Leitsatz (amtlich)
Erwirkt ein Gläubiger aufgrund eines Arrestbefehls einen Beschluß über die Pfändung einer Eigentümerbriefgrundschuld und danach auf derselben Grundlage (nicht auf der Grundlage des Pfändungsbeschlusses) einen weiteren Beschluß über die Pfändung des gegen einen Dritten bestehenden Anspruchs auf Herausgabe des Grundschuldbriefes, so tritt trotz Fehlerhaftigkeit dieser Pfändung eine Verstrickung des Herausgabeanspruchs ein mit der Folge, daß ihn der Grundschuldinhaber nicht mehr mit Wirkung gegenüber dem Gläubiger abtreten kann.
Normenkette
ZPO § 830 Abs. 1 S. 1, § 886
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 27. Oktober 1977 aufgehoben. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 23. Dezember 1976 abgeändert:
Die Beklagten werden verurteilt, der Herausgabe folgender Grundschuldbriefe durch Rechtsanwalt Dr. M… in R… an die Klägerin zuzustimmen:
- B…-W… Gruppe 6 Nr. … für die Grundschuld über 40.000 DM, eingetragen im Grundbuch von S… in Abteilung III Nr. 9,
- B…-W… Gruppe 4 Nr. … für die Grundschuld über 150.000 DM eingetragen im Grundbuch von S… Abteilung III Nr. 10.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Briefe für zwei Grundschulden von 40.000 DM und 150.000 DM, mit denen ein Frau Lydia B… gehörendes Grundstück belastet ist.
Die Grundstückseigentümerin bestellte am 23. März 1971 die beiden Grundschulden für sich. Am selben Tag erließ das Arbeitsgericht Villingen auf Antrag der Klägerin gegen Frau B… einen Arrestbefehl wegen Forderungen über mehrere Millionen DM. Danach übergab Frau B… die beiden Grundschuldbriefe zur Sicherung von Gebührenforderungen an die Rechtsanwälte Dr. M… und B…. Rechtsanwalt Dr. M… verwahrt die Briefe inzwischen aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs treuhänderisch für die Parteien dieses Rechtsstreite und ist bereit, sie an die obsiegende Partei herauszugeben.
Aufgrund des Arrestbefehls erwirkte die Klägerin am 26. März 1971 einen Beschluß über die Pfändung der beiden Grundschulden und am 7. April 1971 einen Beschluß über die Pfändung des Anspruchs auf Herausgabe der Grundschuldbriefe gegen die Rechtsanwälte Dr. M… und B…. Nachdem Frau B… durch Urteil des Arbeitsgerichts Villingen zur Zahlung von mehreren Millionen DM an die Klägerin verurteilt worden war, trat sie am 12. September 1972 die Grundschulden und den Anspruch auf Herausgabe der Briefe durch schriftliche Erklärung an die Beklagten ab. Auf der Grundlage des arbeitsgerichtlichen Titels erwirkte die Klägerin einen Beschluß des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 31. Oktober 1974 über die Pfändung und Überweisung der Grundschulden sowie auf der Grundlage des vorgenannten Beschlusses am 5. September 1975 einen Beschluß über die Pfändung und Überweisung des Anspruchs auf Herausgabe der Grundschuldbriefe gegen Rechtsanwalt Dr. M….
