Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung und Amtspflichten des Bezirksnotars/ Vormundschaftsrichters bei Genehmigung eines Unterhalts-, Pflichtteils- und Erbverzichtsvertrages
Leitsatz (amtlich)
a) Zur Haftung des Landes Baden-Württemberg für Pflichtverletzungen, die seine „Notare im Landesdienst” im württembergischen Rechtsgebiet in der Zeit vor dem 1. Januar 1982 begangen haben.
b) Zu den Amtspflichten des Bezirksnotars/Vormundschaftsrichters bei der Entscheidung über die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eines Unterhalts-, Pflichtteils- und Erbverzichtsvertrages.
Normenkette
BadWürttAGBGB § 20 F: 26. November 1974; BGB § 839
Verfahrensgang
LG Stuttgart |
OLG Stuttgart |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 2. Juni 1993 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der am 25. November 1963 geborene Kläger ist der nichteheliche Sohn der Verwaltungsangestellten R. B. geb. K. und des Fuhrunternehmers X. Kö. Am 29. Mai, 6. und 20. Juni 1980 richtete der Kläger, vertreten durch seine Mutter, nach anwaltlicher Beratung an seinen Vater ein notarielles Angebot zum Abschluß eines Unterhalts-, Pflichtteils- und Erbverzichtsvertrages. Am 20. Juni 1980 wurde das Angebot zugleich mit dem durch seine spätere Annahme zustande kommenden Vertrag von dem zuständigen Vormundschaftsrichter, Notar R. in H., vormundschaftsgerichtlich genehmigt. Der Vater nahm das Angebot am 24. Juni 1980 an und zahlte den vereinbarten Abfindungsbetrag von 65.000 DM.
Der Kläger nimmt das beklagte Land aus Amtspflichtverletzung mit der Begründung in Anspruch, die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung hätte nicht erteilt werden dürfen. Er verlangt entgangenen Unterhalt in Höhe von 24.929 DM und macht im Wege des Feststellungsantrags Ersatzansprüche wegen zukünftiger Schäden geltend. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter. Das beklagte Land bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
1. zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß das beklagte Land für etwaige Pflichtverletzungen, die Notar R. im Rahmen der Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung begangen hat, aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung (Art. 34 GG, § 839 BGB) einzustehen hat.
In Baden-Württemberg ist das staatliche Notariat als Regelform der Notariatsverfassung eingerichtet, im Bezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart in Form des Bezirksnotariats (vgl. § 114 BNotO, Art. 138 GG). Es handelt sich um „Notare im Landesdienst” (§ 2 des Landesgesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit – LFGG BW – vom 12. Februar 1975, GBl. BW S. 116). Die Notariate sind im württembergischen Rechtsgebiet auch für Vormundschaftssachen zuständig (§§ 1 Abs. 1, Abs. 2, 36 LFGG BW; vgl. Art. 147 EGBGB), soweit diese nicht zu den nach § 37 LFGG BW ausdrücklich dem Amtsgericht zugewiesenen Angelegenheiten gehören. Danach unterfiel die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung des von dem minderjährigen Kläger geschlossenen Verzichtsvertrages (vgl. §§ 1615e Abs. 2, 2347 Abs. 1 2. HS BGB a.F.) dem Aufgabenbereich Notar R.
Schon nach der im Zeitpunkt dieser Amtshandlung maßgeblichen landesrechtlichen Vorschrift (§ 20 Abs. 1 des Baden-Württembergischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Ba.Wü. AGBGB – vom 26. November 1974, GBl. BW S. 498, in Kraft getreten am 1. Januar 1975) fanden bei Amtspflichtverletzungen der Notare im Landesdienst grundsätzlich die für Beamte geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Zwar trat seinerzeit eine (alleinige) persönliche Haftung des Notars dann ein, wenn er selbst – und nicht der Staat – Gläubiger der für seine Tätigkeit angefallenen Gebühren war (§ 20 Abs. 2 Ba.Wü. AGBGB 1975; vgl. Haug, Die Amtshaftung des Notars, 1989, Rn. 380; Henssler, DRIZ 1976, 75, 78; diese Einschränkung der staatlichen Haftung gilt nach § 18 Ba.Wü. AGBGB in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Ba.Wü. AGBGB vom 8. Dezember 1981, GBl. BW S. 591, in Kraft getreten am 1. Januar 1982, nicht mehr für die ab dem 1. Januar 1982 begangenen Verstöße; vgl. Haug aaO). Ein derartiger Fall ist hier aber nicht gegeben. Ein eigenständiger Gebührenanspruch wurde für Notar R. nicht begründet, weil die von ihm getroffene vormundschaftsgerichtliche Genehmigungsentscheidung unmittelbar seinen amtlichen Wirkungskreis betraf. Gebühren und Auslagen für diese Tätigkeit wurden auch im württembergischen Rechtsgebiet nur zur Staatskasse erhoben (§ 10 Abs. 1 Satz 1 des Landesjustizkostengesetzes – LJKG BW – in der Fassung vom 25. März 1975, GBl. BW S. 261). Es handelte sich nicht, wie für einen eigenen Anspruch des Notars vorausgesetzt wurde (§ 10 Abs. 1 Satz 2 LJKG BW), um den in § 3 Abs. 1 LFGG BW umschriebenen Tätigkeitsbereich – Beurkundung von Rechtsvorgängen, Erfüllung anderer den Notaren in der Bundesnotarordnung auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege übertragener Aufgaben – des öffentlichen Notariats. Im übrigen wären auch die Gebühren für die in § 3 Abs. 1 LFGG BW erfaßten Tätigkeiten des Notars, soweit sie mit Geschäften des amtlichen Wirkungskreises zusammenhingen, ausschließlich dem Staat zugeflossen (§§ 11 Abs. 1 Satz 1, Abs.; 1 Satz 2 Nr. 2 b LJKG BW 1975).
