Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 17.09.2020; Aktenzeichen 4 KLs 14/20 15 Js 616/19) |
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17. September 2020
- im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und mit vorsätzlichem Führen einer Schreckschusswaffe schuldig ist;
- im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlicher” besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat im tenorierten Umfang Erfolg.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen überfiel der im Tatzeitpunkt (18. September 2016) nicht vorbestrafte, 21 Jahre alte Angeklagte gemeinsam mit einem Mittäter auf einem Weg zwei Passanten. Unter Vorhalt einer geladenen Schreckschusspistole, aus deren Lauf beim Abfeuern der Explosionsdruck nach vorn austritt, forderte der Angeklagte von einem der beiden Zeugen die Herausgabe von Handy und Geldbeutel. Währendessen drängte sein Mittäter den zweiten Geschädigten zur Seite und zog ihm Handy und Bargeld aus der Hosentasche, was der Zeuge aus Furcht um seine körperliche Unversehrtheit duldete. Der Angeklagte und sein Mittäter erbeuteten insgesamt 65 Euro Bargeld sowie die beiden Mobiltelefone im Gesamtwert von 200 Euro.
Rz. 3
2. Die Revision erreicht ihr Ziel.
Rz. 4
a) Die von der Staatsanwaltschaft in der Revisionsbegründung erklärte Beschränkung auf den Strafausspruch ist unwirksam, weil gleichzeitig die Ergänzung des Schuldspruchs um das tateinheitlich begangene vorsätzliche Führen einer Schreckschusswaffe beantragt worden ist. Da bei Tateinheit die Revision nicht wirksam auf einzelne rechtliche Gesichtspunkte des Schuldspruchs beschränkt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 – 4 StR 173/07, NStZ 2007, 702 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 318 Rn. 13), erfasst das Rechtsmittel den gesamten Schuldspruch.
Rz. 5
b) Es führt jedoch nur zu einer Schuldspruchänderung im begehrten Umfang.
Rz. 6
Die Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub ist frei von Rechtsfehlern zugunsten oder zulasten des Angeklagten (§ 301 StPO).
Rz. 7
Das Landgericht hat mit seinem Schuldspruch jedoch den Unrechtsgehalt der von ihm rechtsfehlerfrei festgestellten Tat nicht ausgeschöpft und ist somit seiner Kognitionspflicht (§ 264 StPO) nicht ausreichend nachgekommen. Nach den Feststellungen war auch eine Verurteilung wegen tateinheitlichen Führens einer (Schreck-)Schusswaffe nach § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG auszusprechen. Zwar weist die Anklageschrift diesen Straftatbestand nicht aus; gleichwohl ist er von der Anklage im Sinne des § 264 StPO aufgrund der Schilderung des ihr zugrundeliegenden Lebenssachverhalts erfasst.
Rz. 8
§ 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, weil der Senat ausschließen kann, dass sich der Angeklagte wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 9
Der Senat lässt zudem den Ausspruch der „gemeinschaftlichen” Tatbegehung entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 1977 – 2 StR 410/77, BGHSt 27, 287).
Rz. 10
c) Die Schuldspruchänderung zieht hier die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Ohnedies hätte er sachlich-rechtlicher Prüfung nicht standgehalten.
Rz. 11
Das Landgericht hat – für sich genommen rechtsfehlerfrei – den Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt, weil es im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung ein beträchtliches Überwiegen der strafmildernden Umstände festgestellt hat. Indessen hat es bei der konkreten Strafzumessung neben den bereits bei der Strafrahmenwahl genannten Umständen in rechtsfehlerhafter Weise berücksichtigt, dass der Angeklagte nach der hier gegenständlichen Tat durch das Amtsgericht I. am 28. November 2017 wegen Bedrohung in Tateinheit mit Erpressung (Tatzeit: 20. August 2017) und am 8. August 2018 wegen Betrugs durch Unterlassen in zwei Fällen (Datum der letzten Tat: 31. Juli 2017) jeweils zu Geldstrafen verurteilt wurde, aus denen das Amtsgericht am 18. März 2019 nachträglich eine – inzwischen vollständig vollstreckte – Gesamtgeldstrafe bildete. Das Landgericht hat deshalb einen, indes nicht angezeigten, Härteausgleich vorgenommen und sich dabei ausdrücklich in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gesetzt. Nach dieser ist ein Härteausgleich nicht veranlasst, wenn – wie hier – der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe verurteilt ist und es sich bei der grundsätzlich einbeziehungsfähigen Strafe um eine bezahlte Geldstrafe handelt (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2012 – 2 StR 547/11, Rn. 22; Beschlüsse vom 28. Mai 2020 – 3 StR 99/19, Rn. 18; vom 23. November 2017 – 1 StR 442/17; vom 24. Februar 2011 – 4 StR 488/10, Rn. 18).
Rz. 12
Zur Begründung seiner Rechtsauffassung hat sich das Landgericht auf einen Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts (StraFo 2018, 106) berufen, der für den hiesigen Fall jedoch nicht einschlägig ist. Dessen Gegenstand war allein die Frage einer die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG berührenden Benachteiligung des Beschwerdeführers durch die rechtsfehlerhafte Versagung einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§ 460 StPO) im Falle des Zusammentreffens von Freiheits- und beglichener Geldstrafe (aaO, 108). Eine solche Benachteiligung hielt das Bundesverfassungsgericht für gegeben, weil bei rechtsfehlerfreier nachträglicher Gesamtstrafenbildung die bezahlte Geldstrafe von der Strafvollstreckungsbehörde gemäß § 51 Abs. 2 StGB obligatorisch auf die zu verbüßende Freiheitsstrafe hätte angerechnet werden müssen. Da demgegenüber im Zeitpunkt des hiesigen Urteils schon keine Gesamtstrafe mehr gebildet werden durfte, kam bereits im Ansatz eine Anrechnung der vollstreckten Geldstrafe nach § 51 Abs. 2 StGB nicht in Betracht.
Rz. 13
Demnach bleibt es dabei, dass der Angeklagte durch die rechtlich nicht mehr mögliche Einbeziehung der Geldstrafen aus den beiden genannten Urteilen des Amtsgerichts I. in eine Gesamtfreiheitsstrafe keinen ausgleichsbedürftigen Nachteil erlitten hat.
Rz. 14
Da das Landgericht den Umstand, dass eine Gesamtstrafenbildung mit der früheren Strafe ausschied, unmittelbar bei der Festsetzung der neuen Strafe berücksichtigt hat (vgl. zu den Möglichkeiten des Härteausgleichs LK-StGB/Schneider, 13. Aufl., § 46 Rn. 22), geht der Senat davon aus, dass die verhängte Strafe ohne den Härteausgleich höher ausgefallen wäre. Eine Entscheidung nach § 354 Abs. 1a StPO war ihm versagt, weil eine Korrektur des Schuldspruchs vorzunehmen war.
Rz. 15
Der Strafausspruch war demnach aufzuheben. Die rechtsfehlerfreien Feststellungen können bestehen bleiben und dürfen um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.
Unterschriften
Sander, Schneider, Feilcke, Tiemann, Fritsche
Fundstellen
Haufe-Index 14473118 |
NStZ-RR 2021, 207 |