Leitsatz (amtlich)
Wird in einer Kinoreportage über Mörder und ihre Bestrafung das Bildnis einer Person zur Schau gestellt, die mit den berichteten Mordfällen nichts zu tun hat, so ist das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten schwer beeinträchtigt und deshalb die Zubilligung eines Schmerzensgeldes gerechtfertigt.
Normenkette
BGB §§ 823, 847; GG Art. 1, 2 Abs. 1; KunstUrhG § 22; KV Mecklenburg-Vorpommern § 41
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 8. Dezember 1960 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision werden der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der minderjährige Kläger ist Seemann. Im August 1958 verließ er im Hafen Boqueron auf Cuba sein Schiff und schloß sich den Truppen Fidel Castros an. Berichte über seine dortigen Erlebnisse gingen seinerzeit mit einem Bild, daß ihn zusammen mit einem deutschen Kameraden in der Uniform der Kämpfer Fidel Castros zeigte, durch mehrere deutsche Tageszeitungen. Sie wurden u.a. von der BILD-Zeitung vom 29. Januar 1959 und der Zeitung DER MITTAG vom 30. Januar 1959 jeweils auf der ersten Seite veröffentlicht. Unter dem Bild standen 6 Zeilen Text zu dessen Erläuterung. Neben und unter dem Bild befanden sich auf der Titelseite der Zeitung DER MITTAG Artikel, die keinen Zusammenhang mit dem Bilde hatte. Der eine, rechts neben dem Bilde abgedruckte Artikel befaßte sich mit einem Mordprozeß. Er trug die Überschrift „Lebenslänglich für Doppelmörder”. Darunter stand in kleineren und schwächeren Lettern: „Aber mildes Urteil für P…s Helfershelfer”.
Die Beklagte bringt die UFA-Wochenschau heraus. In der Wochenschau Nr. 134 vom 17. Februar 1959 berichtete sie über die derzeitigen Diskussionen über die Todesstrafe. Der Bildfolge „Um die Todesstrafe” wurde ein Text vorangestellt, in dem es hieß: „Eine Reihe von entsetzlichen Bluttaten hat die … … öffentliche Meinung zu diesem Thema neu entzündet. Der Ruf nach der Todesstrafe für besonders brutale und kaltblütige Mörder ist nicht zu überhören”. Um darzustellen, welches Aufsehen in der Öffentlichkeit einige Gewaltverbrecher erregt hatten, wurden bildmäßig Schlagzeilen aus Tageszeitungen gezeigt. Darunter befand sich auch ein Ausschnitt aus der Ausgabe der Zeitung DER MITTAG vom 30. Januar 1959. Er umfaßte die Schlagzeile „Lebenslänglich für Doppelmörder” und den Untertitel „Aber mildes Urteil für P…s Helfershelfer” sowie das daneben befindliche Bild des Klägers, zeigte aber nicht den Kameraden des Klägers und den unter dem Bild abgedruckten Text.
Als der Prozeßbevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten vorstellig wurde, schnitt diese das beanstandete Bildnis aus den im Umlauf befindlichen Kopien ihrer Wochenschau heraus.
Der Kläger, der wegen schuldhafter Verletzung seines Persönlichkeitsrechts ein Schmerzensgeld von 2.000 DM fordert, hat vorgetragen, durch die Veröffentlichung seinen Bildes sei bei den Zuschauern der naheliegende Eindruck entstanden, das Bild zeige den erwähnten Doppelmörder. Sein Ansehen in seinem Hamburger Bekanntenkreis habe durch die Verbreitung seines Bildes erhebliche Einbuße erlitten. Außerdem bedeute es für ihn eine empfindliche Kränkung, daß sein Bild in einer Reportage über Mordfälle in den Lichtspielhäusern vorgeführt werde.
