Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 8. September 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 1. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 9. Dezember 1994 kaufte der Kläger von dem Beklagten ein mit einer gewerblich genutzten Halle bebautes Grundstück für 862.500 DM, zahlbar bis spätestens 15. Februar 1995. Er unterwarf sich wegen aller Zahlungsverpflichtungen aus der Urkunde dem Beklagten gegenüber der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen.
Im Februar 1995 focht der Kläger gegenüber dem Beklagten den Kaufvertrag an, da ihn der Beklagte arglistig über die Beschaffenheit des Kaufgrundstücks, über bauliche Mängel und über den Umsatz des in der Halle betriebenen Baumarkts getäuscht habe. Im März 1995 hat er zunächst unter Berufung auf die erklärte Anfechtung Vollstreckungsabwehrklage erhoben. In der Folgezeit hat er geltend gemacht, daß er bei Vertragsschluß am 9. Dezember 1994 wegen manisch-depressiver Erkrankung geschäftsunfähig gewesen sei.
Das Landgericht hat der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben.
Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß bei einer manisch-depressiven Erkrankung eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit in Betracht komme. Es meint, der Erstrichter habe aufgrund der von ihm durchgeführten Beweiserhebung zutreffend Geschäftsunfähigkeit des Klägers bei Abschluß des Vertrages als erwiesen angesehen. Dabei sei unschädlich, daß der gerichtliche Sachverständige sich, neben drei vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen, vor allem auf die Angaben des Klägers und seiner Ehefrau anläßlich des Gesprächstermins gestützt habe. Eine Beweisaufnahme darüber sei nicht erforderlich, obwohl der Beklagte nunmehr die einzelnen vom Kläger und seiner Ehefrau dem Sachverständigen geschilderten Ereignisse bestreite. Denn das Berufungsgericht habe im Hinblick auf die ärztlichen Bescheinigungen keinen Zweifel daran, daß das vom Sachverständigen gefundene Ergebnis zutreffend sei. Der Kläger befinde sich unstreitig seit März 1995 in ständiger psychiatrischer Behandlung, die gut angeschlagen habe. Sein Hausarzt habe ihm im Herbst 1994 eine solche Behandlung "eindringlich vorgeschlagen". Eine Beweiserhebung durch vom Beklagten benannte Zeugen dafür, daß beim Kläger keinerlei Anzeichen für eine Geschäftsunfähigkeit vorgelegen hätten, sei nicht erforderlich, da nach den Angaben des Sachverständigen für einen Dritten "nicht ohne weiteres oder eindeutig ein solch manisches Verhalten erkennbar" sei.
II.
Dies hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Wie die Revision mit Recht rügt, beruht die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Kläger sich bereits bei Abschluß des Kaufvertrages am 9. Dezember 1994 in einer seine Geschäftsfähigkeit ausschließenden manisch-depressiven Krankheitsphase befunden habe, auf einem Verfahrensfehler.
Das Berufungsgericht durfte seine Überzeugung nicht ohne Beweisaufnahme über die die Geschäftsunfähigkeit des Klägers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses angeblich begründenden Tatsachen bilden.
a) Das Berufungsgericht verstieß gegen § 286 ZPO, wenn es ohne Beweisaufnahme angesichts des Sach- und Streitstandes das Gutachten des Sachverständigen verwertete. Denn wenn der Sachverständige selbst zur Vorbereitung seiner Untersuchung andere Personen befragt und deren Aussage verwertet, führt das nur dann nicht zur (gerügten) Unbrauchbarkeit des Gutachtens, wenn das Gericht wenigstens nachträglich nach allgemeinen Verfahrensregeln unter Berücksichtigung der Beweislast über die streitigen Anknüpfungs- und Anschlußtatsachen - durch Zeugenvernehmung, und zwar zweckmäßigerweise im Beisein des Sachverständigen - Beweis erhebt und Feststellungen trifft (BGH, Urt. v. 10. Juli 1997, III ZR 69/96, NJW 1997, 3096 m.zahlr.N. aus der Rechtsprechung des BGH). Da der Kläger für die Tatsachen, aus denen er seine Geschäftsunfähigkeit folgert, darlegungs- und beweispflichtig ist, vermag die Ansicht der Revisionserwiderung, der Beklagte habe die Ehefrau des Klägers nicht als Zeugin benannt, die Beweisaufnahme nicht entbehrlich zu machen.
