Verfahrensgang
LG Bückeburg (Urteil vom 24.10.2003) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 24. Oktober 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieser Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge und mit versuchtem Mord” zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Schwester des Tatopfers, die sich dem Verfahren als Nebenklägerin angeschlossen hat. Sämtliche Beschwerdeführer rügen die Verletzung materiellen Rechts. Staatsanwaltschaft und Nebenklägerin beanstanden, daß der Angeklagte nicht wegen vollendeten Mordes verurteilt wurde, die Staatsanwaltschaft wendet sich darüber hinaus gegen die Strafzumessung. Der Angeklagte bemängelt die Beweiswürdigung. Nur die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben Erfolg.
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Am Nachmittag des Tattages suchte der Angeklagte die 24jährige Mandy E., seine frühere Nachbarin, in deren neuer Wohnung auf. Mandy E. ließ den Angeklagten in ihre Wohnung ein. „Spätestens jetzt” faßte dieser den Entschluß, notfalls auch gegen ihren Willen mit ihr sexuell zu verkehren. Er führte gegen ihren Widerstand den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguß durch. „Spätestens jetzt” begann der Angeklagte, sein Opfer mit den Händen am Hals zu würgen, rutschte zunächst wegen dessen Gegenwehr jedoch immer wieder ab, so daß er erneut zugreifen mußte. Das Tatopfer beschimpfte den Angeklagten und bezeichnete ihn unter anderem als Schwein. Der Angeklagte wollte diese Beschimpfungen nicht mehr ertragen und sein Opfer zur Ruhe bringen. Er würgte es daher für mindestens zwei weitere Minuten, wobei er bemerkte, daß sein Opfer nach Luft schnappte und vergeblich versuchte, sich körperlich zur Wehr zu setzen. Mandy E. verlor nunmehr „zumindest” das Bewußtsein. Als sie sich nicht mehr rührte, faßte der Angeklagte den Entschluß, sie zu töten, um sie als Tatzeugin der Vergewaltigung zu beseitigen und hierdurch seine Bestrafung zu verhindern. Er band ein Koaxialkabel sowie ein Halstuch eng um den Hals der Mandy E. und verknotete beides, um sein Opfer auf diese Weise zu erdrosseln. Ob Mandy E. aufgrund dieser Drosselung verstarb oder bereits infolge des Würgens mit den Händen zu Tode gekommen war, konnte nicht geklärt werden. Der Angeklagte verließ anschließend zunächst die Wohnung. Er kehrte in der Nacht zurück, transportierte die Leiche ab und vergrub sie in einem Maisfeld.
Das Landgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, daß der Angeklagte bereits bei dem ersten Würgen mit Tötungsvorsatz handelte. Da zu seinen Gunsten aber davon ausgegangen werden müsse, daß Mandy E. bereits hierdurch zu Tode kam, könne das nachfolgende Drosseln nur als versuchter Mord gewertet werden.
II. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils; denn die Feststellungen des Landgerichts zur subjektiven Tatseite des als Todesursache in Betracht kommenden Würgens sind lückenhaft und finden – soweit sie getroffen wurden – teilweise keine Grundlage in der Beweiswürdigung des Landgerichts. Der Senat vermag daher nicht zu prüfen, ob das Landgericht zu Recht von einer Verurteilung des Angeklagten wegen eines vollendeten Tötungsdelikts abgesehen hat.
