Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Entscheidung vom 07.10.1964) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 7. Oktober 1964 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Kläger kauften am ... 1942 von dem inzwischen verstorbenen Rentner Martin H. in E., seiner Tochter Anna Z. geb. H. und den minderjährigen Enkeln seiner verstorbenen Ehefrau Kurt und Marie A., die in fortgesetzter allgemeiner Gütergemeinschaft und ungeteilter Erbengemeinschaft mit ihm verbunden waren, das Grundstück Pl. Nr. ... und b der Steuergemeinde U., eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts E. für ... Bd. ... Bl. ... S. .... Der Kaufvertrag wurde mitsamt der Auflassung von dem inzwischen verstorbenen und von der Beklagten beerbten Notar Justizrat Theodor R. in E. beurkundet. Für Frau Anna Z. und deren Ehemann, die in Kalifornien lebten, handelte hierbei der gerichtlich bestellte Abwesenheitspfleger Josef D., für Kurt und Marie A., die - wie in der Urkunde festgestellt - am ... 1921 und ... 1925 geboren waren, deren Vater Johann A. als ihr gesetzlicher Vertreter. Der Kaufpreis für das 6.200 qm große Grundstück betrug 1.460 RM.
Durch das rechtskräftig gewordene Urteil des Landgerichts N.-F. vom ... 1961 wurden die Kläger, die mittlerweile als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch eingetragen worden waren, auf die von Kurt A., Marie A. und Frau Anna Z. erhobene Klage verurteilt, Zug um Zug gegen Zahlung von 146 DM zu bewilligen, daß diese im Grundbuch als Eigentümer des Grundstücks in ungeteilter Erbengemeinschaft eingetragen wurden (... O .../60 LG N.-F. = ... U .../61 OLG N.). Für die Entscheidung war ausschlaggebend gewesen, daß die Veräußerung des Grundstücks für die damals minderjährigen Kurt und Marie A. nicht, wie es nach §§ 1643 Abs. 1, 1821 Abs. 1 Ziff. 1 und 4 BGB erforderlich gewesen wäre, vormundschaftsgerichtlich genehmigt worden war.
Die Kläger legen es dem Notar R. zur Last, daß es versäumt worden ist, die Genehmigung einzuholen, und nehmen die Beklagte als dessen Rechtsnachfolgerin auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihnen hierdurch entstanden ist.
Der notariell beurkundete Vertrag enthielt folgenden Abschnitt:
"Die Vertragsteile ersuchen den Land rat in E. um Genehmigung dieses Vertrags nach dem Gesetz über die Erschließung von Wohnsiedlungsgebieten. Herr Josef D. ersucht sowohl das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Erlangen, als auch die Devisenstelle N. um Genehmigung dieses Vertrags.
Der beurkundende Notar oder sein Vertreter wird von den Vertragsteilen zur Entgegennahme des Genehmigungsbeschlusses des Amtsgerichts E., zu dessen Mitteilung und Empfangnahme der Mitteilung ermächtigt."
Der Notar hatte am ... 1942 die Urkunde "mit dem Ersuchen um Genehmigung für die Mitbeteiligten Hermann und Anna Z." beim Amtsgericht in E. eingereicht, das darauf am ... 1942 unter dem "Betreff: Pflegschaft Z. Anna und Hermann" die Verfügung traf:
"1.
Die Urkunde ... wird vormundschaftsgerichtlich genehmigt.
2.
Genehmigungsvermerk ist auf die Urkunde zu setzen.
3.
Rückgabe der Urkunde an Notar R. in E.."
Die Kläger erblicken eine schuldhafte Amtspflichtverletzung des Notars darin, daß er die Mitbeteiligten beim Abschluß des Vertrages nicht auf das Erfordernis vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung auch für die Erklärungen des Vaters A. hingewiesen hat. Sein Versäumnis habe es bewirkt, daß der Vertrag keine Wirksamkeit erlangt habe. Sie haben sich auf das Gutachten bezogen, das in dem vorbezeichneten Rechtsstreit zum Zwecke der Streitwertfestsetzung von dem Gutachterausschuß des Landkreises E. über den Verkehrswert des in Rede stehenden Grundstücks eingeholt worden ist und das den Quadratmeterpreis auf 12 DM geschätzt hat, und haben als Schaden, der ihnen infolge der Amtspflichtverletzung des Notare durch den Entgang des Grundstücks entstanden ist, einstweilen 40.000 DM von der Beklagten ersetzt verlangt.
