Leitsatz (amtlich)
Die von der finanziell überforderten Ehefrau bei einer Umschuldung auf Verlangen der Bank übernommene Mithaftung ist ohne Hinzutreten besonders belastender Umstände nicht sittenwidrig, wenn der ursprüngliche dem Ehemann allein gewährte Kredit zum überwiegenden Teil für die Gründung des gemeinsamen Hausstandes und andere den gemeinsamen Interessen beider Ehepartner dienende Anschaffungen verwandt wurde.
Normenkette
BGB §§ 138, 607
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.06.1997) |
LG Frankfurt am Main |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25. Juni 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 16. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Schuldbeitritts.
Im Jahre 1990 hatte der als Immobilienmakler tätige türkische Ehemann der Beklagten Schwierigkeiten bei der Rückzahlung eines ihm durch die Klägerin gewährten Ratenkredits über 50.000 DM. Da er zusätzlich Steuerschulden in Höhe von rund 18.500 DM hatte, vereinbarten die Vertragsparteien am 6. Juni 1990 eine Umschuldung unter Erhöhung des Kreditrahmens auf 85.000 DM. Der neue Darlehensvertrag wurde von der Beklagten auf Verlangen der Klägerin als sogenannter „Mitantragsteller” unterzeichnet.
Die Beklagte war damals 24 Jahre alt. Sie besitzt zwar eine abgeschlossene Realschulausbildung, hat aber keinen Beruf erlernt und war auch nicht erwerbstätig. Im September 1988 hat sie einen behinderten Sohn geboren.
In der Folgezeit zahlte der Ehemann der Beklagten die Beiträge für die zum Zweck der Kreditablösung abgeschlossene Lebensversicherung nicht. Die Klägerin kündigte daher die Geschäftsverbindung fristlos und forderte die Eheleute zur Rückzahlung des durch die Verrechnung eines fälligen Festgeldguthabens auf 75.000 DM reduzierten Darlehensbetrages auf.
Die Beklagte, die seit September 1993 von ihrem Ehemann getrennt lebt, ist der Ansicht, die von ihr verlangte Mitantragstellung sei sittenwidrig. Die Klägerin hält dem in erster Linie entgegen, der Kredit des Ehemannes sei zum überwiegenden Teil auch der Beklagten persönlich zugute gekommen.
Das Landgericht hat der Klage gegen beide Eheleute bis auf einen Teil der Zinsen und bei der Beklagten unter Abzug von Gutschriften stattgegeben. Die von ihr eingelegte Berufung blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat in der von der Klägerin verlangten Mitantragstellung der Beklagten einen wirksamen Schuldbeitritt gesehen und dazu im wesentlichen ausgeführt:
Zwar habe die Beklagte trotz der formularmäßigen Bezeichnung als „Mitantragsteller” offenbar keine eigenen Ansprüche oder Rechte gegen die Klägerin erworben, sondern lediglich einen sie finanziell erheblich überfordernden Schuldbeitritt erklärt. Da aber das erste Darlehen ihres Ehemannes nach der glaubhaften Aussage des Kreditsachbearbeiters H. hauptsächlich für die Gründung des gemeinsamen Hausstandes und andere im Interesse beider Eheleute liegende Anschaffungen ausgegeben worden sei, sei der Klägerin keine eigennützige und verwerfliche Ausnutzung ihrer Machtstellung vorzuwerfen. Zusätzliche, die Beklagte besonders belastende Umstände seien entweder nicht bewiesen oder der Klägerin bei der Umschuldung nicht bekannt gewesen.
II.
Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.
1. Der Revision ist allerdings nicht zu folgen, soweit sie den Schuldbeitritt auch ohne eine der Klägerin zuzurechnende unzulässige Willensbeeinträchtigung der Beklagten für sittenwidrig hält.
a) Richtig ist, daß die unbeschränkte Mithaftungserklärung die Beklagte finanziell erheblich überforderte. Allein die Zinsen für das Umschuldungsdarlehen beliefen sich jährlich auf 9.775 DM. Dieser Verpflichtung stand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kein Einkommen oder Vermögen der Beklagten gegenüber. Sollte sie trotz der für ihren behinderten Sohn aufzuwendenden Pflege die Absicht zur alsbaldigen Aufnahme einer Arbeit gehabt haben, wäre dies belanglos, da für eine zu nennenswerten Tilgungsleistungen geeignete Erwerbsaussicht kein konkreter Anhalt bestand.
