Leitsatz (amtlich)
Bei einem Galopprennen sind die Entscheidungen der Rennleitung und des Renngerichts über die Disqualifizierung eines Pferdes für die Beteiligten nach § 661 Abs. 2 Satz 2 BGB verbindlich.
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Entscheidung vom 14.05.1964) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenat 5 b in Freiburg - vom 14. Mai 1964 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Beklagte, ein Rennverein, hat am 31. August 1962 auf seiner Bahn in I. das "Zukunftsrennen", ein Galopprennen für zweijährige Pferde, veranstaltet, bei dem für den Sieger 20.000,- DM, für den Zweiten 5.000,- DM, für den Dritten 3.000,- DM und für den Vierten 2.000,- DM als Geldpreise und für den Sieger ferner ein Ehrenpreis vorgesehen waren. Die Züchter der erstplazierten Pferde sollten jeweils eine Züchterprämie in Höhe von 10 v.H. der Geldpreise erhalten. Der Kläger nahm mit seinem Pferd "Gracchus" an dem Hennen teil. Nach der Reihenfolge des Einlaufs wurden als Sieger das Pferd "Anatol" (Jockey B.), als Zweiter das Pferd "Lis" (Jockey F.) und als Dritter das Pferd "Gracchus" (Jockey Bo.) plaziert und dementsprechend die Preise und die Züchterprämien verteilt.
Unmittelbar nach dem Rennen sprachen der Jockey und der Trainer des Pferdes "Grracchus" bei der Rennleitung vor, um gegen die Wertung der beiden erstplazierten Pferde zu protestieren, weil deren Reiter im Endkampf heftig die sogenannte Reitklappe, eine Art kurzer Peitsche, geschwungen hatten. Dazu hatte das Direktorium für Vollblutzucht und Rennen e.V. (im folgenden "Direktorium" genannt) in einer am 1. Juni 1962 beschlossenen Änderung der Ziff. 370 der von ihm aufgestellten Rennordnung (RO) angeordnet, daß in einem Rennen für Zweijährige keine Peitsche zulässig sei, sondern nur eine Reitklappe, die insgesamt nicht länger als 40 cm ist. In Nr. 47 des Wochenrennkalenders, eines Veröffentlichungsblattes, das die Bekanntmachungen des Direktoriums, Terminsankündigungen usw. enthält, war dazu unter dem 21. Juli 1962 (S. 1045) weiter bekanntgemacht worden:
"Reitklappe.
Unter Bezugnahme auf den Beschluß des Direktoriums vom 1. Juni 1962, Abs. 2 (S. 769) wird klargestellt, daß die vorgeschriebene Reitklappe in den Rennen für Zweijährige weder zum Schlagen noch zum Winken und Wedeln benutzt werden darf. Ihr Zweck ist allein, die Führung des Pferdes durch Anlage an der etwa ausweichenden Schulter zu unterstützen. Außerdem dürfen Widersatzlichkeiten am Start mit der Reitklappe bekämpft werden. Für Verstöße gilt RO Z. 485, 9."
Die Mitglieder der Rennleitung traten der von Trainer H. und von Jockey Bo. vertretenen Auffassung, die beiden erstplazierten Pferde dürften wegen Verstoßes gegen die Rennordnung nicht gewertet werden, entgegen und wiesen den Trainer nach einer erregten Auseinandersetzung aus dem Raum. Die Rennleitung belegte jedoch den Jockey F. und den Jockey St. - der ein hinter "Gracchus" plaziertes Pferd geritten hatte - mit Geldbußen von je 200,- DM und zeigte den Jockey B., der schon bei einem früheren Hennen wegen übermäßigen Peitschengebrauchs gemaßregelt worden war, beim Ordnungsausschuß an, dem die Anwendung von strengeren Ordnungsmitteln vorbehalten ist.
