Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 12.12.2019; Aktenzeichen 234 Js 36/19 (540 Ks) (6/19)) |
Tenor
1. Die Revisionen der Angeklagten und der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. Dezember 2019 werden verworfen.
2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten N. S. wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und den Angeklagten Ne. S. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten und der Nebenkläger ohne Erfolg.
I.
Rz. 2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt: Die beiden Angeklagten sind Brüder und kennen seit ihrer Jugendzeit Ö., das spätere Opfer. Alle drei sind in B. aufgewachsen. Bereits vor etwa zehn Jahren kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung, als Ö. eine von den Angeklagten missbilligte intime Beziehung zu einer ihrer Schwestern hatte.
Rz. 3
Am Abend des 30. Januar 2019 sah Ö. auf der Straße zufällig den Angeklagten N. S., dem gerade sein mitangeklagter Bruder entgegenkam. Als Ö. den N. S. mit „Wie geht's” ansprach, drehte sich dieser mit den Worten „Wer bist Du?” um und geriet wenige Augenblicke später aus nicht feststellbaren Gründen in erhebliche Wut auf Ö.. Er rannte auf ihn zu, um ihn anzugreifen. Ö. erkannte dies, ließ sein Fahrrad fallen und floh auf die gegenüberliegende Straßenseite. N. S. verfolgte ihn, Ne. S. „schloss sich der Verfolgung und dem Entschluss seines Bruders zu einem tätlichen Angriff an”.
Rz. 4
Vor einem Kiosk holte N. S. den Ö. ein und schlug ihn mit der Faust zu Boden. Dann zog er ein Messer (Klingenlänge 15 cm) und stach damit mindestens viermal auf den Oberkörper seines am Boden liegenden Opfers ein, um es zu töten. Zuletzt brach die Messerklinge ab und fiel zu Boden. Ne. S. kam hinzu und sah, dass sein Bruder mehrere Hiebbewegungen gegen Ö. ausführte. Nicht ausschließbar ging er dabei von einem unbewaffneten Angriff aus und entschloss sich, daran mitzuwirken. Er trat mehrfach mit dem Fuß in Richtung von Ö. s Oberkörper, um diesen zu verletzen. Ob diese Tritte trafen und zu Verletzungen führten, ließ sich nicht feststellen.
Rz. 5
Ö. gelang es noch, sich aufzurichten und davonzulaufen. Er flüchtete in einen ihm bekannten Spätkauf, wo er bald darauf an den ihm zugefügten Verletzungen (u.a. Durchtrennung der Brustschlagader) starb.
Rz. 6
2. Das Landgericht hat die Angaben des Angeklagten N. S., er habe sich mit den tödlichen Messerstichen nur gegen einen unvermittelten Angriff des Getöteten verteidigt, aufgrund innerer Widersprüche, der objektiven Spurenlage, des Verletzungsbildes, des Fundorts der Spitze des abgebrochenen Messers, des Fehlens eigener erheblicher Verletzungen und der mit den objektiven Beweismitteln übereinstimmenden Angaben der Zeugin T. als widerlegt angesehen. Ein Motiv für diese Tat oder einen unmittelbaren Auslöser dafür hat das Schwurgericht nicht feststellen können.
Rz. 7
Der Angeklagte Ne. S. habe zwar Hiebbewegungen seines Bruders gegen das am Boden liegende Opfer gesehen, es sei aber nicht feststellbar, dass er ein Messer gesehen habe. Dass er anschließend eigene Tritte gegen Ö. ausgeführt habe, lasse nur den Schluss zu, dass er die Handlungen seines Bruders gebilligt habe und sich an diesen habe beteiligen wollen.
Rz. 8
3. Im Einklang mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft hat die Schwurgerichtskammer keine Mordmerkmale angenommen. Weil nicht festgestellt werden könne, welcher Grund N. S. zur Tötung bewogen habe, seien keine niedrigen Beweggründe verwirklicht. Heimtücke liege nicht vor, weil Ö. nach dem ersten unerwarteten Angriff nicht mehr arglos gewesen sei, sondern zunächst habe wegrennen können. Bezüglich des Angeklagten Ne. S. sei zwar nicht feststellbar, dass dessen Tritte bei Ö. zu Verletzungen geführt hätten. Ihm seien aber im Wege der sukzessiven Mittäterschaft die in den Tötungshandlungen als notwendiges Durchgangsstadium enthaltenen Körperverletzungen seines Bruders zuzurechnen.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 9
Die Revisionen der Angeklagten bleiben ohne Erfolg. Rechtsfehler zu ihren Lasten enthält das angegriffene Urteil nicht.
