Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 27.05.1986) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 27. Mai 1986 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der während des laufenden Revisionsverfahrens verstorbene Kläger Jürgen Ludwig B. (im weiteren nur noch Kläger) verkaufte dem Beklagten mit notariellem Vertrag vom 16. April 1981 u.a. eine noch abzutrennende (Teil-)Fläche von 3.080 qm aus dem Flurstück 65/4 seines Grundbesitzes in L.. Er sicherte zu, daß der Kaufgegenstand mit einem Einfamilienhaus bebaut werden könne und wies darauf hin, daß ein entsprechender Bauvorbescheid, gültig bis Mai 1982, vorliege. Der Kaufpreis von 200.000 DM sollte fällig sein zur Zahlung auf Notaranderkonto innerhalb von 17 Tagen nach schriftlicher Bestätigung des Notars, daß ihm, mit Ausnahme der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung wegen der Grunderwerbssteuer, sämtliche zur vertragsgemäßen Eigentumsumschreibung erforderlichen Unterlagen vorlägen. Voraussetzung für die Fälligkeit des Kaufpreises sollte ferner sein, daß die Baugenehmigung für die vom Beklagten beabsichtigte Bebauung des Kaufgegenstandes (mindestens Einfamilienhausbebauung) vorliege. Der hinterlegte Kaufpreis sollte ausschließlich zur Renovierung und Modernisierung eines dem Kläger gehörenden Nachbarhauses verwandt und die Baumaßnahme mit der Denkmalbehörde abgestimmt werden.
Der Landkreis H. erteilte dem Beklagten mit Schreiben vom 20. Juli 1982 einen Bauvorbescheid für eine Bebauung des Grundstücks mit einem Einfamilienhaus nebst Einliegerwohnung; dieser wurde später verlängert. Eine Baugenehmigung beantragte der Beklagte nicht.
Schon mit Schreiben vom 12. März 1982 hatte der beurkundende Notar dem Beklagten mitgeteilt, daß sämtliche zur vertragsgemäßen Eigentumsumschreibung erforderlichen Unterlagen vorlägen, der Kaufpreis somit innerhalb von 17 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens zur Zahlung auf dem Notaranderkonto fällig sei.
In einem Vorprozeß wies das Landgericht auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 1983 auch einen hilfsweise gestellten Antrag des Klägers, den Beklagten zur Zahlung der Kaufsumme zu verurteilen, mit Urteil vom 24. Juni 1983 ab mit der Begründung, der Kaufpreis sei noch nicht fällig. Das Urteil ist rechtskräftig.
Durch Schreiben seines Anwalts vom 18. Juli 1983 ließ der Kläger dem Beklagten eine „letzte Frist” bis 21. November 1983 „zur Beibringung der Baugenehmigung – wie im Kaufvertrag vom 16.4.81, UR-Nr. 830/81 Notar L. vorgesehen” setzen. Weiter heißt es in dem Schreiben:
„Mit Erhalt der Baugenehmigung ist die Zahlung des Kaufpreises in Höhe von DM 200.000 fällig. Deshalb wird Ihr Mandant hiermit aufgefordert, innerhalb von 3 Tagen nach Erteilung der Baugenehmigung den Kaufpreis vertragsgemäß zu zahlen; spätestens somit 24. November 1983. Die Zahlung soll auf eines meiner angegebenen Konten erfolgen. Zum Nachweis der Empfangsvollmacht füge ich vorsorglich eine beglaubigte Fotokopie der auf mich bezogenen Vollmacht bei. Sollte Ihr Herr Mandant die vorstehende Frist fruchtlos verstreichen lassen, wird mein Herr Mandant die Annahme der Leistung verweigern und entweder vom Kaufvertrag zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. …”
