Leitsatz (amtlich)
›1. § 17 Abs. 4 Satz 2 FStrG regelt nur fachplanungsrechtliche Ausgleichsansprüche im Vorfeld der Enteignung, nicht aber Entschädigungsansprüche enteignungsrechtlicher Art.
2. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen einem Grundstückseigentümer Entschädigungsansprüche wegen Verkehrsimmissionen, die die Enteignungschwelle übersteigen, zustehen.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin verlangt Entschädigung für die durch den Bau und den Betrieb einer Bundesautobahn verursachten Nachteile.
Die Klägerin war Eigentümerin eines im Außenbereich der Gemeinde B. etwa 500 m südlich der geschlossenen Ortslage gelegenen Anwesens. Dieses hat sie inzwischen durch notariellen Vertrag vom 25. Mai 1979 zum Preise von 137.500,-- DM veräußert. Das 2.093 qm große Grundstück war von 1945 bis 1950 mit einem Einfamilienhaus bebaut worden; dieses war von einem waldparkartig angelegten Garten mit altem Baumbestand und Sträuchern umgeben. Das Grundstück wurde früher durch eine asphaltierte Gemeindeverbindungsstraße erschlossen.
Die beklagte B. legte aufgrund des bestandskräftig gewordenen Planfeststellungsbeschlusses der Regierung von Schwaben vom 25. August 1976 ein Teilstück der Bundesautobahn A 96 (Memmingen-Lindau) an. Die Beklagte begann im Oktober 1976 mit den Bauarbeiten für die zunächst nur einbahnig ausgeführte Autobahn. Die Trasse führt an der nordwestlichen Grenze des früher der Klägerin gehörigen Grundstücks entlang, so daß das Haus etwa 35 m von der Fahrbahnmitte entfernt ist. Infolge der Aufschüttung eines Damms für den Anschluß der westlich gelegenen 350 m langen Illerbrücke liegt die Fahrbahnoberkante der Straße etwa 5 m über dem Durchschnittsniveau des Grundstücks und etwa 1 m über der Dachgeschoßhöhe. Nach Abschluß der von einer privaten Baufirma durchgeführten Bauarbeiten wurde das Autobahnteilstück Ende 1978 in Betrieb genommen. Die das Grundstück erschließende Straße wurde zu einem öffentlichen Feld- und Waldweg herabgestuft und vor dem Anwesen zu einer Wendeplatte verbreitert.
Durch den genannten Planfeststellungsbeschluß wurden u.a. die Einwendungen der Klägerin wegen fehlender Lärmschutzanlagen an der Straße zurückgewiesen. In dem Beschluß heißt es weiter:
"Über Ansprüche gemäß § 42 BImSchG ist im Entschädigungsverfahren außerhalb dieser Planfeststellungen zu entscheiden.
Soweit die Einwendungsführerin (Klägerin) darüber hinaus Einwendungen zu Grunderwerbs- und Entschädigungsfragen erhebt, wird sie gleichfalls in das Entschädigungsverfahren verwiesen".
Der Planfeststellungsbeschluß geht davon aus, daß für das (frühere) Wohnhaus der Klägerin ein Dauerschallpegel von 66 dB (A) am Tage nach der Vornorm DIN 18.005 und ein Beurteilungspegel von 73 dB (A) nach dem Entwurf der Lärmschutzverordnung zu § 43 BImSchG zu erwarten sei. Dadurch, so wird weiter ausgeführt, würden beim Anwesen der Klägerin die Grenzwerte (beim Beurteilungspegel 68 dB (A) überschritten. Eine Verlegung der Trasse scheide jedoch aus. Aus die Errichtung eines Lärmschutzdammes an der Straße komme nicht in Betracht, weil sonst ein großer Teil des Gartens der Klägerin überdeckt und wertvoller Baumbestand beseitigt werden müßten. Eine platzsparende Lärmschutzwand sei zwar technisch möglich, jedoch stünden die Kosten hierfür außer Verhältnis zum Schutzzweck (§ 41 Abs. 2 BImSchG).
Entschädigungsansprüche der Klägerin wegen Baulärms wurden vom Straßenbauamt K. mit Schreiben vom 5. Oktober 1977 zurückgewiesen. Zugleich wurden Entschädigungsansprüche wegen Straßenlärms abgelehnt, weil sie wegen Fehlens einer Rechtsverordnung gemäß § 43 BImSchG derzeit noch nicht prüfbar seien.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Während der Bauzeit von zwei Jahren sei eine Wohnnutzung ihres Hauses unzumutbar und gesundheitsschädlich gewesen. Es sei in dieser Zeit zu starkem Baulärm mit Spitzenwerten von 125 dB (A), ferner zu Erschütterungen durch Baumaschinen sowie zu erheblichen Staub- und Schmutzablagerungen gekommen. Sie habe infolgedessen (auch angesichts ihres Alters, geb. 1902) schwere Gesundheitsstörungen davongetragen und sich schließlich sogar in nervenfachärztliche Behandlung begeben müssen. Ihr stehe deshalb eine nach der Minderung des Mietwerts ihres Anwesens zu bemessende Mindestentschädigung von 10.000,-- DM zu.
Von dem Betrieb der Autobahn seien schon, als sie noch Eigentümerin gewesen sei, unzumutbare Immissionen auf das Grundstück ausgegangen (Verkehrslärm, Erschütterungen durch schwere Fahrzeuge, gesundheitsschädliche Benzindämpfe und Autoabgase, Bleiablagerungen an Bäumen und Sträuchern des Gartens, Schädigung durch abfließende Tausalzlösungen, Sumpfbildung durch Wasserabfluß von der Fahrbahn, Lichteinstrahlung des Nachtverkehrs). Dadurch sei der Verkehrswert des Grundstücks, der bis zum Jahre 1978 auf mindestens 250.000,-- DM gestiegen sei, um mindestens 50% gemindert worden. Das Anwesen könne nicht mehr zu Wohnzwecken benutzt werden, da Abhilfemaßnahmen technisch undurchführbar und zudem nicht ausreichen oder sinnvoll seien.
Die Klägerin hat vor dem Landgericht zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung, mindestens 135.000,-- DM nebst 2 % Zinsen über dem Diskontsatz der Bundesbank, sowie eines weiteren Entschädigungsbetrages von 1.720,-- DM nebst Zinsen (Gutachterkosten) zu verurteilen. Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines Betrages von 97.720,-- DM nebst Zinsen stattgegeben.
Dagegen hat die Beklagte Berufung mit dem Ziel der Klageabweisung eingelegt. Die Klägerin hat mit ihrer Anschlußberufung begehrt, die Beklagte zur Zahlung von weiteren 39.000,-- DM nebst Zinsen zu verurteilen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung die Beklagte zur Zahlung von weiteren 38.000,-- DM, insgesamt also 135.720,-- DM nebst Zinsen, verurteilt.
Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Rechtsbedenkenfrei nimmt das Berufungsgericht an, daß für den von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruch wegen der Wertminderung ihres (früheren) Hausgrundstücks infolge der von der Autobahn ausgehenden Verkehrsimmissionen die Zivilgerichte zuständig sind.
1. a) Nach der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats steht dem Betroffenen ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Entschädigung zu, wenn Verkehrsimmissionen von hoher Hand erfolgen, ihre Zuführung nicht untersagt werden kann, sie sich als ein unmittelbarer Eingriff in nachbarliches Eigentum darstellen und die Grenze dessen überschreiten, was ein Nachbar nach § 906 BGB entschädigungslos hinnehmen muß. Dieser Entschädigungsanspruch ist unabhängig davon, ob der betroffene Anlieger zum Ausbau der Straße einen Teil seines Grundstücks hat abtreten müssen oder nicht. Er besteht grundsätzlich in einem Geldausgleich für Schallschutzeinrichtungen auf dem betroffenen Grundstück. Eine Entschädigung für einen Minderwert des Grundstücks kommt erst in Betracht, wenn Schutzeinrichtungen keine wirksame Abhilfe versprechen oder unverhältnismäßige Aufwendungen erfordern; sie setzt, wenn keine (Teil-) Enteignung von Grundeigentum für den Straßenbau erfolgt ist, weiter voraus, daß die zugelassene Nutzung des Straßengrundstücks die vorgegebene Grundstückssituation nachhaltig verändert und dadurch das benachbarte Wohneigentum schwer und unerträglich trifft (Senatsurteile BGHZ 64, 220, 222, 229 f; vom 13. Januar 1977 - III ZR 6/75 = NJW 1977, 894 f; vom 14. Juli 1977 - III ZR 41/75 = NJW 1978, 318, 319; vom 10. November 1977 - III ZR 166/75 = LM Art. 14 /Cb/ GG Nr. 34; vom 25. Oktober 1979 - III ZR 105/78 = NJW 1980, 582; vgl. auch Senatsurteile vom 25. Juni 1981 - III ZR 12/80 = NJW 1982, 95, 96, vom 3. Dezember 1981 - III ZR 55/80 = LM Art. 14 /Ca/ GG Nr. 27 und vom 8. Oktober 1981 - III ZR 46/80 = LM Art. 14 /Ca/ GG Nr. 28).