b) Die unterlassene Beweiserhebung und eigene Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht bliebe jedoch ohne rechtliche Folgen, wenn die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es das Sachverständigengutachten angesichts der vorgelegten Atteste für richtig hält, die Entscheidung trügen. Das ist jedoch nicht der Fall: Dem Sachverständigen haben die Atteste allein nicht ausgereicht, Geschäftsunfähigkeit des Klägers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses festzustellen, wovon das Berufungsgericht selbst ausgeht. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß das Berufungsgericht, wie es dies getan hat, sich eine größere eigene Sachkunde beimessen und aus diesen Attesten Schlüsse ziehen konnte, die der Sachverständige aus den Attesten allein nicht zu ziehen vermochte. Das Berufungsgericht hätte in diesem Fall seine überlegene Sachkunde darlegen müssen, wenn es, worauf die Revision zu Recht verweist, das unter Vorlage einer fachärztlichen Bescheinigung beantragte weitere Gutachten nicht einholen wollte.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß das Attest des Hausarztes, aus dem als einziger der vom Kläger beigebrachten ärztlichen Bescheinigungen sich tatsächliche Anhaltspunkte über den Gesundheitszustand des Klägers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entnehmen lassen könnten, seinerseits nur Schlüsse aus selbst miterlebten oder vom Hörensagen bekannten Vorkommnissen gezogen hat, deren Richtigkeit bestritten ist und die das Berufungsgericht ebenfalls nicht überprüft hat. Zudem ist nicht erkennbar, daß das Berufungsgericht ausreichende Sachkunde besaß, das vom Beklagten unter Zeugenbeweis gestellte Verhalten als unerheblich für einen Schluß auf Geschäftsfähigkeit anzusehen. Das Berufungsgericht konnte die Nichterhebung der Beweise insbesondere nicht, wie es das getan hat, damit rechtfertigen, daß für einen Dritten ein manisches Verhalten nicht ohne weiteres erkennbar sei. Entscheidend wäre, wie die Revision durch Hinweis auf Vortrag im zweiten Rechtszug rügt, ob ein Sachverständiger, wenn er dieses Verhalten in sein Gutachten einbezog, zu dem Ergebnis kommen konnte oder sogar mußte, daß hierdurch der Schluß auf eine Geschäftsunfähigkeit des Klägers durch eine manische Erkrankung zumindest erschüttert würde. Dazu fehlt es an Erwägungen des Berufungsgerichts.
Soweit das Berufungsgericht schließlich meint, aus dem Attest des behandelnden Facharztes vom 25. Juni 1995 zur Erkrankung des Klägers Rückschlüsse auf seine Geschäftsunfähigkeit am 9. Dezember 1994 ziehen zu können, übersieht es, wie die Revision zu Recht rügt, daß die Art der Erkrankung keinen Schluß auf das Vorliegen einer, die Geschäftsunfähigkeit auslösenden, Erkrankungsphase zu einem früheren Zeitpunkt zuläßt.
Aus der Erkrankung an manisch-depressivem Irresein folgt noch nicht, daß bei dem Erkrankten während der ganzen Dauer der Erkrankung der Zustand einer allgemeinen Geschäftsunfähigkeit bestanden hat. Denn "nur im Wirkungsbereich der in unregelmäßiger Folge auftretenden manischen und depressiven Phasen kann ein die freie Willensbestimmung allgemein ausschließender Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit im Sinne von § 104 Ziff. 2 BGB als gegeben angesehen werden. In den Zwischenräumen zwischen diesen Phasen ist der Erkrankte hingegen geschäftsfähig" (BGH, Urt. v. 27. April 1956, I ZR 178/54, WM 1956, 1184). Folgerichtig ist der Sachverständige zu dem Ergebnis, daß der Kläger zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geschäftsunfähig gewesen sei, nur durch die von ihm selbst ermittelten Angaben des Klägers und seiner Ehefrau über Vorkommnisse zum Vertragszeitpunkt gelangt. Das Berufungsgericht durfte eine Beweiserhebung zu diesen behaupteten Vorkommnissen also angesichts der besonderen Art der Erkrankung nicht für unnötig halten mit der Erwägung, der später vom Kläger aufgesuchte Arzt für Neurologie und Psychiatrie habe bescheinigt, der Kläger leide an dieser Erkrankung und spreche nunmehr seit über einem Jahr gut auf die Behandlung an. Hierzu bedarf es vielmehr der Feststellung, daß gerade zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine solche Phase, bei generell gegebenem Erkrankungszustand, vorlag. Diese aber läßt sich allenfalls aus den vom Sachverständigen seinem Gutachten zugrunde gelegten, bestrittenen, Vorkommnissen festststellen.
III.
Mit der gegebenen Begründung kann das Berufungsurteil danach nicht bestehen bleiben. Die Sache ist vielmehr zur Erhebung der erforderlichen Beweise an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte wird bei der erneuten Verhandlung Gelegenheit haben, auf seine weiteren - unter Hinweis auf die vorgelegte fachärztliche Bescheinigung erhobenen - Rügen gegen die Richtigkeit des Gutachtens zurückzukommen.
Der Senat hat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Unterschriften
Hagen Lambert-Lang Tropf Schneider Krüger
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 04.12.1998 durch T o r k a , Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen