Leitsatz (amtlich)
›Zur Ausgleichspflicht gesamtschuldnerisch haftender Ehegatten nach der Trennung.‹
Tatbestand
Die Parteien waren miteinander verheiratet. Ihre Ehe wurde durch Urteil vom 17. März 1981 geschieden. Zuvor hatten sie seit November 1979 getrennt gelebt; die Beklagte war aus der Ehewohnung ausgezogen.
Seit 1978 waren die Parteien zu je 1/2 Anteil Eigentümer eines Hausgrundstücks in B.-W.. In dem Haus betrieb der Kläger eine Gaststätte mit Kegelbahn. In der ersten Etage befanden sich die Ehewohnung, die die Parteien (nach der Trennung: der Kläger) mit den beiden gemeinsamen minderjährigen Kindern bewohnten, sowie drei Gästezimmer, die vermietet wurden. Zum Erwerb und Ausbau des Hauses hatten die Parteien als Gesamtschuldner mehrere Darlehen aufgenommen, für die der Kläger nach der Feststellung des Berufungsgerichts bis 1983 Zins- und Tilgungsraten leistete. Am 10. August 1984 wurde das Grundstück zwangsversteigert; der Erlös reichte zur Befriedigung der dinglichen Gläubiger nicht aus.
Mit der Anfang 1984 erhobenen Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Erstattung der Hälfte seiner Aufwendungen für die Bedienung der gemeinsam aufgenommenen Kredite in Anspruch. Er hat geltend gemacht: Er habe in den Jahren 1980 bis 1982 insgesamt 79.838,29 DM und im Jahre 1983 weitere 400 DM auf die gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten gezahlt. Die Hälfte hiervon, also einen Betrag von 40.119,15 DM, müsse die Beklagte ihm als den im Innenverhältnis auf sie entfallenden Anteil erstatten. Die Beklagte hat die behaupteten Zahlungen bestritten und dem geltend gemachten Ausgleichsanspruch entgegengehalten: Der Kläger müsse sich den Pachtwert für die Gastwirtschaft und die Kegelbahn sowie den Mietwert der seit ihrem Auszug von ihm (und den Kindern) allein genutzten Wohnung - anteilig - anrechnen lassen; außerdem stehe ihr die Hälfte der Einnahmen aus der Vermietung der Fremdenzimmer zu. Insbesondere mit dem sich hieraus ergebenden Zahlungsanspruch hat sie die Aufrechnung gegenüber der Klageforderung erklärt.
Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben und ausgeführt: Dem Kläger stehe nach § 426 BGB ein Ausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte der von ihm auf die gemeinschaftlichen Schulden geleisteten Zahlungen zu. Gegenansprüche der Beklagten seien nicht schlüssig dargetan. Denn die Beklagte sei - jedenfalls vor Beginn des Rechtsstreits - zu keinem Zeitpunkt mit einem Verlangen auf Neuregelung der Verwaltung und Nutzung des gemeinschaftlichen Grundbesitzes an den Kläger herangetreten. Soweit in ihrem prozessualen Verhalten ein derartiges Verlangen erblickt werden könnte, sei ihr Vorbringen nicht hinreichend substantiiert. Dasselbe gelte für ihre Behauptung über die Vermietung von Gästezimmern und daraus angeblich erzielte Einkünfte.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung und gegen deren Zurückweisung durch das Oberlandesgericht Revision eingelegt.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Das Oberlandesgericht hat das Grundurteil des Landgerichts bestätigt, weil der Ausgleichsanspruch des Klägers nach § 426 BGB die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche, soweit diese schlüssig seien, so erheblich übersteige, daß eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, daß der Kläger jedenfalls teilweise mit seiner Klage Erfolg haben werde.