Rz. 10
1. Revision des Angeklagten N. S.
Rz. 11
a) Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.
Rz. 12
aa) Den Antrag auf erneute Vernehmung der Zeugin T. durfte die Strafkammer wie geschehen nach Maßgabe der Aufklärungspflicht ablehnen; Rechtsfehler zeigt die Revision insoweit nicht auf. Jedenfalls musste sich der Strafkammer aus den Gründen des Ablehnungsbeschlusses die erneute Vernehmung der Zeugin nicht aufdrängen.
Rz. 13
bb) Die Ablehnung des Beweisantrags betreffend die Zeugin „J.” ist nicht zulässig gerügt, denn dazu gehört (jedenfalls mit dem Revisionsvortrag) die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift der Zeugin, zumal die Strafkammer in ihrem Ablehnungsbeschluss nähere Ausführungen dazu gemacht hat, weshalb sie selbst keinen genauen Namen und keine Anschrift der Zeugin ermitteln konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 4. September 2014 – 1 StR 314/14, StraFo 2015, 79).
Rz. 14
cc) Die Rügen betreffend eine unzureichende Ausschöpfung der Aussagen der Zeugen G. und K. versagen schon deshalb, weil sich ohne eine – dem Revisionsgericht verwehrte – Rekonstruktion der Beweisaufnahme nicht feststellen lässt, ob der gerügte Rechtsfehler vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 2018 – 5 StR 183/18).
Rz. 15
dd) Dies gilt ebenso für die Rüge, die Ergebnisse des mündlich erstatteten rechtsmedizinischen Gutachtens des Sachverständigen Kr. seien im Urteil defizitär gewürdigt worden.
Rz. 16
ee) Soweit die Revision die tatrichterliche Würdigung des Lichtbilds 005 bemängelt, zeigt sie schon deshalb keinen revisiblen Rechtsfehler auf, weil sie damit lediglich eine dem Tatgericht im Rahmen einer Gesamtwürdigung obliegende Wertung („gut sichtbar” statt wie von der Revision vorgetragen „nur teilweise sichtbar”) angreift (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2019 – 4 StR 489/18 mwN) und nicht etwa bemängelt, das verwendete Lichtbild sei im Hinblick auf diese Feststellung völlig unergiebig gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 – 4 StR 170/95, BGHSt 41, 376, 381 f.; zur Problematik näher auch Rausch-Bernsmann/Wollschläger, StV 2020, 842, 844 f.; Mosbacher, JuS 2019, 766, 770; JuS 2020, 128, 132; jeweils mwN).
Rz. 17
ff) Die Rüge, ein Antrag auf Feststellung der Ein- und Ausreisedaten verschiedener Personen sei zu Unrecht abgelehnt worden, bleibt schon deshalb ohne Erfolg, weil innerhalb der Revisionsbegründungsfrist unklar geblieben ist, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt die Ablehnung dieses Beweisermittlungsantrags gerügt werden soll (Angriffsrichtung, vgl. Herb, NStZ-RR 2020, 65, 66 mwN). Rechtsfehler lässt die Antragsablehnung zudem nicht erkennen.
Rz. 18
b) Die Sachrüge des Angeklagten N. S. deckt keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf. Die auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung (vgl. zum revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstab BGH, Beschluss vom 14. April 2020 – 5 StR 14/20, NJW 2020, 2741) beruhenden Feststellungen tragen den Schuldspruch. Die Strafzumessung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die straferschwerende Erwägung, die Tatbegehung weise eine Nähe zur heimtückischen Begehungsweise auf, ist rechtlich bedenkenfrei; eines Hinweises gemäß § 265 StPO auf derartige Strafzumessungsgesichtspunkte bedarf es entgegen der Auffassung der Revision nicht.
Rz. 19
2. Die Revision des Angeklagten Ne. S. bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
Rz. 20
Die Nachprüfung des Urteils auf die näher ausgeführte Sachrüge hin hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieses Angeklagten ergeben. Die Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden, die Feststellungen tragen den Schuldspruch.