Die Beklagte ist der Klageforderung mit dem Vorbringen entgegengetreten, der Notar habe seiner Amtspflicht dadurch genügt, daß er den Vertrag überhaupt dem Vormundschaftsgericht zur Genehmigung vorgelegt habe. Das Vormundschaftsgericht habe die Urkunde prüfen und die Genehmigungsbedürftigkeit der Erklärungen des Johann A. erkennen müssen. Eines speziellen Antrags des Notars für diese Genehmigungen habe es nicht bedurft. Aus dem allgemein gehaltenen Vermerk des Vormundschaftsgerichts über die Genehmigung des Vertrages habe er schließen dürfen, daß sämtliche genehmigungsbedürftigen Erklärungen genehmigt worden seien. Das Verhalten des Notars sei auch für den Schaden der Kläger nicht ursächlich, denn wenn das Vormundschaftsgericht den Vertrag auch wegen der Erklärungen des Vaters Adler geprüft hätte, würde es die Genehmigung dafür nicht haben erteilen dürfen und erteilt haben, weil der niedrige RM-Preis von 1.460 im Jahre 1942 gänzlich ungewöhnlich gewesen sei.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Die Berufung der Beklagten ist zurückgewiesen worden.
Mit der Revision erstrebt sie weiterhin die Abweisung der Klage.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hat den Schadenersatzanspruch der Kläger nach § 21. Abs. 1 der zur damaligen Zeit geltenden RNotO für begründet gehalten. Das ist nicht in allen Teilen rechtsbedenkenfrei und gegenüber den Angriffen der Revision von Bestand.
1.
Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, daß die Haftungsvoraussetzungen dieser Bestimmung gegeben sind.
a)
Wie es zutreffend ausgeführt hat, gehörte es zu den Amtspflichten, die dem Erblasser der Beklagten als Notar bei der Errichtung der Urkunde vom ... 1942 den an dem beurkundeten Rechtsgeschäft Beteiligten und somit auch den Klägern gegenüber oblagen, sie darauf hinzuweisen, daß die Erklärungen, die der Vater Johann A. für seine minderjährigen Kinder abgab, vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung bedurften. Unstreitig hat er es (entgegen § 34 der DVfNot) an einem solchen Hinweis (und an der Aufnahme eines entsprechenden Vermerks in die Niederschrift) fehlen lassen. Das Berufungsgericht mißt ihm hieran ein Verschulden bei, gleichviel ob er die Genehmigungsbedürftigkeit nicht erkannt oder die Belehrung und den Hinweis in der Urkunde übersehen hat. Dieser Würdigung ist beizutreten; gegen sie werden von der Revision auch keine Einwendungen erhoben.
b)
Die Revision meint, das Versehen des Notars sei ohne Bedeutung, weil es für die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts über die für einen vorgelegten Vertrag erforderliche Genehmigung grundsätzlich keines förmlichen Antrags bedürfe und es genüge, wenn das Vormundschaftsgericht durch Vorlage des Vertrages zu der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung veranlaßt werde, ob und inwieweit eine Genehmigung erforderlich sei und erteilt werden könne. Bei dem hier beurkundeten einheitlichen Rechtsgeschäft sei es offensichtlich gewesen, daß die Urkunde vorgelegt worden sei, um über die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung entscheiden zu lassen, soweit eben nach dem Inhalt der Urkunde das Erfordernis einer solchen Genehmigung bestanden habe. Da in der Urkunde die Geburtsdaten der Kinder A. bezeichnet und zum Ausdruck gebracht worden sei, daß sie gesetzlich durch ihren Vater vertreten seien, habe der Notar darauf vertrauen dürfen, daß der Vormundschaftsrichter auch hinsichtlich ihrer die Urkunde auf ihre Genehmigung prüfen werde.