Der Kläger ließ darauf unter dem 5. September 1962 durch einen Rechtsanwalt beim Direktorium und beim Beklagten Protest einlegen, den er auf Ziff. 425 Nr. 3 RO stützte, wonach ein Pferd zu disqualifizieren ist "bei unzulässiger Verabredung und vollendeter oder versuchter Anwendung unerlaubter Mittel". Das Direktorium teilte dem Bevollmächtigten des Klägers auf ein weiteres Schreiben vom 18. September 1962 mit Schreiben vom 27. September 1962 mit, der Ordnungsausschuß sei im Falle B. zu einem Freispruch gelangt, weil er nur die Bestimmungen der Rennordnung - nicht auch die Bekanntmachung vom 21. Juli 1962 - für maßgeblich halte; den Jockeys F. und St. habe er nahegelegt, Gnadengesuche an das Direktorium zu richten. Den Protest des Klägers wies die Rennleitung des Beklagten durch Entscheidung vom 18. November 1962 mit der Begründung zurück, unter einem "unerlaubten Mittel" im Sinne der Ziff. 425 Nr. 3 sei nur ein Mittel zu verstehen, das geeignet sei, die Leistungsfähigkeit eines Pferdes im Hennen vorübergehend künstlich zu beeinflussen (sogenanntes Dopingmittel). Die vom Kläger dagegen eingelegte Berufung wies das Renngericht des Direktoriums mit Entscheidung vom 21. Dezember 1962 (Wochenrennkalender 1963 S. 1) zurück, weil der Gebrauch der Reitklappe keinesfalls als "unerlaubtes Mittel" im Sinne der Definition der Ziff. 480 Nr. 25 RO und der im Rennsport herkömmlichen Auffassung anzusehen sei, sondern allenfalls als "unzulässiges" - offen sichtbares - Hilfsmittel im Sinne der Ziff. 367 bis 370 RO Die Anwendung solcher Hilfsmittel könne aber nur innerhalb der kurzen, bis zum Schluß des Zurückwiegens am Ende des Rennens laufenden Protestfrist (Ziff. 434 i.V. mit Ziff. 425 Nr. 2 RO) gerügt werden; diese Frist sei in jedem Falle versäumt.
Der Kläger begehrt mit der Klage Schadensersatz dafür, daß ihm nicht die mit dem Sieg im "Zukunftsrennen" verbundenen Preise zugesprochen worden sind. Der Beklagte, so trägt er vor, sei ihm wegen Verletzung des Rennvertrages zum Schadensersatz verpflichtet, weil die Rennleitung, deren Verschulden der Beklagte sich zurechnen lassen müsse, es pflichtwidrig unterlassen habe, hinsichtlich der Pferde "Anatol" und "Lis" ein Protestverfahren einzuleiten Das Verbot des Winkens und Wedelns mit der Reitklappe sei zur Zeit der Austragung des Rennens am 31. August 1962 Bestandteil der Rennordnung und damit des zwischen den Parteien geschlossenen Rennvertrages gewesen; daran könne es nichts ändern, wenn das Direktorium in Nr. 67 des Wochenrennkalenders vom 29. September 1962 die Bekanntmachung über die Reitklappe (S. 1045) wieder aufgehoben habe. Die Rennleitung sei danach verpflichtet gewesen, von sich aus alle Pferde zu disqualifizieren, deren Reiter ihnen im Kampf um den Sieg durch den verbotenen Einsatz der Reitklappe unerlaubte Vorteile verschafft hätten; diese Pflicht hätten die Mitglieder der Rennleitung dadurch verletzt, daß sie entgegen Ziff. 319 RO nicht gegen den unerlaubten Gebrauch der Reitklappe eingeschritten seien, nicht gemäß Ziff. 428 RO durch Beschluß der Rennleitung das Protestverfahren mit dem Ziel der Disqualifizierung der beiden genannten Pferde eröffnet und nicht einmal den Protest des Trainers H. entgegengenommen hätten. Der Beklagte müsse ihm, dem Kläger, daher den Schaden ersetzen, der ihm daraus entstanden sei, daß er Geldpreis und Züchterprämie statt für den ihm zustehenden ersten Platz nur für den dritten Platz erhalten und außerdem den Ehrenpreis nicht bekommen habe.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten, zu verurteilen,
1.