Rz. 21
a) Dies gilt auch, soweit die Strafkammer diesem Angeklagten die Körperverletzungshandlungen seines Bruders zugerechnet hat. Die insoweit vom Landgericht herangezogenen Grundsätze der sukzessiven Mittäterschaft (vgl. zu den Voraussetzungen BGH, Urteil vom 10. September 2020 – 4 StR 14/20 mwN) sind hier allerdings schon deshalb nicht einschlägig, weil sich der Angeklagte Ne. S. von Beginn an der Verfolgung des fliehenden Opfers durch seinen Bruder mit Körperverletzungsvorsatz angeschlossen hat. Der nach den Urteilsfeststellungen schon zu diesem Zeitpunkt spontan gefasste gemeinsame Tatentschluss – gerade auch in Verbindung mit der gemeinsamen Verfolgungsjagd – rechtfertigt es, ihm die von seinem Vorsatz erfassten anschließenden Körperverletzungshandlungen seines Mittäters zuzurechnen.
Rz. 22
Soweit das Schwurgericht in der rechtlichen Würdigung darauf abstellt, es sei vor der Tat kein gemeinsamer Tatplan gefasst worden, handelt es sich offensichtlich um eine Fehlinterpretation der zuvor rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen. Dass der gemeinsamen Attacke auf Ö. – wie festgestellt – von Beginn an ein spontan gefasster gemeinsamer Tatentschluss zugrunde lag, erschließt sich ohne weiteres aus dem Tatbild, nämlich der gemeinsamen Verfolgung des vor Aggressionen fliehenden Opfers.
Rz. 23
b) Auch die Strafzumessung und die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung sind rechtsfehlerfrei. Dies gilt insbesondere auch, soweit das Schwurgericht für seine negative Legalprognose daran angeknüpft hat, dass eine einschlägige Vorverurteilung dieses Angeklagten zu acht Monaten Freiheitsstrafe unter Strafaussetzung zur Bewährung nur eine Woche vor der Tat durch Berufungsrücknahme rechtskräftig geworden war und damit die Bewährungszeit gerade angefangen hatte. Relevante Erörterungsdefizite weist die Revision anhand der Urteilsgründe in diesem Zusammenhang nicht auf.
III.
Rz. 24
Die – vom Generalbundesanwalt vertretenen – Revisionen der Nebenkläger, mit denen jeweils mit der Sachrüge eine Verurteilung der Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Mordes erstrebt wird (vgl. § 400 Abs. 1 StPO), sind unbegründet.
Rz. 25
1. Bezüglich des Angeklagten N. S. hat die Strafkammer Mordmerkmale rechtsfehlerfrei abgelehnt.
Rz. 26
a) Die Feststellungen des Schwurgerichts hierzu sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beweiswürdigung ist insoweit weder lückenhaft noch unklar oder widersprüchlich. Auch werden keine überspannten Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt oder zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten unterstellt, für die das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. zu diesen Maßstäben BGH, Beschluss vom 12. November 2019 – 5 StR 451/19; Urteil vom 14. Oktober 2020 – 5 StR 279/20). Das Landgericht hat vielmehr vor dem Hintergrund einer schwierigen Beweislage alle wesentlichen Aspekte des Falls in den Blick genommen. Dass – wie die Nebenklagerevisionen nicht unplausibel vorbringen – auch ein anderes Ergebnis der dem Tatgericht obliegenden Beweiswürdigung denkbar gewesen wäre, begründet keinen Rechtsfehler.
Rz. 27
b) Heimtückisches Handeln liegt nach den Feststellungen nicht vor.
Rz. 28
aa) Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Heimtückisches Handeln erfordert jedoch kein „heimliches” Vorgehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen. Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (vgl. BGH, Urteile vom 9. Oktober 2019 – 5 StR 299/19, NStZ 2020, 348; vom 16. August 2018 – 4 StR 162/18, NJW 2018, 3398; vom 15. November 2017 – 5 StR 338/17, NStZ-RR 2018, 45; Beschlüsse vom 10. Juli 2018 – 3 StR 204/18, StraFo 2019, 38; vom 4. März 2020 – 1 StR 32/20; jeweils mwN).
Rz. 29
bb) Nach den Feststellungen geschah der erste mit Tötungsvorsatz geführte Angriff erst, nachdem Ö. auf der Flucht von N. S. eingeholt und zu Boden gebracht worden war. Wie das Schwurgericht näher ausgeführt hat, war Ö. zu diesem Zeitpunkt nicht mehr arglos, sondern lediglich vor der überraschenden ersten Angriffsbewegung, die ihn zur Flucht bewegte. Die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem mit Tötungsvorsatz geführten unmittelbaren Angriff war nicht so kurz, dass dem Opfer angesichts der Fluchtmöglichkeit und anwesender Zeugen keine Möglichkeit mehr blieb, dem Angriff zu begegnen. Dass … Ö. seinen Verfolgern letztlich nicht entkommen ist, stellt die Würdigung des Schwurgerichts nicht in Frage.
Rz. 30
c) Auch die Ablehnung niedriger Beweggründe weist keinen Rechtsfehler auf.
Rz. 31
aa) Die Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig” sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu beurteilen. Gefühlsregungen wie Wut, Zorn, Ärger, Hass und Rachsucht kommen nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie nicht menschlich verständlich, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind. Dabei ist der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 11. November 2020 – 5 StR 124/20 mwN).
Rz. 32
bb) Diesen Maßstab hat das Schwurgericht bei seiner Ablehnung niedriger Beweggründe beachtet. Es hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, dass sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Feststellungen zum möglichen Tatmotiv und zu möglichen Hintergründen der Tat treffen ließen. Insbesondere hat es auch nicht feststellen können, dass der Angeklagte N. S. der Auffassung gewesen sei, man brauche keinen Grund, um einen Menschen zu töten, was ebenfalls einen niedrigen Beweggrund darstellen kann (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 – 1 StR 273/11 mwN).
Rz. 33
2. Die Nebenkläger wenden sich auch erfolglos gegen den Schuldspruch bezüglich des Angeklagten Ne. S..
Rz. 34
a) Auch insoweit weist die Beweiswürdigung keinen Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf. Diese enthält vor dem Hintergrund des zufälligen Zusammentreffens der Angeklagten mit Ö. auf der Straße und des unvermittelten Aggressionsausbruchs des Angeklagten N. S. keine erheblichen Widersprüche, Lücken, Unklarheiten oder Unterstellungen zu Gunsten des Angeklagten Ne. S.. Die Ausführungen der Revision zeigen zwar eine ebenso mögliche andere Würdigung der Beweisergebnisse auf. Dies stellt aber keinen revisiblen Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO) dar, weil die Beweiswürdigung dem Tatgericht obliegt.
Rz. 35
b) Auf der Grundlage der rechtsfehlerfreien Feststellungen ist der Schuldspruch nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere auch, soweit die Schwurgerichtskammer in dem Messereinsatz des N. S. einen nicht vom Vorsatz des Ne. S. umfassten Exzess des Mittäters gesehen hat.
Rz. 36
aa) Jeder Täter haftet für das Handeln eines Mittäters nur im Rahmen seines eigenen Vorsatzes, ist also für den tatbestandlichen Erfolg nur so weit verantwortlich, wie sein Wille reicht; ein Exzess des anderen fällt ihm nicht zur Last. Allerdings werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sich diese nicht besonders vorgestellt hat; ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich, wenn er mit der Handlungsweise seines Tatgenossen einverstanden oder sie ihm zumindest gleichgültig war (vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2013 – 5 StR 575/12, NStZ 2013, 400; vom 14. Dezember 2016 – 2 StR 177/16, NStZ 2017, 272; jeweils mwN).
Rz. 37
bb) Diesen Maßstäben wird die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts gerecht. Angesichts der anlasslosen Aggression des Angeklagten N. S. gegen Ö. und der anschließenden spontanen gemeinsamen Verfolgung des Opfers liegt nicht nahe, dass Ne. S. mit tödlichen Angriffen seines Mittäters auf den Verfolgten mittels eines Messers rechnen musste. Näherer Erörterung bedurfte diese Frage deshalb in den Urteilsgründen nicht. Mangels Kenntnis vom Messereinsatz können auch seine späteren Tritte nicht als Einverständnis mit einem tödlichen Angriff oder als Gleichgültigkeit insoweit verstanden werden. Angesichts dieser besonderen Umstände liegen auch die Voraussetzungen einer Körperverletzung mit Todesfolge nicht vor (vgl. dazu näher BGH, Beschlüsse vom 5. September 2012 – 2 StR 242/12, NStZ 2013, 280; vom 9. Juni 2009 – 4 StR 164/09, NStZ 2009, 631; Urteil vom 23. Juni 2004 – 5 StR 15/04, NStZ 2004, 684).
Unterschriften
Cirener, Berger, Mosbacher, Resch, von Häfen
Fundstellen
Haufe-Index 14321220 |
NStZ 2021, 287 |
NStZ-RR 2021, 130 |
NStZ-RR 2021, 133 |