2. Dem Berufungsgericht ist weiter darin zu folgen, daß Notar R. in seiner Eigenschaft als Vormundschaftsrichter die ihm dem Kläger gegenüber obliegenden Amtspflichten dadurch verletzt hat, daß er den zwischen dem Kläger und seinem Vater geschlossenen Verzichtsvertrag genehmigt hat, ohne zuvor Ermittlungen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters angestellt zu haben.
a) Der Bezirksnotar hatte über den Genehmigungsantrag nach pflichtgemäßem Ermessen zu befinden. Er war insoweit gebunden, als er in erster Linie auf das Interesse des Klägers als des durch das Genehmigungserfordernis geschützten Minderjährigen abstellen mußte. In diesem Zusammenhang traf ihn die Amtspflicht, den entscheidungserheblichen Sachverhalt sorgfältig aufzuklären. Dies war erforderlich, um ihn in die Lage zu versetzen, die gebotene Gesamtwürdigung der Interessen des minderjährigen Klägers vorzunehmen. Die anzustellenden Ermittlungen mußten sich auch auf die wirtschaftlichen Folgen des zu genehmigenden Rechtsgeschäfts und auf die dem Kläger daraus etwa drohenden finanziellen Nachteile erstrecken. Diese Aufklärung ist der Ermessensausübung bei der Entscheidung über den Genehmigungsantrag vorgelagert und schafft die tatsächlichen Grundlagen für eine fehlerfreie Betätigung des Ermessens (Senatsurteile vom 22. Mai 1986 – III ZR 237/84 – NJW 1986, 2829, 2830 = LM § 839 (Fi) BGB Nr. 46 und vom 15. November 1973 – III ZR 42/72 – VersR 1974, 358, 359 ff).
b) Nach den für den Senat bindenden tatrichterlichen Feststellungen hatte der Notar aber den Vertrag genehmigt, ohne zuvor im Wege der Amtsermittlung (§ 12 FGG) die finanziellen Verhältnisse der Vertragsparteien, insbesondere die Einkommens- und Vermögenslage des Vaters des Klägers, untersucht zu haben. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, daß für den Notar mangels Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht die Möglichkeit bestand, im Rahmen seines Ermessens die gebotene Interessenabwägung vorzunehmen. Inhalt und Umfang der Amtspflichten des Notars wurden auch nicht dadurch verringert, daß die Anwälte auf alsbaldige Genehmigung drängten.
3. Auch soweit das Berufungsgericht ein fahrlässiges Handeln des Notars angenommen hat, sind seine Erwägungen frei von Rechtsirrtum.
a) Das Berufungsgericht führt in diesem Zusammenhang zutreffend aus, weder die Bitten des Klägers und seiner Mutter um Beschleunigung der Angelegenheit noch eine etwaige Drohung des Vaters, sich vermögenslos zu machen, hätten es gerechtfertigt, die im Interesse des minderjährigen Klägers gebotenen Nachforschungen zu unterlassen. Nach dem auch im Rahmen des § 839 BGB maßgebenden objektivierten Sorgfaltsmaßstab (vgl. Kreft in RGR-Kommentar, BGB 12. Aufl. § 839 Rn. 289) waren bei dem Notar die für die Führung seines Amtes als Vormundschaftsrichter erforderlichen Kenntnisse und Einsichten vorauszusetzen. Hiernach mußte von ihm erwartet werden, daß er die zu seiner Entscheidung notwendigen Erkundigungen einzog. Art und Schwere der Pflichtverletzung erlauben es auch nicht, das Verschulden des – als Vormundschaftsrichter tätig gewordenen – Notars im Hinblick auf den Gesichtspunkt der richterlichen Unabhängigkeit zu verneinen, der bei der Beurteilung, ob ein Richter bei der Rechtsanwendung und Gesetzesauslegung schuldhaft amtspflichtwidrig gehandelt hat, zu beachten ist (Senatsbeschluß vom 19. Dezember 1991 – III ZR 9/91 – BGHR BGB § 839 Abs. 2 Richter 1 NJW-RR 1992, 919).
b) Die Würdigung des Berufungsgerichts, aus der in dem Aktenvermerk vom 19. Juni 1980 wiedergegebenen Erklärung des Notars ergebe sich nicht, daß dieser vorsätzlich gegen seine Pflichten verstoßen habe, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Ausweislich dieses Vermerks, der von den auf seiten des Klägers eingeschalteten Rechtsanwälten angefertigt worden ist, hat der Notar einen Tag vor Erteilung der Genehmigung geäußert, er habe zwar so etwas noch nie gemacht, aber in diesem Fall werde er, um die Sache zu Ende zu bekommen, diesen Schritt vornehmen. Diese Erklärung läßt die Deutung des Berufungsgerichts zu, der Bezirksnotar könne mit seiner Äußerung gemeint haben, daß er mit einem solchen Falle noch nie befaßt gewesen sei, und dies müsse nicht bedeuten, daß er sich bewußt über seine bisherige Übung habe hinwegsetzen wollen. Bei dieser tatrichterlichen Auslegung, die möglich und daher vom Revisionsgericht hinzunehmen ist, scheidet ein vorsätzliches Handeln aus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt ein Amtsträger nur dann vorsätzlich, wenn er sich bewußt über die verletzte Amtspflicht hinwegsetzt. Zum Vorsatz gehört neben der Kenntnis der Tatsachen, aus denen die Pflichtverletzung sich objektiv ergibt, auch das Bewußtsein der Pflichtwidrigkeit, d.h. das Bewußtsein, gegen die Amtspflicht zu verstoßen. Zumindest muß der Amtsträger mit der Möglichkeit eines solchen Verstoßes rechnen und diesen billigend in Kauf nehmen (Senat BGHZ 120, 176, 181).