Der Umstand, daß die Beklagte den neuen Darlehensvertrag als sogenannter „Mitantragsteller” unterzeichnet hat, rechtfertigt – wie auch das Berufungsgericht zutreffend bemerkt hat – keine andere Beurteilung. Zwar ist der Bank der Vorwurf, mit dem Haftungsbegehren für den Darlehensnehmer bewußt eine aussichtslose Situation geschaffen zu haben, grundsätzlich dann nicht zu machen, wenn mehrere Personen, die ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung haben, sich als Gesamtschuldner verpflichten und zusammen über ein Erwerbseinkommen oder Vermögen verfügen, das ihnen eine Kredittilgung ohne Gefährdung des eigenen Lebensunterhalts ermöglicht (siehe dazu BGH, Urteile vom 16. März 1989 – III ZR 37/88, WM 1989, 595, 597 f. und vom 16. November 1989 – III ZR 236/88, WM 1990, 59 f.; vgl. auch Nobbe, Neue höchstrichterliche Rechtsprechung zum Bankrecht, 6. Aufl. Rdn. 714). Da aber mit dem neuen Kredit nach den vertraglichen Vereinbarungen die Schulden des Ehemannes der Beklagten getilgt werden sollten, standen der Klägerin von Anfang an keine gleichberechtigten Darlehensnehmer gegenüber. Daß die Mitantragstellung der Beklagten vor diesem Hintergrund lediglich einen Schuldbeitritt darstellt, wird im übrigen auch von der Revisionserwiderung nicht in Zweifel gezogen.
b) Die Tatsache allein, daß der Ehepartner eine Verpflichtung eingegangen ist, die ihn finanziell überfordert, macht das Rechtsgeschäft jedoch im allgemeinen noch nicht sittenwidrig. Vielmehr müssen Umstände hinzukommen, durch die ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern hervorgerufen wird, welches die Mithaftung auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Gläubigers rechtlich nicht hinnehmbar erscheinen läßt (siehe dazu z.B. BGHZ 125, 206, 210 f. und BGH, Urteil vom 18. Januar 1996 – IX ZR 171/95, WM 1996, 519, 521 m.w.Nachw.).
Anders als die Revision meint, ergibt sich aus der Entscheidung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. September 1997 (IX ZR 283/96, WM 1997, 2117, 2118; zum Abdruck in BGHZ 136, 347 vorgesehen) für den vorliegenden Fall nichts anderes. Auch wenn danach unter bestimmten Voraussetzungen zu vermuten ist, daß der Ehegatte oder Lebenspartner sich auf die Verpflichtung nur aufgrund emotionaler Bindung an den Hauptschuldner eingelassen und die Bank das in verwerflicher Weise ausgenutzt hat, so betrifft dies jedenfalls nicht die Fälle, in denen das Mithaftungsbegehren auf einer die Interessen beider Vertragsteile hinreichend berücksichtigenden Abwägung beruht. Zwar hat die Beklagte aus dem neuen Kredit ihres Ehemannes keinen unmittelbaren geldwerten Vorteil erlangt (vgl. Gundlach/Halstenberg, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch § 82 Rdn. 99). Andererseits ist aber nach den unangegriffenen Angaben des Kreditsachbearbeiters H. ein innerer Zusammenhang zwischen der auch der Beklagten unmittelbar zugute gekommenen Verwendung des alten Darlehens sowie dem allgemein hohen Lebensstandard beider Eheleute und der notwendig gewordenen Umschuldung nicht zu leugnen. Im Hinblick hierauf ist die dem Mithaftungsbegehren zugrunde liegende Interessenabwägung der Klägerin jedenfalls nicht in dem Maße als unangemessen anzusehen, daß ihr ein bewußter oder leichtfertiger Verstoß gegen die guten Sitten angelastet werden kann.
