Leitsatz (amtlich)
Zum Umfang der Haftung eines Automobilherstellers nach §§ 826, 31 BGB gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs in einem sog. Dieselfall (hier: Deliktszinsen, Ersatz von Aufwendungen).
Normenkette
BGB § 249 (Cb)
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Brandenburg vom 7.7.2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung
- von Zinsen i.H.v. 4 % vom 18.7.2013 bis zum 4.2.2018 aus dem Betrag von 12.038,37 EUR sowie
- eines Betrags von 1.075,22 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.2.2018
an den Kläger verurteilt worden ist. Die Klage wird auf die Berufung der Beklagten unter teilweiser Abänderung des Urteils des LG Frankfurt/O. vom 1.6.2018 auch insoweit abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird auch insoweit zurückgewiesen.
Die Kosten der ersten und zweiten Instanz tragen der Kläger zu 71 % und die Beklagte zu 29 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger nimmt den beklagten Kraftfahrzeughersteller wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung, die zu erhöhten Schadstoffemissionen führte, auf Schadensersatz in Anspruch.
Rz. 2
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 17.7.2013 von einem Autohändler einen von der Beklagten hergestellten, gebrauchten Pkw Passat 2,0l TDI mit einer Laufleistung von 10.250 km zum Preis von 42.790 EUR brutto. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA189 ausgestattet.
Rz. 3
Mit Rechtsanwaltsschreiben forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis 28.3.2017 zur Rückzahlung des Nettokaufpreises und zum Ersatz vergeblicher Aufwendungen i.H.v. 1.075,22 EUR auf.
Rz. 4
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 35.957,98 EUR nebst Verzugszinsen seit dem 18.7.2013 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu zahlen, Aufwendungen für das Fahrzeug i.H.v. 1.075,22 EUR nebst Prozesszinsen zu ersetzen, festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 18.7.2013 im Annahmeverzug befinde und ihn von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 2.073,10 EUR freizustellen.
Rz. 5
Das LG hat unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte verurteilt, an den Kläger 18.817,71 EUR nebst Verzugszinsen seit 29.3.2017 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu zahlen, festgestellt, dass sich die Beklage im Annahmeverzug befinde und ausgesprochen, dass der Kläger von einer Forderung seines Prozessbevollmächtigten i.H.v. 1.501,07 EUR freizustellen sei. Auf die beiderseitige Berufung hat das OLG das Urteil des LG teilweise abgeändert und unter Klageabweisung im Übrigen und Zurückweisung der weitergehenden Berufungen beider Parteien die Beklagte verurteilt, an den Kläger 12.038,37 EUR nebst Deliktszinsen vom 18.7.2013 bis 4.2.2018 sowie Prozesszinsen seit dem 5.2.2018 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie weitere 1.075,22 EUR nebst Prozesszinsen seit 5.2.2018 zu zahlen und den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.358,86 EUR freizustellen.
Rz. 6
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag aus den Vorinstanzen hinsichtlich der vom Berufungsgericht zugesprochenen Deliktszinsen und der für ersatzfähig gehaltenen Aufwendungen i.H.v. 1.075,22 EUR teilweise weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 7
Das Berufungsgericht, dessen Urteil bei juris und unter BeckRS 2020, 17762 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Rz. 8
Der Kläger habe einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB. Die Beklagte habe den Kläger durch das Inverkehrbringen des im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motors, der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet gewesen sei, vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Der Schaden des Klägers liege im Erwerb des Fahrzeugs, den er in Kenntnis der Abschalteinrichtung nicht getätigt hätte.
Rz. 9
Der Kläger habe Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises abzgl. einer Nutzungsentschädigung nebst Deliktszinsen vom 18.7.2013 bis zur Zustellung der Klage und danach einen Anspruch auf Prozesszinsen. Einen Anspruch auf Verzugszinsen habe der Kläger hingegen nicht, da die Voraussetzungen für den Eintritt des Schuldnerverzugs zu keinem Zeitpunkt bestanden hätten. Der Kläger habe zudem Anspruch auf Erstattung der vergeblich aufgewendeten Kosten für zwei Fahrzeuginspektionen, die Durchführung einer Hauptuntersuchung sowie den Erwerb einer Ersatzbatterie i.H.v. insgesamt 1.075,22 EUR. Ohne die schädigende Handlung der Beklagten hätte der Kläger - mangels Erwerbs des Fahrzeugs - keine der Erhaltung oder Wiederherstellung dienenden Aufwendungen auf das Fahrzeug tätigen müssen. Eine vergleichbare Wertung ergebe sich für eine Rückabwicklung gem. § 346 BGB, bei der diese Kosten gem. § 347 Abs. 2 Satz 1 BGB ebenfalls als notwendige Verwendungen erstattungsfähig wären. Auf diesen Betrag stünden dem Kläger Prozesszinsen zu.
II.
Rz. 10
Die Revision der Beklagten, die sich allein gegen die Verurteilung zur Zahlung von Deliktszinsen und zum Ersatz von Aufwendungen richtet, hat Erfolg. Über sie ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Termin nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urt. v. 4.4.1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 ff.; Senat, Urt. v. 14.7.2015 - VI ZR 463/14 ZIP 2015, 2169 Rz. 12).
Rz. 11
1. Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht dem Kläger Deliktszinsen gem. § 849 BGB auf einen Betrag von 12.038,37 EUR vom 18.7.2013 bis 4.2.2018 zugesprochen hat. Ein solcher Anspruch scheidet aus Rechtsgründen aus, da der Kläger als Gegenleistung für die Kaufpreiszahlung ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhielt (vgl. BGH, Urt. v. 30.7.2020 - VI ZR 354/19, BGHZ 226, 322 Rz. 17 ff.; - VI ZR 397/19, NJW 2020, 2806 Rz. 20 ff.).
Rz. 12
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht dem Kläger kein Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen i.H.v. insgesamt 1.075,22 EUR für zwei Fahrzeuginspektionen, die Durchführung einer Hauptuntersuchung und den Erwerb einer Ersatzbatterie zu. Aufwendungen der hier fraglichen Art sind unter den im Streitfall gegebenen Umständen nicht ersatzfähig. Da der Kläger das Fahrzeug wie vorgesehen genutzt hat, handelt es sich insoweit nicht um vergebliche Aufwendungen (vgl. BGH, Urt. v. 30.7.2020 - VI ZR 354/19, BGHZ 226, 322 Rz. 24).
III.
Rz. 13
Da die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und die Klage nach letzterem, soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, abweisungsreif ist, kann der Senat in der Sache entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem BGH, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Fundstellen
Haufe-Index 14787849 |
VersR 2021, 1510 |