b) Der Entschädigungsanspruch wegen Wertminderung des von Verkehrsimmissionen betroffenen Grundstücks ist der Sache nach ein solcher aus enteignendem Eingriff. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die rechtliche Grundlage diese Anspruchs im allgemeinen Aufopferungsgrundsatz (Senatsurteil BGHZ 91, 20, 28) oder in den über § 19 Abs. 5 FStrG und Art. 40 BayStrWG anwendbaren Vorschriften des Bayerischen Gesetzes über die entschädigungspflichtige Enteignung zu finden ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 64, 361, 365 und dazu Anm. Kreft LM FStrG Nr. 20 a; Kodal/Krämer Straßenrecht 4. Aufl. Kap. 34 Rn. 22.52). In jedem Falle gehört der Anspruch vor die Zivilgerichte.
2. a) Dieser Beurteilung steht auch nicht, wie die Revision meint, die Regelung des § 17 Abs. 4 Satz 2 FStrG entgegen. Nach dieser Vorschrift hat der Betroffene gegen den Träger der Straßenbaulast Anspruch auf Entschädigung in Geld, u.a. wenn Lärmschutzeinrichtungen an der Straße (Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes) mit dem Vorhaben unvereinbar sind oder ihre Kosten außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen. Diese Vorschrift gewährt eine einfachgesetzliche Billigkeitsentschädigung im Vorfeld enteignender Eingriffe, d.h. für solche nachteiligen Einwirkungen des straßenrechtlichen Planvorhabens, die unterhalb der enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle bleiben (BVerwGE 51, 15, 29; 57, 297, 304; 59, 253, 261; Korbmacher DÖV 1982, 517, 522; Papier, in: Maunz/Düring GG Art. 14 Rn. 398, 399; Krohn/Löwisch, Eigentumsgarantie, Enteignung, Entschädigung, 3. Aufl., Rn. 147; Schmidt-Aßmann in: Grundzüge des Umweltrechts, hrsg. v. Salzwedel, 1982, S. 320; Aust/Jacobs, Die Enteignungsentschädigung, 2. Aufl., S. 144; Rank, BayVBl. 1985, 481, 482; Kopp VwVfG 3. Aufl. § 74 Rn. 48; a.A. Numberger BayVBl. 1984, 456, 457). Diese einfachgesetzliche Zumutbarkeitsgrenze des § 17 Abs. 4 FStrG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erreicht, wenn dem Betroffenen eine nachteilige Einwirkung des Planvorhabens auf seine rechtlich geschützten Interessen billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann (BVerwGE 59, 253, 261 m.w.Nachw.). Dagegen wird, wenn dem betroffenen Eigentümer kein Gebäude für den Bau der Straße enteignet worden ist, die Grenze zum enteignenden Eingriff nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 64, 220, 230 und seither ständig) wie auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 61, 295, 303 m.w.Nachw.) erst überschritten, wenn - wie oben ausgeführt - durch die Verkehrsimmissionen die vorgegebene Grundstückssituation nachhaltig verändert wird und dadurch Nachbargrundstücke schwer und unerträglich betroffen werden.
