Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 18.12.2003) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 18. Dezember 2003 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Tatbestand
Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen Heimtückemordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Der Senat hat dieses Urteil auf die Revision des Angeklagten hin aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen (BGHSt 48, 207). Nunmehr hat die zur Entscheidung berufene Schwurgerichtskammer den Angeklagten wegen Verdeckungsmordes, nicht ausschließbar im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen, zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die die Verletzung formellen und sachlichen Rechts beanstandet, bleibt ohne Erfolg.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts handelte der Angeklagte aus seiner Wohnung heraus mit Raubkopien russischer CDs und Videos. Das gut deutschsprechende spätere Tatopfer, K. M., mit dem der Angeklagte befreundet war, kam mit dem Angeklagten überein, diesen Handel gemeinsam fortzuführen. Beide wollten ein gemeinsames Geschäftskonto einrichten und planten eine Aufgabenteilung. Bevor es zur Verwirklichung kam, wollte M. bereits ab September 2000 an den Geschäftserlösen des Angeklagten beteiligt werden und forderte deshalb von diesem Geld. Der Angeklagte kam der Forderung M.s zunächst nach, weil er glaubte, daß dieser seine ihm obliegenden vorbereitenden Tätigkeiten für die Errichtung des geplanten Geschäftes erfülle. Nach und nach gelangte der Angeklagte zu der Auffassung, M. unternehme im Verhältnis zur Höhe seiner Forderungen nichts Entsprechendes oder jedenfalls zu wenig. Deshalb wollte er keine weiteren Zahlungen mehr leisten. Infolgedessen kam es zu Spannungen zwischen beiden. M. drohte dem Angeklagten zur Bekräftigung seiner Forderungen, ihn zusammenschlagen zu lassen und ihm Schwierigkeiten bei der Polizei zu bereiten. Der Angeklagte zahlte darauf eigenen Angaben zufolge bis Dezember 2000 in Teilbeträgen einen Gesamtbetrag von ca. 6.000,– DM an M..
Am Vormittag des 7. Februar 2000, dem Tattag, suchte der Angeklagte M. in dessen Wohnung auf, wo er bis zum frühen Nachmittag blieb. M. verlangte vom Angeklagten erneut zunächst die Zahlung von 1.000,– DM, dann schließlich von 5.000,– DM. Da der Angeklagte diese Forderung M.s zurückwies, kam es zu einer Auseinandersetzung. Diese endete damit, daß M. … seine Uhr auf den Tisch warf und den Angeklagten ultimativ aufforderte, binnen 15 Minuten 1.000,– DM zu zahlen. Sollte der Angeklagte dem nicht nachkommen, so drohte M., werde er die Polizei anrufen und dieser die illegalen Geschäfte des Angeklagten offenbaren. Auch drohte M. nochmals damit, den Angeklagten zusammenschlagen zu lassen. Der Angeklagte kam dieser Forderung M.s nicht nach, weil er die Drohung mit dem Anruf bei der Polizei nicht ernstnahm. Allerdings rief M. um 15.32 Uhr tatsächlich über die Notrufnummer 110 bei der Polizei an und vereinbarte für den folgenden Tag einen Termin, in dem er der Polizei sein Wissen über die illegalen Geschäfte des Angeklagten mitteilen wollte. Der Angeklagte, der nun erkannte, daß M. seine Drohung tatsächlich wahr zu machen beabsichtigte, verließ daraufhin dessen Wohnung.
