 203, 211; BGH, Urt. v. 23.5.1984 - VIII ZR 27/83, NJW 1985, 850, 851, vom 24.9.2002 - KZR 38/99, NJW-RR 2003, 834, 836; v. 20.6.2006 - X ZR 59/05, NJW 2006, 3134 Rz. 6, 10; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 309 Rz. 13; Kieninger in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 309 Nr. 2 Rz. 14; Staudinger/Coester-Waltjen, BGB [2006], § 309 Nr. 2 Rz. 7; Dammann, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl., Rz. V 505 ff.; Hensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 309 Nr. 2 BGB Rz. 11 f.). Diese Maßstäbe gelten auch dann, wenn die Vorleistungsklausel, wie im vorliegenden Fall, gegenüber einem Unternehmer verwendet wird (§§ 14 Abs. 1, 310 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB), wobei den Besonderheiten des unternehmerischen Verkehrs im Rahmen der nötigen Interessenabwägung Rechnung getragen werden kann und muss (s. auch Dammann, a.a.O., Rz. V 508). Der Grundsatz der Leistung Zug um Zug (§§ 320, 322 BGB) gehört zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), weil er eine gleichmäßige Sicherheit für beide Vertragsparteien gewährleistet. Durch die ihm auferlegte Vorleistungspflicht wird dem Kunden das Druckmittel der Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) für die Durchsetzung seines Anspruchs auf vertragsrechte Erfüllung (ohne Erfordernis einer Prozessführung) genommen und das Risiko der Leistungsunfähigkeit seines Vertragspartners, des Verwenders, aufgebürdet. Vor diesem Hintergrund bedarf es im Rahmen der bei der Überprüfung nach § 307 BGB anzustellenden umfassenden Interessenabwägung (vgl. etwa BGH BGHZ 175, 102, 107 f Rz. 19 sowie Urt. v. 12.2.2009 - III ZR 179/08, NJW 2009, 1334, 1337 Rz. 29 und vom 17.9.2009, a.a.O., S. 58 Rz. 18) eines sachlichen Grundes für die Verwendung einer Vorleistungsklausel regelmäßig auch dann, wenn der Kunde Unternehmer ist (so auch Dammann, a.a.O.; offen gelassen in BGH, Urt. v. 24.9.2002, a.a.O.; offen gelassen wohl auch bei Hensen, a.a.O., Rz. 17; a.A. OLG Frankfurt NJW-RR 1988, 1458, 1459; Kieninger, a.a.O., Rz. 21).
Rz. 13
Eine solche Interessenabwägung ist auch und gerade dann vorzunehmen, wenn die gesetzliche Regelung wie beim Werkvertragsrecht abweichend vom Grundsatz der Leistung Zug um Zug sogar eine Vorleistungspflicht des die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendenden (Werk-)Unternehmers vorsieht.
Rz. 14
c) Nach diesen Maßgaben hält die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB der Wirksamkeitskontrolle stand.
Rz. 15
aa) Dem Berufungsgericht ist freilich darin beizupflichten, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB niedergelegte Vorleistungspflicht des Kunden vom Leitbild der gesetzlichen Regelung abweicht. Bei dem zwischen den Parteien abgeschlossenen "Internet-System-Vertrag" handelt es sich nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts insgesamt um einen Werkvertrag i.S.d. §§ 631 ff. BGB, und gem. §§ 641 Abs. 1, 632a, 646 BGB hat nicht der Besteller, sondern der Werkunternehmer vorzuleisten.
Rz. 16
Die Qualifizierung des "Internet-System-Vertrags" als Werkvertrag i.S.d. §§ 631 ff. BGB steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH zur Zuordnung von Internet-Verträgen zu den Vertragstypen des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Sie findet ihre maßgebliche Grundlage in dem von den Parteien vereinbarten Vertragszweck, wie er in der vertraglichen Leistungsbeschreibung und dem hieran anknüpfenden Parteiwillen, insb. auch in der verobjektivierten Kundenerwartung, zum Ausdruck kommt, und rechtfertigt sich letztlich auch aus einem Vergleich mit Verträgen, die ähnliche Gegenstände betreffen und als Werkverträge anerkannt sind.
Rz. 17
(1) Der "Internet-System-Vertrag" gehört zum Kreis der Internet-Provider-Verträge; unter diesem Oberbegriff wird eine Vielzahl unterschiedlicher Vertragstypen zusammengefasst, bei denen es sich zumeist um atypische oder gemischte Verträge handelt (s. etwa Spindler, CR 2004, 203 f.; ders., in: Spindler, Vertragsrecht der Internet-Provider, 2. Aufl., Teil IV Rz. 4 f = S. 240 ff.; Klett/Pohle, DRiZ 2007, 198). Unbeschadet dessen lassen sich einzelne Vertragsgestaltungen im Rahmen der gebotenen Schwerpunktbetrachtung (BGHZ 2, 331, 333; Palandt/Grüneberg, a.a.O., vor § 311 Rz. 26) - unter besonderer Berücksichtigung der unter dem Blickwinkel des Auftraggebers gewählten Zielrichtung (BGH, Urt. v. 7.3.2002 - III ZR 12/01, NJW 2002, 1571, 1573; BGHZ 54, 106, 107) - einem der im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Vertragstypen zuordnen.
Rz. 18
(a) Bei dem "Access-Provider-Vertrag" geht es um die Pflicht des Anbieters, dem Kunden den Zugang zum Internet zu verschaffen; hierbei schuldet der Provider - nur - die Bereithaltung des Anschlusses und das sachgerechte Bemühen um die Herstellung der Verbindung in das Internet, so dass dieser Vertrag im Allgemeinen als Dienstvertrag i.S.d. §§ 611 ff. BGB anzusehen ist (BGH, Beschl. v. 23.3.2005 - III ZR 338/04, NJW 2005, 2076 m.w.N.; Klett/Pohle, a.a.O., S. 199; für die Annahme eines Werkvertrags hingegen Redeker, IT-Recht, 4. Aufl., Rz. 968).
Rz. 19
(b) Gegenstand des "Application-Service-Providing (ASP)"-Vertrags ist die Bereitstellung von Softwareanwendungen für den Kunden zur Online-Nutzung über das Internet oder andere Netze. Im Vordergrund dieses Vertrages steht die (Online-)Nutzung fremder (Standard-)Software, die in aller Regel nicht nur einem, sondern einer Vielzahl von Kunden zur Verfügung gestellt wird, und somit der Gesichtspunkt der (entgeltlichen) Gebrauchsüberlassung, weshalb dieser Vertrag von der Rechtsprechung des BGH als Mietvertrag i.S.d. §§ 535 ff. BGB eingeordnet worden ist (BGH, Urt. v. 15.11.2006 - XII ZR 120/04, NJW 2007, 2394 f Rz. 11 ff.; Klett/Pohle, a.a.O., S. 203; für die Einordnung als Dienstvertrag hingegen Redeker, a.a.O., Rz. 987 ff.).
Rz. 20
(c) Beim "Web-Hosting"-Vertrag (bzw. "Website-Hosting"-Vertrag) stellt der Anbieter auf seinem eigenen Server dem Kunden Speicherplatz und einen entsprechenden Internet-Zugang zur Verfügung, wobei es Sache des Kunden ist, diesen Speicherplatz (durch eine eigene Website) zu nutzen und zu verwalten. Dieser Vertrag weist dienst-, miet- und werkvertragliche Aspekte auf (s. dazu etwa Busche in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 631 Rz. 279; Klett/Pohle, a.a.O., S. 202 f.; Schuppert, in: Spindler, Vertragsrecht der Internet-Provider, 2. Aufl., Teil II Rz. 48 f = S. 15 f und Teil V Rz. 3 ff. = S. 513 ff.). Findet der Vertragszweck seinen Schwerpunkt in der Gewährleistung der Abrufbarkeit der Website des Kunden im Internet, so liegt es allerdings nahe, insgesamt einen Werkvertrag i.S.d. §§ 631 ff. BGB anzunehmen (so OLG Düsseldorf MMR 2003, 474 f.; Redeker, a.a.O., Rz. 980).