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, 200.000 DM auf Anderkonto des Notars sowie Zinsen an ihn selbst zu zahlen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Nachdem der Beklagte gegen das Urteil Berufung eingelegt hatte, schlossen die Parteien am 4. September 1985 einen notariellen Änderungsvertrag zu dem Vertrag vom 16. April 1981. Darin wurde u.a. der Kaufpreis auf 139.000 DM ermäßigt; weiter wollten die Parteien den vor dem Oberlandesgericht schwebenden Rechtsstreit für erledigt erklären und verpflichteten sich, umgehend entsprechende Prozeßerklärungen abzugeben. In der Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Kläger den Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiterverfolgt und vorgetragen, die Änderungsvereinbarung sei wegen einer nicht beurkundeten Schwarzgeldabrede sowie wegen eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung aus dem Gesichtspunkt des Wuchers nichtig. Das Berufungsgericht hat unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat Revision eingelegt. Nach seinem Tode wird das Rechtsmittel für die unbekannten Erben durch den Nachlaßpfleger fortgeführt. Die Erben verfolgen den Klageanspruch weiter. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der mit der Klage geltend gemachte Erfüllungsanspruch auf Zahlung von 200.000 DM stehe dem Kläger schon nicht zu, wenn der Änderungsvertrag vom 4. September 1985 wirksam sei; denn dann hätten die Parteien ihre Rechtsbeziehungen auf eine neue Grundlage gestellt. Selbst wenn dieser neue Vertrag aber nach §§ 117, 313 Satz 1, 125 Satz 1 BGB nichtig sein sollte, stehe dem Kläger der begehrte Zahlungsanspruch nicht zu. Er habe mit Anwaltschreiben vom 18. Juli 1983 die Erfüllung des Vertrages vom 16. April 1981, soweit es den Zahlungsanspruch angehe, verweigert und statt dessen Rücktritt oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung gefordert. Die Voraussetzungen des § 326 Abs. 1 BGB seien erfüllt. Für diesen Fall habe der Kläger die Annahme der Leistung abgelehnt, so daß er selbst dann nicht mehr Erfüllung fordern könne, wenn der Vertrag vom 4. September 1985 unwirksam sein sollte.
II.
Die Revision hat Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der von den Parteien am 4. September 1985 geschlossene Abänderungsvertrag gültig oder wegen Vereinbarung einer Schwarzgeldzahlung (nach §§ 313, 117, 125 BGB) bzw. wegen Sittenwidrigkeit (nach § 138 Abs. 2 BGB) nichtig sei. Revisionsrechtlich ist daher zugunsten des Klägers von seinem Sachvortrag auszugehen, wonach der Abänderungsvertrag nichtig und deshalb für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung wäre. Denn der Vortrag ist, entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung, auch hinreichend substantiiert.
2. Die Ansicht des Berufungsgerichts, auf die Rechtswirksamkeit der zweiten Vereinbarung komme es nicht an, weil der Kläger den im ersten notariellen Vertrag vereinbarten Kaufpreis ohnehin nicht mehr fordern könne, ist von Rechtsfehlern beeinflußt:
a) Das Berufungsgericht hat bei seiner Schlußfolgerung, der Kläger habe mit dem Anwaltsschreiben vom 18. Juli 1983 wirksam Nachfrist mit Ablehnungsandrohung im Sinne des § 326 Abs. 1 BGB gesetzt, nicht erwogen, ob der Kläger mit diesem Schreiben die Leistung so, wie sie zu bewirken war, gefordert hat. Die Revision weist jedoch zutreffend darauf hin, daß der Kläger in dem Schreiben Zahlung des Kaufpreises auf Anderkonto seines Anwaltes fordert, im Notarvertrag aber Zahlung des Kaufpreises auf Anderkonto des Notars zu zweckgebundener Verwendung vereinbart worden war.
