Leitsatz (amtlich)
›Zur Frage der Verwirkung bei kurzen Verjährungsfristen.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerinnen erwarben nach Vermittlung der Beklagten durch Vertrag vom 3. Februar 1984 das mit zwei Miethäusern bebaute Grundstück R straße in B. Die 72 Wohnungen enthaltenden Miethäuser wurden durch Teilungserklärung vom 24. Februar 1984 in Wohnungseigentum aufgeteilt.
Schon am 26. Januar 1984 hatten die Klägerinnen mit der Beklagten für die beiden Häuser sowohl einen Verwaltervertrag für Wohnungseigentumsanlagen als auch einen Hausverwaltungsvertrag für Mietwohnhäuser geschlossen. Für jede Wohneinheit hatten die Klägerinnen monatlich nach dem Verwaltervertrag für Wohnungseigentumsanlagen 34,50 DM Verwaltervergütung, nach dem Hausverwaltungsvertrag für Mietwohnhäuser zusätzlich 20 DM zu zahlen. Durch Vertrag vom 12. April 1984 veräußerten die Klägerinnen 12 der 72 Eigentumswohnungen.
In ihren Mietabrechnungen für April und Mai 1984 berechnete die Beklagte den Klägerinnen monatlich jeweils 1.440 DM (72 x 20 DM) als Hausverwaltungsvergütung. Mit Schreiben vom 8. Juni 1984 beanstandeten die Klägerinnen die Mietabrechnungen und verlangten u.a. die Auszahlung der jeweils als Hausverwaltungsvergütungen abgezogenen 1.440 DM. In der Mietabrechnung für Juni 1984 vom 2. Juli 1984 wurden erneut 1.440 DM als Hausverwaltungsvergütung abgezogen, aber auch 4.754, 24 DM gutgeschrieben mit dem Hinweis, daß es sich hierbei um eine Umbuchung gemäß Schreiben vom 8. Juni 1984 handele. Der Betrag von 4.754,24 DM entspricht dem Gesamtbetrag, den die Klägerinnen in ihrem Schreiben vom 8. Juni 1984 für den Monat Mai zurückgefordert hatten.
Mit der Mietabrechnung für Juli 1984 vom 2. August 1984 wurden den Klägerinnen 2.880 DM mit dem Vermerk gutgeschrieben, daß es sich um die Hausverwaltungsvergütung von je 1.440 DM für April und Juni 1984 handele. Die späteren monatlichen Mietabrechnungen enthielten keine Abzüge mehr für die Hausverwaltung von Mietwohnhäusern.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 1985 kündigten die Klägerinnen den Hausverwaltungsvertrag für Mietwohnhäuser aus wichtigen Grund fristlos. Die Beklagte widersprach der Kündigung. Sie teilte den Klägerinnen mit Schreiben vom 11. November 1985 mit, daß sie auf ihrem Vergütungsanspruch gemäß dem Hausverwaltungsvertrag bestehen werde und demgemäß der Einfachheithalber dem Mietkonto der Klägerinnen für die Zeit vom November 1985 bis Februar 1989 den Betrag von 48.000 DM entnommen habe. Entsprechend ihrer Abrechnung vom 3. Dezember 1985 zog die Beklagte den Klägerinnen von den Mieteinnahmen letztlich insgesamt 72.000 DM ab, die sie als Verwaltervergütung oder entgangenen Gewinn nach dem Hausverwaltungsvertrag für Mietwohnhäuser für die Zeit vom 1. März 1984 bis 28. Februar 1989 beanspruchte. Mit Schreiben vom 25. Februar 1986 berechnete die Beklagte den Klägerinnen für die Zeit vom 1. März 1984 bis 28. Februar 1986 eine Hausverwaltungsvergütung von insgesamt 28.800 DM (24 Monate x 1.200 DM) sowie für die Zeit vom 1. März 1986 bis zum 28. Februar 1989 als entgangenen Gewinn 25.920 DM.
Im April 1986 zahlte die Beklagte für die Zeit vom 1. März 1986 bis zum 28. Februar 1989 als ersparte Eigenaufwendungen 16.466,49 DM zurück.
Mit der Klage haben die Klägerinnen die Zahlung von 55.533,51 DM nebst Zinsen (72.000 DM abzüglich 16.466,49 DM) begehrt und dazu vorgetragen: Für März 1984 sei der Beklagten eine Hausverwaltungsvergütung gezahlt worden. Für die Zeit nach der Umwandlung der Mietwohnungen in Eigentumswohnungen hätten die Parteien mündlich vereinbart, daß keine Hausverwaltungsvergütung für Mietwohnungen mehr geschuldet würde.
Die Beklagte hat dagegen behauptet, ein Irrtum ihrer Buchhalterin sei der Grund dafür, daß die Hausverwaltungsvergütung für die Monate April bis Juni 1984 zurücküberwiesen und für die Zeit bis zur Kündigung nicht mehr erhoben worden sei. Die Buchhalterin habe die Anweisung, für die verkauften zwölf Wohneinheiten die Hausverwaltungsvergütung zurückzuerstatten und in Zukunft nicht mehr geltend zu machen, falsch verstanden.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat, nachdem die Klägerinnen die Klage hinsichtlich des Zinsantrags teilweise zurückgenommen hatten, die Berufung der Beklagten durch Versäumnisurteil zurückgewiesen und das Versäumnisurteil nach Einspruch der Beklagten durch Endurteil aufrechterhalten.
Mit ihrer Revision nimmt die Beklagte die Verurteilung in Höhe eines Teilbetrages von 1.200 DM (entsprechend der Hausverwaltungsvergütung für März 1984) nebst darauf entfallender Zinsen hin, verfolgt aber im übrigen ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Senat hat die Revision der Beklagten nur insoweit angenommen, als die Beklagte gegen die Klageforderung mit einem behaupteten Anspruch auf 22.800 DM als Hausverwaltungsvergütung für die Zeit vom 1. April 1984 bis zum Zugang des Kündigungsschreibens vom 16. Oktober 1985 (der jedenfalls vor dem 1. November 1985 lag) aufgerechnet hat.
Entscheidungsgründe
1. Nach der Teilannahme der Revision der Beklagten ist nur noch darüber zu entscheiden, ob die Beklagte gegen den als solchen nicht umstrittenen - Anspruch der Klägerinnen auf Herausgabe der Mieteinnahmen zu Recht mit Gegenansprüchen auf Bezahlung einer Hausverwaltungsvergütung für die Zeit vom 1. April 1984 bis zur fristlosen Kündigung im Oktober 1985 aufgerechnet hat. Die Beklagte hat insoweit einen Anspruch in Höhe von insgesamt 22.800 DM geltend gemacht (60 Wohneinheiten x 20 DM monatliche Hausverwaltungsvergütung x 19 Monate).
2. Nach Ansicht des Berufungsgerichts stand der Beklagten für den genannten Zeitraum kein Anspruch auf eine Hausverwaltungsvergütung zu. Es hat dabei offengelassen, ob eine ausdrückliche Vereinbarung zustande gekommen ist, daß die Beklagte nach der Aufteilung der Miethäuser in Eigentumswohnungen keine Vergütung mehr aus dem Hausverwaltungsvertrag für Mietwohnhäuser erhalten solle. Den Abschluß eines stillschweigenden Verzichtsvertrages hat das Berufungsgericht verneint. Es hat jedoch einen Gegenanspruch der Beklagten auf Zahlung einer Verwaltervergütung aus dem Hausverwaltungsvertrag für Mietwohnhäuser deshalb nicht als gegeben angesehen, weil dieser Anspruch jedenfalls in vollem Umfang verwirkt sei. Zwar seien seit der Rückgewähr der Hausverwaltungsvergütung für Mai 1984 bis zur Inanspruchnahme der Klägerinnen durch die Beklagte nur 16 Monate vergangen, nach den gegebenen besonderen Umständen hätten sich die Klägerinnen jedoch darauf einstellen können und müssen, daß die Beklagte gegen sie in Zukunft keine Hausverwaltungsvergütung für die Verwaltung der Mietwohnhäuser mehr geltend machen werde.
3. Diese Rechtsansicht hält einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand.
Die Frage, ob der allgemeine Rechtsgedanke der Verwirkung als eines Unterfalles der unzulässigen Rechtsausübung eingreift, hängt im wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles ab; deren Würdigung ist Sache des Tatrichters (BGH, Urteile vom 29. Februar 1984 - VIII ZR 310/82, NJW 1984, 1684, 1685 und vom 7. Juli 1965 - VIII ZR 138/63, WM 1965, 799, 800) und demgemäß in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist jedoch rechtsfehlerhaft.
Ein Recht ist verwirkt, wenn sich ein Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. BGH, Urteile vom 3. Dezember 1981 - VII ZR 282/80, WM 1982, 101, 102 und vom 29. Februar 1984 - VIII ZR 310/82, NJW 1984, 1684, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Hinsichtlich der zeitlichen Voraussetzungen der Verwirkung gilt allgemein der Grundsatz, daß um so seltener Raum für eine Verwirkung sein wird, je kürzer die Verjährungsfrist ist (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 99/86, BGHR BGB § 242 Verwirkung 2 = FamRZ 1988, 478 mit weiteren Nachweisen). Bei den kürzer verjährenden Forderungen des täglichen Lebens und den wiederkehrenden Leistungen kann eine Verwirkung vor Ablauf der Verjährungsfrist nur aus ganz besonderen Gründen angenommen werden (BGH, Urteil vom 17. Februar 1969 - II ZR 30/65, BB 1969, 332). Dies gilt auch für Forderungen wie den Vergütungsanspruch der Beklagten aus dem Hausverwaltungsvertrag, der gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB bereits nach zwei Jahren verjährt (BGH, Urteil vom 5. Juli 1965 - VII ZR 89/63, WM 1965, 1181; OLG Frankfurt a.M. OLGZ 1980, 413, 414). Diesen Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung übersehen. Es hat weiter nicht beachtet, daß diejenigen Ansprüche auf Hausverwaltungsvergütung, die gerade erst fällig geworden waren, als sie von der Beklagten geltend gemacht wurden, schon deshalb nicht verwirkt sein können, weil seit der Möglichkeit, diese Rechte geltend zu machen, noch nicht - wie die Verwirkung voraussetzt - geraume Zeit verstrichen war (BGHZ 84, 280, 282).
Besondere Umstände, die es trotz der geltenden kurzen Verjährungsfrist rechtfertigen würden, eine Verwirkung der einzelnen monatlich fällig werdenden Vergütungsansprüche oder gar des Anspruchs auf die Hausverwaltungsvergütung als solchen anzunehmen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Mietabrechnungen der Beklagten waren allerdings im Hinblick auf das Schreiben der Klägerinnen vom 8. Juni 1984, mit dem diese die Rückzahlung der Hausverwaltungsvergütung für April und Mai 1984 begehrt hatten, geeignet, bei den Klägerinnen die Erwartung zu erwecken, die Beklagte werde ihren Vergütungsanspruch aus dem Hausverwaltungsvertrag für Mietwohnhäuser nicht mehr geltend machen. Diese Erwartung konnte sich auch durch den Zeitablauf, der gegen ein Versehen der Beklagten sprach, verstärken. Andererseits ist aber auch zu berücksichtigen, daß sich die Klägerinnen als Immobilienmaklerinnen im Grundstückswesen unstreitig ausgezeichnet auskennen und daher auch die Umstände kennen mußten, die gegen die Erwartung sprachen, die Beklagte werde keine Hausverwaltungsvergütung mehr beanspruchen. So führt das Berufungsgericht selbst aus, daß die Beklagte nicht den geringsten Anlaß hatte, auf die Zahlung der Hausverwaltungsvergütung für die nicht verkauften Eigentumswohnungen zu verzichten. Die Beklagte hat weiter - von. den Klägerinnen unwidersprochen - darauf hingewiesen, daß sich ihre Vergütungsansprüche aus dem Verwaltervertrag für Wohnungseigentumsanlagen und aus dem Hausverwaltungsvertrag für Mietwohnhäuser auf verschiedene Tätigkeiten bezogen. Der erstgenannte Vertrag betraf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums der Eigentumswohnanlage, der Hausverwaltervertrag die Mietverwaltung. Das Berufungsgericht stellt dazu für die nicht verkauften Eigentumswohnungen fest, daß die nicht verkauften 60 Eigentumswohnungen, für welche die Hausverwaltungsvergütung verlangt wird, offenbar weiter als Mietwohnungen verwaltet worden seien.
In jedem Fall kann eine Verwirkung der Vergütungsansprüche deshalb nicht angenommen werden, weil nicht festgestellt ist, daß sich die Klägerinnen - wie dies eine Verwirkung voraussetzt - bereits darauf eingerichtet hatten, daß die Beklagte keine Hausverwaltungsvergütung mehr geltend machen werde. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung waren solche Feststellungen auch nicht entbehrlich. Es spricht kein Erfahrungssatz dafür, daß die im Grundstückswesen gewerblich tätigen Klägerinnen mit Rücksicht auf ihre Erwartung, wegen der Vergütungen aus dem Hausverwaltungsvertrag nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, besondere Vermögensdispositionen getroffen haben. Die Klägerinnen haben solche Vermögensdispositionen auch nicht behauptet.
Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben, soweit es Gegenansprüche auf Vergütung aus dem Hausverwaltungsvertrag für die Zeit vom 1. April 1984 bis zum Zugang der fristlosen Kündigung vom 16. Oktober 1985 (vgl. dazu § 628 BGB) als verwirkt angesehen hat. Der Senat kann über den zur Aufrechnung gestellten Gegenanspruch jedoch nicht selbst entscheiden, da zu prüfen ist, ob die Parteien - wie die Klägerinnen behaupten - eine ausdrückliche Vereinbarung über den Wegfall der Hausverwaltervergütung für Mietwohnungen ab April 1984 getroffen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 2992967 |
BGHR BGB § 242 Verwirkung 7 |
JZ 1989, 255 |
MDR 1989, 448 |