b) § 17 Abs. 4 Satz 2 FStrG regelt in materiell-rechtlicher Hinsicht nur den genannten einfachgesetzlichen, aus Billigkeitsgründen gewährten Entschädigungsanspruch (Korbmacher DÖV 1982, 517, 523 Fußn. 38; Heinze BayVBl. 1981, 649, 650), nicht aber auch den enteignungsrechtlichen Entschädigungsanspruch (so aber Kopp aaO; Mößle BayVBl. 1982, 193, 199/200; Papier, in: Maunz/Düring aaO Art. 14 Rn. 397). Schon der Wortlaut der Vorschrift legt die Annahme nahe, daß er Entschädigungsansprüche enteignungsrechtlicher Art nicht mitumfaßt. § 17 Abs. 4 Satz 2 FStrG bestimmt weder selbst noch durch Verweisung auf enteignungsrechtliche Regelungen Art und Ausmaß der Entschädigung, was im Hinblick auf die Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG zumindest ungewöhnlich ist. Der Anspruch nach § 17 Abs. 4 Satz 2 FStrG bildet nur das Surrogat für - im Einzelfall nicht mögliche - Schutzanlagen nach Satz 1, die Nachteile und Belästigungen unterhalb der Enteignungsschwelle verhindern sollen. Für den Gesetzgeber bestand auch keine Veranlassung, in der genannten Vorschrift eine Regelung für Ansprüche von enteignungsrechtlicher Qualität zu treffen, da insoweit schon hinreichende Rechtsgrundlagen zur Verfügung standen (vgl. oben zu 1 b).
Für enteignungsrechtliche Entschädigungsansprüche wegen Verkehrsimmissionen ist - wie ausgeführt - der Rechtsweg vor den Zivilgerichten eröffnet, während über die fachplanungsrechtliche Billigkeitsentschädigung des § 17 Abs. 4 Satz 2 FStrG im Streitfall grundsätzlich - hier liegt ein Sonderfall vor, vgl. unten II 1 c - die Verwaltungsgerichte zu befinden haben (für eine derartige Aufspaltung des Rechtswegs auch Korbmacher DÖV 1982, 517, 528; Bender DVBl. 1984, 301, 316, 319; Kopp aaO § 74 Rn. 51; vgl. auch Krohn/Löwisch aaO Rn. 148).
II. 1. Die Revision vertritt den Standpunkt, die Klägerin könne wegen der geltend gemachten Ansprüche nicht die Zivilgerichte anrufen, weil ihr in dem bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluß Entschädigungsansprüche weder dem Grunde noch der Höhe nach zugebilligt worden seien. Damit kann die Revision nicht durchdringen.
a) Zwar ist, damit die planerische Abwägung nicht defizitär bleibt, über die Entschädigung wegen eines enteignenden Eingriffs dem Grunde nach grundsätzlich schon im straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluß zu entscheiden, wenn dem betroffenen Eigentümer für den Straßenbau kein Gelände entzogen wird, die planerisch zugelassene Nutzung aber Lärmimmissionen hervorruft, die die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle überschreiten (BVerwGE 61, 295, 303 f; 306 m.w.Nachw.; Korbmacher DÖV 1982, 517, 526 f; Bender DVBl. 1984, 301, 312; Kodal/Krämer aaO Kap. 34, Rn. 22.51; Kastner DVBl. 1982, 669, 670; Papier, in: Maunz/Düring, aaO Art. 14 Rn. 397; vgl. auch Senatsurteil vom 10. Juni 1985 - III ZR 3/84 = BGHZ 95, 28 = DVBl. 1985, 1133). Es ist auch zulässig, im Planfeststellungsbeschluß eine Entschädigung dem Grunde nach zuzuerkennen unter dem Vorbehalt, daß sich ein unterstellter Schaden im Entschädigungsverfahren als enteignungsrechtlich relevante Einbuße nachweisen läßt (BVerwGE 61, 295, 306; Senatsurteil vom 10. Juni 1985 aaO). Über die Höhe der Entschädigung ist im Entschädigungsverfahren zu befinden (BVerwG NJW 1981, 1000, 1001; Senatsurteil vom 10. Juni 1985 aaO).
b) Ob nach den vorstehenden Grundsätzen die Zuerkennung einer Entschädigung dem Grunde nach im Planfeststellungsbeschluß die Voraussetzung dafür bildet, vor den Zivilgerichten Entschädigungsansprüche wegen enteignender Wirkungen der planerisch zugelassenen Nutzung erheben zu können, oder ob die Bewältigung der durch das Vorhaben aufgeworfenen enteignungsrechtlichen Probleme nur Bedeutung für die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses hat, bedarf hier keiner Erörterung.