Die Klägerin verlangt die Verurteilung der Beklagten dahin, daß diese in die Herausgabe der beiden Grundschuldbriefe an sie einwillige; die Beklagten wollen widerklagend diese Einwilligung von der Klägerin erreichen. In den Vorinstanzen wurde die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren und ihren Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter; die Beklagten beantragen Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Vollstreckungshandlungen der Klägerin vor der Abtretung der Grundschuld an die Beklagten hätten die Wirksamkeit der Abtretung nicht beeinträchtigt. Die Klägerin habe an den Grundschulden, den Grundschuldbriefen und dem Herausgabeanspruch auf die Briefe keine Rechte erworben. Die Wirksamkeit der Grundschuldpfändung setze – auch bei einer Eigentümerbriefgrundschuld – die Verschaffung des Besitzes an den Briefen voraus (§§ 857 Abs. 6, 830 Abs. 1 Satz 1 ZPO); eine wirksame Hilfsvollstreckung zur Erlangung dieses Besitzes (§§ 883, 886 ZPO) habe die Klägerin nicht durchgeführt. Der Pfändungsbeschluß vom 7. April 1971 sei nicht – wie notwendig – eine Pfändung aufgrund des vorangegangenen Pfändungsbeschlusses vom 26. März 1971, sondern eine auf dem Arrestbefehl vom 23. März 1971 beruhende selbständige Pfändung des so nicht pfändbaren Herausgabeanspruchs auf die Grundschuldbriefe (§ 847 Abs. 2 ZPO). Der Beschluß vom 7. April 1971 habe auch keine Verstrickung dieses Herausgabeanspruches bewirkt, sondern sei wegen Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften nichtig. Bei Fehlen eines Vollstreckungstitels trete diese Folge zweifelsfrei ein. Dem sei die Vollstreckung mit einem Titel gleichzuachten, der die vorgenommene Vollstreckungsmaßnahme nicht zulasse. Die nach der Abtretung (12. September 1972) folgenden Vollstreckungsmaßnahmen der Klägerin seien zu spät gekommen.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis nicht stand.
a) Zutreffend verweist die Revision darauf, daß der Beschluß vom 7. April 1971 den Herausgabeanspruch von Frau B… gegen die Rechtsanwälte M… und B… jedenfalls wirksam verstrickt habe, so daß sie ihn nicht mehr an die Beklagten habe abtreten können (§§ 135, 136 BGB).
Auf welchem Wege eine Eigentümerbriefgrundschuld gepfändet wird, ist umstritten. Die herrschende Meinung verlangt neben dem Pfändungsbeschluß, daß der Gläubiger in den Besitz des Briefes gelangt (§§ 857 Abs. 6, 830 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sei der Brief im Besitz eines nicht herausgabebereiten Dritten, müsse sich der Gläubiger den Herausgabeanspruch des Schuldners pfänden und überweisen lassen (§ 886 ZPO) und gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen (vgl. BGH Urt. v. 21. November 1960, III ZR 160/59, NJW 1961, 601; wohl auch BGHZ 58, 298, 302; RGZ 55, 378; 56, 184, 186; 59, 313, 316; 63, 214, 218; 74, 78, 83; Wieczorek, ZPO 2. Aufl. § 857 F IV b 2; Thomas/Putzo, ZPO 10. Aufl. § 857 Anm. 3 b und § 830 Anm. 3). Um diesen etwas schwerfälligen Weg zu vermeiden, halten andere die bloße Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Grundschuldinhaber (vgl. § 857 Abs. 2 ZPO) für ausreichend (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 19. Aufl. § 857 II, 6; Bruns/Peters, Zwangsvollstreckungsrecht § 25 III S. 161/162; Jauernig, Zwangsvollstreckung und Konkursrecht 14. Aufl. § 20 III, 3; Rosenberg, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts 9. Aufl. § 195 I; Schönke/Baur, Zwangsvollstreckungs- Konkurs- und Vergleichsrecht 10. Aufl. § 30 IV 2 a). Die Frage kann hier offen bleiben: Genügte die Zustellung des Pfändungsbeschlusses vom 26. März 1971 zur Pfändung der Grundschulden, konnte Frau B… schon deshalb diese Grundschulden am 12. September 1972 nicht mehr mit Wirksamkeit gegenüber der Klägerin an die Beklagten abtreten (§§ 135, 136 BGB). Folgt man der herrschenden Meinung – wozu der Senat neigt –, so war mit dem Beschluß vom 7. April 1971 allein, da die Briefübergabe an die Klägerin noch nicht erfolgt war, die Grundschuld noch nicht wirksam gepfändet. Es stellt sich dann die Frage, ob durch den Beschluß vom 7. April 1971 der Herausgabeanspruch gegen die Rechtsanwälte M… und B… wirksam beschlagnahmt worden ist. Dies ist entgegen der Auffassung des Berufungsgericht zu bejahen, wobei offen bleiben kann, ob nicht vielleicht durch den Beschluß vom 26. März 1971 allein die Grundschulden selbst auch schon verstrickt worden sind, mit der Folge, daß ihre Abtretung an die Beklagten relativ unwirksam gewesen wäre.