an den Kläger 18.700,- DM nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 1. September 1962 zu zahlen,
2.
den Ehrenpreis für den Besitzer des im Zukunftsrennen 1962 siegreichen Pferdes nach Material, Gestalt und Ausführung zu kennzeichnen,
3.
dem Kläger den Ehrenpreis solcher Kennzeichnung zu verschaffen und zu übereignen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, er sei für den Klageanspruch nicht passiv legitimiert, da nach Ziff. 445 RO ein Anspruch auf einen bereits ausgezahlten Preis nicht gegen den Rennverein, sondern nur gegen den Empfänger dieses Preises geltend gemacht werden könne. Im übrigen könnten die Entscheidungen der Rennleitung nicht im ordentlichen Rechtsweg nachgeprüft werden, da die Rennleitung zu den Preisrichtern im Sinne des § 661 Abs. 2 Satz 2 BGB gehöre, deren Entscheidung für die Beteiligten verbindlich sei. Auch auf dem Umweg über eine Schadensersatzklage könne der Kläger den Anspruch auf die Zuerkennung eines Preises gegen den Beklagten nicht geltend machen; denn er könne daraus, daß die Rennleitung nicht von Amts wegen ein Protestverfahren eröffnet habe - woraus ihr im übrigen kein Vorwurf gemacht werden könne -, jedenfalls deshalb keine Rechte für sich herleiten, weil sein Trainer und sein Jockey trotz ihrer Kenntnis der Rennbestimmungen keinen Protest in der vorgeschriebenen Schriftform eingereicht hätten, obwohl sie aus den Äußerungen der Rennleitung hätten ersehen müssen, daß diese von sich aus kein Protestverfahren zu eröffnen beabsichtige. Daß die vom Kläger beanstandete Anwendung der Reitklappe kein "unerlaubtes Mittel" im Sinne der Ziff. 425 Nr. 3 RO sei, hätten Rennleitung und Renngericht zutreffend angenommen.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers im wesentlichen aus folgenden Gründen zurückgewiesen:
1.
Entgegen der Auffassung des Klägers, so führt der Berufungsrichter aus, sei die Rennleitung als Preisrichter im Sinne des § 661 Abs. 2 BGB tätig geworden, soweit es sich um die Frage der Diequalifizierung eines Pferdes handelt. Zwar sehe die Rennordnung einen besonderen Richter vor, dem die Feststellung der Reihenfolge der im Ziel eingekommenen Pferde obliege (Ziff. 386, 387 RO) und dessen "Richterspruch" unanfechtbar sei (Ziff. 390 RO); doch gelte Entsprechendes für die Rennleitung, soweit sie über die Disqualifizierung eines Pferdes, also die Aberkennung eines Gewinnes im Protestverfahren nach den Bestimmungen des Abschnitts XXII der Rennordnung zu entscheiden habe, da ihr damit die Entscheidung obliege, ob das betreffende Pferd ordnungsgemäß als Sieger oder auf einem der nächsten Plätze ins Ziel gebracht wurde und Anspruch auf den Preis habe. Auch die in diesem Rahmen getroffenen Entscheidungen der Rennleitung, die gemäß Ziff. 446 ff RO mit der Berufung zum Renngericht angefochten werden können, und die darauf etwa ergehende Entscheidung des Renngerichts seien verbindlich im Sinne des § 661 Abs. 2 Satz 2 BGB, könnten also nur dann gerichtlich angefochten werden, wenn das Verfahren unter schwerwiegenden Mängeln gelitten habe oder der Spruch sonst in rechtlich unzulässiger Weise herbeigeführt worden sei. Dafür sei im vorliegenden Falle nichts dargetan.
2.