Im vorliegenden Fall ist die Klägerin im Planfeststellungsbeschluß wegen ihrer Ansprüche nach § 42 BImSchG und wegen ihrer Entschädigungsansprüche "in das Entschädigungsverfahren verwiesen" worden. Diese Verweisung umfaßt schon nach ihrem Wortlaut Ausgleichsansprüche im Vorfeld der Enteignung und auch enteignungsrechtliche Entschädigungsansprüche. Die Klägerin durfte nach dem Inhalt der "Verweisungsklausel" davon ausgehen, daß ihr die Möglichkeit vorbehalten werden sollte, ihre gesamten Ausgleichs- und Entschädigungsansprüche in einem besonderen administrativen Verfahren geltend zu machen. Mit diesem, der Klägerin berechtigtes Vertrauen vermittelnden Inhalt ist der Planfeststellungsbeschluß, den auch die Beklagte nicht angefochten hat, bestandskräftig geworden. Die Beklagte kann daher heute nicht mehr damit gehört werden, die Verweisungsklausel sei rechtlich fehlerhaft.
Die Beklagte kann der Klägerin auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, daß dem vorliegenden Zivilrechtsstreit kein administratives Entschädigungsverfahren vorangegangen ist. Die Klägerin hatte sich wegen solcher Ansprüche an das Straßenbauamt K. gewandt. Dieses hat jedoch Entschädigungsansprüche abgelehnt, weil das Begehren der Klägerin wegen Fehlens einer Rechtsverordnung nach § 43 BImSchG derzeit noch nicht geprüft werden könne. Im Hinblick auf diese Verhalten des Straßenbauamtes ist es der Beklagten nach dem auch hier geltenden Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt, sich auf das Fehlen eines behördlichen Verwaltungsverfahrens zu berufen.
c) Da ein administratives Entschädigungsverfahren aus Gründen, die der Beklagten zuzurechnen sind, nicht stattgefunden hat, kann über die gesamten Ansprüche der Klägerin sinnvollerweise nur einheitlich in einem Rechtsweg entschieden werden. Die Klägerin ist nicht durch die Prüfung ihrer Ansprüche in einem behördlichen Verfahren darüber unterrichtet worden, inwieweit die Verkehrslärmimmissionen, die schon nach der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses die zulässigen Lärmgrenzwerte überschritten, durch Ausgleichsansprüche nach § 17 Abs. 4 Satz 2 FStrG oder aber durch Entschädigungsansprüche von enteignungsrechtlicher Qualität ausgeglichen werden konnten. Schon im Hinblick darauf durfte die Klägerin wegen ihrer gesamten Ansprüche die Zivilgerichte anrufen, zumal sie von Anfang an den Standpunkt vertreten hatte, ihr stünden enteignungsrechtliche Ansprüche zu. Sie brauchte deshalb ihre Ansprüche wegen Wertminderung des lärmbetroffenen Grundstücks nicht in einen fachplanungsrechtlichen und einen enteignungsrechtlichen Teil aufzuspalten und diese in getrennten Rechtswegen vor den Verwaltungsgerichten und den Zivilgerichten zu verfolgen.
2. Die Klägerin war auch im Blick auf den Rechtsgedanken des § 254 BGB nicht gehalten, den Planfeststellungsbeschluß anzufechten. Sie hätte dadurch die Verkehrswertminderung nicht abwenden können. In dem Beschluß werden eine Verlegung der Trasse sowie Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes in bezug auf das Anwesen der Klägerin abgelehnt. Insoweit liegen keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses vor. Die Beklagte zieht insoweit dessen Rechtmäßigkeit selbst nicht in Zweifel. Die Klägerin hätte auch keinen Anlaß gehabt, insoweit dem überlegenen Fachwissen der Planfeststellungsbehörde zu mißtrauen.
Die Klägerin brauchte den Planfeststellungsbeschluß auch nicht vor den Verwaltungsgerichten mit dem Ziele anzufechten, daß zu ihren Gunsten dem Grunde nach ein Anspruch auf Kostenersatz für Lärmschutzeinrichtungen (passiver Schallschutz) festgesetzt wurde. Auch wegen derartiger Ansprüche war sie in das Entschädigungsverfahren verwiesen worden (vgl. zu II 1). Solche Maßnahmen wären zudem, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, mit unzumutbarem Aufwand verbunden gewesen (vgl. dazu unten). Daher ist insoweit auch für einen Antrag auf Planergänzung nach § 17 Abs. 6 Satz 2-5 FStrG kein Raum.
III. Rechtsbedenkenfrei hat das Berufungsgericht angenommen, daß die von der Autobahn ausgehenden Verkehrslärmimmissionen die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze überschritten haben.
1. Eine normative Festlegung dieser Grenze fehlt bisher. Eine Rechtsverordnung gemäß § 43 BImSchG ist nicht erlassen worden. Auch der Entwurf eines Verkehrslärmschutzgesetzes ist gescheitert (vgl. dazu Stich UPR 1985, 265). Wie der erkennende Senat bereits ausgesprochen hat, läßt sich die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle nicht im Wege der Rechtsanwendung in einem für alle Fallgestaltungen zutreffenden bestimmten Geräuschpegel ausdrücken (Senatsurteil vom 10. November 1977 aaO unter II 4 a; vgl. BVerwGE 61, 295, 299). Es ist vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen. Dabei können allerdings Richtwerte, die in Verwaltungsvorschriften angegeben oder in einschlägigen Schrifttum befürwortet werden, eine Orientierungshilfe bieten, ohne jedoch den Richter der eigenverantwortlichen Feststellung des Ausmaßes der Lärmbelästigung und der enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle zu entheben (Senatsurteil vom 10. November 1977 aaO). Es ist daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die Grenzwerte herangezogen hat, die der Bundestags-Verkehrsausschuß in seinem Bericht vom 28. Februar 1980 (BT-Drucks. 8/3730) zum (gescheiterten) Entwurf eines Verkehrslärmschutzgesetzes vorgeschlagen hatte (vgl. dazu auch Stich UPR 1985, 265, 267). Auch die Oberverwaltungsgerichte neigen dazu, für die planungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze des § 17 Abs. 4 FStrG sich an den genannten Grenzwerten zu orientieren (vgl. die Übersicht bei Stich UPR 1985, 265, 270). Die vom Bundesverkehrsminister am 6. Juli 1983 herausgegebenen "Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesstraßen in der Baulast des Bundes" (RLS 83) legen ebenfalls diese Grenzwerte zugrunde (Kodal/Krämer aaO S. 978; Stich aaO S. 269).
2. Das Berufungsgericht hat auch beachtet, daß von einer nach der Gebietsart abgestuften Zumutbarkeit von Geräuschimmissionen auszugehen ist (Senatsurteile vom 14. Juli 1977 und 10. November 1977, jew. aaO; BVerwGE 51, 15, 30 ff.). Eine derartige Unterscheidung sah auch der Entwurf eines Verkehrslärmschutzgesetzes vor; auch die RLS 83 differenzieren in dieser Weise. Wie der erkennende Senat bereits ausgesprochen hat, können in Wohngebieten an die Wohnqualität im allgemeinen höhere Ansprüche gestellt werden als etwa im Außenbereich, der gerade dazu bestimmt ist, auch emissionsintensive Anlagen aufzunehmen (Senatsurteil vom 10. November 1977 aaO m.w.Nachw.). Aber auch für den Außenbereich verbietet sich eine einheitliche Beurteilung der Lärmschutzfrage; innerhalb des Außenbereichs ist nach den jeweils gegebenen tatsächlichen Verhältnissen, der Situation des betroffenen Grundstücks, zu unterscheiden (BVerwG NJW 1979, 561, 562). Das Grundstück der Klägerin befand sich 500 m südlich der Bebauungsgrenze der Ortschaft B. in ruhiger Lage (vgl. Gutachten D.). Im Hinblick darauf durfte das Berufungsgericht das Anwesen lärmschutzmäßig einem in Kern-, Dorf- oder Mischgebieten gelegenen Grundstücks gleichstellen.
Der genannte Ausschußbericht zum Entwurf des Verkehrslärmschutzgesetzes und die RLS 83 sehen im Rahmen der Lärmvorsorge für neu zu errichtende Straßen für Kern-, Dorf- oder Mischgebiete Immissionsgrenzwerte von 67 dB (A) tagsüber und 57 dB (A) nachts vor. Dabei handelt es sich um die Grenzwerte für die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle. Die Grenzwerte für die enteignungsrechtliche Schwelle müssen nach den obigen Ausführungen (I 2a) höher angesetzt werden. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das sachverständig beratene Berufungsgericht im Blick auf die Lärmbelästigung von 71/66 dB (A) in Höhe des Obergeschosses und von 69/64 dB (A) in Kopfhöhe eine Überschreitung der enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze angenommen hat (vgl. auch Senatsurteil vom 10. November 1977 aaO). Insbesondere ist der für die Nachtzeit geltende Grenzwert deutlich überschritten. Im übrigen läßt sich die aufgrund tatrichterlicher Würdigung im Einzelfall zu bestimmende Grenze der zumutbaren Lärmbelastung - wie oben dargelegt - nicht mathematisch exakt, sondern nur aufgrund einer Beurteilung innerhalb eines gewissen Spektrums von Möglichkeiten beantworten (VGH Mannheim DÖV 1983, 512, 513).
IV. 1. Das sachverständig beratene Berufungsgericht hat festgestellt, daß Maßnahmen des passiven Lärmschutzes eine unverhältnismäßigen, der Klägerin nicht zumutbaren Kostenaufwand von etwa 91.000,-- DM erfordert hätten, so daß ihr ein Anspruch auf Entschädigung für die Wertminderung des Grundstücks zustehe. Die Feststellung des Umfangs der Aufwendungen ist verfahrensfehlerfrei getroffen. Der Sachverständige Prof. Dr. O., dem das Gericht folgt, hat wegen des Ausmaßes der Schallschutzmaßnahmen die Bestimmungen der DIN 4109 "Schallschutz im Hochbau" zugrundegelegt, auf die auch in den erwähnten Richtlinien des Bundesverkehrsministers verwiesen wir (Kodal/Krämer aaO S. 986 Rn. 51.44).
Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis darin beizutreten, daß die Klägerin nach den Grundsätzen der Senatsentscheidung BGHZ 64, 220, 230 Anspruch auf Entschädigung für den Minderwert des Anwesens hat. Die zuständige Behörde hat es seinerzeit abgelehnt, mit der Klägerin auch nur in Verhandlungen über eine Entschädigung für Schallschutzeinrichtungen einzutreten (vgl. Schreiben des Straßen-Neubauamtes K. vom 5.10.1977), da die Rechtsverordnung nach § 43 BImSchG noch nicht erlassen sei. Durch dieses der Beklagten zuzurechnende Verhalten ist eine Kostenübernahme für lärmdämmende Vorkehrungen ohne Rücksicht auf deren Höhe abgelehnt worden. Daher ist es der Beklagten verwehrt, sich heute darauf zu berufen, die Aufwendungen seien für sie zumutbar gewesen. Im Hinblick auf dieses Vorgehen der Beklagten konnte es der Klägerin auch nicht angesonnen werden, auf Entschädigung für Schallschutzmaßnahmen zu klagen, zumal sie ihr Anwesen im Mai 1979 veräußert hat.
Im übrigen hätten Lärmschutzeinrichtungen auch keine wirksame Abhilfe geschaffen (vgl. BGHZ 64, 220, 230). Die Außenwohnanlagen, insbes. der waldparkartig angelegte Garten, hätten nicht vor Lärmeinwirkungen geschützt werden können. Durch diesen Garten war aber der Wohnwert des Anwesens mitbestimmt ("Wohnen im Grünen"; vgl. auch Senatsurteil BGHZ 76, 1, 6).
2. Das Berufungsgericht hat unter Hinzuziehung eines Sachverständigen die Wertminderung des Hausgrundstücks auf 124.000,-- DM (40 % von 310.000,-- DM) bemessen. Dagegen sind rechtliche Bedenken nicht zu erheben. Es hat ferner berücksichtigt, daß ein Minderwert des Anwesens, der auch entstanden wäre, wenn die Autobahn in zumutbarem Abstand von dem Grundstück der Klägerin errichtet worden wäre, nicht entschädigungsfähig ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 76, 1, 8 f; 80, 360, 362 f).
3. Rechtlich zutreffend hat das Berufungsgericht auch die von der Klägerin aufgewendeten Gutachterkosten in Höhe von 1.720,-- DM als erstattungsfähig anerkannt. Es handelt sich dabei um Folgekosten des enteignenden Eingriffs. Es war bei der gegebenen Lage sachgerecht, daß sich die Klägerin von einem Sachverständigen beraten ließ (Krohn/Löwisch aaO Rn. 322 mit Rspr. Nachw.).
