Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehler der Mietsache. Geeignetheit zum vertragsgemäßen Gebrauch. Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen. Gewährleistungsausschluss
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Grundsatz, dass öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Gebrauchsbeschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch entgegenstehen, einen Fehler der Mietsache darstellen, wenn sie mit der Beschaffenheit der Mietsache zusammenhängen und ihre Ursache nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters haben, gilt nur dann, wenn die Parteien nichts Abweichendes vereinbart haben.
2. Sind die Mietvertragsparteien übereinstimmend davon ausgegangen und haben vereinbart, dass bestimmte Umbauarbeiten für den vertragsgemäßen Gebrauch erforderlich sind, kann sich der Vermieter auf einen vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschluss insoweit nicht berufen.
Normenkette
AGBG §§ 4, 9; BGB §§ 305b, 536; BGB aF. §§ 537, 537 Abs. 1, § 539
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 15.07.1999) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 15. Juli 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten restlichen Mietzins für die Monate Februar 1995 bis Januar 1996.
Mit Vertrag vom 14. November 1994 vermietete die Klägerin ab 1. Dezember 1994 an den Beklagten bislang als Cafe genutzte Räume zum Betrieb eines Ladengeschäfts und Restaurants. In § 4 des Mietvertrages war bestimmt, daß der Mietgegenstand mit Beginn des Mietverhältnisses als für den vertragsgemäßen Gebrauch geeignet und mangelfrei gilt. In einem Anhang zum Mietvertrag war vorgesehen, daß an die Mieträume angrenzende Räume, in denen bisher eine Pension betrieben worden war, von dem Beklagten zu einem zusätzlichen Mietzins übernommen werden können, „um das gesamte Mietobjekt wieder wie gehabt zusammenzuschließen.” Am 20. Dezember 1994 einigten sich die Parteien über die Anmietung dieser Räume. Den zusätzlichen Mietzins, der ebenso wie der Mietzins für die anderen Räume erst ab 1. Februar 1995 bezahlt werden sollte, bezahlte der Beklagte erst ab Februar 1996.
Es war vorgesehen, daß der Beklagte vor der Inbetriebnahme des Restaurants verschiedene Umbauarbeiten, u.a. den Einbau einer Küche in den vorderen Räumen, durchführen sollte. Abweichend von dieser Planung wollte der Beklagte eine größere Küche in den hinteren Räumen errichten. Am 24. April 1995 fand zwischen den Parteien eine Unterredung über die Kosten statt. Danach sollte die Klägerin die Architektenkosten für die hintere Küche und der Beklagte sämtliche Kosten für den Umbau tragen. Erst nach Durchführung dieser Umbaumaßnahmen erhielt der Beklagte im Februar 1996 eine Gaststättenkonzession auch für die später angemieteten Räume. Ab diesem Monat bezahlte er die für diese Räume zusätzlich vereinbarte Miete. Mit der Klage verlangt die Klägerin den noch offenen Mietzins für die Zeit von Februar 1995 bis Januar 1996.
Die Klage hatte im ersten Rechtszug Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten änderte das Kammergericht das Urteil des Landgerichts ab und wies die Klage ab. Dagegen richtet sich die angenommene Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte sei nach § 537 Abs. 1 BGB a.F. zur Minderung des vertraglich vereinbarten Mietzinses für die zusätzlich angemieteten Räume auf Null berechtigt gewesen, weil diese Räume ohne den Einbau der später von dem Beklagten geplanten Küche zum vereinbarten Betrieb eines Restaurants nicht konzessionsfähig und damit nicht im vertragsgemäßen Zustand gewesen seien. Dies ergebe sich aus der Vereinbarung der Parteien vom 24. April 1995, in der sich die Parteien über einen entsprechenden Umbau der Räume und eine Beteiligung der Klägerin an den Planungskosten geeinigt hätten. Die Minderung sei auch nicht nach § 539 BGB a.F. ausgeschlossen, weil der Beklagte die fehlende Konzessionsfähigkeit nicht erkannt habe und auch nicht habe erkennen müssen. Auf den Gewährleistungsausschluß in § 4 des Mietvertrages könne sich die Klägerin nicht berufen. Ein solcher umfassender Gewährleistungsausschluß sei nach § 9 ABGB als unangemessen und damit unwirksam anzusehen.
2. Das Urteil kann keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung verfahrensfehlerhaft den erheblichen unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin übergangen hat (§ 286 ZPO), die Einrichtung der ursprünglich geplanten Küche in den vorderen Mieträumen sei ohne weiteres genehmigungsfähig gewesen. Die Verzögerung der Konzessionserteilung sei nur darauf zurückzuführen, daß der Beklagte die Planung geändert und eine Küche in den hinteren Mieträumen eingebaut habe.
a) Das Berufungsgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, daß die Nichterteilung einer Konzession zum Betrieb eines Restaurants einen Sachmangel im Sinne des § 537 Abs. 1 BGB a.F. darstellen kann. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Gebrauchsbeschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch entgegenstehen, dann einen Fehler der Mietsache im Sinne des § 537 BGB a.F. = § 536 BGB n.F. darstellen, wenn sie mit der Beschaffenheit der Mietsache zusammenhängen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben (st.Rspr. BGH, Urteile vom 11. Dezember 1991 – XII ZR 63/90 – NJW-RR 1992, 267; vom 2. März 1994 – XII ZR 175/92 – ZMR 1994, 253 ff.; vom 22. Juni 1988 – VIII ZR 232/87 – NJW 1988, 2664). Das gilt aber nur, wenn die Parteien nichts Abweichendes vereinbart haben. Im vorliegenden Fall gingen die Parteien bei Vertragsschluß übereinstimmend davon aus, daß für die Erteilung einer Konzession zum Betrieb eines Restaurants in den gesamten Räumen ein Umbau erforderlich war. Sie hielten einen geplanten Umbau, der unter anderem den Einbau einer Küche in den vorderen Räumen vorsah und der von dem Beklagten durchgeführt werden sollte, zur Konzessionserteilung für ausreichend und für kurzfristig durchführbar. Die Klägerin hat die unter Beweis gestellte Behauptung des Beklagten, die Durchführung des ursprünglich geplanten Umbaus hätte für eine Konzessionserteilung nicht ausgereicht bestritten. Träfe es zu, daß der ursprünglich geplante Umbau ohne weiteres zur Erteilung der Konzession geführt hätte, so hätte die Klägerin die Mietsache in dem vertragsgemäßen Zustand übergeben. Ein Mangel der Mietsache läge dann nicht vor. Der Beklagte wäre zur Zahlung des vollen Mietzinses verpflichtet gewesen.
b) Auch die unter Beweis gestellte, von dem Berufungsgericht übergangene Behauptung der Klägerin, sie habe der Änderung des ursprünglich geplanten Umbaus nur mit dem ausdrücklichen Hinweis zugestimmt, daß die Umbauten auf das Risiko des Beklagten gingen und von ihm zu zahlen seien, steht einer Minderung entgegen. Denn aus diesem Sachvortrag ergibt sich, daß die Klägerin das Risiko der Planungsänderung und damit der Verzögerung der Konzessionserteilung gerade nicht übernommen hat.
3. Die Sache muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es die notwendigen Feststellungen und erforderlichen Beweiserhebungen nachholen kann.
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin:
a) Ob § 4 des Mietvertrages an § 9 AGBG gemessen werden kann – wovon das Berufungsgericht, ohne Feststellungen zur Anwendbarkeit des AGBG zu treffen, ausgeht – kann dahinstehen. Denn die Klägerin kann sich, soweit die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen sind und vereinbart haben, daß bestimmte Umbauarbeiten für den vertragsgemäßen Gebrauch erforderlich sind, auf einen Gewährleistungsausschluss nach § 4 des Mietvertrages nicht berufen (§ 4 AGBG = § 305 b BGB n.F.).
b) Darauf, daß die tatsächliche Größe der Mieträume angeblich von der vereinbarten Größe abweicht, dürfte sich der Beklagte im Hinblick auf § 2 des Mietvertrages nicht berufen können. Aus dieser Regelung dürfte sich ergeben, daß eine feste Flächengröße gerade nicht vereinbart werden sollte.
Unterschriften
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Hahne hat Urlaub und kann deshalb nicht unterschreiben. Gerber, Wagenitz, Gerber, Fuchs, Vézina
Fundstellen