Selbst wenn man aber, so fährt das angefochtene Urteil fort, der Ansicht sei, die Rennleitung habe nicht als Preisrichter gehandelt, ergebe sich keine Schadensersatzpflicht des Beklagten daraus, daß die Rennleitung nicht von sich aus ein Protestverfahren eingeleitet habe. Denn auch wenn unterstellt werde, daß der Gebrauch der Reitklappe durch die Jockeys B., F. und St. gegen die Rennordnung verstoßen habe und die Mitglieder der Rennleitung sich dessen vor Ablauf der Protestfrist (Ziff. 434 RO) bewußt geworden seien, hätten sie durch das Absehen vom Protest keine gegenüber dem Kläger bestehende Pflicht verletzt, da der Rennleitung bei der Verfolgung solcher Verstöße ein gewisser Ermessensspielraum offenstehe. Das ergebe sich aus Ziff. 427 RO, wonach es im Ermessen der Rennleitung steht, "das Pferd vollständig oder nur für einen bestimmten Platz zu disqualifizieren"; daraus müsse man entnehmen, daß bei geringfügigen Verstößen von der harten Maßnahme der Disqualifizierung auch ganz abgesehen werden könne. Bei dem hier in Rede stehenden Gebrauch der Reitklappe, der erst kurz vor dem Rennen vom 31. August 1962 verboten worden sei, habe die Rennleitung das ihr zustehende Ermessen nicht überschritten, wenn sie nicht von sich aus einen Protest eingelegt habe, zumal auch die Beteiligten - Besitzer, Trainer, Reiter - die Möglichkeit gehabt hätten, Protest einzulegen, wodurch ihre Interessen genügend gewahrt seien; daß sie das im vorliegenden Falle nicht rechtzeitig getan hätten, könne nicht zu lasten des Beklagten gehen.
Da sonach der Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten darauf gehabt habe, daß die Rennleitung von sich aus Protest einlege, komme es nicht mehr darauf an, ob die Rennleitung ein Verschulden treffe und ob sie als Erfüllungsgehilfe des Beklagten tätig geworden sei.
3.
Schließlich hätten, so führt das Berufungsgericht weiter aus, die Rennleitung und das Renngericht auch keine Rechte des Klägers verletzt, sondern der Rennordnung gemäß entschieden, als sie den Protest und die Berufung des Klägers gegen die Wertung der Pferde "Anatol" und "Lis" zurückwiesen. Dieser Protest sei auf Ziff. 425 Nr. 3 RO gestützt gewesen, wonach ein Pferd zu disqualifizieren ist "bei unerlaubter Verabredung und vollendeter oder versuchter Anwendung unerlaubter Mittel"; nur in diesem Falle gelte die lange Protestfrist von fünf Jahren (Ziff. 434 RO). Unter "unerlaubten Mitteln" seien aber entsprechend der Definition in Ziff. 480 Nr. 25 RO nur die sogenannten Dopingmittel zu verstehen, nämlich Mittel, die geeignet sind, "die Leistungsfähigkeit eines Pferdes im Rennen vorübergehend künstlich zu beeinflussen" Die Bekanntmachung vom 21. Juli 1962 über den Gebrauch der Reitklappe stelle dagegen, auch wenn man sie als verbindliche Ergänzung der Rennordnung betrachte, nur eine Erläuterung der Ziff. 370 RO dar, die das Verbot der Peitsche in Rennen für Zweijährige enthält und nur die Handhabung der Reitklappe zuläßt; ein Verstoß gegen diese Bestimmung sei jedoch als ein "Verstoß gegen die Vorschriften über die Durchführung der Hennen" im Sinne der Ziff. 425 Nr. 2 RO anzusehen, der zur Disqualifizierung nur dann führt, wenn der Protest vor dem Schluß des Zurückwiegens eingelegt wird (Ziff. 434 RO). Da der Protest nicht innerhalb dieser Frist eingelegt war, seien die Entscheidungen der Rennleitung und des Renngerichts im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß der Protest des Klägers, soweit auf Ziff. 425 Nr. 2 RO gestützt, wegen Fristversäumung unzulässig, soweit aus Ziff. 425 Nr. 3 RO hergeleitet, unbegründet gewesen sei.