Zwischen 18.30 Uhr und 18.40 Uhr erschien M, … in Begleitung des aserbajdschanischen Staatsangehörigen … Ma. vor dem Ein-Zimmer-Appartement des Angeklagten. Nach mehrmaligem Klingeln und Klopfen und einem Tritt M.s gegen die Wohnungstüre öffnete der Angeklagte schließlich und ließ beide ein. Da M. etwas zu essen und zu trinken begehrte und den Angeklagten aufforderte, entsprechend einzukaufen, besorgte Ma. schließlich Nahrungsmittel und eine Flasche Wodka. Der bereits deutlich angetrunkene M. nahm weiter erhebliche Mengen Wodka zu sich, der Angeklagte selbst jedoch lediglich etwa 0,02 l; Ma. trank etwa zwei bis drei Schnapsgläser Wodka. Im weiteren Verlauf entbrannte der Streit zwischen M. und dem Angeklagten erneut. M. hielt dem Angeklagten vor, daß sie gemeinsam die in der Wohnung des Angeklagten befindlichen Geräte angeschafft und Raubkopien verkauft hätten, aber nur der Angeklagte daran verdiene, weswegen er ihm Geld schulde. Der Angeklagte bestritt diese Forderung nicht, verwies jedoch darauf, daß er ihm bereits 6.000,– DM und einem gewissen „Pascha” 1.000,– DM bezahlt habe. Daraufhin forderte M. den Angeklagten auf, ihm 5.000,– DM zu geben, anderenfalls nähme er die angeschafften Geräte mit und zeige ihn bei der Polizei, dem Finanzamt und dem Sozialamt an; auch könne er dafür sorgen, daß der Angeklagte Deutschland binnen 24 Stunden verlassen müsse. Zur Untermauerung seiner Forderung ließ er sich von Ma. dessen Mobiltelefon geben und drohte mit dem sofortigen Anruf bei der Polizei. Der Angeklagte bot daraufhin 1.200,– DM an, da er nicht mehr habe. M. beharrte auf seiner Forderung.
Schließlich drohte M. erneut, er werde alles mitnehmen, das Musikcenter und den Brenner, und es würden Tschetschenen kommen, die ihn aufschlitzten. Der Angeklagte erklärte schließlich sinngemäß, wenn er ihm, M., das Geld gebe, müsse er versprechen, seine Wohnung nie wieder zu betreten. M. entgegnete, daß der Angeklagte ihm dann seinerseits zusagen müsse, mit den illegalen Geschäften aufzuhören. Da es jedoch zu keiner Einigung zwischen beiden kam, stand der stark alkoholisierte M. (Blutalkoholkonzentration 3,03 Promille) auf und zog seine Jacke an. Er schien seine Drohung, bei der Polizei anzurufen, jetzt wahrmachen zu wollen, indem er das Mobiltelefon des Ma. in den Händen haltend schrie: „Ich brauche das Geld nicht! Ich gehe jetzt und rufe die Polizei an!” Während der Auseinandersetzung hatte M. dem Angeklagten zudem demonstrativ ein Diktiergerät gezeigt und gesagt, er werde alles aufnehmen. Der Angeklagte, nun von der Ernsthaftigkeit dieser Drohung überzeugt, erklärte, er hole das Geld, und ging ins Badezimmer. Währenddessen trat M. gegen den Tisch, auf dem sich ein CD-Ständer mit etwa 200 CDs und zwölf weitere Behältnisse mit CDs befanden. Die Steckverbindungen des Ständers lösten sich und ein Teil der darin befindlichen CDs fiel auf den Tisch und den Fußboden. Dadurch entstand ein lautes schepperndes Geräusch; CDs wurden allerdings nicht beschädigt oder zerstört. Auf dem Rückweg aus dem Badezimmer hörte der Angeklagte das scheppernde Geräusch der herunterfallenden CDs. Spätestens jetzt entschloß er sich, M. zu töten. Er gab im Vorbeigehen Ma. das in einer Plastiktüte befindliche Geld und trat in einem Zuge hinter den mit den Händen in den Hosentaschen dastehenden M., um diesen zu töten. Er wollte – so die Strafkammer – damit verhindern, daß M. ihn bei der Polizei und anderen Behörden anzeige. Auf die Sicherung seines Eigentums und die Rückgewinnung des Ma. übergebenen Geldes „kam es dem Angeklagten dabei überhaupt nicht an”. Er schlug M. mit den Fäusten zunächst zweimal auf das Schädeldach, packte ihn mit der linken Hand so kräftig an den Haaren, daß er einige Büschel Haare ausriß, zog den Kopf nach hinten und setzte mehrere kräftige Schnitte mit einem kleinen, einseitig geschliffenen Gemüsemesser, das er zuvor eingesteckt hatte. Dabei durchtrennte er den Hals M.s bis zur Halswirbelsäule. M. verstarb an Ort und Stelle. Ma. flüchtete mit dem Geld.