Es kann davon ausgegangen werden, daß der Beschluß vom 7. April 1971 als selbständige Pfändung des Herausgabeanspruchs zu verstehen ist. Zu dem Beschluß wird nicht nur der Arrestbefehl vom 23. März 1971 als Vollstreckungstitel angeführt, sondern ausdrücklich hervorgehoben, daß er „in Vollziehung des Arrests” ergehe. Es ist ferner richtig, daß die hier notwendige Hilfspfändung nach § 886 ZPO nicht mit der auf selbständige Verwertung der herauszugebenden Sache zielenden Pfändung nach §§ 846 ff. ZPO gleichzustellen ist. Das besagt aber noch nichts über die Wirksamkeit des Beschlusses im Sinne einer Verstrickung des Herausgabeanspruchs. Dieser Anspruch wurde durch einen staatlichen Hoheitsakt im Vollstreckungsverfahren beschlagnahmt. Solche Vollstreckungsakte sind – wie Verwaltungsakte – grundsätzlich wirksam, auch wenn sie bei richtiger Handhabung ganz unterbleiben oder anders hätten ergehen müssen. Ihre Fehlerhaftigkeit führt lediglich dazu, daß sie auf entsprechenden Rechtsbehelf hin oder von Amts wegen in den dafür vorgesehenen Verfahren abzuändern oder aufzuheben sind. Solange dies – wie hier – nicht geschieht, ist die betreffende Vollstreckungsmaßnahme gültig. Nichtig und ohne Wirkung sind Vollstreckungshandlungen nach heute allgemeiner Auffassung nur ganz ausnahmsweise, nämlich bei grundlegenden schweren Mängeln (BGHZ 30, 173, 175; 66, 79, 81; Stein/Jonas/Münzberg a.a.O. 20. Aufl. vor § 704 Anm. IX 1 und 2 Rdz. 128 – 131; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 37. Aufl. Grundzüge vor § 704 Anm. 8 B und C und Einführung vor §§ 750, 751 Anm. 2; Thomas/Putzo a.a.O. vor § 704 Anm. IX 1 und 2; Zöller/Scherübl, ZPO 11. Aufl. vor § 704 Anm. 6; Geib, Die Pfandverstrickung 1969 S. 100).
An einem solchen zur Nichtigkeit führenden Mangel leidet der Beschluß vom 7. April 1971 nicht. Zu Unrecht setzt das Berufungsgericht den vorliegenden Fall gleich mit einer ohne jeden Titel erfolgten Vollstreckung.
Entgegen der in der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung bezieht sich der Pfändungsbeschluß vom 26. März 1971 – wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat – auf die hier streitigen Eigentümergrundschulden. In der irrtümlichen Meinung, diese Grundschulden seien an die D… B… abgetreten, ließ die Klägerin die genau bezeichneten „Eigentümergrundschulden abgetreten an die D… B…, Filiale S…” und auch die „Teileigentümergrundschulden soweit die nachstehend bezeichneten Grundschulden nicht valutiert sind oder künftig nicht valutiert sein werden” pfänden. Nach der zutreffenden und sachgerechten Auslegung des Berufungsgerichts – die der Senat hier frei nachprüfen kann, weil es sich um behördliche Akte handelt (vgl. BGHZ 32, 76, 84; 36, 1, 3) – sind mit diesem Wortlaut die Eigentümergrundschulden zu 40.000 DM und 150.000 DM erfaßt, auch soweit die Grundeigentümerin Inhaberin der Grundschulden war.