II.
Diese Darlegungen des angefochtenen Urteile greift die Revision ohne Erfolg an; sie wendet sich insbesondere vergeblich dagegen, daß das Berufungsgericht auf die Tätigkeit der Rennleitung im Rahmen des Disqualifizierungsverfahrens die Vorschrift des § 661 Abs. 2 BGB angewendet hat.
1.
a)
Fehl geht der Hinweis, daß die Rennleitung schon deshalb nicht als Preisrichter im Sinne der genannten Vorschrift angesehen werden könne, weil es sich beim Rennvertrag nicht um eine Auslobung (§ 657 BGB) handle, die als einseitige Erklärung des Rennvereins bereits den maßgeblichen Verpflichtungsgrund enthalte; denn auch wenn man - mit der Revision und dem Vorderurteil - den Rennvertrag als einen atypischen Vertrag besonderer Art ansieht, so schließt das nicht aus, daß im Rahmen eines solchen Vertragsverhältnisses eine Preisbewerbung im Sinne des § 661 BGB stattfindet (vgl. BGHZ 17, 366, 369); die Preisbewerbung für das Vollbringen sportlicher Leistungen kann vielmehr gerade als häufiger Anwendungsfall der Vorschrift angesehen werden (Staudinger/Riedel, BGB 11. Aufl. § 661 Anm. I c; Planck, BGB 4. Aufl. § 661 Anm. 1).
b)
Der Revision kann auch nicht in der Auffassung gefolgt werden, die Anwendung des § 661 BGB werde durch die Rennordnung deshalb ausgeschlossen, weil diese als eine Spezialregelung vorgehe. Keine der Vorschriften der Rennordnung läßt ersehen, daß die Vorschriften des BGB über die Auslobung abbedungen werden sollten; soweit es sich um die hier zu entscheidende Frage handelt, kann dies um so weniger angenommen werden, als Ziff, 1 RO ausdrücklich bestimmt, daß die im Rahmen der Rennordnung erlassenen Entscheidungen für die Beteiligten verbindlich sind; damit wird gerade der Wortlaut des § 661 Abs. 2 Satz 2 BGB in einer Grundbestimmung der Rennordnung wiederholt.
2.
Zu Unrecht glaubt die Revision die Anwendbarkeit des § 661 BGB auch deshalb ablehnen zu können, weil es sich beim Pferderennen - im Gegensatz, wie sie meint, zum Preisskat oder zum Tanzturnier - um eine für beide Vertragsteile bedeutenden wirtschaftlichen Vorgang handle. Sie verweist zur Begründung dieser Auffassung darauf, daß der Besitzer eines Pferdes - von den sonstigen Unkosten abgesehen - nach Ziff. 260 RO einen Einsatz zu leisten hat, der 1 v.H. des Gesamtpreises beträgt, und daß Ziff. 245 bis 249 RO Bestimmungen über die Rennpreise treffen; ferner entnimmt sie den Bestimmungen über die Fristen für Nennung und Streichung eines Pferdes (Ziff. 291 bis 295 RO) und die Zahlung einer Vertragsstrafe für den Fall, daß ein genanntes Pferd nicht am Rennen teilnimmt (Ziff. 297, 298 RO), daß der Besitzer nicht so weitgehend von Verpflichtungen freigestellt sei, wie es als kennzeichnend für die Auslobung und ihre Unterart "Preisausschreiben" (§§ 657, 661 BGB) anzusehen sei.