Der Kläger habe nachgewiesen, daß er allein im Jahre 1980 auf die Darlehen der W. L.-Bank - Girozentrale - Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 13.415,06 DM erbracht habe. Von diesen Aufwendungen könne er gemäß § 426 Abs. 1 BGB die Hälfte von der Beklagten erstattet verlangen. Sofern der Kläger während des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft im Verhältnis zur Beklagten die Zins- und Tilgungsleistungen allein übernommen gehabt habe, sei mit der Trennung der Parteien Ende 1979 die Grundlage für diese Absprache entfallen. Denn nach der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft bestehe, wie der Bundesgerichtshof in BGHZ 87, 265 entschieden habe, im allgemeinen kein Grund mehr für einen Ehegatten, dem anderen eine Vermögensmehrung zukommen zu lassen. Die Beklagte habe demgegenüber nicht schlüssig dargetan, daß ihr aufrechenbare Gegenansprüche zuständen, die den Ausgleichsanspruch des Klägers in Höhe von etwa 6.700 DM für die im Jahre 1980 auf die Darlehen der W.L.-Bank - Girozentrale - geleisteten Zahlungen erreichten. Soweit sie ein Entgelt für die Vermietung der drei Fremdenzimmer beanspruche, sei ihr Vortrag angesichts der Behauptung des Klägers, die Räume hätten überwiegend leer gestanden, nicht ausreichend substantiiert. Dafür, daß der Kläger die Wohnung und Gaststätte nach der Trennung allein genutzt habe, könne die Beklagte allenfalls für die Zeit von Mai bis August 1984 ein Entgelt verlangen. Sie habe nämlich frühestens mit der Klageerwiderung vom 7. Mai 1984 eine Neuregelung der Verwaltung und Nutzung des gemeinsamen Hauses verlangt. Für die sich danach ergebenden drei Monate bis zur Zwangsversteigerung des Hauses im August 1984 mache das in Frage kommende hälftige Nutzungsentgelt - von monatlich 450 DM für die Wohnung und 750 DM für die Gaststätte - auch nach ihrem eigenen Vortrag weniger als 4.000 DM aus. Dabei sei nicht einmal berücksichtigt, daß die Wohnung nicht von dem Kläger allein, sondern auch von den gemeinsamen Kindern genutzt worden sei, denen die Beklagte neben dem Kläger unterhaltspflichtig sei.
Für die vor dem Neuregelungsverlangen liegende Zeit sei ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung eines Nutzungsentgelts nicht entstanden, da bis dahin die während des Bestehens der Ehe geltende Verwaltungsregelung fortgegolten habe, nach der beide Parteien zur Nutzung des Hauses berechtigt gewesen seien und der Kläger für die Nutzung von Wohnung und Gaststätte kein Entgelt zu entrichten gehabt habe.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Das Berufungsgericht hat dem Kläger einen Ausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte seiner Zins- und Tilgungsleistungen auf der Grundlage des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zugesprochen. Nach dieser Vorschrift haften Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Teilen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Ist im Einzelfall eine andere Bestimmung getroffen, so ist diese maßgebend und tritt an die Stelle der sonst vorgesehenen hälftigen Ausgleichspflicht im Innenverhältnis.
Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt - auf den auch die Angriffe der Revision im Ergebnis hinzielen - hat das Berufungsgericht den Sachverhalt nicht gewürdigt, obwohl nach den unstreitigen tatsächlichen Verhältnissen die Annahme naheliegt, daß die Parteien im Sinne des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB etwas "anderes bestimmt" hatten.
b) Eine abweichende Bestimmung nach § 426 Abs. 1 Satz l BGB kann sich aus dem Gesetz, einer - ausdrücklich oder stillschweigend (BGH Urteil vom 10. November 1983 - IX ZR 34/82 - WM 1983, 1386, 1387; RGZ 61, 56, 60; BGB-RGRK/Weber 12. Aufl. § 426 Rdn. 52) getroffenen - Vereinbarung, aus Inhalt und Zweck eines zwischen den Gesamtschuldnern bestehenden Rechtsverhältnisses oder der Natur der Sache, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens ergeben (BGHZ 77, 55, 58; 87, 265, 268; BGH Urteil vom 7. November 1985 - III ZR 84/84 - WM 1986, 208 = NJW 1986, 1491 m.w.N.).
aa) Für die Dauer des Zusammenlebens der Parteien ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß sie - seit dem Erwerb des Hausgrundstücks - zumindest stillschweigend eine andere Regelung als die einer anteiligen Ausgleichungspflicht im Innenverhältnis getroffen haben. Das ergibt sich aus dem Hinweis des Berufungsgerichts auf die Entscheidung in BGHZ 87, 265 ff und die Erwägungen zu der während des Bestehens der Ehe geltenden Verwaltungsregelung in dem angefochtenen Urteil.
Gegen diese Annahme bestehen aus Rechtsgründen keine Bedenken.