4. Soweit das Berufungsgericht dem Kläger den geltend gemachten Anspruch jedoch mit der Begründung versagt hat, er habe nicht schlüssig und substantiiert dargetan, daß ihm durch die Amtspflichtverletzung des Bezirksnotars ein Schaden entstanden sei, hält das Berufungsurteil den Rügen der Revision im Endergebnis nicht stand. Das Berufungsgericht führt aus, das Vorbringen des Klägers lasse keine Feststellungen dahingehend zu, wie die Entscheidung des Bezirksnotars nach dem Ergebnis der pflichtgemäß anzustellenden Nachforschungen ausgefallen wäre oder richtigerweise hätte ausfallen müssen. Dem kann nicht in allem gefolgt werden.
a) Bei der Beurteilung der Frage, ob die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung bei sorgfältiger Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters des Klägers abzulehnen gewesen wäre, hat das Berufungsgericht allerdings zutreffend die Rechtsprechung des Senats zugrunde gelegt, wonach der durch eine Amtspflichtverletzung Geschädigte den Nachweis zu führen hat, daß ihm durch die Amtspflichtverletzung ein Schaden entstanden ist, er also bei amtspflichtgemäßem Verhalten des Amtsträgers finanziell besser stehen würde (Senatsurteil vom 22. Mai 1986 aaO S. 2831). Der Kläger hat daher auch darzulegen und zu beweisen, daß der Notar die Genehmigung bei pflichtgemäßem Handeln versagt hätte bzw. hätte versagen müssen. Das Berufungsgericht hat ferner den Gesichtspunkt in seine Erwägungen einbezogen, daß eine Abweichung von diesem Grundsatz in Betracht kommt, wenn eine Amtspflichtverletzung und eine zeitlich nachfolgende Schädigung feststehen (Senat aaO). Zu Recht hat es dann aber das Vorliegen der Voraussetzung für die Entlastung des Geschädigten, daß nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang gegeben ist (Senat aaO; Nichtannahmebeschlüsse vom 25. Januar 1990 III ZR 116/89 – und vom 28. Februar 1991 – III ZR 81/90 BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Beweislast 1 und Kausalität 4, jeweils m.w.N.), für den gegebenen Fall verneint.
Eine solche tatsächliche Vermutung für die Schadensursächlichkeit ist bisher bei amtspflichtwidrigem Verhalten von Vormundschaftsrichtern nur für die Verletzung von Aufsichts- und Überwachungspflichten über den Vormund angenommen worden, wenn eine ordnungsgemäße Beaufsichtigung an sich geeignet war, den Schaden zu verhindern (vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 1986 aaO S. 2832). Die vorliegende Fallgestaltung ist hiermit nicht vergleichbar. Bei einem Vormund ist davon auszugehen, daß das Bewußtsein, vormundschaftsgerichtlich überwacht zu werden, geeignet ist, schädliche Handlungen (z.B. Veruntreuungen zu Lasten des Mündels) zu verhüten. Hingegen ist im Streitfall offen, wie die Entscheidung über die Anträge auf vormundschaftsgerichtliche Genehmigung ausgefallen wäre, wenn der Bezirksnotar pflichtgemäß weitere Ermittlungen angestellt hätte (vgl. Senatsurteil aaO).
b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe verkannt, daß zugunsten des Klägers deshalb eine Umkehr der Beweislast eintreten müsse, weil er durch die Amtspflichtverletzung des Notars in Beweisnot geraten sei.
Die Frage, wie die Entscheidung über die Genehmigung bei pflichtgemäßem Handeln des Bezirksnotars ausgefallen wäre oder hätte ausfallen müssen, betrifft die haftungsausfüllende Kausalität, so daß dem Kläger als Geschädigtem die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO zugute kommen (Senatsurteile vom 22. Mai 1986 aaO S § . 2831 und vom 8. Juni 1989 – III ZR 63/88 – NJW 1989, 2945, 2946; BGH, Urteil vom 27. Mai 1993 – IX ZR 66/92 – WM 1993, 1513). Derartige Beweiserleichterungen können zum Beispiel dann bis zur Umkehr der Beweislast gehen, wenn die Beweislage des Geschädigten durch eine Fürsorgepflichtverletzung seines Dienstherrn oder die Mitwirkung eines voreingenommenen Prüfers an einer Prüfungsentscheidung entscheidend verschlechtert worden ist (Senatsurteil vom 3. März 1983 – III ZR 34/82 – NJW 1983, 2241, 2242; vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 1986 aaO S. 2832). wie der Senat bereits entschieden hat (Senatsurteil vom 22. Mai 1986 aaO), können diese Grundsätze jedoch nicht auf einen Fall wie denjenigen, über den hier zu befinden ist, übertragen werden. In den genannten (Ausnahme-)Fällen handelte es sich darum, daß der Geschädigte gerade durch den Amtspflichtverstoß in die schwierige Lage versetzt worden war, den hypothetischen Ausgang eines Wahlverfahrens oder eines Prüfungsverfahrens beweisen zu müssen. Im Streitfall beruhen die Schwierigkeiten bei der Aufklärbarkeit des Sachverhaltes jedoch maßgeblich auf Umständen, die nicht in den Verantwortlichkeitsbereich des Amtsträgers fallen, nämlich unter anderem auf dem langen Zeitablauf. Auch hatte die hier verletzte Amtspflicht zur sorgfältigen Sachaufklärung nicht zum Gegenstand, Beweismaterial zu beschaffen und bereit zu halten, das für den vorliegenden Amtshaftungsprozeß erheblich ist (vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 1986 aaO).