Rz. 21
(d) Im "Webdesign-Vertrag" verpflichtet sich der Anbieter, für den Kunden eine individuelle Website zu erstellen. Ein solcher Vertrag dürfte - ebenso wie ein Vertrag über die Erstellung oder Bearbeitung einer speziellen, auf die Bedürfnisse des Auftraggebers abgestimmten Software (s. BGHZ 102, 135, 140 f.; BGH, Urt. v. 15.5.1990 - X ZR 128/88, NJW 1990, 3008; v. 3.11.1992 - X ZR 83/90, NJW 1993, 1063; v. 9.10.2001 - X ZR 58/00 - CR 2002, 93, 95; v. 16.12.2003 - X ZR 129/01, NJW-RR 2004, 782, 783) - regelmäßig als Werkvertrag i.S.d. §§ 631 ff. BGB, unter Umständen auch als Werklieferungsvertrag i.S.v. § 651 BGB, anzusehen sein (s. dazu etwa Busche, a.a.O., m.w.N.; Klett/Pohle, a.a.O., S. 201; Redeker, a.a.O., Rz. 980; Schneider, in: Handbuch des EDV-Rechts, 4. Aufl., Teil O Rz. 342 f = S. 2066; Schmidt, in: Spindler, Vertragsrecht der Internet-Provider, 2. Aufl., Teil VIII Rz. 4 = S. 659 ff.; Cichon, Internet-Verträge, 2. Aufl., S. 117 ff.; Härting, Internetrecht, 3. Aufl., Rz. 334 ff. = S. 83 ff.).
Rz. 22
(e) Beschränkt sich die Leistungspflicht des Anbieters auf die Beschaffung und Registrierung einer vom Kunden gewünschten Internet-Domain, so stellt sich der Vertrag in der Regel als ein Werkvertrag dar, der eine entgeltliche Geschäftsbesorgung (§§ 675 Abs. 1, 631 ff. BGB) zum Gegenstand hat (s. OLG Köln, MMR 2003, 191; Klett/Pohle, a.a.O., S. 200 m.w.N.; Redeker, a.a.O., Rz. 1085; Schuppert, a.a.O., Teil VI Rz. 11 = S. 600).
Rz. 23
(f) Verträge über die "Wartung" oder "Pflege" von Software, EDV-Programmen oder Websites sind als Werkverträge einzuordnen, soweit sie auf die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und die Beseitigung von Störungen (und somit: auf einen Tätigkeitserfolg) gerichtet sind, wohingegen ihre Qualifizierung als Dienstvertrag nahe liegt, wenn es an einer solchen Erfolgsausrichtung fehlt und die laufende Serviceleistung (Tätigkeit) als solche geschuldet ist (s. dazu BGHZ 91, 316, 317; BGH; Urt. v. 8.4.1997 - X ZR 62/95, NJW-RR 1997, 942, 943; ferner: OLG München CR 1989, 283, 284 und CR 1992, 401, 402; Palandt/Sprau, a.a.O., vor § 631 Rz. 22; Busche, a.a.O., § 631 Rz. 284; Redeker, a.a.O., Rz. 648 ff. m.w.N.; Klett/Pohle, a.a.O., S. 201).
Rz. 24
(2) Der hier zu beurteilende "Internet-System-Vertrag" weist in einzelnen Elementen Bezüge zu einigen der vorerwähnten Vertragstypen auf, ist indes keinem dieser Vertragstypen vollständig zuzuordnen, sondern als eigener Vertragstypus anzusehen, der sich insgesamt als Werkvertrag i.S.d. §§ 631 ff. BGB darstellt.
Rz. 25
Nach dem vereinbarten Zweck des "Internet-System-Vertrags", wie er in der "Leistungsbeschreibung" in der Anlage zum Vertrag sowie in dem daran anknüpfenden Willen der Vertragsparteien, insb. auch in der verobjektivierten Kundenerwartung, zum Ausdruck kommt, hat die Klägerin auf ihren eigenen Servern für den Kunden unter der von ihm gewünschten Domain eine Website (Homepage; Internetpräsentation) einzurichten, diese Website für den vereinbarten Zeitraum zu unterhalten und sie über das Internet Dritten zugänglich zu machen. Auf diesen Leistungszweck beziehen sich sämtliche der in der "Leistungsbeschreibung" aufgeführten einzelnen Leistungspflichten, nämlich die Recherche und Registrierung einer (den Kundenwünschen entsprechenden) Internet-Domain ("Domainservice"), die Zusammenstellung der Webdokumentation - Bild- und Textmaterial - durch einen Webdesigner ("Vor-Ort-Beratung"), die Gestaltung und Programmierung einer individuellen Internetpräsenz nach bestimmten einzeln aufgeführten Vorgaben, das "Hosting" der Websites und Mailboxen auf den Servern der Klägerin sowie die (diesbezügliche) weitere Beratung und Betreuung des Kunden über eine Hotline der Klägerin.
