Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob die Vorschriften über die Kündigung von Wohnraummietverhältnissen Anwendung finden, wenn der Mieter eines Grundstücks darauf ein Gebäude errichtet und bewohnt, das als Scheinbestandteil des Grundstücks in seinem Eigentum steht.
Normenkette
BGB §§ 95, 535, 564a, 564b
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 08.06.1983) |
LG Düsseldorf |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. Juni 1983 wird auf Kosten des Beklagten zu 1 zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind seit 1979 Eigentümer des Grundstücks R. weg … in Ka., das aus den Flurstücken 1 … (668 qm) und 15 … (164 qm) besteht. Der Beklagte zu 1 (künftig: Beklagter) bewohnte – jedenfalls zeitweise zusammen mit der Beklagten zu 2 – ein auf dem Flurstück 15 … stehendes Holzhaus. Die Kläger verlangen von dem Beklagten u. a. Räumung dieses Hauses.
Auf dem Grundstücksteil, aus dem im Zuge eines Umlegungsverfahrens in den Jahren 1969/1970 die Parzelle Nr. 15 … gebildet wurde, errichtete der Beklagte im Jahre 1967 eine nichtunterkellerte Wohnbaracke in Holzbauweise mit einer Wohnfläche von etwa 50 qm; als Fundament diente eine ca. 20 cm dicke, in den Boden eingelassene Betonplatte. Im Jahre 1975 erweiterte der Beklagte die Wohnfläche dieses Flachbaus, der aus einer Diele, einem Wohnraum mit Kochnische und einem Bad besteht, auf etwa 64 qm und verklinkerte die Außenfront. Bis zum Juli 1931 zahlte der Beklagte an die Voreigentümer der Kläger, die Eheleute Vogts, für die Benutzung des Flurstücks 151 einen Betrag von zuletzt monatlich 85 DM, außerdem 50 DM für eine auf dem Grundstück stehende Garage und 15 DM Nebenkosten; seitdem zahlt er entsprechende Beträge an die Kläger.
Mit Schreiben vom 7. Juli 1931 ließen die Kläger den Beklagten auffordern, das Grundstück bis zum 31. Dezember 1931 zu räumen. Sie machen geltend: Der Beklagte habe mit ihren Voreigentümern nicht in vertraglichen Beziehungen gestanden. Die Eheleute Vogts hätten die Errichtung der Baracke, in der sie einen vorübergehenden Zustand gesehen hätten, nur unter der Bedingung geduldet, daß der Beklagte eine Baugenehmigung einhole; das habe er nicht getan. Deshalb sei der Beklagte von den Eheleuten Vogts bereits mit Schreiben vom 31. März 1969 aufgefordert worden, das Gebäude wieder zu entfernen. Auch die Erweiterung der Baracke habe der Beklagte ohne das Einverständnis der Voreigentümer vorgenommen.
Der Beklagte hat dem entgegengehalten, die Eheleute V. hätten ihm ein lebenslanges Nutzungsrecht an dem Grundstücksteil eingeräumt und ihm gestattet, darauf ein Häuschen zu errichten und dort zu bleiben, so lange es ihm gefalle. Es bestehe daher ein Pacht- oder Mietverhältnis. Auf das Fehlen der Baugenehmigung komme es nicht an, nachdem die zunächst ergangene Abbruchverfügung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgehoben worden sei. Mit der Erweiterung des Hauses seien die Eheleute V. einverstanden gewesen. Im übrigen müßten zu seinen, des Beklagten, Gunsten die Vorschriften über die Kündigung von Wohnraum eingreifen.
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Räumung des Holzhauses verurteilt. Die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Kläger als Eigentümer des Flurstückes 15 … könnten von dem Beklagten als dem Besitzer des darauf stehenden Hauses Räumung verlangen. Ein Recht zum Besitz habe der Beklagte nicht: Selbst wenn das von ihm errichtete Haus wesentlicher Bestandteil des Grundstücks und damit Eigentum der Kläger geworden sei, habe sich auch nach dem Vortrag des Beklagten das Mietverhältnis nur auf den Grundstücksteil, nicht aber auf das erst nach der Überlassung des Flurstücks gebaute Haus und damit nicht auf Wohnraum bezogen. Der nach der Behauptung des Beklagten bis an dessen Lebensende geschlossene Mietvertrag über das Grundstück gelte mangels Einhaltung der Schriftform als auf unbestimmte Zeit geschlossen und sei spätestens mit Zustellung der Klageschrift am 7. Januar 1982 wirksam zum 30. April 1982 gekündigt worden.