Ob das Anfordern einer Leistung zu vertragswidrigen Bedingungen grundsätzlich wirkungslos ist (vgl. OLG Dresden OLGE 36 (1918), 15, dort ist der Sachverhalt allerdings nicht mitgeteilt; Staudinger/Löwisch, BGB 12. Aufl. § 284 Rdn. 27; vgl. auch BGH Urt. v. 7. Juli 1971, VIII ZR 228/69, WM 1971, 1268, 1270 = DB 71, 2155) oder die Forderung zu anderen Konditionen, ebenso wie die Zuvielforderung, vom Schuldner jedenfalls als Aufforderung zum Bewirken der tatsächlich geschuldeten Leistung verstanden werden muß (Erman/Battes, BGB 7. Aufl. § 284 Rdn. 22; MünchKomm/Walchshöfer, BGB 2. Aufl. § 284 Rdn. 34), kann dahinstehen. Die Anforderung einer Zahlung auf Anwaltskonto kann zumindest hier nicht als Aufforderung zur Erbringung der geschuldeten Leistung verstanden werden. Die Zahlung auf Anderkonto des Notars sollte der vereinbarten Zweckbindung dienen, daß der Kaufpreis nur zur Renovierung eines bestimmten Nachbarhauses des Klägers verwendet werde. Der Kläger aber wollte sich zuvor schon an dieser Bindung nicht festhalten lassen; danach konnte und mußte der Beklagte davon ausgehen, der Kläger wünsche Zahlung an seinen Anwalt, um, anders als vereinbart, frei über die Mittel verfügen zu können.
b) Rechtsfehlerhaft sind weiter die Erwägungen des Berufungsgerichts, die Fristsetzung am 18. Juli 1983 sei nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung erfolgt. Das Berufungsgericht hat bei dieser Entscheidung übersehen, daß hierüber bereits in anderem Sinne rechtskräftig entschieden worden war; die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt damit § 322 Abs. 1 ZPO. Wie aus der vom Berufungsgericht beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akte des Landgerichts Lüneburg (3 O 497/82) ersichtlich, ist auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 1983 ein – rechtskräftiges – Urteil ergangen, in dem die Klage auf Zahlung des Kaufpreises als zur Zeit unbegründet abgewiesen worden ist (Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils unter III 1 – LGU 11 – Beiakte S. 161). Die Begründung des Berufungsgerichts, der Kaufpreisanspruch sei am 31. März 1982 fällig geworden, steht in Gegensatz zur rechtskräftigen Abweisung des Zahlungsanspruches als noch nicht fällig in dem landgerichtlichen Urteil.
Die Revision hat zwar insoweit keine Rüge gegen das Berufungsurteil erhoben. Der Senat hat jedoch von Amts wegen ohne Rücksicht auf die geltend gemachten Revisionsgründe das Berufungsurteil dahin zu überprüfen, ob ein Verstoß gegen eine früherere rechtskräftige Entscheidung vorliegt (BGHZ 36, 365, 367 m.N.). Das ist hier der Fall. Denn die materielle Rechtskraft hat präjudizielle Wirkungen in dem Sinne, daß die im Vorprozeß entschiedene Rechtsfolge im nachfolgenden Prozeß einer erneuten rechtlichen Würdigung nicht zugänglich ist (BGHZ 42, 340, 351; Senatsurteile v. 26. Februar 1958, V ZR 141/56, LM Nr. 23 zu § 322 ZPO; v. 14. Oktober 1964, V ZR 249/65, NJW 1965, 42; v. 13. März 1981, V ZR 115/80, NJW 1981, 1517 sowie BGH Urt. v. 17. Februar 1983, III ZR 174/81, NJW 1983, 2032). Im vorliegenden Verfahren muß hiernach davon ausgegangen werden, daß der Kläger jedenfalls bis zum 29. April 1983, dem Schluß der mündlichen Verhandlung des ersten Verfahrens vor dem Landgericht, keinen zur Zahlung fälligen Kaufpreisanspruch hatte. Zwar erwächst nicht der gesamte Urteilsinhalt in Rechtskraft. Sie beschränkt sich vielmehr auf die Rechtsfolge, die den Entscheidungssatz bildet, den das Gericht aus dem Sachverhalt durch dessen Subsumtion unter das objektive Recht erschlossen hat (BGHZ 42, 340, 349; BGH Urteile v. 12. Dezember 1975, IV ZR 101/74, NJW 1976, 1095 und v. 17. Februar 1983, III ZR 174/81, NJW 1983, 2032). Bei einer klagabweisenden Entscheidung – wie im vorliegenden Fall – ist jedoch der aus der Begründung zu ermittelnde, die Rechtsfolge bestimmende, ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Urteilsbegründung (vgl. Senatsurt. v. 14. Oktober 1964, V ZR 249/62, NJW 1965, 42). Im Falle der Abweisung eines Zahlungsanspruchs als (noch) nicht fällig erwächst danach in Rechtskraft, daß bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung im Vorprozeß der Kläger gegen den Beklagten keinen zur Zahlung fälligen Anspruch hatte.
Die Fälligkeit des Kaufpreisanspruches kann daher erst nach dem 29. April 1983 und infolge nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung im Vorprozeß entstandener neuer Tatsachen eingetreten sein (vgl. Grunsky ZZP 76 (1963), 165, 167; Zeuner, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge, S. 35).
c) Mit der gegebenen Begründung kann danach das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben.
3. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig:
Die Revisionserwiderung meint zwar, der Beklagte sei schon deshalb nicht verpflichtet gewesen, sich um die Baugenehmigung zu bemühen und dann den Kaufpreis zu zahlen, weil der Kläger die Vertragsklausel über eine zweckbestimmte Verwendung des Kaufpreises angefochten, sich selbst also nicht vertragstreu verhalten habe. Dies ist nicht richtig. Fehlende Fälligkeit hätte nur zu einer Abweisung der Klage als zur Zeit unbegründet führen können. Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Tatbestand (BU 7) hat der Kläger aber auch ausdrücklich erklärt, daß er (nunmehr) bereit sei, den Kaufpreis bestimmungsgemäß zu verwenden. Er fordert mit der Klage (vgl. BU 4), wie vereinbart, Zahlung auf Notaranderkonto. Damit ist ein Recht des Beklagten, die Einholung der Baugenehmigung zu verweigern, weggefallen (BGHZ 88, 91, 96/97).
Die Sache ist danach zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
Das Berufungsgericht wird nicht dahingestellt lassen können, ob die Abänderungsvereinbarung vom 4. September 1985 wirksam ist oder nicht. Denn die Parteien haben in diesem Vertrag eine sich auf den anhängigen Rechtsstreit beziehende Abrede getroffen, in dem sie sich in § 2 Abs. 3 b dazu verpflichteten, den damals vor dem Berufungsgericht anhängigen Rechtsstreit durch übereinstimmende Erledigungserklärung zu beenden.
Der Abschluß der schuldrechtlichen Vereinbarung hat allerdings keine unmittelbaren Wirkungen auf den Fortgang des Verfahrens. Die versprochenen Prozeßhandlungen müssen vielmehr in der prozeßrechtlich vorgesehenen Form vorgenommen werden. Soweit eine Partei sich indessen an die Vereinbarung nicht hält und die geschuldete Prozeßhandlung nicht vornimmt, ergibt sich daraus für die andere Partei die Einrede der Arglist. In dem Vortrag des Beklagten, daß die Fortsetzung des Rechtsstreits der Vereinbarung vom 4. September 1985 widerspreche und daß er sich einer der Vereinbarung entsprechenden Erledigungserklärung des Klägers anschließen werde, liegt die Erhebung einer solchen Einrede. Dies wird das Berufungsgericht zu beachten haben.
Unterschriften
Hagen, Linden, Vogt, Lambert-Lang, Tropf
Fundstellen