Solange die Parteien zusammenlebten, hat der Kläger nach den bisher getroffenen Feststellungen die gesamten Schuldenlasten für das Hausgrundstück getragen, ohne im Innenverhältnis einen Ausgleich von der Beklagten zu verlangen. In dem Haus befand sich aber - anders als in dem der Entscheidung BGHZ 87, 265 zugrundeliegenden Fall - nicht nur die gemeinsame Ehewohnung. Vielmehr nutzte der Kläger das im Miteigentum der Beklagten stehende Haus insbesondere zu gewerblichen Zwecken und erzielte aus dieser gewerblichen Nutzung sein laufendes Einkommen. Dabei überwog der Wert der gewerblichen Nutzung nach den Angaben der Beklagten - Pachtwert für die Gaststätte mit Kegelbahn monatlich 1.500 DM und Einnahmen aus Zimmervermietung bis zu monatlich 1.000 DM - den Mietwert der Wohnung - von monatlich 900 DM - in erheblichem Maße. Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger der Beklagten einen auf sie entfallenden Anteil der "Gaststättenpacht" und der Erlöse aus Vermietungen gezahlt hätte, sind im Verfahren nicht hervorgetreten.
Diese tatsächliche Handhabung läßt darauf schließen, daß die Parteien während des Zusammenlebens - jedenfalls stillschweigend - vereinbart hatten, der Kläger solle einerseits berechtigt sein, die Gaststätte mit Kegelbahn und die Fremdenzimmer in dem gemeinschaftlichen Haus zu Erwerbszwecken zu nutzen, und andererseits die Verpflichtung übernehmen, die Zins- und Tilgungsraten für das Haus zu tragen. Da die Schuldenlasten nach dem Vortrag des Klägers monatlich durchschnittlich rund 2.100 - 2.200 DM betrugen, bestand zwischen dem Nutzungsvorteil und dem Schuldendienst ein grundsätzlich ausgewogenes Verhältnis.
Soweit die Zins- und Tilgungsleistungen des Klägers auch die Ehewohnung betrafen, entspricht es ohnehin allgemeiner Übung, daß der alleinverdienende Ehegatte die gemeinschaftlichen finanziellen Verpflichtungen trägt, auch wenn sie wie bei der Finanzierung eines im Miteigentum stehenden Hauses dem gemeinsamen Vermögenserwerb dienen, während der andere Teil durch die Haushaltsführung und Erziehung der Kinder seinen - grundsätzlich gleichwertigen - Beitrag zur ehelichen Lebensgemeinschaft leistet (vgl. §§ 1360 S.2, 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB; BGHZ 87, 265, 269, 270). Hiervon ist ersichtlich auch das Berufungsgericht ausgegangen.
bb) Mit dem Auszug der Beklagten aus der ehelichen Wohnung im November 1979 hat sich an den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen des Hauses - bis auf die Benutzung der Ehewohnung - nichts geändert. Die Beklagte hat dem Kläger weiterhin die alleinige Nutzung der Gaststätte und Kegelbahn sowie der Fremdenzimmer - ohne Entgelt - belassen, und der Kläger hat diese bis zu seinem Auszug nach der Zwangsversteigerung im Jahre 1984 auch tatsächlich in der bisherigen Weise fortgeführt. Zugleich hat er, wie bisher, die Kredite weiter bedient. In diesem Sinn sind die Grundlagen der früher von den Parteien (stillschweigend) getroffenen und tatsächlich gehandhabten Vereinbarung insoweit unverändert bestehen geblieben. Der Kläger hat im übrigen weder behauptet, die frühere Vereinbarung sei nach dem Auszug der Beklagten einverständlich aufgehoben worden, noch hat er einen Grund dargelegt, der ihn zur einseitigen Kündigung der Abmachung berechtigte. Allein der Umstand, daß die Beklagte aus der Ehewohnung auszog und ihre Haushaltsführung für die Familie aufgab, reichte - bei sonst fortbestehender "Geschäftsgrundlage" der getroffenen Vereinbarung - hierfür nicht aus, da dem Kläger die gewerbliche Nutzungsmöglichkeit des gemeinschaftlichen Anwesens, die den wesentlichen wirtschaftlichen Wert des Grundbesitzes ausmachte, erhalten blieb (vgl. dazu auch BGHZ 47, 157, 165 f).
Diese Umstände legen die Annahme nahe, daß die während des Zusammenlebens bestehende abweichende Bestimmung im Sinne von § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB auch nach der Trennung der Parteien fortbestanden hat. Hierin unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von dem in BGHZ 87, 265 entschiedenen, in dem sich die Finanzierungslasten auf ein nur als Ehewohnung dienendes Haus bezogen. Inwieweit die in dieser Entscheidung entwickelten Grundsätze über die Ausgleichspflicht zwischen Ehegatten nach der Trennung allgemein zu sachgerechten Lösungen führen, braucht hier nicht erörtert zu werden. Jedenfalls werden sie den Besonderheiten des vorliegenden Falles, insbesondere dem Umstand, daß dem Kläger nach der Trennung die Möglichkeit der gewerblichen Nutzung des gemeinschaftlichen Anwesens erhalten blieb, nicht ausreichend gerecht.
Soweit ein Ehegatte nach der endgültigen Trennung von seinem Partner ein im Miteigentum beider Eheleute stehendes, bisher ausschließlich zu Wohnzwecken genutztes Haus allein weiter nutzt, hat der Senat - insoweit in Übereinstimmung mit den Ausführungen in BGHZ 87, 265, 271, 272 - eine mögliche Form der Neuregelung des Miteigentümerverhältnisses (§ 745 Abs. 2 BGB) darin gesehen, daß der Ehegatte, der das Haus in Zukunft allein nutzt, als Ausgleich für die alleinige Nutzung die Kosten des Hauses, insbesondere die Bedienung der für das Haus aufgenommenen Kredite, (allein) übernimmt (Senatsurteil vom 11. Dezember 1985 - IVb ZR 83/84 = FamRZ 1986, 436, 437). Eine entsprechende - stillschweigend getroffene - Vereinbarung kann, soweit es die Ehewohnung angeht, auch im vorliegenden Fall in Betracht kommen, nachdem im übrigen ohnehin die bisher gehandhabte Übung beibehalten wurde, nämlich der Kläger die gewerbliche Nutzung des Anwesens fortsetzte und - wie es sich nach den tatsächlichen Verhältnissen darstellte, zum Ausgleich dafür - die Darlehensschulden weiter beglich.
c) Das Berufungsgericht hat die insoweit erheblichen Umstände nicht geprüft. Auch der Parteivortrag hat diese Gesichtspunkte nicht berücksichtigt. Er war vielmehr von Anfang an auf die Entscheidung BGHZ 87, 265 ausgerichtet, ohne daß die Parteien den sich aus der gewerblichen Nutzung des gemeinschaftlichen Grundbesitzes ergebenden Besonderheiten Rechnung trugen, die dem vorliegenden Fall - im Gegensatz zu dem der Entscheidung BGHZ 87, 265 zugrundeliegenden Sachverhalt - ihr Gepräge gaben. Hierauf beruhen u.a. die Ausführungen des Berufungsgerichts, die grundsätzliche Verpflichtung, dem Kläger die Hälfte seiner Aufwendungen auf die gemeinsamen Schulden zu erstatten, werde von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Dem lag keine Einigung der Parteien über einen bestimmten Sachverhalt zugrunde, sondern nur eine von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung, welche sie von Anbeginn an mit dem Einwand verknüpft hatte, der Kläger müsse sich anrechnen lassen, daß er seit der Trennung außer der Ehewohnung die Gastwirtschaft mit Kegelbahn und die Gästezimmer in dem gemeinschaftlichen Haus allein genutzt habe (Klageerwiderungsschriftsatz vom 7. Mai 1984).
Soweit die Beklagte hieraus einen Gegenanspruch hergeleitet und zur Aufrechnung gestellt hat, scheidet eine Aufrechnung aus, sofern - und solange - über den Schuldausgleich der Parteien im Innenverhältnis abweichend von der hälftigen Ausgleichungspflicht etwas "anderes bestimmt" (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB), nämlich vereinbart war, daß der Kläger während der Dauer seiner gewerblichen Nutzung des im Miteigentum der Beklagten stehenden Grundbesitzes die zur Finanzierung des Anwesens aufgenommenen Kredite allein zurückführen sollte.
Hierzu hat das Berufungsgericht indessen keine Feststellungen getroffen. Aus diesem Grund ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur weiteren Aufklärung der für das Innenverhältnis der Parteien maßgeblichen Umstände an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 2992858 |
DRsp I(128)161c-d |
FamRZ 1986, 881 |
MDR 1987, 36 |