Der Revision kann hierin nicht gefolgt werden.
Der Notar hat die Urkunde vom ... 1942 dem Vormundschaftsgericht "mit dem Ersuchen um Genehmigung für die Mitbeteiligten Hermann und Anna Z." eingereicht; für die Kinder A. hat er die Genehmigung nicht nachgesucht. Allerdings wird das Vormundschaftsgericht grundsätzlich von Amte wegen tätig (vgl. § 12 FGG). Dennoch pflegt erst auf ein entsprechendes Ersuchen des Vormundes (oder gesetzlichen Vertreters oder Pflegers) ein von ihm abgeschlossenes Rechtsgeschäft vormundschaftsgerichtlich genehmigt zu werden. Das liegt nicht lediglich daran, daß anders der Vormundschaftsrichter von dem Abschluß eines der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürftigen Rechtsgeschäfts kaum etwas erfährt; wesentlich ist vielmehr, daß es in die Entschließung des Vormundes (oder gesetzlichen Vertreters oder Pflegers) gestellt ist, ob er für ein von ihm abgeschlossenes Rechtsgeschäft die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einholen, die erteilte Genehmigung dem Geschäftspartner mitteilen und hierdurch das Geschäft zu voller Wirksamkeit bringen will. Gerade auch in dieser Hinsicht tritt die Selbständigkeit hervor, die ihm vom Gesetz eingeräumt ist. Das Vormundschaftsgericht darf, wie sich aus § 1837 BGB ergibt, in die Führung der Geschäfte des Vormundes nicht eingreifen, solange keine Pflichtwidrigkeit vorliegt (vgl. BGHZ 17, 108, 116). Ebenso hat der Vater die ihm zustehende elterliche Gewalt über ein minderjähriges Kind und dessen Vertretung in eigener Verantwortung auszuüben (§§ 1626, 1627 BGB); in die Verwaltung des Kindesvermögens durch den Vater kann das Vormundschaftsgericht nur unter den Voraussetzungen der §§ 1666, 1667 BGB eingreifen. Inwiefern das Vormundschaftsgericht hier Anlaß gehabt hätte, wegen vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung der Erklärungen, die der Vater A. für seine Kinder abgegeben hat, ohne dessen Antrag aus amtlicher Initiative tätig zu werden, ist nicht ersichtlich; die Beklagte hat in dieser Hinsicht nichts vorgetragen. Daß es sich um ein Rechtsgeschäft handelte, bei dem sowohl die Erklärungen des Pflegers D. als auch die des Vaters A. vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung bedurften, war kein Grund, daß der Vormundschaftsrichter auf das an ihn gerichtete Ersuchen um Genehmigung für die Mitbeteiligten Hermann und Anna Z. die Genehmigung ungebeten auch für die Kinder A. erteilte. War dem Vormundschaftsrichter die Genehmigungsbedürftigkeit auch erkennbar und mochte sich ihm sogar die Frage nahelegen, ob es nicht vielleicht auf einen Vergehen des Notars beruhte, daß der Vater Adler in der Urkunde nicht ebenso wie der Pfleger D. ein Ersuchen um vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zum Ausdruck brachte, so durfte sich der Notar, wie das Berufungsgericht zutreffend erwogen hat, doch nicht darauf verlassen, daß der Vormundschaftsrichter von sich aus den Fehler des Notars wiedergutmachte. Tatsächlich hat der Vormundschaftsrichter die Erklärungen des Vaters A. denn auch nicht genehmigt. Das ist in dem voraufgegangenen Prozeß gegen die Kläger, in welchem dem Notar der Streit verkündet worden war, festgestellt worden und wird von der Beklagten im gegenwärtigen Rechtsstreit nicht in Zweifel gezogen.
c)
Weiter ist die Revision der Meinung, die unbeschränkte Fassung des Genehmigungsvermerks auf der vom Vormundschaftsgericht zurückgegebenen Urkunde habe bei dem Notar jedenfalls die Vorstellung erwecken können oder sogar müssen, daß der Vertrag auch hinsichtlich der beteiligten Kinder A. genehmigt worden sei.