Die Beklagte, die um Abweisung der Klage bittet, hat bestritten, daß der Bildbericht den Eindruck hervorgerufen habe, der Kläger sei ein Doppelmörder. Es sei deutlich gewesen, daß sich die Schlagzeilen nicht auf die daneben gezeigte Aufnahme bezogen hätten. Im Übrigen sei der Zeitungsausschnitt nur vier Sekunden zu sehen gewesen, so daß bei den Zuschauern kein bestimmter Eindruck haften geblieben sei. Habe ein Zuschauer den Kläger schon vorher gekannt, so sei er ohnehin über die wahren Zusammenhänge im Bild gewesen. Das Ansehen des Klägers könne daher durch die Abbildung nicht gelitten haben. Im übrigen sei gemäß § 253 BGB für die Zubilligung eines Schmerzensgeldes rechtlich kein Raum.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dem Kläger unter Abweisung des weitergehenden Klageantrags ein Schmerzensgeld von 1.000 DM zugesprochen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte den Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht sieht eine schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers darin, daß dessen Bild im Zusammenhang mit einer Reportage über schwere Mordfälle in der Wochenschau der Beklagten gezeigt wurde. Diese Beurteilung wird von der Revision der Beklagten vergeblich angegriffen. In einem Bericht, der auf „entsetzliche Bluttaten” und „besonders brutale und kaltblütige Mörder” einging und das Thema der Todesstrafe anschnitt, hatte das Bildnis des Klägers, das diesen in einer verwegenen Aufmachung und Haltung zeigte, schlechthin nichts zu suchen. Das Berufungsgericht konnte, auch ohne sich die Wochenschau vorführen zu lassen, die Überzeugung gewinnen, daß die Wiedergabe des ihm vorliegenden Bildnisses mit seinen deutlich individuellen Zügen in dem vergrößerten Maßstab des Films zur Identifizierung des Klägers geeignet war. Das hatte die Beklagte in den Tatsacheninstanzen im Grunde auch gar nicht bestritten. Nur hatte sie die Ansicht vertreten, wer den Kläger in der Wochenschau wiedererkannt habe, werde ohnehin über die wahren Zusammenhänge im Bilde gewesen sein. Demgegenüber entnimmt das Berufungsgericht mit Recht der Erfahrung des Lebens, daß nicht schon jeder Zuschauer, der den Kläger aus nachbarlichen, beruflichen oder kameradschaftlichen Beziehungen kannte, auch über dessen weiteres Schicksal und seine Abenteuer in Kuba des näheren unterrichtet sein wird. Für einen unbefangenen Zuschauer, der schon in der Einleitung der Reportage darauf hingewiesen wurde, daß über schwere Mordtaten berichtet wurde, lag die Annahme jedenfalls nahe, daß der abgebildete verwegene junge Mann einer jener Mordtäter war, über dessen angemessene Bestrafung man sich Gedanken machen müsse. Das gilt um so mehr, als sonst gar kein Grund ersichtlich war, weshalb der Kläger in Großaufnahme neben der dicken und unterstrichenen Schlagzeile „Lebenslänglich für Doppelmörder” abgebildet wurde. Daß innerhalb einer weitgehend auf das Wort zurückgreifenden Reportage Bildnisse das besondere Interesse der Zuschauer finden, hebt das Berufungsgericht zutreffend hervor. Seine Feststellung, daß unter den hier gegebenen Umständen eine Vorführungszeit des Bildes von vier Sekunden genügte, um eine dem Kläger abträgliche Vorstellung hervorzurufen, kann durch die Ausführungen der Revision nicht erschüttert werden. Dem Berufungsgericht ist im besonderen darin zuzustimmen, daß dem Kläger nicht zugemutet werden kann, im einzelnen Beweis dafür anzutreten, wer von den zahlreichen Zuschauern ihn in der Wochenschau erkannt und dann den Eindruck gewonnen hat, er sei ein Mörder. Vielmehr ließ sich die dem Ansehen des Klägers abträgliche Wirkung der Vorführung seines Bildes auch ohne solche Beweiserhebungen auf Grund der Lebenserfahrung feststellen (§ 287 ZPO). Im übrigen ist es letztlich nicht entscheidend, ob bestimmte einzelne Personen unrichtige Auffassungen über den Kläger gewonnen haben. Denn die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts, das Recht am eigenen Bild (§ 22 KunstUrhG) einschloß, liegt schon darin, daß sein Bildnis überhaupt im Zusammenhang mit einem Bericht über Mordtaten öffentlich gezeigt wurde. Die Vorführung des Bildes mochte berechtigt sein, wenn über den Anschluß des Klägers und seines Kameraden an kubanische Truppen oder ganz allgemein über die Verhältnisse auf Kuba berichtet wurde (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG). Die geschehene Vorführung zeigte das Bild aber nicht als Dokument zu jenem „Bereich der Zeitgeschichte”, zu dem es sachlich gehörte, sondern stellte es für den Betrachter in einen ganz anderen Zusammenhang. Diese Art der Veröffentlichung, die den Kläger empfindlich kränken mußte und die naheliegende Gefahr einer falschen Deutung zu seinen Ungunsten einschloß, schließt es aus, daß sich die Beklagte auf die gesetzliche Abbildungsfreiheit von Personen der Zeitgeschichte berufen kann. Selbst wenn unter diesen Umständen § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG überhaupt anzuwenden wäre, was zu verneinen ist, so stand jedenfalls ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten (§ 23 Abs. 2 KunstUrhG) dieser Zurschaustellung seines Bildnisses entgegen (vgl. auch BGHZ 24, 200, 209). Der Grund, der die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Person des Klägers gelenkt hatte, ist für die Beurteilung ebenso gleichgültig wie die Tatsache, daß dieser sich zeitweise in Kuba aufhielt. Der Ehr- und Persönlichkeitsschutz des Klägers entfiel deshalb nicht. Entscheidend ist nur, daß der Kläger keinen Anlaß gegeben hatte, sich mit ihm im Rahmen einer Diskussion über die Todesstrafe zu befassen.