Rz. 26
Gegenstand des "Internet-System-Vertrags" ist demnach die auf einen bestimmten Zeitraum festgelegte Gewährleistung der Abrufbarkeit einer von der Klägerin für ihren Kunden erstellten und betreuten Website (Homepage) im Internet und somit nicht das schlichte Tätigwerden der Klägerin als solches, sondern die Herbeiführung eines Erfolgs als Ergebnis der Tätigkeit der Klägerin. Die "Abrufbarkeit" der Website ist in diesem Zusammenhang nicht als eine Garantie für den jederzeitigen Zugriff über das Internet - die der Webhostbetreiber wegen der technischen Gestaltung des Internet nicht übernehmen kann - zu verstehen, sondern dahin, dass die Website so bereitzustellen ist, dass sie für Internetnutzer abgerufen werden kann, wenn das Internet im üblichen Rahmen den Zugriff ermöglicht (Redeker, a.a.O., Rz. 980). Dementsprechend ist dieser Vertrag - anders als der lediglich auf die Verschaffung des Zugangs zum Internet angelegte "Access-Provider-Vertrag" - nicht als Dienstvertrag i.S.d. §§ 611 ff. BGB, sondern als Werkvertrag i.S.d. §§ 631 ff. BGB einzuordnen (zur allgemeinen Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag s. etwa BGH, Urteil vom 7.3.2002, a.a.O., S. 1572; ferner BGHZ 31, 224, 226 ff.; 54, 106, 107; BGH, Urt. v. 19.6.1984 - X ZR 93/83, NJW 1984, 2406 f.; v. 16.7.2002 - X ZR 27/01, NJW 2002, 3323, 3324; Palandt/Sprau, a.a.O., vor § 631 Rz. 8; Busche, a.a.O., § 631 Rz. 14). Im Gegensatz zum "ASP-Vertrag" geht es bei dem "Internet-System-Vertrag" nicht - jedenfalls: nicht primär - um die Bereitstellung (Gebrauchsüberlassung) von Softwareanwendungen zur Online-Nutzung für den Kunden. Soweit die Klägerin dem Kunden nach dem "Internet-System-Vertrag" "Domainservice" und "Webdesign" schuldet, stellen diese Leistungen jeweils schon für sich genommen werkvertragliche Leistungen dar, denn dabei geht es um die Beschaffung und Registrierung einer vom Kunden gewünschten Internet-Domain und um die Herstellung einer individuellen Website (Homepage), die - anders als beim Werklieferungsvertrag - nicht als bewegliche Sache an den Kunden "geliefert" wird, sondern auf den Servern und in der Verfügung der Klägerin verbleibt. Auch das von der Klägerin zu erbringende "Website-Hosting" steht einer werkvertraglichen Leistung näher als einer dienst- oder mietvertraglichen Leistung, da es in erster Linie dazu dient, die Abrufbarkeit der Website des Kunden im Internet zu gewährleisten und in diesem Sinne einen "Erfolg" herbeizuführen, somit weder als ein bloßes Tätigwerden noch lediglich als die Gebrauchsüberlassung von Speicherplatz angesehen werden kann. Im Lichte dieser prägenden Zweckrichtung ist schließlich auch die vertraglich vereinbarte Beratungs- und Betreuungspflicht der Klägerin zu würdigen; auch diese zielt auf die Gewährleistung der Abrufbarkeit einer von der Klägerin erstellten und betreuten "Internetpräsentation" des Kunden.
Rz. 27
(3) Der Einordnung des "Internet-System-Vertrags" als Werkvertrag i.S.d. §§ 631 ff. BGB steht es nicht entgegen, dass der Kunde ein monatliches pauschales Entgelt zu entrichten hat, dass der Vertrag auf eine bestimmte Zeitdauer angelegt ist und somit Züge eines "Dauerschuldverhältnisses" aufweist und dass dem Kunden kein körperlicher Gegenstand als "Werkleistung" übereignet wird. Angesichts des auf einen Erfolg bezogenen Vertragszwecks kommt diesen Umständen kein entscheidendes Gewicht zu. Sie finden sich insb. auch bei Werbeverträgen, die einen ähnlichen Zweck und Gegenstand wie der hier zu beurteilende "Internet-System-Vertrag" aufweisen und von der Rechtsprechung des BGH als Werkverträge angesehen worden sind, wie etwa Verträge über die Präsentation von Werbespots/Videoclips auf einem öffentlichen Videoboard (BGH, Urt. v. 26.3.2008 - X ZR 70/06, NJW-RR 2008, 1155), über die Anbringung von Werbeplakaten auf bestimmten Flächen für eine festgelegte Zeitspanne (BGH, Urt. v. 19.6.1984, a.a.O.) oder über Werbeanzeigen im Telefonbuch (s. BGH, Urt. v. 24.9.2002, a.a.O., m.w.N.).
Rz. 28
bb) Die in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB bestimmte, vom Leitbild der gesetzlichen Regelung abweichende Vorleistungspflicht des Kunden kann sich indes auf sachliche Gründe stützen und trägt den berechtigten Interessen des Kunden hinreichend Rechnung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Klausel (wie hier) gegenüber einem Unternehmer (§§ 14, 310 Abs. 1 BGB) verwendet wird. Die hierfür maßgeblichen Erwägungen hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt.
Rz. 29
(1) Sachlich rechtfertigende Gründe findet die Vorleistungspflicht des Kunden zunächst darin, dass der Anbieter bei dem hier vorliegenden "Internet-System-Vertrag" bereits zu Beginn der Vertragslaufzeit die Website zu erstellen und einzurichten sowie die Abrufbarkeit dieser Website im Internet herbeizuführen hat. Auf der Grundlage der vertraglichen Leistungsbeschreibung sind beide Vorinstanzen - im Einklang mit dem Vorbringen der Klägerin, dem der Beklagte nicht mit Substanz entgegengetreten ist - davon ausgegangen, dass damit die Klägerin typischerweise den überwiegenden Teil des von ihr zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten zu erbringenden Gesamtaufwands bei Vertragsbeginn tragen muss. Der Anbieter (hier: die Klägerin) hat daher ein berechtigtes Interesse daran, mit der Bezahlung jeglichen Entgelts nicht lange Zeit, etwa gar bis zum Ende der Vertragslaufzeit - also: bis zur vollständigen Erbringung der von ihm geschuldeten Werkleistung -, warten zu müssen. Ferner kann dem Anbieter die Zahlung monatlicher Ratenbeträge in dem hier in Rede stehenden Umfang von - lediglich - 120 EUR zzgl. Umsatzsteuer einen nicht unerheblichen buchhalterischen Aufwand bereiten und sich eine monatliche Ratenzahlung aus seiner nachvollziehbaren Sicht deshalb als unpraktikabel erweisen.
Rz. 30
(2) Dem berechtigten Interesse des Anbieters an einer dem jeweils erbrachten bzw. noch zu erbringenden Aufwand entsprechenden, praktikablen und zeitnahen Entgeltzahlung steht das ebenso berechtigte Interesse des Kunden gegenüber, das Druckmittel der Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) für die Durchsetzung seines Anspruchs auf vertragsgerechte Erfüllung (ohne Erfordernis einer Prozessführung) zu behalten und nicht mit dem Risiko der Leistungsunfähigkeit seines Vertragspartners belastet zu werden. Durch die Vorleistungspflicht läuft der Kunde Gefahr, das von ihm geschuldete Entgelt auch dann entrichten zu müssen, wenn der Anbieter die ihm obliegende (Werk-)Leistung überhaupt nicht oder nicht ordnungsgemäß erbringt.
Rz. 31
Dem vorerwähnten Interesse des Kunden muss die Vorleistungsklausel auch dann Rechnung tragen, wenn der Kunde ein Unternehmer ist. Denn auch einem Unternehmer gegenüber wäre es nicht angemessen, wenn diesem das wesentliche Sicherungs- und Druckmittel der Einrede des nicht erfüllten Vertrages vollumfänglich und kompensationslos genommen würde. Dem Verwender einer formularmäßigen Vertragsbestimmung ist es gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB - auch bei Verwendung der Klausel gegenüber einem Unternehmer (s. § 310 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB) - verwehrt, durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren, da hierin eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners entgegen den Geboten von Treu und Glauben läge (s. dazu etwa BGH BGHZ 175, 102, 107 f Rz. 19 sowie Urteile vom 12.2.2009, a.a.O., und 17.9.2009, a.a.O.).
Rz. 32
(3) Im Ergebnis der sonach gebotenen Interessenabwägung wird § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB den berücksichtigungsfähigen Interessen des Kunden - jedenfalls im unternehmerischen Verkehr - ausreichend gerecht.
Rz. 33
Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin in aller Regel den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit und ganz überwiegenden Teil der von ihr geschuldeten Leistung am Beginn der Vertragslaufzeit erbringt und demgegenüber auf die noch verbleibenden, in der nachfolgenden Vertragslaufzeit anstehenden Leistungen kein größerer Aufwand entfällt, ist es nicht unangemessen, wenn der Kunde (etwa) ein Drittel der von ihm zu zahlenden Gesamtvergütung (Werklohn) im Voraus zu entrichten hat. Diese Vorleistung, die zudem erst 30 Tage nach Vertragsabschluss fällig wird, belastet den Kunden vor allem deshalb nicht unverhältnismäßig, weil der Anteil des für das erste Jahr der Vertragslaufzeit im Voraus zu zahlenden Entgelts an der vereinbarten Gesamtvergütung deutlich hinter dem Anteil am Gesamtaufwand zurückbleibt, den die Klägerin zur Erfüllung ihrer Leistungspflichten in diesem Zeitraum aufzubringen hat. Unter dem Blickwinkel dieser vergleichenden Betrachtung stellt die Zahlungsregelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB keine einseitige, unangemessene Benachteiligung des Kunden dar.
Rz. 34
Hinzu tritt, dass die Vorauszahlung etwa eines Drittels der vereinbarten Gesamtvergütung die Druckmittel des Kunden für die Durchsetzung seines Anspruchs auf vertragsgerechte Erfüllung (ohne Erfordernis einer Prozessführung) nur in einem verhältnismäßig geringen Umfang beeinträchtigt. Leistet die Klägerin im ersten Vertragsjahr nicht oder nicht wie vereinbart, so kann der Kunde die für die beiden Folgejahre geschuldeten Entgeltbeträge zurückbehalten und Erfüllungs- oder Gewährleistungsansprüche geltend machen und den (Werk-)Vertrag ggf. auch kündigen. Um den Anspruch auf den auf das zweite und dritte Vertragsjahr entfallenden Entgeltanteil - insgesamt also (etwa) zwei Drittel der vereinbarten Gesamtvergütung - nicht zu verlieren, wird die Klägerin bestrebt sein, das Schwergewicht der von ihr geschuldeten Leistung - nämlich die Erstellung und Einrichtung der Website sowie die Gewährleistung der Abrufbarkeit dieser Website im Internet - rechtzeitig und ordnungsgemäß zu erbringen und ihren Kunden auf diese Weise zufrieden zu stellen. Geben die Leistungen der Klägerin - erst - im Verlauf des zweiten Vertragsjahres berechtigten Anlass für Beanstandungen des Kunden, so kann dieser mit der Einbehaltung des für das dritte Vertragsjahr zu zahlenden letzten Entgeltdrittels immer noch einen wirkungsvollen Druck auf die Klägerin ausüben und sie hierdurch zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Pflichten anhalten. Erst mit der Zahlung des zu Beginn des dritten Vertragsjahres zu entrichtenden Entgeltbetrages verliert der Kunde das Druckmittel der Einrede des nicht erfüllten Vertrages. Zu diesem Zeitpunkt aber hat die Klägerin den für die von ihr geschuldete Vertragserfüllung erforderlichen Gesamtaufwand regelmäßig schon nahezu vollständig erbracht.
Rz. 35
2. Demnach durfte das Berufungsgericht die Klage nicht mit der Begründung abweisen, § 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB sei unwirksam. Da wegen der weiteren gegen die Entgeltforderung der Klägerin vorgebrachten Einwände des Beklagten (keine vertragsgerechte Leistung der Klägerin; Kündigung des Vertrags) noch ergänzende Feststellungen erforderlich sind, ist der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif, so dass die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 2317930 |
BGHZ 2010, 345 |
BB 2010, 1047 |
DB 2010, 1062 |
DB 2010, 8 |
NJW 2010, 1449 |
EBE/BGH 2010 |
CR 2010, 327 |
JR 2011, 260 |
WM 2010, 808 |
WuB 2010, 461 |
JZ 2010, 312 |
MDR 2010, 610 |
VersR 2012, 197 |
GRUR-Prax 2010, 186 |
GuT 2010, 135 |
K&R 2010, 343 |
MMR 2010, 398 |
ZGS 2010, 234 |