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist aber nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand eine die Beklagte besonders belastende Willensbeeinträchtigung nicht auszuschließen.
a) Allerdings hat die Beklagte nicht substantiiert dargelegt, auf welche Weise sie von ihrem Ehemann zur Abgabe der Mithaftungserklärung gedrängt worden ist. Ihre Behauptung, mit ihm in einer „typisch moslemischen Ehe” gelebt zu haben, läßt für sich genommen nicht auf einen konkreten Eingriff in die Entscheidungsfreiheit schließen. Davon abgesehen ist auch nicht ersichtlich, aus welchem Grund sich die Klägerin eine etwaige unzulässige Willensbeeinträchtigung der Beklagten entgegen den nicht angegriffenen Ausführungen des Berufungsgerichts zurechnen lassen müßte.
b) Indes hat die Revision mit ihrer Verfahrensrüge Erfolg, das Berufungsgericht habe eine Bezeichnung der von der Klägerin begehrten Mithaft als „reine Formsache” nicht für unbewiesen halten dürfen.
Die Verharmlosung oder Verschleierung des Haftungsrisikos durch die Bank stellt eine sittenwidrige Beeinträchtigung der Willensfreiheit des finanziell überforderten Ehepartners dar (siehe dazu etwa Senatsurteil BGHZ 120, 272, 277; vgl. auch Gundlach/Halstenberg a.a.O. § 82 Rdn. 107). Das hat auch das Berufungsgericht nicht verkannt. Es hat jedoch lediglich darauf abgestellt, daß die entsprechende Behauptung der Beklagten nach der erstinstanzlichen Aussage des Zeugen H. nicht bewiesen sei. Dabei hat es übersehen, daß die Beklagte sich für ihre Sachdarstellung in der Berufungsschrift ausdrücklich auch auf das Zeugnis ihres Ehemannes bezogen hat. Da dieser in der Berufungsinstanz nicht mehr Partei war, steht einer Zeugenrolle unabhängig von der Möglichkeit, einen einfachen Streitgenossen über alle lediglich die anderen Streitgenossen betreffenden Tatsachen zu vernehmen (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 27. April 1983 – VIII ZR 24/82, MDR 1984, 47 m.w.Nachw.), kein prozessuales Hindernis entgegen. Andere Gründe, die es dem Berufungsgericht erlaubten, sich seine Überzeugung allein auf der Grundlage der Bekundungen des Zeugen H. zu bilden, sind nicht ersichtlich und werden auch von der Revisionserwiderung nicht aufgezeigt.
III.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird den nicht mehr bei der Klägerin beschäftigten Zeugen H. noch einmal zusammen mit dem Ehemann der Beklagten über die von ihr dem Kreditsachbearbeiter vorgeworfene Verharmlosung bzw. Verschleierung des Haftungsrisikos vernehmen müssen. Es wird dabei H. vorzuhalten haben, daß er nach seiner bisherigen Aussage lediglich gegenüber dem früheren Kollegen R. die Anordnung zur Einbindung der Beklagten in die Haftung ihres Ehemannes gegeben haben will, während nach der Darstellung der Klägerin er und nicht R. mit der Umschuldung betraut gewesen sein soll.
Bei der Zurückverweisung macht der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
Unterschriften
Schimansky, Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Nobbe, Dr. Müller
Fundstellen
Haufe-Index 1130425 |
BB 1998, 2444 |
DB 1998, 2517 |
NJW 1999, 135 |
FamRZ 1999, 154 |
FuR 1999, 177 |
NJW-RR 1999, 697 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1998, 2366 |
WuB 1999, 217 |
ZAP 1998, 1205 |
ZIP 1998, 1905 |
DVP 1999, 219 |
MDR 1999, 47 |
NJ 1999, 41 |
VuR 1999, 57 |
ZBB 1998, 400 |