Leitsatz (amtlich)
Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Wartungsarbeiten an Datenverarbeitungsgeräten enthaltene Klausel „Fahrtzeiten gelten als Arbeitszeiten” unterliegt als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle. Sie benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unangemessen und ist daher unwirksam.
Normenkette
AGBG §§ 8-9
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.04.1983) |
LG Frankfurt am Main |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. April 1983 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Kläger, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben es gehört, die Verwendung unwirksamer Vertragsbestimmungen im Geschäftsverkehr, insbesondere mit seinen Mitgliedern, zu bekämpfen, hat mit der Klage begehrt, der Beklagten die Verwendung mehrerer Klauseln in deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Wartungsarbeiten an Datenverarbeitungsgeräten für Kunden ohne Wartungsvertrag zu verbieten. Hinsichtlich einer dieser Klauseln hat sich die Beklagte zur Unterlassung verpflichtet. Die darüber hinausgehende Klage hat das Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht der Beklagten verboten, im Geschäftsverkehr betreffend die Durchführung von Wartungsarbeiten bei Datenverarbeitungsgeräten folgende Klauseln zu verwenden:
„Nach Wahl von MAI werden Neuteile oder Austauschteile eingesetzt.”
„Fahrtzeiten gelten als Arbeitszeiten.”
Wegen zweier weiterer Klauseln hat das Berufungsgericht das klagabweisende Urteil des Landgerichts bestätigt.
Mit der zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte nur gegen das Verbot der an zweiter Stelle angeführten Klausel. Der Kläger möchte die Revision zurückgewiesen haben.
Entscheidungsgründe
Die Revision bleibt erfolglos.
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung des Verbots der Klausel „Fahrtzeiten gelten als Arbeitszeiten” ausgeführt:
Die Bestimmung unterliege der Inhaltskontrolle. Bei Fahrtzeiten handle es sich um eine Nebenleistung innerhalb des eine Werkleistung betreffenden Vertragsverhältnisses. Die Klausel widerspreche dem gesetzlichen Leitbild des Werkvertrages, sei unangemessen und deshalb unwirksam (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG). Durch sie werde das typische Werkunternehmerrisiko, die Bereitstellung der Wartungsleistung am Aufstellungsort des Geräts, auf den Besteller abgewälzt. Der Unternehmer schulde diese Leistung; die Fahrtkosten dürften deshalb nur nach tatsächlichem Aufwand in Rechnung gestellt werden.
2. Die Revision macht hiergegen geltend: Die Klausel sei keine Preisnebenabrede, sondern betreffe die Hauptleistung, da sie eine Leistungsbeschreibung in Form einer Preisregelung enthalte. Der Zeitaufwand sei eine der für die Preisermittlung maßgebenden Komponenten. Diese Form der Werklohnbestimmung weiche nicht von Rechtsvorschriften ab, sondern sei naheliegend und typisch. Es komme daher nicht darauf an, ob die Regelung angemessen sei.
Darüber hinaus würden die Werkbesteller nicht unangemessen benachteiligt. Das Berufungsgericht übersehe, daß für die Beklagte der Lohnaufwand für die Wartungstechniker nicht davon abhängig sei, ob diese sich auf der Anfahrt oder am Einsatzort befänden. Unbeachtet sei auch geblieben, daß die bestellte Wartungsarbeit nicht erst am Einsatzort beginne, sondern Vorbereitungen in der Geschäftsstelle (z.B. Zusammenstellung voraussichtlich benötigten Werkzeugs und Materials) erfordere.
Schließlich sei, wie die Beklagte unter Beweisantritt vorgebracht habe, die Berechnung der Fahrtzeiten als Arbeitszeiten vorherrschende Praxis aller Instandsetzungs- und Instandhaltungsunternehmen.
3. Die Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg.
a) Nicht zu beanstanden ist die von dem Berufungsgericht vertretene Auffassung, daß die beanstandete Klausel der Inhaltskontrolle unterliegt. Zutreffend hat das Berufungsgericht dargelegt, daß die Vereinbarung über eine einmalige Wartungsleistung rechtlich nach den Regeln über den Werkvertrag zu beurteilen und daß die Hauptverpflichtung der Beklagten im Rahmen eines solchen Vertrages auf die (Wieder-)Herstellung oder Aufrechterhaltung des betriebsbereiten Zustandes der Anlage gerichtet ist. Diese rechtliche Qualifikation wird von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen.
Nicht zu folgen vermag der Senat der Ansicht der Revision, durch die beanstandete Klausel werde lediglich „die in Geld geschuldete Hauptleistung festgelegt”. Die Revision übersieht dabei, daß durch die Klausel zunächst einmal eine Bestimmung darüber getroffen wird, welche der Vertragsparteien für die Kosten der Fahrt des Wartungstechnikers zu seinem Einsatzort und zurück aufzukommen hat. Daß es sich bei den Fahrtzeiten um eine Nebenleistung im Verhältnis zu der von der Beklagten als Hauptleistung geschuldeten Wartung handelt, hat das Berufungsgericht gleichfalls rechtsirrtumsfrei – und in diesem Punkt von der Revision unbeanstandet – dargelegt. Die Klausel, durch die bestimmt wird, daß der Werkbesteller neben dem Entgelt für die Hauptleistung – die Wartung der Anlage – auch die Kosten der Fahrt des Technikers zum Einsatzort und zurück tragen muß, stellt sich somit als eine typische Preisnebenabrede dar, die im Sinne des § 8 AGBG eine Regelung enthält, die Rechtsvorschriften ändert oder ergänzt, denn bei einem Fehlen einer solchen Abrede wäre unter Anwendung der Maßstäbe der § 5 157, 242, 632 Abs. 2 BGB darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang das Begehren der Beklagten nach Tragung der Fahrtkosten durch die Auftraggeber gerechtfertigt wäre (vgl. Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 3. Aufl. 1978, § 8 Rdn. 15 S. 181).
Entgegen der Auffassung der Revision wird die Abrede über die Tragung der Fahrtkosten nicht dadurch zu einer Abrede über das Entgelt für die Hauptleistung, daß für die Höhe dieser Kosten dieselbe Berechnungsmethode festgesetzt wird, die auch für den bei der Berechnung des Entgelts für die Haupt-(Wartungs-)Leistung maßgebenden Zeitaufwand angewendet wird.
Das Berufungsgericht hat daher zu Recht die Rechtsverbindlichkeit der Klausel einer Überprüfung nach den Maßstäben des § 9 AGBG unterworfen.
b) Bei dieser Prüfung hat das Berufungsgericht kein entscheidungserhebliches Vorbringen der Beklagten übergangen.
aa) Das Berufungsgericht hat nicht übersehen, daß die Beklagte ihren Wartungstechnikern das vereinbarte Gehalt unverändert auch für Fahrtzeiten schuldet. Es hat vielmehr ausdrücklich anerkannt, daß die Beklagte ein berechtigtes Interesse daran haben kann, den Bestellern die ihr durch die Fahrten der Techniker zwischen deren Dienststelle und den Einsatzorten entstehenden Kosten nach dem tatsächlichen Aufwand (der die auf die Fahrtzeit entfallenden Anteile an den Löhnen und Gehältern einschließt) in Rechnung zu stellen. Was das Berufungsgericht – zutreffend – gerügt hat, ist lediglich die schematische Gleichbehandlung der Fahrtzeiten mit den Wartungszeiten, deren Vergütung außer den Personal- und Gemeinkosten auch den auf die erbrachte Werkleistung entfallenden Unternehmergewinn sowie einen Risikozuschlag für etwaige Gewährleistungsansprüche der Auftraggeber einschließt.
bb) Zu Unrecht beanstandet die Revision, das Berufungsgericht habe übersehen, daß mit den Fahrtzeiten auch die Zeiten abgegolten würden, die die Wartungstechniker dazu benötigten, sich an ihrer Geschäftsstelle auf die Ausführung der Wartungsarbeit (z.B. durch Zusammenstellung von Werkzeug und Ersatzteilen) vorzubereiten. Diese Behauptung hat die Beklagte in den vorangegangenen Rechtszügen nicht aufgestellt. Sie findet sich erstmals in der Revisionsbegründung und darf daher nicht berücksichtigt werden (§ 561 Abs. 1 ZPO).
cc) Schließlich brauchte das Berufungsgericht sich nicht mit dem Vortrag der Beklagten auseinanderzusetzen, die beanstandete Klausel entspreche vorherrschender Praxis aller Reparatur- und Instandhaltungsunternehmen. Wenn dies so wäre, könnte sich daraus allenfalls ergeben, daß es sich nicht um eine überraschende Klausel im Sinne des § 3 AGBG handelt. Dagegen steht die Üblichkeit einer Klausel der Feststellung ihrer Unangemessenheit im Sinne des § 9 AGBG nicht entgegen (Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, Kommentar zum AGB-Gesetz 1977, § 9 Rdn. 13 S. 156; Ulmer/Brandner/Hensen, § 9 AGBG, Rdn. 77 S. 222). Daß Klauseln dieser Art zu einer von beiden Vertragsseiten als maßgeblich angesehenen Verkehrssitte erstarkt seien, macht die Revision nicht geltend und ist auch von der Beklagten nicht behauptet worden.
c) Die danach ohne Übergehung wesentlichen Vorbringens der Beklagten vorgenommene Wertung der Klausel ist nicht zu beanstanden. Wie das Berufungsgericht rechtlich zutreffend ausgeführt hat, widerspricht die Klausel dem gesetzlichen Leitbild des Werkvertrages, da damit das typische Unternehmerrisiko der vereinbarten Zurverfügungstellung der Wartungsleistung am Aufstellungsort der Anlage, die die Beklagte dem Besteller schuldet, auf diesen abgewälzt wird; dies läuft dem Leistungsprinzip des Werkvertrages zuwider, wonach für solche in die Risikosphäre des Unternehmers fallende Nebenleistungen nur die tatsächlich entstandenen Kosten in Rechnung gestellt werden können. Zur zusätzlichen Stützung der von dem Berufungsgericht vertretenen Ansicht ist noch auf die weiteren – wenn auch je für sich von dem Berufungsgericht nicht für rechtswidrig erachteten – mit der beanstandeten Klausel inhaltlich zusammenhängenden Bestimmungen hinzuweisen, nach denen auch für die Fahrtzeiten jede angefangene als volle Stunde zu berechnen ist und für jeden Einsatz, ungeachtet der Tatsache, daß selbst dann, wenn verschiedene Einsatzorte nacheinander, ohne jeweilige Rückkehr des Technikers zur Geschäftsstelle, angefahren werden, die Entfernung und Fahrtzeit zwischen Dienststelle und Einsatzort angesetzt wird. Diese Klauseln, die ebenfalls von dem Grundsatz des kostendeckenden Aufwandersatzes abweichen, lassen die streitbefangene Klausel zusätzlich zu den von dem Berufungsgericht angeführten Gesichtspunkten als unangemessen erscheinen.
4. Die Revision ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 749270 |
BGHZ |
BGHZ, 316 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1984, 966 |