Der Beklagten könnte es nichts helfen, wenn sich der Notar dieser Auffassung hingegeben haben sollte. Die fahrlässige Amtspflichtverletzung, die ihm unterlaufen ist, wäre hierdurch nicht ungeschehen gemacht. Der Notar hat auch nichts getan, was geeignet gewesen wäre, den begangenen Fehler zu beheben und die durch ihn hervorgerufenen Schadensgefahren auszuräumen. Wäre die Genehmigung wirklich auch auf die Erklärungen des Vaters A. zu beziehen gewesen, so hätte sie diesem gegenüber doch nur dadurch wirksam werden können, daß sie ihn vom Vormundschaftsgericht bekanntgegeben wurde (§ 16 FGG). Damit das beurkundete Rechtsgeschäft volle Wirksamkeit erlangte, hätte der Vater A. die Genehmigung danach auch noch den Geschäftspartnern mitteilen müssen (§§ 1829, 1643 Abs. 3 BGB). Weder das eine noch das andere hat stattgefunden. Zwar hat sich der Notar in der Urkunde von den Vertragsteilen zur Entgegennahme des Genehmigungsbeschlusses des Amtsgerichte, zu dessen Mitteilung und zur Empfangnahme der Mitteilung ermächtigen lassen. Das hat sich aber, wie das Berufungsgericht in Anbetracht des unmittelbaren Zusammenhangs dieser Ermächtigung mit dem zuvor beurkundeten Ersuchen des Pflegers D. um vormundschaftsgerichtliche Genehmigung festgestellt hat, nur auf die von D. erbetene Genehmigung bezogen und nicht auch auf die Genehmigung der Erklärungen des Vaters A.. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; die Revision kann nicht dartun, daß sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstieße.
Die durch die festgestellte Amtspflichtverletzung geschaffene Haftungsgrundlage ist hiernach in keiner Weise ausgeräumt.
2.
Bedenken erheben sich jedoch gegen die Erwägungen, von denen sich das Berufungsgericht bei der Prüfung hat leiten lassen, ob der eingeklagte Schaden auf die Amtspflichtverletzung des Notars ursächlich zurückzuführen ist.
Richtig hat das Berufungsgericht allerdings hervorgehoben, daß der Schaden dann nicht durch die Amtspflichtverletzung verursacht wäre, wenn der Vormundschaftsrichter bei ordnungsmäßiger Antragstellung die Genehmigung der Willenserklärungen des Vaters A. versagt hätte und der Vertrag aus diesem Grunde nicht (wirksam) zustande gekommen wäre. Auch soweit sich das Berufungsgericht mit der Beurteilung dieser Frage durch das Landgericht auseinandergesetzt hat, lassen seine Ausführungen keinen Rechtsfehler erkennen. Das Landgericht hatte angenommen, aus der vom Vormundschaftsgericht ausgesprochenen Genehmigung des Vertrages für die Eheleute Z. folge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, daß der Vertrag auch für die Geschwister A. genehmigt worden wäre. Dem hat das Berufungsgericht mit Recht entgegengehalten, auch wenn sich feststellen lasse, wie das Vormundschaftsgericht damals entschieden hätte, könne diese Entscheidung doch nur dann eine Grundlage für den Schadensersatzanspruch der Kläger abgeben, wenn sie auch richtig gewesen sei. Bei Schadensersatzansprüchen wegen fehlerhafter Prozeßführung oder Amtspflicht Verletzung ist im Rahmen der Prüfung, wie bei pflichtgemäßem Verhalten die zu erwartende gerichtliche Entscheidung ausgefallen wäre, darauf abzustellen, wie das Gericht nach Ansicht des über den Schadensersatzanspruch erkennenden Gerichts richtigerweise hätte entscheiden müssen.