Der Angeklagte reinigte seine Hände vom Blut. Er steckte das Tatwerkzeug ein und begab sich zur Wohnung seiner Eltern. Am nächsten Morgen kehrte er in seine Wohnung zurück. Er suchte nach M.s Diktiergerät, weil er befürchtete, M. habe seine Warnung wahr gemacht und die Auseinandersetzung aufgezeichnet. Er fand das Diktiergerät jedoch nicht. Dieses wurde vielmehr später von der Polizei in der Jackentasche des toten M. aufgefunden. Bedeutsame Aufzeichnungen waren darauf indes nicht vorhanden.
Die Kammer vermochte nicht auszuschließen, daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit aufgrund einer undifferenzierten Schizophrenie erheblich beeinträchtigt war (ICD 10, F 20.3.).
2. Rechtlich hat die Strafkammer den Sachverhalt dahin gewürdigt, der Angeklagte habe M. getötet, um seine eigene gewerbsmäßige unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke und die unerlaubten Eingriffe in verwandte Schutzrechte, aber auch Verstöße gegen Steuergesetze, Zollbestimmungen und seinen Betrug zum Nachteil des Sozialamtes zu verdecken. Er habe verhindern wollen, daß M. diese Straftaten und Verstöße der Polizei offenbare.
Das Handeln des Angeklagten sei nicht durch Notwehr gerechtfertigt. Zwar habe objektiv eine Notwehrsituation vorgelegen, weil M. kein Anspruch auf die Zahlung von 5.000,– DM zugestanden habe. Der Angeklagte habe aber, als er M. angegriffen habe, nicht mit Verteidigungswillen gehandelt. Er habe nicht etwa sein Eigentum und sein Vermögen schützen wollen. Vielmehr habe er M. als Mitwisser seiner illegalen Geschäfte ausschalten und so verhindern wollen, daß dieser ihn anzeige. Dem Angeklagten habe schließlich keinerlei Sachbeschädigung gedroht, da die herabgestürzten CDs nicht einmal zerbrochen gewesen seien. Auch habe keine unmittelbare Wegnahme von Gegenständen aus seiner Wohnung durch M. und Ma. gedroht.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet.
1. Die Aufklärungsrüge greift nicht durch.
Die Revision behauptet, das Landgericht habe es unterlassen, Beweis zu erheben über die Aussage des Zeugen Ma. in der ersten in dieser Sache geführten Hauptverhandlung, die dem aufgehobenen Urteil voranging. Sie meint, dazu sei die Strafkammer verpflichtet gewesen, weil der Zeuge seinerzeit anderes bekundet habe als jetzt (§ 244 Abs. 2 StPO).
Ein Verfahrensverstoß ist nicht erwiesen. Zwar hat die Kammer das erste, aufgehobene Urteil nicht in die Beweisaufnahme eingeführt, in dem die seinerzeitigen Angaben des Zeugen Ma. festgehalten sind. Es hat aber Ma. selbst wiederum als Zeuge vernommen. Damit ist möglich, daß ihm auch seine Bekundungen in der ersten Hauptverhandlung vorgehalten und von ihm als damals so abgegeben bestätigt worden sind. Die Kammer hat bedacht, daß der Zeuge mehrmals vernommen worden war. Sie hat sich mit seinem Aussageverhalten auseinandergesetzt. Bei dieser Sachlage kann nicht angenommen werden, die Angaben des Zeugen in der ersten Verhandlung seien nicht Gegenstand der Beweisaufnahme gewesen.
2. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe M. getötet, um zu verhindern, daß dieser seine illegalen Geschäfte den Behörden anzeige und er, der Angeklagte, deshalb strafrechtlich verfolgt werde, begegnet nach Auffassung des Senats keinen durchgreifenden sachlichrechtlichen Bedenken. Gleiches gilt hinsichtlich der Würdigung, der Angeklagte habe nicht mit Verteidigungswillen gehandelt.
a) Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Verdeckungsabsicht als bewußtseinsdominantem Motiv ersichtlich auf mehrere festgestellte Umstände gestützt, die objektiv abgesichert sind. Dem Zusammenhang der Urteilsgründe vermag der Senat noch zu entnehmen, daß die Kammer auch das Mitschwingen anderer Beweggründe nicht übersehen, das Verdeckungsziel indes als im Vordergrund stehend und damit als tatbeherrschend („wirkmächtige Triebfeder”) bewerten wollte.
