Leitsatz (amtlich)
Ein sog. Pflugtausch ist auch unter den besonderen Verhältnissen im Beitrittsgebiet eine unbefugte Gebrauchsüberlasung im Sinne des § 589 Abs. 1 Ziff. 1 BGB.
Eine unbefugte Gebrauchsüberlassung der Pachtsache an Dritte ist grundsätzlich deren vertragswidriger Gebrauch, der die Rechte des Verpächters in erheblichem Maße verletzt.
Normenkette
BGB § 589 Abs. 1 Nr. 1, § 594e Abs. 1, § 553
Verfahrensgang
OLG Naumburg (Aktenzeichen 2 U (Lw) 15/98) |
AG Halle-Saalkreis (Aktenzeichen 105 Lw 16/97) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg – Senat für Landwirtschaftssachen – vom 18. Juni 1998 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte pachtete die streitgegenständlichen landwirtschaftlichen Nutzflächen mit Verträgen vom 26. März 1991 und vom 2. Juli 1991 auf 10 Jahre. Eine Unterverpachtung oder Überlassung der Flächen an Dritte war ihm nicht gestattet, er war aber berechtigt und verpflichtet „das Land nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung zu nutzen”. Der Beklagte vereinbarte mit einem anderen Landwirt einen sog. „Pflugtausch” und überließ diesem die Pachtflächen.
Der Kläger ist nunmehr Eigentümer dieser Flächen und erklärte mit Rücksicht auf den seiner Ansicht nach unerlaubten Pflugtausch mit Schreiben vom 15. September 1997 die fristlose Kündigung der Pachtverträge. Er hat beantragt, den Beklagten zur Herausgabe der Pachtflächen zu verurteilen.
Das Landwirtschaftsgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das Berufungsgericht hält die fristlose Kündigung der Pachtverträge für wirksam, weil der Beklagte durch den Pflugtausch gegen das Verbot nach § 589 Abs. 1 Ziff. 1 BGB verstoßen und damit in erheblichem Maße von der Pachtsache einen vertragswidrigen Gebrauch gemacht habe. Das Verbot sei durch die Regelung zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung nicht abbedungen worden und zwar unabhängig davon, daß der Pflugtausch in den neuen Bundesländern weithin eine Notwendigkeit sei und dort auch eine größere Verbreitung erfahren habe.
2. Diese Ausführungen halten den Revisionsangriffen stand. Der Kläger ist als neuer Eigentümer in die Pachtverträge eingetreten (§§ 593 Buchst. b, 571 Abs. 1 BGB) und hat sie wirksam außerordentlich gekündigt (§§ 594 e Abs. 1, 553 BGB). Der Beklagte ist damit zur Herausgabe der Pachtflächen verpflichtet (§ 596 Abs. 1 BGB).
a) Auch die Revision bezweifelt nicht, daß die Pachtverträge den Beklagten nicht ausdrücklich berechtigen, die Pachtsache unterzuverpachten oder einem Dritten zu überlassen. Sinn und Zweck des Verbots nach § 589 Abs. 1 BGB ist, daß die Herrschaft und Obhut über die Pachtsache grundsätzlich bei der Person verbleibt, der sie der Verpächter vertragsgemäß anvertraut hat. Eine Ausnahme gilt nur im Fall der Betriebsübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge, die sich auch auf zugepachtete Grundstücke bezieht (§ 593 a BGB). Die Nutzungsüberlassung an einen Dritten ist damit ohne Rücksicht auf die Art des Vertrages verboten, mithin fällt darunter auch der sog. Pflugtausch. Dies entspricht auch der herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. Faßbender/Hötzel/Lukanow, Landpachtrecht 2. Aufl. § 589 Rdn. 7; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, Landpachtrecht, 4. Aufl. § 589 Rdn. 9; Soergel/Heintzmann, BGB 12. Aufl. § 589 Rdn. 5 mit Fußn. 8; Staudinger/Pikalo/von Jeinsen, BGB, 1996, § 589 Rdn. 4).
Zwar ist das Verbot nach § 589 Abs. 1 Nr. 1 BGB grundsätzlich abdingbar. Soweit die Revision wegen der besonderen Gegebenheiten der Landwirtschaft im Beitrittsgebiet auf eine stillschweigende Erlaubnisvereinbarung abstellen möchte, kann ihr nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat die Pachtverträge ausgelegt und kommt zu dem Ergebnis, daß das Verbot nach § 589 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht abbedungen worden sei. Dies ist allerdings unter dem vom Beklagten und dem Landwirtschaftsgericht in den Vordergrund gerückten Blickwinkel geschehen, daß der Pächter „berechtigt und verpflichtet ist, das Land nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung zu nutzen”. Das Berufungsgericht hat aber nicht übersehen, daß der Pflugtausch unter den besonderen Verhältnissen der Ackerbewirtschaftung nach dem Ende der Zwangskollektivierung im Beitrittsgebiet weithin eine Notwendigkeit war und dort eine größere Verbreitung erfahren hat. Diese wirtschaftlichen Gegebenheiten allein hat es aber zu Recht nicht als ausreichend angesehen. Unter einer konkludenten Willenserklärung wird ein Verhalten verstanden, aus dem mittelbar auf einen entsprechenden Rechtsfolgewillen des „Erklärenden” geschlossen werden kann (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 57. Aufl. vor § 116 Rdn. 6 m.w.N.; MünchKomm/Kramer vor § 116 Rdn. 21). Auch die Revision stellt nicht auf entsprechenden Tatsachenvortrag zu einem Verhalten ab, aus dem geschlossen werden könnte, die Vertragsparteien hätten das einschlägige gesetzliche Verbot abändern wollen. Die Verträge wurden im Jahre 1991 abgeschlossen, den Vertragspartnern waren die Verhältnisse in den neuen Bundesländern bekannt. Es wäre ohne weiteres möglich gewesen, einen Pflugtausch vertraglich zu erlauben. Schließlich hebt auch die Revision nicht auf eine entsprechende Verkehrssitte (§ 157 BGB) ab (vgl. dazu BGH, Urt. v. 30. März 1990, V ZR 113/89, BGHR BGB § 157, Verkehrssitte 1).