Diesen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz hat das Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei auch hier für anwendbar gehalten, wo, wie es hervorgehoben hat, die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zwar eine Ermessensentscheidung, der Vormundschaftsrichter bei der Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens aber "an den Fundamentalsatz des Mündelinteresses gebunden" ist, so daß also zu prüfen bleibt, wie der Vormundschaftsrichter sein pflichtgemäßes Ermessen in Wahrnehmung der Interessen der Kinder A. hätte ausüben müssen.
Dieser Prüfung ist das Berufungsgericht aber dadurch ausgewichen, daß es von der Annahme eines typischen Geschehensablaufs ausgegangen ist, kraft dessen die Kläger den ihnen obliegenden Beweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Amtspflichtverletzung, Unwirksamkeit des Vertrages und Schadenseintritt erbracht hätten, und daß es der Beklagten aufgebürdet hat, demgegenüber den Beweis dafür zu führen, daß der Vormundschaftsrichter die Genehmigung nicht hätte erteilen dürfen. Mit Recht rügt die Revision, daß es nicht angeht, wegen vermeintlich typischen Geschehensablaufs ohne weiteres davon auszugehen, daß der Vormundschaftsrichter die Genehmigung hätte aussprechen müssen, und der Beklagten den Beweis des Gegenteils aufzuerlegen. Wie die Entscheidung des Vormundschaftsrichters hätte ausfallen müssen, ließ sich nur durch Eingehen auf die konkreten Umstände des Falles und ihre abwägende Würdigung bestimmen; es gibt hier keine Typizität. Aufgabe des Berufungsgerichts wäre es daher gewesen, unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung darüber zu entscheiden, ob der Vormundschaftsrichter das beurkundete Geschäft hätte genehmigen müssen. Von der Beweislast wäre seine Entscheidung nur dann abhängig gewesen, wenn mangels greifbarer Anhaltspunkte eine Grundlage für das Urteil nicht zu gewinnen gewesen wäre und das gerichtliche Ermessen in der Luft geschwebt hätte. In solchem Falle hätte dann aber die Entscheidung zum Nachteil der Kläger ergehen müssen, weil diese die Beweislast für die Entstehung des von ihnen geltend gemachten Anspruchs trugen.
Gegen den vom Berufungsgericht eingeschlagenen Weg der Betrachtung bestehen hiernach durchgreifende Bedenken. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß für die Beurteilung der Frage, ob der Vormundschaftsrichter seine Genehmigung hätte erteilen müssen, die Höhe des für das Grundstück vereinbarten Kaufpreises von besonderer Bedeutung ist. Er betrug 1.460 RM. Für Anfang ... 1962 hat der Gutachterausschuß des Landkreises E., nach Feststellung des Berufungsgerichts ein Gremium mit amtlicher Funktion, den Verkehrswert für den Grund und Boden auf 74.400 DM geschätzt. Dabei ist das Grundstück, das 1942 landwirtschaftliche Fläche war, nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Gutachterausschusses nach wie vor landwirtschaftlicher Nutzung vorbehalten und für eine Erschließung als Baugelände nicht vorgesehen. Bei der enormen Differenz zwischen damaligem Preis und nachmaligem Schätzwert, an dessen Richtigkeit zu zweifeln das Berufungsgericht keinen begründeten Anlaß gesehen hat, muß man sich ernsthaft fragen, ob der im Vertrag vom ... 1942 vereinbarte Kaufpreis einer angemessenen Bewertung des Grundstücks entsprach und die Grundstücks Veräußerung zu jenem Preis mit den vom Vormundschaftsgericht zu wahrenden wohlverstandenen Interessen der minderjährigen Kinder Adler vereinbar war. Das Berufungsgericht hat sich nicht etwa zu der Überzeugung bekannt, daß dies der Fall gewesen sei; von der oben gekennzeichneten irrigen Grundauffassung vom Vorhandensein eines typischen Geschehensablaufs ausgehend, hat es vielmehr die Beklagte dahin für darlegungspflichtig gehalten, inwiefern der Kaufpreis unangemessen niedrig gewesen sei und das Mündelinteresse einer Genehmigung des Vertrages im Wege gestanden hätte. So zu verfahren ist auch nicht damit zu rechtfertigen, daß die Beklagte ihre Behauptung, das Grundstück sei zu einem Schleuderpreis verkauft worden, nicht durch Bezeichnung von Vergleichspreisen näher substantiiert habe. Daß die Kläger behauptet haben, ein von ihnen als Zeuge benannter gewisser Langfritz habe seiner Zeit geäußert, "er würde für das Ödland nicht einmal 200 RM zahlen", nötigte die Beklagte nicht schon zu solcher substantiierten Entgegnung; die Behauptung ist von ihr bestritten worden und das Berufungsgericht ist ihr nicht nachgegangen.