IT. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
1. Die Kläger können von dem Beklagten Räumung des Hauses verlangen, weil ihnen als Eigentümer des Grundstücks nach § 985 BGB ein Anspruch auf Herausgabe des Grundstücksteils zusteht, den der Beklagte in Besitz hat. Dieser Herausgabeanspruch, der neben einem etwaigen Rückgabeanspruch aus § 556 BGB besteht (Senatsurteil vom 21. Dezember 1960 – VIII ZR 89/59 = WM 1961, 147), umfaßt die Räumung des auf dem Grundstück stehenden Hauses.
2. Ein Recht zum Besitz im Sinne des § 936 Abs. 1 Satz 1 BGB steht dem Beklagten nicht zu.
a) Das Berufungsgericht unterstellt, daß zwischen dem Beklagten und den Voreigentümern V. ein Mietvertrag über den fraglichen Grundstücksteil zustande gekommen ist, in den die Kläger mit dem Erwerb des Grundstücks gemäß § 571 Abs. 1 BGB eingetreten sind. Gleichwohl kann der Beklagte daraus kein Besitzrecht mehr herleiten. Denn die Kläger haben das Mietverhältnis wirksam nach §§ 564 Abs. 2, 565 Abs. 1 Nr. 3 BGB gekündigt. Diese Vorschriften sind anwendbar, weil der – nach der Behauptung des Beklagten – für längere Zeit als ein Jahr geschlossene Mietvertrag der Schriftform bedurfte (§ 566 Satz 1 BGB) und mangels Beachtung dieser Form als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt (§ 566 Satz 2 Abs. 1 BGB). Ohne Rechtsfehler und auch von der Revision insoweit nicht beanstandet hat das Berufungsgericht daher angenommen, daß die spätestens in der Klageschrift liegende Kündigung zum 30. April 1982 wirkte. Auf die Sonder Vorschriften über die Kündigung von Mietverhältnissen über Wohnraum kann sich der Beklagte – wie noch auszuführen sein wird (unten II 2 c) – nicht berufen.
b) Das Zustandekommen eines Mietverhältnisses über das Haus hat das Berufungsgericht verneint. Das ist im Ergebnis zutreffend.
aa) Die Revision rügt, daß es an einer tatsächlichen Grundlage für die Feststellung des Berufungsgerichts fehle (§ 286 ZPO), die Vereinbarung zwischen dem Beklagten und den Eheleuten V. habe sich nicht auch auf die Nutzung des noch zu errichtenden Hauses bezogen. Der Beklagte hatte in der Klageerwiderung unter Beweisantritt vorgetragen, ihm sei von den Voreigentümern der Kläger gestattet worden, auf dem ihm zugewiesenen Grundstücksteil ein Häuschen zu errichten, und daraus in der Berufungsbegründung den Schluß gezogen, es sei ein Mietverhältnis über das Haus vereinbart worden. Aus welchem Grunde von dem tatsächlichen Vorbringen des Beklagten nicht ausgegangen werden kann, läßt das angefochtene Urteil nicht erkennen. Sollte ihm die Erwägung zugrunde liegen, daß das Haus bei Abschluß des Vertrages noch nicht errichtet war, so wäre das rechtsirrig; denn auch eine erst herzustellende Sache kann vermietet werden (BGHZ 9, 320).
bb) Gleichwohl brauchte das Berufungsgericht die angetretenen Beweise nicht zu erheben, weil seine Auffassung, der Mietvertrag habe sich nicht auf das Haus erstreckt, im Ergebnis richtig ist. Die Eheleute V. haben dem Beklagten den Gebrauch des Hauses nicht gewährt, weil es nicht ihnen, sondern dem Beklagten selbst gehörte.