Den Urteilsgründen läßt sich schon nicht entnehmen, aus welchem Grund der Angeklagte spätestens nach Abschluß des Geschlechtsverkehrs begann, sein Opfer zu würgen, welches Ziel er damit verfolgte und welche Vorstellungen er sich über die Folgen des Würgens machte. Die Beschimpfungen durch Mandy E. und das Bestreben des Angeklagten, durch das Würgen die Beschimpfungen zu beenden und sein Opfer zur Ruhe zu bringen, setzten nach den Feststellungen erst ein, als der Angeklagte mit dem Würgen bereits begonnen hatte. Darüber hinaus ist mit dieser – später einsetzenden – Motivation allein das Handlungsziel des Angeklagten beschrieben, während offen bleibt, ob er hinsichtlich eines Tötungserfolges vorsätzlich oder lediglich fahrlässig handelte. Denn für das Vorliegen des – bedingten – Tötungsvorsatzes ist es nicht von Belang, welchen außertatbestandlichen Zweck der Angeklagte mit dem Würgen verfolgte. Entscheidend ist vielmehr, ob er die möglichen tödlichen Folgen des Würgens voraussah und diese gegebenenfalls in Kauf nahm, um sein Ziel zu erreichen, die Beschimpfungen durch Mandy E. zu beenden. Hierzu verhält sich das Urteil nicht. Es befaßt sich insbesondere nicht mit dem Umstand, daß der Angeklagte während des mindestens zweiminütigen – weiteren – Würgens das Ringen seines Opfers um Luft und dessen vergebliche Abwehrversuche wahrnahm. Wenn er dennoch von seinem Opfer nicht abließ, könnte dies ein deutlicher Hinweis darauf sein, daß er dessen Tod zumindest billigend in Kauf nahm. Zwar führt das Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung aus, ein Tötungsvorsatz des Angeklagten bereits in dem Zeitpunkt, als er begann, sein Opfer zu würgen, sei nicht belegt. Insoweit handelt es sich jedoch schon nicht um eine eigenständige ergänzende Darlegung zur subjektiven Tatseite, sondern um eine – rechtsfehlerhafte – Subsum- tion, die auf lückenhaften Feststellungen beruht. Im übrigen erschöpft sie den Sachverhalt nicht, da – wie dargelegt – der bedingte Tötungsvorsatz vom Angeklagten auch noch während des Würgens gefaßt worden sein kann.
Hinzu kommt, daß die Überzeugung des Landgerichts, der Angeklagte habe Mandy E. gewürgt, um deren Beschimpfungen zu beenden und sie zur Ruhe zu bringen, keine Stütze im Beweisergebnis findet. Zwar hatte sich der Angeklagte dahin eingelassen, das Tatopfer habe ihn, nachdem es zunächst zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gekommen und er zwischenzeitlich beim Einkaufen gewesen sei, beschimpft und sei hysterisch geworden. Dies hat das Landgericht aber als Schutzbehauptung erachtet, die durch das übrige Beweisergebnis widerlegt sei. Damit handelt es sich aber bei der Feststellung, das Opfer habe den Angeklagten beschimpft und dies sei der Grund für das – weitere – Würgen gewesen, um eine reine Vermutung, auf die das Landgericht sein Urteil nicht stützen durfte. Hiermit hat es sich gleichzeitig den Blick darauf verstellt, daß nach den Umständen die Prüfung nahegelegen hätte, ob der Angeklagte das Tatopfer mit direktem Tötungsvorsatz würgte, um die vorangegangene Vergewaltigung zu verdecken.
Die Frage, ob der Angeklagte Mandy E. bereits mit Tötungsvorsatz würgte und daher wegen eines vollendeten Totschlags oder Mordes unabhängig davon zu verurteilen ist, ob der Tod durch das Würgen oder durch das Drosseln eintrat, bedarf nach alledem nochmaliger Prüfung.
Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, daß auch die Strafzumessung des Landgerichts rechtlichen Bedenken unterliegt. Der Angeklagte hat subjektiv einen Verdeckungsmord begangen. Seine Verurteilung wegen vollendeten Mordes scheiterte allein daran, daß er den Tod des Opfers möglicherweise bereits durch eine vorangegangene gefährliche Körperverletzung fahrlässig verursacht hatte. Bei einer solchen Fallgestaltung liegt es fern, den Strafrahmen des § 211 Abs. 1 StGB gemäß § 23 Abs. 2 i. V. m. § 49 Abs. 1 StGB zu mildern. Jedenfalls durfte das Landgericht diese Strafrahmenverschiebung nicht allein darauf stützen, der Angeklagte habe die Ermittlungen erleichtert, indem er die Polizei zum Versteck der Leiche führte, und sei bei der Tat alkoholbedingt enthemmt gewesen, ohne daß die Voraussetzungen des § 21 StGB jedoch erfüllt gewesen wären. Vielmehr hätte es sich mit den wesentlichen versuchsbezogenen Strafzumessungsgründen auseinandersetzen müssen (vgl. dazu Tröndle/ Fischer, StGB 51. Aufl. § 23 Rdn. 4 m. w. N.), wozu maßgeblich zählte, daß der Angeklagte aus seiner Sicht nicht nur einen beendeten Mordversuch, sondern einen vollendeten Mord begangen hatte. Neben dem Umstand, daß sein Opfer tatsächlich zu Tode gekommen war, durfte auch die vorangegangene Vergewaltigung bei der Strafrahmenwahl nicht unberücksichtigt bleiben.
III. Die Revision des Angeklagten ist aus den Gründen, die der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 17. März 2004 zutreffend dargelegt hat, offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Unterschriften
Winkler, Miebach, von Lienen, Becker, Hubert
Fundstellen