b) Erfolglos macht die Revision auch geltend, es liege jedenfalls eine konkrete stillschweigende Zustimmung zum vorgenommenen Pflugtausch vor. Sie verweist dazu auf die erstinstanzliche Behauptung des Beklagten, der Flächentausch sei seit Abschluß der Pachtverträge von den früheren Eigentümern geduldet worden, weil sie in der Nähe der verpachteten Grundstücke lebten und die Übersicht gehabt hätten, wer die Flächen bewirtschafte. Schon dieser Vortrag ist unschlüssig. Bloßes Schweigen ist grundsätzlich keine Zustimmung. Dafür, daß die Voreigentümer verpflichtet gewesen wären, ihren abweichenden Willen zu äußern, fehlt jeder Anhaltspunkt. Eine konkludente Willenserklärung setzt in der Regel auch das Bewußtsein voraus, daß eine rechtsgeschäftliche Erklärung wenigstens möglicherweise erforderlich ist (vgl. BGH, Urt. v. 29. November 1994, XI ZR 175/93, NJW 1995, 953). Dem Vortrag des Beklagten ist allenfalls zu entnehmen, die Voreigentümer hätten den Pflugtausch bemerken müssen. Soweit einem tatsächlichen Verhalten auch ohne ein solches Erklärungsbewußtsein oder ohne einen Rechtsbindungswillen die Wirkungen einer Willenserklärung beigelegt werden (vgl. BGHZ 109, 171, 177), geschieht dies zum Schutze des redlichen Rechtsverkehrs und setzt einen bestimmten Zurechnungsgrund voraus. Dafür fehlt es an entsprechendem Tatsachenvortrag des Beklagten (vgl. BGHZ aaO).
Im übrigen hat der Kläger auf die Behauptung des Beklagten eine „mündliche Einverständniserklärung der Voreigentümer” bestritten und erläutert, die früheren Eigentümer wohnten nicht sämtlich in der Nähe der Felder. Schon daraus folgte seine Absicht, eine stillschweigende Erlaubnis generell bestreiten zu wollen (§ 138 Abs. 3 ZPO). Auch in der Berufungsbegründung hat er ein Einverständnis der Voreigentümer mit dem Pflugtausch generell in Abrede gestellt; der Beklagte hat für seine Behauptung keinen Beweis angetreten.
c) Die bloße wirtschaftliche Notwendigkeit zum Pflugtausch, d.h. die vom Beklagten hervorgehobene Möglichkeit zur „sinnvollen Bearbeitung mit Maschinen”, vermag das Verbot nach § 589 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht außer Kraft zu setzen. Ob dies auch dann gelten würde, wenn der Beklagte die Pachtflächen technisch überhaupt nicht hätte bewirtschaften können, mag offenbleiben, denn dies hat er selbst nicht behauptet. Der Kläger hat vielmehr seinerseits vorgetragen, die Pachtflächen seien ohne Mitbenutzung anderer Grundstücke jederzeit und direkt zu erreichen, ohne daß der Beklagte das Gegenteil unter Beweis gestellt hätte.
d) Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es auch nicht an einem vertragswidrigen Gebrauch der Pachtsache, der die Rechte des Verpächters „in erheblichem Maße verletzt” (§ 553 BGB). Mit Recht verweist das Berufungsgericht darauf, daß das Gesetz selbst die unbefugte Gebrauchsüberlassung an Dritte als erhebliche Verletzung von Vertragspflichten interpretiert („insbesondere …”) und damit als besonderen Kündigungsgrund herausstellt (vgl. auch BGH, Urt. v. 28. November 1984, VIII ZR 186/83, NJW 1985, 2527 ff; Faßbender/Hötzel/Lukanow, Landpachtrecht 2. Aufl. § 554 e Rdn. 12; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, Landpachtrecht 4. Aufl. § 594 e Rdn. 20; Staudinger/Pikalo/von Jeinsen, BGB 1996 § 594 e Rdn. 30). Soweit das Berufungsgericht die Kündigungserklärung vom 15. September 1997 als Abmahnung auslegt (vgl. auch BGH, Urt. v. 26. März 1969, VIII ZR 76/67, WM 1969, 625, 626 re. Sp. oben) und erst in der Klageerhebung die wirksame Kündigungserklärung sieht, erhebt die Revision keine Rügen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Krüger
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.03.1999 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539822 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 1999, 496 |
WM 1999, 1293 |
ZAP-Ost 1999, 327 |
ZMR 1999, 536 |
AgrarR 1999, 212 |
MDR 1999, 798 |
NJ 1999, 486 |