c) Im Ergebnis zu Recht rügt die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht den Streitstoff nicht ausgeschöpft und zu hohe Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers gestellt hat (§§ 286, 287 ZPO).
Wie dargetan, ist die Frage, welche Entscheidung der Bezirksnotar bei pflichtgemäßem Handeln getroffen hätte bzw. hätte treffen müssen, dem Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität zuzurechnen, so daß die Vorschrift des § 287 ZPO zugunsten des Klägers eingreift. Im Rahmen der Anwendung des § 287 ZPO ist der Richter von der Einhaltung der strengen allgemeinen Beweislastregeln insofern befreit, als er in einem der jeweiligen Sachlage angemessenen Umfang weniger wahrscheinliche Verlaufsmöglichkeiten leichter ausschließen kann. Zwar müssen für die Überzeugungsbildung gewisse gesicherte Grundlagen gegeben sein. Es genügt aber, wenn mit erheblicher bzw. deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit ein ursächlicher Zusammenhang besteht (Senatsurteil vom 8. Dezember 1977 – III ZR 46/75 – LM § 839 (Fd) BGB Nr. 19 = MDR 1978, 735, 736; BGH, Urteile vom 9. Oktober 1990 – VI ZR 291/89 – NJW 1991, 1412, 1413 und vom 5. November 1992 – IX ZR 12/92 – NJW 1993, 734). Da sich § 287 ZPO auch auf die Darlegungslast des Geschädigten auswirkt, darf die Klage im Rahmen des Anwendungsbereichs diese Vorschrift nicht wegen eines lückenhaften Vortrags abgewiesen werden, solange greifbare Anhaltspunkte für die Darstellung des Klägers vorhanden sind (vgl. BGH, Urteile vom 5. November 1992 aaO und vom 2. Juli 1992 – IX ZR 256/91 – NJW 1992, 2694, 2695 f). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt, wenn es einen substantiierten Vortrag des Klägers zu der mutmaßlichen Entscheidung des Notars vermißt. Dem Revisionsgericht sind allerdings bei der Nachprüfung der tatrichterlichen Würdigung im Rahmen des § 287 ZPO enge Grenzen gesetzt. Es kann nur prüfen, ob die Schadensermittlung auf grundsätzlich falschen und offenbar unsachlichen Erwägungen beruht und ob wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen außer acht gelassen worden sind (Senatsurteil vom 8. Dezember 1977 aaO). Das Berufungsgericht hat jedoch von der ihm nach § 287 ZPO zugunsten des Geschädigten eingeräumten freieren Stellung nicht ausreichend Gebrauch gemacht und den Streitstoff nicht erschöpfend behandelt.
Der Kläger hat sein Vorbringen, der Bezirksnotar hätte dann, wenn er die gebotenen Ermittlungen durchgeführt hätte, dem Vertrag seine Zustimmung versagen müssen, durch Behauptungen zu den finanziellen Verhältnissen seines Vaters untermauert. Er hat mehrfach unter Beweisantritt durch Vernehmung seines Vaters vorgetragen, dieser sei schon damals außerordentlich vermögend gewesen und sei es auch heute, beispielsweise besitze er, sein Vater, in St. mehrere Grundstücke, die einen erheblichen Wert ausmachten. Der Kläger hat weiter dargelegt, es sei davon auszugehen, daß sein Vater 1986 ein erhebliches Vermögen von seinem, des Klägers, Großvater geerbt habe. Ferner hat er zwei Bafög-Bescheide aus den Jahren 1986 und 1989 überreicht, in denen jeweils ein monatliches Einkommen seines Vaters von mehr als 80.000 DM angesetzt ist. Bei Berücksichtigung dieses Vorbringens hätte das Berufungsgericht nicht zu dem Ergebnis gelangen dürfen, der Kläger habe sich praktisch mit Nichtwissen erklärt. Der Kläger hat dem Gericht alle ihm zur Kenntnis gelangten Tatsachen unterbreitet. Seinen Behauptungen sind ausreichende Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß sein Vater schon 1980 über ein überdurchschnittliches Einkommen verfügte. Zwar lassen die Bafög-Bescheide nicht zwingend Rückschlüsse auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters im Jahre 1980 zu, zumal er 1986 ein erhebliches Vermögen geerbt haben soll. Dennoch kommt ihnen Indizwirkung dafür zu, daß der Vater auch schon 1980 sehr wohlhabend war.
Insgesamt gesehen weist das Vorbringen des Klägers so viel Substanz auf, daß es jedenfalls den erleichterten Anforderungen an die Darlegungslast im Anwendungsbereichs des § 287 ZPO genügt. Sollten sich seine Behauptungen bestätigen, erscheint es hinreichend sicher, daß der Bezirksnotar nach der gebotenen Aufklärung die Genehmigung des Vertrages verweigert hätte. Schon der Unterhaltsbedarf, der unter Zugrundelegung der Berechnung des Klägers für den Zeitraum von Juni 1980 bis Juli 1991 angefallen ist, wäre nach der vorzunehmenden Abzinsung durch den vertraglich vereinbarten Abfindungsbetrag nahezu aufgezehrt (vgl. LG Göttingen NJW 1954, 1330; LG Köln DAVorm 1983, 475 ff; DIV-Gutachten vom 21. Mai 1984, DAVorm 1984, 665 ff). Ideelle Belange, die bei der von dem Vormundschaftsrichter geforderten Gesamtschau neben den materiellen Interessen des Minderjährigen zu berücksichtigen sind (Senatsurteil vom 22. Mai 1986 aaO S. 2830; Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts 4. Aufl. § 60 IV 8), dürften im Falle des Klägers zurücktreten. Bei der im Rahmen der Abwägung anzustellenden Prüfung, ob der Abfindungsbetrag einen angemessenen Ausgleich für den Verzicht auf den Pflichtteil und auf das Erbrecht bot, wäre den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Vaters entscheidendes Gewicht zugekommen. Ein zugleich mit einem Unterhaltsverzicht erklärter Verzicht auf Pflichtteilsrecht und Erbrecht wird, schon mit Rücksicht auf das damit regelmäßig verwirrte Recht zum vorzeitigen Erbausgleich gemäß § 1934d BGB (MünchKomm/Strobel, BGB 2. Aufl. § 2346 Rn. 34), ohnehin nur in seltenen Ausnahmefällen genehmigungsfähig sein (vgl. DIV-Gutachten vom 17. April 1989, DAVorm 1989, 488 ff und vom 12. Dezember 1990, DAVorm 1991, 162 ff). Die Grenze des vormundschaftsrichterlichen Ermessens ist bei der Zustimmung zu einem derartigen Vertrag jedenfalls dann überschritten, wenn sich der Vater des Kindes in so günstigen finanziellen Verhältnissen befindet, wie sie sich nach dem Vorbringen des Klägers darstellen, und wenn darüber hinaus erhebliches Familienvermögen vorhanden ist.
II.
Auch soweit das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers wegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit verneint (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB) und die Einrede der Verjährung (§ 852 BGB) durchgreifen läßt, hält das Berufungsurteil den Rügen der Revision nicht stand.
1. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit, die die Haftung des beklagten Landes für das fahrlässige Handeln des Bezirksnotars ausschließen würde, besteht für den Kläger nicht.
a) Eine Ersatzmöglichkeit gegenüber der Mutter des Klägers ist nicht gegeben. Die Parteien sind sich darüber einig, daß Forderungen gegen sie wirtschaftlich zu keiner Zeit zu verwirklichen gewesen wären. Dies ist aber Voraussetzung, um den Geschädigten auf rechtlich begründete Ansprüche gegenüber einem Dritten verweisen zu können (Kreft aaO § 839 Rn. 504 m.w.N.). Dementsprechend hat das Berufungsgericht mögliche Ansprüche gegen die Mutter des Klägers nicht erörtert. Im Revisionsrechtszug sind die Parteien hierauf auch nicht mehr zurückgekommen.
b) Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die für ihn bei Abschluß des Vertrages tätigen Rechtsanwälte abgelehnt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist zwar ein Anwaltsvertrag unmittelbar zwischen ihnen und dem Kläger zustandegekommen. Dem Berufungsgericht ist jedoch darin zu folgen, daß mögliche Ansprüche des Klägers gegen seine Anwälte, auch Sekundäransprüche wegen Nichtunterrichtung über den drohenden Ablauf der Verjährungsfrist, spätestens 1983, nämlich drei Jahre nach der im Jahre 1980 erfolgten Beendigung des Mandates, verjährt waren (§ 51 BRAO). Der Kläger müßte sich zwar auch eine schuldhaft versäumte Ersatzmöglichkeit entgegenhalten lassen (Senatsurteil vom 19. März 1992 – III ZR 117/90 – BB 1992, 950, 951 m.w.N.). Wie noch auszuführen sein wird, bestanden für den Kläger aber vor Ablauf der Verjährungsfrist keine Anhaltspunkte dafür, daß ihm durch den Abschluß des Vertrages wirtschaftliche Nachteile entstanden waren.
c) Eine im Rahmen des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB zu berücksichtigende Ersatzmöglichkeit gegen den Vater des Klägers ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gleichfalls nicht gegeben.
Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß zu den anderweitigen Ersatzmöglichkeiten des Geschädigten auch Bereicherungsansprüche gehören, die im Wege der Anfechtung von Willenserklärungen gegenüber dem Vertragspartner begründet werden können (Senatsurteil vom 23. Mai 1960 – III ZR 66/59 – VersR 1960, 663, 664; vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1993 – IX ZR 202/91 – NJW 1993, 1589, 1590 für die Notarhaftung). War eine derartige Möglichkeit vorhanden und ist sie weggefallen, etwa wegen Ablaufs der Anfechtungsfrist (§§ 121, 124 BGB), steht dem Geschädigten ein Amtshaftungsanspruch nur dann zu, wenn er die früher vorhandene Ersatzmöglichkeit nicht schuldhaft versäumt hat (vgl. oben zu II 1 b und Senatsurteil vom 19. März 1992 aaO).
Nach der Rechtsprechung des Senats muß die Ausnutzung der anderweitigen Ersatzmöglichkeit aber erfolgversprechend und dem Geschädigten auch zumutbar sein. Weitläufige, unsichere oder im Ergebnis zweifelhafte Wege des Vorgehens gegen Dritte braucht er nicht einzuschlagen (vgl. Senatsurteil BGHZ 120, 124, 126 m.w.N.; Kreft aaO § 839 Rn. 504 ff; vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 1962 – III ZR 205/61 – WM 1963, 375, 377 für die Notarhaftung). Um einen derartigen Fall handelt es sich hier. Ein Anfechtungsprozeß gegen seinen Vater wäre für den Kläger mit so erheblichen Risiken behaftet gewesen, daß er sich hierauf nicht verweisen lassen muß.
Um einen Anfechtungsprozeß mit Erfolgsaussicht führen zu können, müßte der Kläger in der Lage sein, darzutun und zu beweisen, daß der Vertrag infolge eines rechtserheblichen Irrtums oder durch arglistige Täuschung zustande gekommen ist. Da seine Mutter als seine gesetzliche Vertreterin den Vertrag abgeschlossen hat, kommt es nach § 166 Abs. 1 BGB für einen Irrtum und für eine von dem Vater des Klägers begangene Täuschung auf ihre Kenntnisse und Vorstellungen an. Ein Irrtum über die finanziellen Verhältnisse des Vaters des Klägers war aber bei ihr nicht gegeben, wie der Senat aufgrund des von dem Berufungsgericht insoweit aufgeklärten Sachverhalts selbst feststellen kann.
Durch die von dem Kläger mit seinem Vater getroffene Regelung sollte der Streit über die Höhe der Zahlungsverpflichtung des Vaters beendet werden. Hierfür waren unter anderem dessen wirtschaftliche und finanzielle Verhältnisse maßgebend. Aus diesem Grunde forderte der anwaltliche Bevollmächtigte der Klägerseite mit Schreiben vom 7. Mai 1979 die letzte Bilanz des Betriebes an und verlangte Auskünfte über den Immobilienbesitz sowie eine lückenlose Aufstellung des sonstigen Anlagevermögens. Ausweislich des Schriftwechsels kam der Vater des Klägers dieser Aufforderung nicht nach, und die Anwälte bestanden nicht auf der Erfüllung ihrer Forderung. Vielmehr kündigten sie mit weiterem Schreiben vom 14. April 1980 an, nach Ablauf einer zur Annahme des Abfindungsangebots von 65.000 DM gesetzten Frist würden sie Einkommensnachweise zur Überprüfung der bisher von dem Vater erbrachten Unterhaltsleistungen verlangen. Dies zeigt, daß die Vereinbarung schließlich geschlossen wurde, ohne daß die Mutter des Klägers glauben konnte, sich Gewißheit über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters, die eine der Grundlagen für die Höhe seiner gesetzlichen Zahlungspflicht bildete, verschafft zu haben. Sie wußte daher, daß der Vater des Klägers sie über seine finanziellen Verhältnisse im Unklaren gelassen, die erbetenen Auskünfte gerade nicht erteilt und Unterlagen nicht vorgelegt hatte. Dann scheidet ein Irrtum aber von vornherein aus. Ein Irrtum liegt nur bei unbewußter Unkenntnis vom wirklichen Sachverhalt vor. Die bewußte Unkenntnis vom wirklichen Sachverhalt stellt keinen Irrtum dar und berechtigt folglich nicht zur Anfechtung (vgl. Senatsbeschluß vom 24. Februar 1983 – III ZR 104/82 – WM 1983, 447; BGH, Urteil vom 15. Juni 1951 – I ZR 121/50 – NJW 1951, 705; vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 1968 – I ZR 81/66 – NJW 1969, 184). Dafür, daß der Vater des Klägers eine arglistige Täuschung begangen hat, bestehen, auch unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten, keinerlei Anhaltspunkte.
2. Auch soweit das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf seinen Beschluß vom 22. Januar 1993 den Anspruch des Klägers darüber hinaus für verjährt hält, kann das Urteil keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht führt aus, von einem Schaden habe der Kläger mit Erhalt der Bafög-Bescheide Kenntnis erlangt und er hätte bei einem Vergleich zwischen dem dort angegebenen Einkommen und der Abfindungssumme zwingend den Schluß ziehen müssen, daß Notar R. als Vormundschaftsrichter seine Amtspflichten verletzt habe. Durch diese Erwägungen wird das Berufungsurteil nicht getragen.
a) Nach § 852 Abs. 1 BGB verjährt der Anspruch auf Ersatz des aus einer Amtspflichtverletzung entstandenen Schadens in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Die Verjährungsfrist beginnt zu laufen, wenn der Geschädigte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, daß sie ihm zumutbar ist (Senatsurteil vom 11. Mai 1989 – III ZR 88/87 BGHR BGB § 852 Amtshaftung 1 = NJW 1990, 245, 247 m.w.N.; vgl. Senatsbeschluß vom 28. Februar 1991 – III ZR 252/89 BGHR BGB § 852 Amtshaftung 2).
b) Eine Kenntnis davon, daß die Genehmigung der Vereinbarung durch den Bezirksnotar eine schuldhaft pflichtwidrige Amtshandlung darstellte, wurde dem Kläger entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht schon durch die Bafög-Bescheide 1986 und 1989 vermittelt. Zwar erlangt der Geschädigte die für den Verjährungsbeginn notwendige Kenntnis, wenn er von der Vermögensbeeinträchtigung und deren Ursache in ihrer wesentlichen Gestaltung weiß, wobei es auf eine Kenntnis der Tatsachen, nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung ankommt. Über das Schadensbild nach Umfang und Höhe sowie über Einzelheiten des schadenstiftenden Ereignisses und des weiteren Ursachenverlaufs braucht sich der Geschädigte nicht im klaren zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1993 – IX ZR 84/92 – NJW 1993, 2741, 2743 m.w.N.). Um erkennen zu können, ob der Bezirksnotar bei der Genehmigung des Vertrages, einer Ermessensentscheidung, schuldhaft einen Fehler begangen hatte, mußte der Kläger jedoch wenigstens in Umrissen in Erfahrung gebracht haben, von welchen Erwägungen sich dieser seinerzeit hatte leiten lassen. Nur dann wäre ihm eine Überprüfung dahingehend möglich gewesen, ob diese Entscheidung, vom damaligen Sachstand aus gesehen, nicht mehr vertretbar gewesen ist. Daß der Bezirksnotar Untersuchungen über die finanziellen Verhältnisse des Vaters überhaupt nicht angestellt hatte, so daß es schon an der gebotenen Abwägung fehlte, erfuhr der Kläger erst, als 1991 seine Anwälte Einsicht in die Akten des Vormundschaftsgerichts H. erhielten. Aus dem Akteninhalt ergab sich, daß der Bezirksnotar die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erteilt hatte, ohne den Unterhaltsbedarf des Klägers und die finanziellen Verhältnisse seines Vaters ermittelt zu haben.
Aus dem in den Bafög-Bescheiden genannten Einkommen seines Vaters in den Jahren 1986 und 1989 konnte der Kläger nicht schon den Schluß ziehen, der 1980 geschlossene Vertrag laufe seinen Interessen derart zuwider, daß eine andere Entscheidung als eine Versagung der Genehmigung nicht zu rechtfertigen gewesen wäre. Eine Unkenntnis des Geschädigten steht allerdings der vom Gesetz geforderten positiven Kenntnis gleich, wenn er es versäumt, eine sich ihm ohne weiteres anbietende, gleichsam auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen, deren Erlangung weder besondere Kosten verursacht noch nennenswerte Mühe bereitet (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1989 – VI ZR 57/89 – BGHR BGB § 852 Abs. 1 Kenntnis 5 = NJW-RR 1990, 343 m.w.N.). Allein die in den Bafög-Bescheiden 1986 und 1989 genannten Zahlen brachten für den Kläger als Rechtsunkundigen nicht schon eine solche Erkenntnisquelle. Ein derartiges einer positiven Kenntnis gleichzusetzendes mißbräuchliches Sichverschließen ist auch nur in Ausnahmefällen gegeben. Hierfür würde es nicht einmal genügen, wenn die Unkenntnis grob fahrlässig verschuldet wäre (BGH, Urteil vom 6. Februar 1990 – VI ZR 75/89 – BGHR BGB § 852 Abs. 1 Kenntnis 6 = NJW-RR 1990, 606). Die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit dem Ziel, sich die notwendigen Kenntnisse zu verschaffen, wird von dem Geschädigten nicht verlangt.
c) Die Revisionserwiderung macht geltend, die Mutter des Klägers und seine anwaltlichen Vertreter hätten, dem Kläger zurechenbar, schon 1980 gewußt, bzw. es habe für sie auf der Hand gelegen, daß der Bezirksnotar bei der Genehmigung über die finanziellen Verhältnisse des Vaters nicht unterrichtet gewesen sei. Dies sei für sie deshalb ersichtlich gewesen, weil der Notar noch am Tage der Antragstellung, am 20. Juni 1980, die Entscheidung über die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung getroffen habe.
Dem kann nicht gefolgt werden. Die als Gegenrüge zu wertende Darstellung der Revisionserwiderung ist nicht zutreffend, wie der Senat selbst feststellen kann. Notar R., der den Vertrag als Vormundschaftsrichter genehmigt hat, ist bereits am 28. April 1980 in seiner Eigenschaft als Notar von den Anwälten des Klägers mit der Ausfertigung des Vertrages beauftragt worden und hatte in der Folgezeit mehrere Vertragsangebote gefertigt. Ferner hat er mit dem Bevollmächtigten des Vaters des Klägers korrespondiert, um den von dem Vater geäußerten Änderungswünschen Rechnung zu tragen. Die Mutter des Klägers, auf deren Kenntnis als seiner gesetzlichen Vertreterin für den Zeitpunkt des Verjährungsbeginns abzuheben ist (BGH, Urteile vom 12. Oktober 1993 – VI ZR 235/92 – NJW 1994, 803, 804 f und vom 16. Mai 1989 – VI ZR 251/88 – NJW 1989, 2323, jeweils m.w.N.), mußte daher, anders als die Revisionserwiderung meint, nicht notwendigerweise davon ausgehen, daß sich Notar R. vor Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung am 20. Juni 1980 nicht die erforderlichen Kenntnisse über die finanziellen Verhältnisse des Vaters verschafft hatte. Daß die Mutter des Klägers oder er selbst nach Eintritt seiner Volljährigkeit gleichsam die Augen vor einer sich aufdrängenden Kenntnis verschlossen hätte (vgl. oben), läßt sich nicht sagen.
Sollte den Rechtsanwälten des Klägers die Unterlassung des Notars bekannt gewesen sein, ist dies dem Kläger nicht zuzurechnen. Für den Verjährungsbeginn kommt es auf die Kenntnis des Verletzten bzw. seines gesetzlichen Vertreters an, nicht auf die Kenntnis des rechtsgeschäftlichen Vertreters. § 166 BGB findet im Falle des § 852 BGB grundsätzlich keine Anwendung (Senatsurteil vom 29. Januar 1968 – III ZR 118/67 – NJW 1968, 988). Der Kläger hatte die Rechtsanwälte auch 1980 nicht als seine Wissensvertreter in bezug auf mögliche Amtshaftungsansprüche eingeschaltet, so daß ihm aus diesem Grunde deren Wissen zuzurechnen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 1989 aaO).
III.
Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Die Sache wird an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit die erforderlichen Feststellungen zur haftungsausfüllenden Kausalität (vgl. oben zu I, 4 c) und gegebenenfalls zu den dem Kläger entstandenen finanziellen Nachteilen getroffen werden können. Für den Fall, daß das Berufungsgericht daraufhin einen Schadensersatzanspruch des Klägers bejahen sollte, ist auf folgendes hinzuweisen:
1. Dem Kläger kann ein seinen Anspruch minderndes Mitverschulden (§ 254 BGB) seiner Mutter aus dem Gesichtspunkt, daß sie dem Vertrag zugestimmt hat, ohne sich über die finanziellen Verhältnisse seines Vaters zu vergewissern, schon aus Rechtsgründen nicht entgegengehalten werden.
Zwar hat der Geschädigte entsprechend § 278 BGB auch für das Verhalten seines gesetzlichen Vertreters einzustehen, wenn dieser die dem Verletzten obliegende Schadensabwendungs- oder -minderungspflicht verletzt hat. Ist der Entstehungsgrund des Schadens gelegt, hat der Geschädigte den ihm durch zurechenbares eigenes Verhalten verursachten Teil des Schadens selbst zu tragen. Die an das schadenstiftende Handeln oder Unterlassen des Schädigers geknüpften Obhutspflichten des Geschädigten lassen auch eine Anwendung des § 278 BGB zu (Senatsurteil vom 24. Juni 1965 – III ZR 219/63 – LM § 254 (Ea) BGB Nr. 10). Hier ist der Mutter des Klägers aber allenfalls ein Verschulden bei der Entstehung des Schadens unterlaufen. Die entsprechende Anwendung des § 278 BGB setzt jedoch voraus, daß der gesetzliche Vertreter in Erfüllung einer schon bestehenden Verbindlichkeit des Geschädigten gehandelt hat, daß vertragliche oder vertragsähnliche Beziehungen also schon vorhanden waren (Senat BGHZ 1, 248, 253; BGHZ 103, 338, 342; 116, 60, 74; Senatsurteil vom 24. Juni 1965 aaO; anders bei dem wie ein eigenes Verschulden zu behandelnden Mitverschulden einer juristischen Person: vgl. Senat BGHZ 68, 142). Das Verhältnis zwischen Vormundschaftsrichter und Mündel ist aber kein Vertrags- oder vertragsähnliches Verhältnis in diesem Sinne. Ein Einstehen des Mündels für das Verhalten seines gesetzlichen Vertreters zu einem Zeitpunkt, zu dem der Vormundschaftsrichter die eigene schadenstiftende Handlung noch nicht vorgenommen hat, der Verletzungstatbestand demnach noch nicht verwirklicht ist, ist ausgeschlossen (Senatsurteil vom 24. Juni 1965 aaO; BGHZ 103, 338, 344; 116, 60, 74).
2. Aus dem Gesagten folgt, daß dem Kläger auch ein Fehlverhalten seiner Rechtsanwälte, die sich ebensowenig wie seine Mutter vor Abschluß des Verzichtsvertrages Gewißheit über die finanziellen Verhältnisse seines Vaters verschafft hatten, nicht nach der Vorschrift des § 278 BGB anspruchsmindernd entgegengehalten werden kann. Das Berufungsgericht wird jedoch zu prüfen haben, ob der Kläger sich unter Heranziehung des § 831 BGB (Senat BGHZ 1, 248, 249; Staudinger-Medicus, BGB 12. Aufl. § 254 Rn. 87) ein Mitverschulden seiner Anwälte als seiner Verrichtungsgehilfen (RGZ 96, 177, 179 ff; BGH, Urteil vom 15. Februar 1957 – VI ZR 335/55 LM BGB § 823 (Hb) Nr. 5 = VersR 1957, 301; BGH, Urteil vom 25. Mai 1962 – I ZR 181/60 – NJW 1962, 1390 f; kritisch: Steffen in RGR-Kommentar, BGB 12. Aufl. 5 831 Rn. 21 „Rechtsanwalt”; MünchKomm-Mertens, BGB 2. Aufl. § 831 Rn. 33) anrechnen lassen muß.
Fundstellen