4. Die Entschädigungsansprüche der Klägerin sind in ihrer Person bereits vor der Veräußerung des Grundstücks entstanden. Im Zeitpunkt des Verkaufs des Anwesens war die Wertminderung bereits eingetreten. Durch die Veräußerung ist der Entschädigungsanspruch nicht auf den Erwerber übergegangen. Für eine stillschweigende Übertragung des Anspruchs besteht nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kein Anhaltspunkt, vielmehr spricht der vereinbarte Kaufpreis dagegen (vgl. Krohn/Löwisch aaO Rn. 421 f; Kreft in WM-Sonderbeil. 7/82 S. 31, jew. m.w.Nachw.). Ob diese Erwägungen auch für einen Anspruch auf Entschädigung für Lärmschutzeinrichtungen gelten, bedarf hier keiner Entscheidung.
V. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht einen Entschädigungsanspruch der Klägerin wegen der beim Bau der Autobahn aufgetretenen Immissionen bejaht.
Das Berufungsgericht führt aus, daß das Grundstück der Klägerin Bauimmissionen ausgesetzt war, die nach Intensität und Dauer den Duldungsrahmen des § 906 BGB (vgl. BGHZ 54, 384, 391 f; 91, 20, 21 f) überschritten. Das läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch von der Revision nicht angegriffen. Abwehransprüche privatrechtlicher (§ 1004 Abs. 1 BGB) oder öffentlich-rechtlicher (Folgenbeseitigung) Art waren der Klägerin versagt, weil das zu einer nicht vertretbaren Stillegung eines gemeinwichtigen Verkehrsprojektes geführt hätte (Senatsurteile BGHZ 48, 98, 104; 91, 20, 23, jew. m.w.Nachw.). Im übrigen wäre der Klägerin auch das Kostenrisiko einer solchen Klage nicht zuzumuten gewesen (vgl. BGHZ 91, 20, 24). Der Klägerin steht hiernach ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch entsprechend (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB oder ein Entschädigungsanspruch wegen enteignenden Eingriffs zu (BGHZ 48, 98, 100 ff.; 49, 148, 150; 70, 289, 291 ff.; 91, 20, 22, 25), je nachdem, ob sich die Bauarbeiten auf der Ebene des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts bewegten. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß die Beklagte - auch soweit private Baufirmen eingeschaltet waren - im Blick auf den Umfang des Projekts einen derart starken Einfluß auf die von ihr geplanten Baumaßnahmen ausübte, daß sie sich die Immissionen als hoheitliche zurechnen lassen muß (Kreft, in: BGB-RGRK 12. Aufl. § 839 Rn. 104 m.w.Nachw.; Krohn/Löwisch aaO Rn. 218 a.E.; Senatsurteil v. 7. Februar 1980 - III ZR 153/78 = NJW 1980, 1679). Daher ist hier der Anspruch aus enteignendem Eingriff gegeben.
Das Berufungsgericht hat den Ausgleich für die Beeinträchtigung der Klägerin in der Nutzung ihres Hauses (vgl. BGHZ 91, 20, 28 f.) rechtsbedenkenfrei auf 10.000,-- DM bemessen. Diese gemäß § 287 ZPO vorgenommene Schätzung wird von der Revision nicht angegriffen.
VI. Auch die Zubilligung von Zinsen in Höhe von 2 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Bundesbank begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Krohn/Löwisch aaO Rn. 436, 439, 441 m.w.Nachw.). Die Verzinsungspflicht erstreckt sich auf die gesamte Entschädigung, auch auf den Ausgleich für Folgeschäden (so für § 99 Abs. 3 BBauG Ernst/Zinkahn/Bielenberg BBauG § 99 Rn. 20).
Fundstellen
Haufe-Index 2992837 |
BGHZ 97, 114 |
BGHZ, 114 |
DB 1986, 963 |
NJW 1986, 1980 |
BauR 1986, 552 |
DRsp V(522)213a-e |
DRsp V(549)489c |
DVBl 1986, 766 |
JZ 1986, 544 |
MDR 1986, 477 |
RdL 1986, 126 |
BRS 1987, 205 |
BRS 1987, 503 |
DRsp-ROM Nr. 1992/3920 |