Der Senat stimmt dem Berufungsgericht endlich darin zu, daß eine schuldhafte Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers vorliegt. Den verantwortlichen Organen der Beklagten durfte bei Wahrung der Sorgfalt, die bei der Zusammenstellung einer Wochenschau notwendig ist, nicht entgehen, daß das Bildnis des Klägers in einer Reportage über Mordfälle nicht hineingehörte und daß durch die Vorführung des Bildnisses in die Rechte des Klägers eingegriffen wurde. Die Beklagte ist daher nach § 823 BGB in Verbindung mit § 31 BGB für das dem Kläger zugefügte Unrecht verantwortlich. Daneben greift der Haftungsgrund des § 831 BGB ein, da die Beklagte keinen Entlastungsbeweis für ihre Verrichtungsgehilfen angetreten hat, die die Wochenschau zusammenstellen. Vergebens versucht die Revision diese Beurteilung zu erschüttern. Das Berufungsgericht hatte keine Veranlassung, die Beklagte gemäß § 139 ZPO zur Ergänzung ihres Vorbringens oder ihrer Beweisangebote zu veranlassen. Im übrigen wären die von der Revision neu vorgetragenen Tatsachen noch nicht geeignet, die Rechtslage anders zu würdigen.
Die Voraussetzungen für die Zubilligung eines Schmerzensgeldes unter dem Gesichtspunkt der Genugtuung sind nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, an der festzuhalten ist, gegeben (BGHZ 26, 349; 35, 363; Urt. vom 10. November 1961 – 1 ZR 78/60). Bereits in der erstgenannten Entscheidung ist die erneut von der Revision vertretene Auffassung als rechtsirrig zurückgewiesen, das KunstUrhG habe die Haftungsfolgen einer unbefugten Bildnisverbreitung in dem Sinn abschließend und endgültig geregelt, daß auch aus der neuen Sicht der Verletzung des Persönlichkeitsrechts keine weitergehenden Ansprüche des Verletzten abgeleitet werden könnten. Diese Ansieht der Revision verkennt die Tragweite der Rechtsfortbildung, wie sie sich auf dem Gebiete des Persönlichkeitsschutzes unter dem Einfluß der Wertentscheidungen des Grundgesetzes vollzogen hat. Prüft man im Anschluß an die in BGHZ 35, 363 aufgestellten Grundsätze, ob im vorliegenden Falle die Umstände die Zubilligung immateriellen Schadensersatzes erfordern, so ist diese Frage unbedenklich zu bejahen. Schon deshalb, weil das Bildnis des Klägers im Zusammenhang einer Reportage über Mordfälle einem weiten Kreis von Filmbesuchern vorgeführt wurde, handelt es sich um eine schwere Beeinträchtigung der persönlichen Sphäre des Klägers. Wäre seitens der für die Beklagte handelnden Personen dem Gesichtspunkt des Persönlichkeitsschutzes nur einige Aufmerksamkeit zugewandt worden, so hätte das Unrecht gegenüber dem Kläger vermieden werden können. Da die Einbuße des Klägers auf andere Weise nicht ausgeglichen werden kann, hat das Berufungsgericht ihm mit Recht eine Geldentschädigung aus dem Gesichtspunkt der Genugtuung zugesprochen, zu deren Bemessung rechtlich nichts zu erinnern ist.
Die Revision der Beklagten war daher mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 609613 |
NJW 1962, 1004 |
JZ 1962, 755 |
MDR 1962, 294 |
VerwRspr 1962, 233 |
VerwRspr 1962, 832 |