Wenn hier nur der Pfändungsbeschluß vom 26. März 1971 (nicht der Arrestbefehl vom 23. März 1971) eine Vollstreckungsgrundlage für die Hilfspfändung sein konnte (vgl. Stein/Jonas/Münzberg a.a.O. § 830 IV, 2; Wieczorek a.a.O. § 830 C III; Baumbach/Lauterbach/Hartmann a.a.O. § 830 Anm. 3 D; Thomas/Putzo a.a.O. § 830 Anm. 3 b; Zöller/Scherübl a.a.O. § 830 Anm. 1 c), so war im Beschluß vom 7. April 1971 statt des immerhin existenten „richtigen” Titels nur der „falsche” genannt. Das ist aber schon deshalb kein zur Nichtigkeit führender Mangel, weil der Arrestbefehl die erste Voraussetzung für eine Vollstreckung in die Eigentümergrundschuld bildet und damit wenigstens mittelbar die Grundlage auch einer Hilfspfändung darstellt. Zudem hätte auch eine fehlerfreie Hilfspfändung nach § 886 ZPO – abgesehen von der Bezeichnung des Titels – nicht anders lauten können als der Beschluß vom 7. April 1971. Sowohl Pfändung nach §§ 846 ff. ZPO als auch Hilfspfändung werden über dieselben Verfahrensvorschriften durchgeführt, nämlich die §§ 828 ff. ZPO. Das heißt, es hat hier weder ein funktionell unzuständiges Vollstreckungsorgan gehandelt, noch sind wesentliche Formvorschriften verletzt (vgl. dazu Stein/Jonas/Münzberg a.a.O. vor § 704 Rdz. 130/131). Daß der Beschluß vom 7. April 1971 als unzulässige selbständige Pfändung verstanden werden kann oder muß, nimmt ihm nicht jede Wirksamkeit als staatlichem Hoheitsakt. Die Unzulässigkeit selbständiger Pfändung der Briefe oder der betreffenden Herausgabeansprüche beruht letztlich auf der Unmöglichkeit selbständiger Verwertung der Briefe, weil diese sonderrechtsunfähig sind, (§ 952 Abs. 2 BGB). Für die Beschlagnahmewirkung (§ 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO) des Pfändungsbeschlusses tritt dieser Gesichtspunkt aber in den Hintergrund. Auch in einem vergleichbaren Fall, nämlich der Forderungspfändung entgegen einem bestehenden Pfändungsverbot, hält deshalb die überwiegende Meinung den Pfändungsbeschluß nicht für nichtig, sondern nur für anfechtbar (Stein/Jonas/Münzberg a.a.O. § 829 I 1 b, § 850 Anm. VI, 3; Baumbach/Lauterbach/Hartmann a.a.O. § 829 Anm. 7 B; Thomas/Putzo a.a.O. § 829 Anm. 6 und Anm. 2 e und § 850 Anm. 1; Bruns/Peters a.a.O. § 24 V; Jauernig a.a.O. § 33 I J; Schönke/Baur a.a.O. § 22 VII und § 21 II 3 a.E.; Geib, Die Pfandverstrickung 1969 S. 68; Stöber, Forderungspfändung 5. Aufl. Rdz. 750 und 748; a. A. Henckel; ZZP 84, 447, 453; Rosenberg a.a.O. 9. Aufl. § 192 I 2 a).
b) Damit ist der Rechtsstreit im Sinne der Klägerin entscheidungsreif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). War die Abtretung des Herausgabeanspruchs hinsichtlich der Grundschuldbriefe durch Frau B… an die Beklagten gegenüber der Klägerin unwirksam (§§ 135, 136 BGB), so ist auch die Grundschuld nicht wirksam an die Beklagten übertragen worden (§§ 1192 Abs. 1, 1154 Abs. 1 Satz 1, 1117 Satz 2, 931 BGB). Ein gutgläubiger Erwerb der Beklagten scheidet aus. Auch wenn die Beklagten gutgläubig in Bezug auf die Verfügungsbefugnis von Frau B… hinsichtlich des Herausgabeanspruchs waren, kommt ein Gutglaubensschutz (§§ 136, 135 Abs. 2 BGB) insoweit nicht in Betracht. Jedenfalls seit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 5. September 1975 kann die Klägerin mithin Herausgabe der streitigen Grundschuldbriefe an sich verlangen (§ 836 Abs. 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen