Leitsatz (amtlich)
1. Zum Herstellungsaufwand im Sinne von § 249 Satz 2 BGB gehören auch Kosten für die Inanspruchnahme von Fremdmitteln durch den Geschädigten zwecks Finanzierung der Instandsetzung seines beschädigten Kraftfahrzeugs und zur Anmietung eines Ersatzfahrzeugs, soweit ihm die Herstellung nur durch Aufnahme von Fremdmitteln möglich oder zuzumuten ist.
2. Zur Frage, ob und inwieweit Finanzierungskosten erforderlich waren.
Tatbestand
[1] Der Ersatzanspruch [aus § 249 Satz 2 BGB] richtet sich nach dem Ausmaß der Beschädigung des Unfallfahrzeugs und dem zu seiner Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag. Der Bekl. hat dem Kl. die Mittel für diejenigen Maßnahmen zur Schadensbeseitigung zur Verfügung zu stellen, die ein verständiger Fahrzeugeigentümer in der besonderen Lage des Kl. machen würde. ... Der Herstellung nach § 249 BGB dienen zunächst die Instandsetzungsarbeiten an dem Unfallwagen selbst, einschließlich der vorher durchgeführten Begutachtung des Unfallschadens durch einen Sachverständigen. Die Herstellung umfaßt weiter die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs, sofern der Geschädigte hierzu zum Ausgleich des Nutzungsentgangs für die Dauer der Reparaturzeit befugt ist. Zum Herstellungsaufwand im Sinne von § 249 Satz 2 BGB zählen auch die Kosten für die Inanspruchnahme eines Kredits zur Finanzierung der Instandsetzung des Unfallfahrzeugs und zur Anmietung eines Ersatzwagens für die Dauer seines Ausfalls, soweit dem Geschädigten die Herstellung durch Aufnahme von Fremdmitteln möglich oder zuzumuten ist (so bereits Senatsurteil vom 17.5.1966 [ES Kfz-Schaden B-1/3] für die Ersatzbeschaffung nach Totalschaden).
Allerdings hat nach dem Gesetz zunächst der Schädiger die von dem Geschädigten zu veranlassende Schadensbeseitigung zu finanzieren; der nach § 249 Satz 2 BGB geschuldete Betrag ist an diesen Zweck zwar nicht gebunden, aber für ihn bestimmt. Dem Grundsatz nach wird der Geschädigte darauf verwiesen, in den durch die Regeln über den Schuldnerverzug gesetzten Grenzen mit der Schadensbeseitigung zu warten, bis er die Mittel hierzu von dem Schädiger erhält, sofern er nicht eigene Mittel einsetzen will oder kann. Dieser Grundsatz bedarf jedoch nach dem Sinn des § 249 Satz 2 BGB einer Einschränkung. Denn in vielen Fällen würde eine Verweisung des Geschädigten auf die Vorschriften über den Ersatz von Verzugsschäden sein Recht, die Schadensbeseitigung selbst, statt vom Schädiger vornehmen zu lassen, dem Sinn des Gesetzes zuwider verkürzen. Dies zeigt sich vor allem in den Fällen, in denen der Geschädigte die Voraussetzungen für den Verzug längere Zeit nicht herbeiführen kann, etwa weil der Schädiger - was im Straßenverkehr insbesondere bei Fahrern von Schwerstfahrzeugen nicht selten ist - den Unfall gar nicht bemerkt hat und vom Geschädigten erst nach längerer Zeit ermittelt werden kann. Auch sonst kann oft geraume Zeit vergehen, bis der Schädiger in der Lage ist, die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, ohne daß ihm deswegen gleich ein Vorwurf gemacht werden könnte ... . In aller Regel ist dem Geschädigten in solchen Fällen ein Zuwarten mit der Schadensbeseitigung bis zur Bereitstellung der Mittel durch den Schädiger nicht zuzumuten. Zudem gebietet auch das Interesse des Schädigers an der Geringhaltung der Herstellungskosten (z.B. die Dauer der Anmietung eines Ersatzwagens), daß Aufwendungen zur Beseitigung oder Minderung des Schadens schon gemacht werden, bevor etwa die dem Schädiger bzw. seiner Haftpflichtversicherung einzuräumende angemessene Frist zur Prüfung der Einstandspflicht verstrichen ist. Müssen zu diesem Zweck Fremdmittel in Anspruch genommen werden und werden damit Kreditkosten erforderlich, so müssen diese wegen ihres Zusammenhangs mit der Herstellung des beschädigten Fahrzeugs bei der Bemessung des vom Schädiger nach § 249 Satz 2 BGB bereits mit der Entstehung des Unfallschadens geschuldeten Betrages mitberücksichtigt werden. Es widerspräche dem Sinn des § 249 Satz 2 BGB, wenn in solchen Fällen dem Geschädigten die Aufnahme eines für die Beseitigung der sachlichen Schadensfolgen nach seinen besonderen Verhältnissen unerläßlichen Kredits unmöglich würde oder nicht zuzumuten wäre, weil er nicht mit einer Erstattung der damit verbundenen Aufwendungen durch den Schädiger rechnen kann. Dem entspricht es auch, daß die Kosten einer solchen Finanzierung durchweg dem Schädiger angelastet werden, ohne daß der Geschädigte das Vorliegen der besonderen Voraussetzungen für einen Schuldnerverzug dartun müßte ... .
[2] Dafür, ob die Inanspruchnahme eines Kredits überhaupt erforderlich war und welche Aufwendungen zu seiner Erlangung angemessen scheinen konnten, können demnach tatsächlich aufgewandte Kosten für die Erlangung eines Kredits nur einen Anhalt bieten. Eine Erstattung von Aufwendungen für die Inanspruchnahme eines Kredits nach § 249 Satz 2 BGB kommt, wie schon erwähnt, dann, aber auch nur dann in Betracht, wenn und soweit sie ein verständiger, wirtschaftlich denkender Halter in der besonderen Lage des Geschädigten gemacht haben würde ... . Das zunehmende Angebot an Organisationen, die sich der Finanzierung und Regulierung von Unfallschäden annehmen, ist kein Grund, die Inanspruchnahme derartiger Finanzierungshilfen von Rechts wegen als übliche Maßnahmen der Schadensbeseitigung anzusehen. Ob und inwieweit sie gerechtfertigt ist, hängt vielmehr weitgehend von Art und Ausmaß der Beschädigung des Fahrzeugs sowie von dem Umständen ab, in denen der Geschädigte durch den Schaden betroffen wird, insbesondere von seinen wirtschaftlichen Verhältnissen. So ist es ihm grundsätzlich zuzumuten, die Kosten der Instandsetzung usw. ohne Rückgriff auf einen Bankkredit aus eigenen Mitteln vorzustrecken, wenn dies ohne besondere Einschränkung der gewohnten Lebensführung möglich ist ... . Zwar kommt der Einsatz besonderer Fähigkeiten oder von Freizeit des Geschädigten bei der Beseitigung des Schadens im allgemeinen nicht dem Schädiger zugute ... . Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß von dem Geschädigten auch nicht eine vorübergehende Zweckbindung eigener Geldmittel zur Schadensminderung erwartet werden kann. Soweit der Gesetzgeber dem Geschädigten das Recht einräumt, seinen Schaden selbst zu beheben und den hierfür erforderlichen Aufwand vom Schädiger zu liquidieren, nimmt er auch in Kauf, daß der Geschädigte mit dem Aufwand gegebenenfalls vorübergehend in Vorlage tritt. Der Einsatz verfügbarer eigener Mittel ist dem Geschädigten daher regelmäßig zuzumuten. Sein Schutz gegen einen vom Verhalten des Schädigers ausgehenden Verzögerungsschaden soll sich dann grundsätzlich nach den Verzugsvorschriften richten. Ob wenigstens dann ausnahmsweise auch eine Entschädigung für nachweislich geopferte Kapitalnutzung (Zinsverluste etc.) gewährt werden kann, wenn sich die Möglichkeit der Inverzugsetzung ungebührlich verzögert hat, bedarf hier keiner Entscheidung.
Ein Sachverhalt, bei dem dem Geschädigten zuzumuten ist, von einer Kreditaufnahme abzusehen, wird etwa bei kleineren Unfallschäden vorliegen, auf die sich der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs in aller Regel von vornherein in seinen Vermögensdispositionen einstellt. Ein solcher Sachverhalt kann aber auch bei größeren Schäden in Betracht kommen, wenn das Einkommen des Geschädigten es zuläßt. Ferner schuldet der Schädiger von mehreren möglichen Finanzierungsarten nur die Kosten der wirtschaftlicheren Finanzierung ... . Hat der Geschädigte ein Kontokorrentkonto bei einem Geldinstitut, so kann von ihm die Inanspruchnahme eines ihm hierdurch möglichen Kredits oder eines seinem Gehaltskonto eingeräumten Dispositionskredits erwartet werden ... . Darüber hinaus kann der Geschädigte in aller Regel Kreditaufwendungen nicht ersetzt verlangen, wenn der Schädiger bzw. sein Haftpflichtversicherer bei rechtzeitiger Unterrichtung über die Notwendigkeit einer Kreditaufnahme den Geschädigten von seinen Aufwendungen freigestellt haben würde ... . Denn der Schädiger braucht in aller Regel nicht schon von vornherein mit der Notwendigkeit einer Kreditaufnahme zu rechnen.
Das bedeutet nicht, daß der Kl. die verlangten Aufwendungen nicht auch als Verzugsschaden nach § 286 BGB geltend machen kann. Dann allerdings wären die tatsächlich entstandenen Kreditkosten der Schaden, den er ersetzt verlangt, so daß die Frage nach der Wirksamkeit des Kreditvertrags erheblich werden könnte. Doch besteht nach dem Vorbringen des Kl. derzeit kein Anlaß zur Annahme, er verlange mit der Klage Ersatz eines Verzögerungsschadens.
Bei der erneuten Überprüfung wird das Berufungsgericht davon auszugehen haben, daß es grundsätzlich Sache des Kl. ist, die Umstände darzulegen, die die Inanspruchnahme von Kredit - und zwar gerade in [einer] Form, die u.a. mit einem verhältnismäßig hohen Zinssatz und zusätzlichen Bearbeitungsgebühren verbunden war - entweder notwendig machte oder wirtschaftlich vernünftig erscheinen ließ, wobei die Ersatzpflicht des Schädigers außer Betracht zu bleiben hat. Die Beweislast dafür trägt der Kl. Sie wird auch nicht durch den Grundsatz gemildert, daß es regelmäßig Sache des Schädigers ist, einen Verstoß des Geschädigten gegen die Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) zu beweisen. Hier wirkt es sich aus, daß der Gedanke des § 254 Abs. 2 BGB nur sinngemäß bei der Bemessung des Betrages Anwendung findet, der als der zur Schadensbeseitigung objektiv erforderliche vom Schädiger geschuldet wird.
Fundstellen
Haufe-Index 2992682 |
BGHZ 61, 346 |
BGHZ, 346 |
BB 1973, 1554 |
DB 1973, 2443 |
NJW 1974, 34 |
DRsp I(123)174a-e |
JR 1974, 111 |
DAR 1974, 17 |
VRS 46, 7 |
VersR 1974, 90 |
ES Kfz-Schaden G-1/2 |