aa) Kommen bei der Prüfung der subjektiven Mordmerkmale verschiedene, möglicherweise zusammenwirkende Motive des Täters in Betracht (sogen. Motivbündel), hat der Tatrichter sämtliche wirkmächtigen Elemente in seine Würdigung einzubeziehen. Entscheidend ist, ob der leitende, die Tat prägende Handlungsantrieb für sich betrachtet die Voraussetzungen erfüllt, also „niedrig” ist oder auf Verdeckung einer Straftat gerichtet ist (vgl. Münch KommStGB/Schneider § 211 Rdn. 77; siehe auch BGH MDR bei Holtz 1977, 809 f.: „… das Motiv, durch welches der Tötungsentschluß seine wesentliche Kennzeichnung erfahren hat.”). Für den Tatrichter stellt sich damit die Aufgabe, bei mehreren Zielen und Anlässen der Tat das bewußtseinsdominante Motiv festzustellen. Dazu hat er die äußeren Umstände heranzuziehen, soweit diese hierzu aussagekräftig sind. Oft wird auch das Einlassungsverhalten des Angeklagten wichtige Hinweise geben (MünchKommStGB/Schneider aaO). Dementsprechend ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Verdeckungsmord anerkannt, daß auch die Absicht, durch Tötung eine Entdeckung früherer Straftaten zu vermeiden, mit anderen Beweggründen zusammenfallen kann; sie muß aber für sich gesehen Triebfeder des Täterhandelns sein (BGH MDR bei Dallinger 1976, 15; MDR bei Holtz 1984, 276).
bb) Hier hat die Strafkammer – ersichtlich aus den äußeren Umständen – auf das Tatmotiv der Verdeckungsabsicht geschlossen. Das ist möglich und auch tragfähig, weil diese Umstände die Verdeckungsabsicht als tatbeherrschenden Beweggrund plausibel zu erklären vermögen.
Die Beweisaufnahme bot allerdings durchaus auch Hinweise darauf, daß bei dem Angeklagten – der in der nunmehrigen Hauptverhandlung zur Sache geschwiegen hat – auch andere Motive mitbestimmend waren. So hat dieser bei seiner kriminalpolizeilichen Beschuldigtenvernehmung am 9. Februar 2001 durch den Kriminalbeamten H. die Frage bejaht, ob er M. unbedingt habe töten wollen und hinzugefügt: „Ja, ich hatte gar keine andere Möglichkeit, weil ich mir das Geld nicht wegnehmen lassen wollte und vielleicht noch andere Sachen, die mir gehören.” (UA S. 58). In der ermittlungsrichterlichen Vernehmung am selben Tage hat der Angeklagte angegeben, er sei „sehr böse” gewesen, weil er sich das Geld über Jahre angespart habe und die beiden es ihm in nur einer Minute weggenommen hätten. Er habe sich überlegt, wenn sie ihm schon das Geld wegnähmen, daß M. als nächstes mit Freunden kommen würde und ihm auch die ganze Wohnung leerräume. Damit dies nicht passiere, habe er sich entschlossen, M. zu töten (UA S. 58).
in einer weiteren polizeilichen Vernehmung am 28. Februar 2002 erklärte er, nach seinem Zustand befragt: „In dem Moment verspürte ich nur noch Haß und wollte es K. (M.) heimzahlen, was er mir die ganzen Monate angetan hat. Ich hatte mich in diesem Moment nicht mehr unter Kontrolle. Das passiert mir manchmal, wenn ich böse werde.” Die Frage, ob er M. also nur wegen seiner ständigen Geldforderungen getötet habe, beantwortete er dahin: „Nein, sondern weil er dadurch meine ganzen Pläne und eigentlich meine ganze Existenz bedroht bzw. kaputtgemacht hat. Wir wollten zusammen eine Firma aufmachen. Wenn ich jetzt zurückdenke, hat er eigentlich alles getan, um das zu verhindern. Er wollte nur Geld, Geld, Geld. Bis zuletzt habe ich versucht, die Sache friedlich zu lösen. Ich habe ihm Geld gegeben, damit er mich endlich in Ruhe läßt, aber er wollte immer mehr.” (UA S. 59).
Angesichts dieser Umstände war naheliegend und möglich, daß der Angeklagte durch ein Bündel von Motiven zur Tat veranlaßt wurde. Dazu mögen auch Haß, Rache für die wiederholten Erpressungen, deren Vermeidung in der Zukunft, der bevorstehende Verlust des Geldes, die Sorge um die „Existenz”, wenngleich diese auch auf illegalen Geschäften beruhte, gehört haben. Wenn die Strafkammer sich indes im Ergebnis von der Verdeckungsabsicht als „eigentlichem” Motiv überzeugt hat, dann hat sie damit bei sinngerechtem Verständnis nur verdeutlichen wollen, daß dieser Beweggrund für den Angeklagten letztlich ausschlaggebend war und sein Tatentschluß dadurch seine wesentliche Kennzeichnung erfahren hat. Sie hat die unterschiedlichen Motivansätze zwar nicht ausdrücklich als Bündel von Gründen dargestellt; aber sie hat die verschiedenen Erklärungen des Angeklagten dazu genau wiedergegeben und auf diese Weise die Motivlage gleichsam abgeschichtet. Sie hat andere, in den Einlassungen aufscheinende Handlungsmotive des Angeklagten verworfen und so das Verdeckungsziel als treibend und leitend erachtet. Daß sie dabei mögliche andere Motive außer acht gelassen haben könnte, die sich aus den unmittelbar zuvor von der Kammer in den Urteilsgründen wiedergegebenen Einlassungen des Angeklagten ergeben, schließt der Senat aus.
cc) Die Strafkammer hat sich von dem tatkennzeichnenden und tatbeherrschenden Motiv, der Verdeckungsabsicht, ersichtlich aufgrund folgender Umstände überzeugt: Schon bei der Auseinandersetzung am Nachmittag hatte M. mit einer Anzeige bei der Polizei gedroht und dazu angesetzt, diese Drohung zu verwirklichen. Das findet seine objektive Bestätigung in dem durch einen Polizeibeamten bekundeten Telefonanruf M.s am Nachmittag bei der Polizeinotrufzentrale, bei dem er einen Termin vereinbarte (UA S. 12). Diese Drohung mit einer Strafanzeige wiederholte er in der Wohnung des Angeklagten. Er setzte unmittelbar zu ihrer Verwirklichung an, indem er sich von Ma. dessen Mobiltelefon aushändigen ließ und einen sofortigen Anruf bei der Polizei ankündigte. „Daraufhin” bot ihm der Angeklagte die Zahlung von 1.200,– DM an. Da M. auf seiner Forderung nach 5.000,– DM beharrte, kam es zu keiner Einigung. M. schrie, das Mobiltelefon in der Hand haltend: „Ich brauche das Geld nicht! Ich gehe jetzt und rufe die Polizei!” M. stand auf und zog seine Jacke an. Die Drohung mit der Strafanzeige nahm der Angeklagte ernst. Er sagte, er hole das Geld, und ging in das Badezimmer. Ma. beruhigte M. unterdessen und nahm das Mobiltelefon wieder an sich. Hinzu kam die demonstrative Drohung, das Gespräch mittels des Diktiergeräts aufzuzeichnen. Dies war für den Angeklagten Anlaß, am nächsten Tag in seine Wohnung zurückzukehren und nach dem Diktiergerät, das M. tatsächlich bei sich geführt hatte, zu suchen. Er befürchtete, M. habe die Auseinandersetzung aufgezeichnet, so daß seine illegalen Geschäfte der Polizei doch noch bekannt werden könnten.
Hinzu kommt, daß der Angeklagte selbst eingeräumt hat, anfänglich bei seiner Einlassung seine illegalen Geschäfte mit Raubpressungen von CDs verschwiegen zu haben. Er hatte bei seiner Vernehmung am 28. Februar 2002 zudem angegeben, er habe M. getötet, weil dieser seine Pläne und seine „Existenz” bedroht und „kaputt gemacht” habe (UA S. 59). Das bezog sich ersichtlich auf seine illegalen Geschäfte mit den Raubkopien.
Aus diesem in sich stimmigen Ablauf der Auseinandersetzung konnte die Strafkammer folgern, der Angeklagte habe bei der Tötung M.s in Verdeckungsabsicht gehandelt. Dieser Schluß ist nicht nur plausibel, sondern tragfähig und deshalb von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
dd) Auch sonst zwingen die Ausführungen der Kammer zur Beweiswürdigung nicht zur Aufhebung des Urteils. Das gilt namentlich hinsichtlich der Würdigung der Angaben des Zeugen Ma.. Soweit die Revision die Formulierung rügt, bei seiner Vernehmung in der jetzigen Hauptverhandlung sei Ma. nur noch Zeuge gewesen und habe „voll unter der Wahrheitspflicht” gestanden, weshalb dieser Aussage weitaus mehr Gewicht zukomme, ist ihr zuzugeben, daß diese Wendung wenigstens mißverstehbar ist. Ma. war nämlich schon während seiner Vernehmung in der ersten Hauptverhandlung als Zeuge uneingeschränkt zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet und hätte sich lediglich auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen können (§ 55 StPO). Der Senat schließt jedoch aus, daß der erfahrenen Strafkammer dies entgangen sein könnte. Die einleitenden Sätze verdeutlichen das. Dort hebt die Strafkammer hervor, der Zeuge sei bei seinen früheren Vernehmungen „gleichzeitig immer noch Beschuldigter bzw. Angeklagter” gewesen und habe deshalb wohl auch das gegen ihn gerichtete Strafverfahren im Auge gehabt (UA S. 50 f.). Dieses war damals noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Daraus erhellt sich, daß die beanstandete Wendung nicht wörtlich zu nehmen ist. Gemeint ist ersichtlich, daß der Zeuge nunmehr erstmals ausgesagt hat, nachdem das gegen ihn gerichtete Strafverfahren mit der Rechtskraft des Urteils beendet war.
Nach allem erweisen sich die gegen die Würdigung des Landgerichts erhobenen Einwände im Ergebnis als nicht durchgreifend.
b) Unter diesen Umständen ist auch gegen die Verneinung eines Verteidigungswillens des Angeklagten im Rahmen der Prüfung einer Rechtfertigung durch Notwehr von Rechts wegen nichts zu erinnern.
Die Strafkammer nimmt zwar eine objektive Notwehrlage an, weil M. am Tatabend kein Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 5.000,– DM (d.h. kein fälliger Anspruch in dieser Höhe) zugestanden habe (UA S. 62) und M. seine Beute auch noch nicht endgültig gesichert gehabt habe. Der Angeklagte habe aber nicht sein Eigentum und sein Vermögen schützen wollen (UA S. 62). Darauf sei es ihm „überhaupt nicht” angekommen (UA S. 17). Vielmehr habe er M. als Mitwisser seiner illegalen Geschäfte ausschalten wollen (UA S. 62). Sachbeschädigungen und die Wegnahme von Gegenständen aus seiner Wohnung hätten ihm unmittelbar nicht gedroht. Das Geld habe er Ma. im Vorbeigehen „freiwillig” gegeben (UA S. 63).
Auch diese Würdigung, ein Verteidigungswille habe dem Angeklagten gefehlt, wird den Äußerungen des Angeklagten zu seinen Beweggründen noch gerecht. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, insbesondere den wiedergegebenen Äußerungen des Angeklagten, tritt hervor, daß der Angeklagte auch aus Wut, Enttäuschung und auch um den Verlust des Geldes zu verhindern handelte, sich in erster Linie aber den lästig gewordenen Erpresser M. „vom Hals schaffen” und die Anzeige seiner illegalen Geschäfte durch diesen verhindern wollte. Damit trat naheliegender Weise der Verteidigungszweck seines Handelns im Blick auf das Ma. in die Hände gegebenen Geldes so sehr in den Hintergrund, daß er nicht mehr leitend war und den Tatentschluß nicht kennzeichnete. Der Senat entnimmt den Urteilsgründen, daß die Strafkammer mit ihren Formulierungen genau dies ausdrücken wollte.
Unterschriften
Nack, Wahl, Boetticher, Schluckebier, Elf
Fundstellen
Haufe-Index 2557532 |
NStZ 2005, 332 |