Den allgemein gehaltenen Erwägungen des Berufungsgerichts über den infolge des Krieges eingetretenen inneren Währungsverfall, dem es für die Entscheidung des Vormundschaftsrichters über die Genehmigung des Vertrages vom ... 1942 keine Bedeutung beimessen will, und über das Ansteigen der Grundstückspreise, das nach dem Kriege eingetreten ist, kann nicht entnommen werden, daß das Berufungsgericht mit ihnen mehr hat sagen wollen, als daß die Notwendigkeit einer Versagung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung von der Beklagten nicht dargetan sei. Eine positive Feststellung, daß die Genehmigung hätte erteilt werden müssen, hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
Das Berufungsurteil kann hiernach nicht bestehen bleiben.
Die Sache muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es, gegebenenfalls auf Grund eines Sachverständigengutachtens über den Wert, den das Grundstück zur Zeit des Vertragsabschlusses gehabt hat, sich darüber Rechenschaft gibt, ob die Grundstücksveräußerung damals vormundschaftsgerichtlich zu genehmigen gewesen wäre und die Amtspflichtverletzung des Erblassers der Beklagten daher wirklich für den eingeklagten Schaden ursächlich geworden ist.
Abgesehen davon bleibt bei der Untersuchung der Ursächlichkeit vorab zu prüfen, ob der Vater A., wenn er durch den Erblasser der Beklagten auf die Genehmigungsbedürftigkeit seiner Erklärungen hingewiesen worden wäre, die Genehmigung nachgesucht hätte; ausgesprochen hat sich das Berufungsgericht hierüber bisher nicht. Bedenken können sich in dieser Hinsicht darum nahelegen, weil Kurt A. bei Abschluß des Vertrages vom ... 1942 schon kurz vor der Vollendung seines 21. Lebensjahres stand und schwerlich damit zu rechnen war, daß die devisenrechtliche Genehmigung des Vertrages und namentlich die Genehmigung nach dem Gesetz über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten schon vor Eintritt seiner Volljährigkeit zu erlangen sein würden; dem Vater A. konnte es bei dieser Sachlage angebracht erscheinen, die Genehmigung des Vertrages seinem Sohn nach Eintritt der Volljährigkeit selbst vorzubehalten. Weiter wird sich das Berufungsgericht zu fragen haben, ob der Vormundschaftsrichter auf einen etwaigen Genehmigungsantrag des Vaters A. nicht die Anhörung des fast volljährigen Kurt A. oder auch seiner Schwester hätte für geraten halten müssen und ob solchenfalls über den Genehmigungsantrag überhaupt vor Eintritt der Volljährigkeit von Kurt A. hätte befunden werden können. Für die Beurteilung der Frage, ob der Abschluß des Vertrages im Interesse der Kinder A. lag, konnte dem Vormundschaftsrichter möglicherweise auch bedeutsam erscheinen, welche Bewertung der Vertrag im Verfahren über seine Genehmigung nach dem Gesetz über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten finden würde; es fragt sich daher, ob nicht auch aus diesem Grunde einer etwaigen Entscheidung des Vormundschaftsrichters der Eintritt der Volljährigkeit von Kurt A. oder auch seiner Schwester Marie A. zuvorgekommen wäre. Unter all diesen Gesichtspunkten bedarf die Sache weiterer tatrichterlicher Klärung.
Die Entscheidung über die Kosten der Revision bleibt dem Berufungsgericht vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 3018621 |
DB 1967, 159-160 (Volltext) |
DNotZ 1967, 320 |
DNotZ 1967, 320-323 |