Das Holzhaus war nämlich nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden worden und somit Scheinbestandteil gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB. Diese vom Berufungsgericht offengelassene Frage ist rechtlicher Natur (z. B. RG SeuffA 78 Nr. 58; HRR 1942 Nr. 257) und kann vom Revisionsgericht selbst entschieden werden, weil die hierfür erheblichen Tatsachen dem Vortrag der Parteien zu entnehmen sind. Ob eine Sache zu einem vorübergehenden Zweck mit einem Grundstück verbunden wird, beurteilt sich in erster Linie nach dem Willen des Erbauers, sofern dieser mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen ist (z. B. BGH Urteil vom 5. März 1958 – V ZR 264/56 = LM BGB § 95 Nr. 5). Verbindet ein Mieter, Pächter oder in ähnlicher Weise schuldrechtlich Berechtigter Sachen mit dem Grund und Boden, so spricht nach feststehender Rechtsprechung regelmäßig eine Vermutung dafür, daß dies mangels besonderer Vereinbarungen nur in seinem Interesse für die Dauer des Vertragsverhältnisses und damit zu einem vorübergehenden Zweck geschieht (BGHZ 8, 1, 5; 10, 171, 175; BGH Urteile vom 5. März 1958 aaO; vom 27. Mai 1959 – V ZR 173/57 = LM BGB § 95 Nr. 6; Senatsurteil vom 16. Juni 1965 – VIII ZR 146/63 = WM 1965, 1028, 1029). Diese Vermutung wird nicht schon bei einer massiven Bauart des Bauwerks oder bei langer Dauer des Vertrages entkräftet (BGHZ 8, 1, 5; 10, 171, 176; Urteile vom 5. März 1958 und 27. Mai 1959, jeweils aaO; vom 2. Februar 1960 – VI ZR 2/59 = VersR 1960, 365). Hierfür ist vielmehr erforderlich, daß der Erbauer bei der Errichtung des Baus den Willen hat, das Bauwerk bei Beendigung des Vertragsverhältnisses in das Eigentum seines Vertragspartners übergehen zu lassen (BGHZ 8, 1, 6; BGH Urteil vom 5. März 1953 aaO).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, daß der Beklagte Eigentümer des Holzhauses geblieben ist: Er will nach seiner Behauptung das Haus in Ausübung eines ihm eingeräumten lebenslangen Nutzungsrechts am Grundstück errichtet haben. Daraus folgt, daß nach seiner Vorstellung die Verbindung des Hauses mit dem Grund und Boden auf diese – wenn auch möglicherweise lange – Zeit begrenzt sein sollte. Auf seinen früheren Vortrag, ihm sei der Grundstücksteil von den Eheleuten V. „geschenkt” und erklärt worden, er könne ihn nach 10 bis 15 Jahren „Pachtleistungen” behalten, ist der Beklagte im Laufe des Rechtsstreits nicht mehr zurückgekommen, sondern hat statt dessen das Bestehen eines Miet- oder Pachtverhältnisses behauptet. Im übrigen könnte selbst die Erwartung des Beklagten, er brauche das Gebäude nicht zu beseitigen, weil es ihm gelingen werde, das Grundstück zu erwerben, die Anwendung des § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht ausschließen (BGHZ 8, 1, 8 m. Anm. Pritsch LM BGB § 95 Nr. 1; Senatsurteil vom 16. Juni 1965 aaO); hierzu müßte vielmehr – wie ausgeführt – die positive Absicht des Beklagten bestanden haben, das Bauwerk bei Aufhebung des Anspruchs auf Benutzung des Grundstücks in das Eigentum des Grundstückseigentümers fallen zu lassen. Daß dies vereinbart oder auch nur von dem Beklagten gewollt war, hat er nicht behauptet. Es ist auch wenig wahrscheinlich, weil einerseits die Eheleute Vogts schon im März 1969 den Abriß des Hauses verlangt haben und andererseits der Beklagte im Rechtsstreit zunächst selbst den Standpunkt eingenommen hat, er sei Eigentümer des Gebäudes.
c) War somit der dem Beklagten selbst gehörende Wohnraum nicht Gegenstand des mit den Eheleuten V. geschlossenen Mietvertrages, so können die Kündigungsschutzvorschriften der §§ 564 a, 564 b BGB unmittelbar keine Anwendung finden. Entgegen der Auffassung der Revision scheidet auch eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmungen – sei es auf den Grundstücksmietvertrag, sei es auf die rein tatsächliche Abrede, der Beklagte dürfe auf dem Grundstück ein Haus errichten – aus. Der besondere Kündigungsschutz der §§ 564 a, 564 b BGB gilt nur für Mietverhältnisse über Wohnraum, nicht für die Grundstücksmiete. Die dem zugrunde liegende Entscheidung des Gesetzgebers ist zu beachten und kann nicht ohne weiteres im Wege einer Analogie korrigiert werden. Nichts anderes kann gelten, wenn der Mieter auf dem Grundstück ein ihm gehörendes Haus bewohnt. Nach in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum ganz überwiegend vertretener Ansicht kann derjenige, der auf einem von ihm gemieteten Grundstück Wohnraum errichtet, Mieterschutz nicht beanspruchen (z. B. LG Köln WuM 1977, 10; AG Wuppertal MDR 1971, 667 – LS; Staudinger/Sonnenschein, BGB, 12. Aufl., 2. Bearbeitung, § 564 b Rdn. 10, § 556 a Rdn. 6; Soergel/Kummer, BGB, 11. Aufl., § 554 Rdn. 16; Barthelmess, Zweites Wohnraumkündigungsschutzgesetz. Miethöhegesetz, Kommentar, 2. Aufl., Einf. vor Art. 2 Rdn. 25; Sternel, Mietrecht, 2. Aufl., IV Rdn. 106; Kiefersauer/Glaser, Grundstücksmiete, 10. Aufl., § 1 MSchG Rdn. 6; a.A. Bettermann, Kommentar zum Mieterschutzgesetz, § 1 Rdn. 73, 73 a-n, die beiden letzteren jeweils mit zahlreichen Nachweisen zur älteren Literatur und Rechtsprechung). Das soll jedenfalls dann gelten, wenn das zu errichtende Gebäude Eigentum des Mieters des Grundstücks wird (so Roquette, Mieterschutzgesetz, § 1 Rdn. 26 m.w.Nachw. S. 99 Fußn. 1; ders., Das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, § 535 Rdn. 162; Weimar DB 1974, 1515, 1516; OLG Hamburg WuM 1970, 148, 149; LG Mannheim WuM 1971, 154, 156; wohl auch LG Köln WuM 1976, 163, 164 m. zust. Anm. Weimar ebd. 165; a.A. auch hier Bettermann aaO Rdn. 73 g). Für den hier zu entscheidenden Fall ist dem zuzustimmen: Es fehlt nicht nur an der – für das Vorliegen eines Wohnraummietverhältnisses wesentlichen – Überlassung von Wohnraum an den Beklagten, weil das von ihm bewohnte Haus in seinem Eigentum steht. Darüber hinaus nutzte er den Wohnraum auch nicht gegen ein von ihm an die Grundstückseigentümer zu zahlendes Entgelt; denn das Berufungsgericht hat – von der Revision unbeanstandet – festgestellt, daß mit dem monatlich gezahlten Betrag die Nutzung des Grundstücks abgegolten wurde, und auch der Beklagte hat nicht etwa behauptet, daß dieser Betrag nach der Bebauung des Grundstücks erhöht worden sei. Damit aber fehlen wesentliche Voraussetzungen für den vom Gesetzgeber angeordneten Kündigungsschutz. Die Vergleichbarkeit der Interessenlage des Eigentümers eines auf fremdem Grund und Boden errichteten Gebäudes mit derjenigen eines Wohnraummieters reicht für sich allein nicht aus, die vom Gesetzgeber für ganz bestimmte Fälle geschaffenen Kündigungsschutzvorschriften auf andere Sachverhalte zu übertragen.
III. Nach allem ist der Beklagte zu Recht zur Räumung des Hauses verurteilt worden. Die Kosten der ohne Erfolg eingelegten Revision fallen ihm nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
Unterschriften
Braxmaier, Wolf, Dr. Skibbe, Dr. Zülch, Dr. Paulusch
Fundstellen
Haufe-Index 950571 |
BGHZ |
BGHZ, 70 |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 1985, 44 |