Aus der. Fristsetzung für die Kennung - und entsprechend für die Streichung - eines Pferdes kann die Revision schon deshalb nichts für ihre Auffassung herleiten, weil in § 661 Abs. 1 BGB die Bekanntmachung einer Frist für die Bewerbung gerade zum Gültigkeitserfordernis für eine Auslobung in Form einer Preisbewerbung gemacht worden ist. Im übrigen spricht weder das Verlangen eines Einsatzes noch das hinter der Bewerbung stehende wirtschaftliche Interesse dagegen, eine Preisbewerbung im Rechtssinne anzunehmen; es ist auf anderen Lebensgebieten durchaus üblich, daß mit der Beteiligung an Wettbewerben existenzwichtige Wirtschaftsinteressen verfolgt werden, z.B. bei Preisausschreiben für Entwürfe von großen Bauvorhaben oder bei Wettbewerben, die von Rundfunkanstalten für Komponisten oder Hörspielautoren veranstaltet werden; dabei ist es ein nach der Lebenserfahrung üblicher Vorgang, daß z.B. der teilnehmende Architekt einen Einsatz für die Unkostendeckung leistet und in die Entwurfsgestaltung Arbeitskraft und Geld investiert, ohne daß deshalb an der Rechtsnatur des Preisausschreibens als Auslobung im Sinne des § 661 BGB zu zweifeln wäre. Dementsprechend kann auch im vorliegenden Fall nicht allein aus der wirtschaftlichen Interessenlage geschlossen werden, daß die Vorschriften über die Auslobung nicht anwendbar wären, zumal die Rennordnung den Bestimmungen über die Geldpreise kein Übergewicht über die sportlichen Regeln einräumt und vor allem die Rennen im Sinne der, Rennordnung, die den Charakter von sportlichen Leistungsprüfungen tragen (Ziff. 3 RO), nur von Vereinen veranstaltet werden dürfen, die als gemeinnützig anerkannt sind (Ziff. 28 RO). Mag demnach auch aus der Sicht des einen oder anderen Teilnehmers das wirtschaftliche Gewinnstreben bei der Beteiligung am Rennen im Vordergrund stehen, so gibt die Rennordnung, die das Revisionsgericht frei auslegen kann, zu einer solchen Auffassung objektiv keinen Anlaß.
3.
Danach kann nur den Bestimmungen der Rennordnung über Stellung und Aufgaben der Rennleitung entnommen werden, ob diese in dem hier in Betracht kommenden Bereich als Preisrichter im Sinne des § 661 Abs. 2 Satz 2 BGB anzusehen ist, dessen Entscheidung für die Beteiligten verbindlich ist.
a)
Mach Ziff. 387 RO stellt der Richter - der vom Direktorium bestellt ist (Ziff. 19 RO) - die Reihenfolge der im Ziel eingekommenen Pferde fest, und zwar für mindestens ein Pferd mehr als Geldpreise ausgesetzt sind; dabei kann er zu seiner Unterstützung die vom Rennverein bestellten Hilfsrichter heranziehen. Der Richterspruch ist unanfechtbar; hat sich der Richter jedoch in der Reihenfolge der Pferde unzweifelhaft geirrt, so hat die Rennleitung nach Anhörung des Richters den Irrtum richtigzustellen (Ziff. 390 RO). Schon dieser Regelung ist zu entnehmen, daß die Rennleitung - deren Mitglieder vom Rennverein bestellt werden (Ziff. 37 RO) - mit dem Richter bei der Bestimmung der Preisträger zusammenzuwirken hat und unter Umständen den Spruch des Richters abändern kann. Mit der Feststellung der Reihenfolge der im Ziel einkommenden Pferde ist aber noch nicht endgültig entschieden, auf welche Pferde die Gewinne entfallen; denn es besteht noch die Möglichkeit, daß eines oder mehrere der gewinnenden Pferde disqualifiziert werden. Die Disqualifizierung ist die Aberkennung eines Gewinnes im Protestverfahren durch die Rennleitung oder im Berufungsverfahren durch das Renngericht (Ziff. 424 RO); ein Pferd ist zu disqualifizieren bei fehlender Zulassung (Ziff. 425 Nr. 1 RO), bei einem Verstoß gegen die Vorschriften über die Durchführung der Rennen (a.a.O. Nr. 2) und bei unzulässiger Verabredung und vollendeter oder versuchter Anwendung unerlaubter Mittel (a.a.O. Nr. 3). Das Protestverfahren wird entweder durch Beschluß der Rennleitung oder durch Einlegen eines Protestes eröffnet (Ziff. 428 RO); den Protest kann einlegen ein Besitzer, dem bei Erfolg ein Gewinn oder ein höherer Gewinn zufallen würde (Ziff. 429 RO), im Falle der Ziff. 425 Nr. 2 RO in Abwesenheit des Besitzers und des Trainers auch der Reiter (Ziff. 430 RO). Der Protest ist schriftlich (Ziff. 432 RO) innerhalb bestimmter Frist einzulegen, die im Falle der Ziff. 425 Nr. 2 RO mit dem Schluß des Zurückwiegens endet (Ziff. 434 RO), wobei die Abgabe der Protestschrift beim Abwieger genügt (Ziff. 437 RO), der vor Schluß des Zurückwiegens ausdrücklich Gelegenheit zur Einlegung eines Protestes zu geben hat (Ziff. 402 RO). Die Entscheidung der Rennleitung kann auf Disqualifizierung unter Angabe der neuen Reihenfolge der Pferde oder auf Ablehnung der Disqualifizierung lauten (Ziff. 442 RO); sie kann von dem Besitzer, zu dessen Ungunsten entschieden worden ist, mit der Berufung beim Renngericht angefochten werden (Ziff. 446 ff RO).
b)
Die Verteilung der Gewinne richtet sich nach der Reihenfolge, in der die Pferde eingekommen sind; diese Reihenfolge wird nach der vorstehend dargelegten Regelung der Rennordnung vorläufig vom Richter festgelegt, steht aber endgültig erst fest nach einer etwaigen Entscheidung der Rennleitung, gegebenenfalls des Renngerichts, die im Protestverfahren bei Disqualifizierung "unter Angabe der neuen Reihenfolge" entscheiden. Diese Formulierung deutet mit Sicherheit darauf hin, daß erst im Zusammenwirken von Richter und Rennleitung (bei Berufung: Renngericht) die Gewinner festgestellt werden, so daß es rechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommt, daß auch die Entscheidungen der Rennleitung und des Renngerichts im Protestverfahren gemäß § 661 Abs. 2 Satz 2 BGB verbindliche Entscheidungen der Preisrichter sind.
Demgegenüber kann die Auffassung der Revision nicht durchdringen, die Aufgabe des Preisrichters nach § 661 BGB sei nur die Zuerkennung des Gewinns, während die Aberkennung des Gewinns - die eine Bestimmung des Preisträgers durch den Preisrichter voraussetze - demgegenüber ganz anderen Regeln unterliege, die nicht von der Wertung der Leistung ausgingen, sondern die Durchführung des Rennens unter gleichen Bedingungen für alle Teilnehmer zum Gegenstand hätten. Eine solche formale Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorganges kann nicht der Sinn der angeführten Bestimmungen der Rennordnung sein. Eine richtige Wertung der Leistungen aller am Rennen beteiligten Pferde ist eben nur möglich, wenn und soweit sie unter gleichen Bedingungen am Rennen teilgenommen haben, sodaß auch die Ausschaltung der Pferde, die unter Verletzung der Ordnung eingekommen sind, notwendiger Bestandteil der Werbung und damit der preisrichterlichen Tätigkeit ist. Das hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt.
Auch der in der mündlichen Revisionsverhandlung vorgetragene Hinweis, daß die Rennordnung zwar die Entscheidung des Richters (Ziff. 310 RO), nicht aber die der Rennleitung als unanfechtbar bezeichne, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern; denn damit ist nur zum Ausdruck gebracht, daß die Rennordnung gegen den Richterspruch keinen förmlichen Rechtsbehelf gewährt, während gegen die Entscheidung der Rennleitung das Renngericht angerufen werden kann; die schon aus Ziff. 1 RO folgende Verbindlichkeit der Entscheidungen wird dadurch nicht berührt.
4.
a)
Danach sind auf die hier in Rede stehenden Entscheidungen der Rennleitung die Grundsätze anzuwenden, die der Bundesgerichtshof im Urteil vom 14. Juni 1955 (BGHZ 17, 366) für die Nachprüfbarkeit der Entscheidungen der Preisrichter im Rahmen des § 661 Abs. 2 Nr. 2 BGB aufgestellt hat; das bedeutet, daß die Entscheidung in einem Rechtsstreit der vorliegenden Art nicht auf ihre sachliche Richtigkeit nachgeprüft werden kann, und zwar selbst dann nicht, wenn eine Partei geltend machen sollte, die Entscheidung sei offenbar unrichtig (BGH a.a.O. S. 373; vgl. auch Planck, BGB 4. Aufl. § 661 Anm. 3 b); nachprüfbar ist allenfalls das Verfahren des Preisgerichts, soweit es sich um schwerwiegende Mängel handelt, die offensichtlich auch die Entscheidung selbst beeinflußten (Staudinger/Riedel a.a.O. Anm. II 2 d), wobei es der BGH (a.a.O. S. 375) schon als weitgesteckten Rahmen bezeichnet hat, wenn für die formale Nachprüfung im einzelnen als Richtschnur die Regelung genommen wird, die in § 1041 ZPO für Schiedssprüche von Schiedsgerichten vorgesehen ist.
b)
Daß das Berufungsgericht die hier in Rede stehenden Entscheidungen bei Anwendung dieser Grundsätze nicht als fehlerhaft angesehen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das gilt sowohl für die auf den Protest des Klägers getroffenen Entscheidungen der Rennleitung und des Renngerichts, wonach der Protest zum Teil als unzulässig, zum Teil als unbegründet zurückgewiesen worden ist, als auch für die stillschweigend getroffene Entscheidung der Rennleitung, die darin liegt, daß sie nicht von sich aus das Protestverfahren nach Ziff. 425 Nr. 2 RO zugunsten des Klägers eingeleitet hat. Ein in dem dargelegten Sinne schwerer Verfahrensmangel könnte darin schon deshalb nicht erblickt werden, weil keiner der Tatbestände des § 1041 ZPO vorliegt; dazu kommt im vorliegenden Fall, daß der Kläger selbst, sein Trainer oder sein Reiter es in der Hand gehabt hätten, den Protest innerhalb der Frist, also vor Schluß des Zurückwiegene einzulegen; daß die Rennleitung den Trainer und den Jockey nicht angehört hat, könnte an dieser Beurteilung nichts ändern, da nach den oben wiedergegebenen Bestimmungen der Rennordnung, die Möglichkeit bestand, die Protestschrift - die in denkbar einfacher Form gehalten sein konnte - beim Abwieger abzugeben.
c)
Die verbindliche Wirkung der Entscheidung des Preisgerichts nach § 661 Abs. 2 Satz 2 BGB schließt freilich nicht aus, daß die Preisrichter bei vorsätzlichen Pflichtwidrigkeiten für unerlaubte Handlung (§ 826 BGB) haften (Planck a.a.O.; Kuhlenbeck, JW 1908, 645). Für die Annahme eines solchen Sachverhalts reicht jedoch der Vortrag des Klägers nicht aus; was er über die Absicht der Begünstigung anderer Besitzer durch die Rennleitung und den Beklagten vorgebracht hat, ist bloße Vermutung und entbehrt jeglicher Substantiierung, Die verbindliche Wirkung der hier in Rede stehenden Entscheidungen kann bei dieser Sachlage auch nicht auf dem Wege über eine Schadenersatzklage umgangen werden.
5.
Danach kommt es auf die hilfsweise angestellten Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es die sachliche Auslegung einzelner Bestimmungen der Rennordnung durch Rennleitung und Renngericht nachgeprüft hat, und die dagegen im einzelnen gerichteten Angriffe der Revision nicht mehr an.
III.
Nach allem war die Revision des Klägers mit der Kostenfolge gemäß § 97 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 3018614 |
NJW 1966, 1213 (amtl. Leitsatz) |
MDR 1966, 572-573 (Volltext mit amtl. LS) |