Leitsatz (amtlich)
Die Bezeichnung im Mahnbescheidsantrag „Anspruch aus Werkvertrag/Werklieferungsvertrag” für Forderungen aus einem nicht näher gekennzeichneten, vorzeitig beendeten Bauvertrag kann zur Individualisierung genügen, wenn zwischen den Parteien weitere Rechtsbeziehungen nicht bestehen.
Normenkette
ZPO § 690 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main |
LG Wiesbaden |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger fordert Zahlung restlichen Werklohns.
Die beiden Beklagten beauftragten den Kläger im November 1993 mit Um- und Anbauarbeiten an einem bereits bebauten Grundstück. Der Preis sollte 330.550 DM einschließlich Mehrwertsteuer betragen. Zu dem beabsichtigten schriftlichen Vertragsschluß, in dem die Geltung der VOB/B vorgesehen war, kam es nicht.
Der Kläger begann seine Arbeiten im Mai 1994. Anfang November 1994 stellte er seine Tätigkeit nach einem Streit der Parteien auf der Baustelle ein. Ende November 1994 entzogen ihm die Beklagten den Auftrag. Mit Schlußrechnung vom 23. September 1996, deren Zugang bestritten ist, verlangt der Kläger von den Beklagten als Gesamtschuldner restlichen Werklohn in Höhe von 138.181,91 DM. Dieser Betrag setzt sich aus einer Restforderung in Höhe von 54.546,50 DM im Hinblick auf den vereinbarten Pauschalpreis sowie aus einem Betrag in Höhe von 83.635,41 DM für angeblich in Auftrag gegebene Sonderleistungen zusammen.
Der Kläger hat im Dezember 1996 zwei Mahnbescheide über 138.181,91 DM beantragt, die den Beklagten Anfang Januar 1997 zugestellt worden sind. Die Bezeichnung des Anspruchs lautet „Werkvertrag/Werklieferungsvertrag gemäß Rechnung vom 23. September 1996”. Nach Widerspruch und Abgabe der Sachen an das Landgericht ist die Klage abgewiesen worden. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich seine Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hält den geltend gemachten Anspruch des Klägers für verjährt. Die VOB/B sei nicht wirksam vereinbart worden. Das Werk des Klägers sei derart mangelhaft gewesen, daß für die Fälligkeit des Werklohns und damit für den Beginn der Verjährung nicht die Abnahme, sondern der Zeitpunkt der Auftragsentziehung durch die Beklagten maßgeblich sei. Die Verjährung habe daher am 1. Januar 1995 zu laufen begonnen und sei mit dem 31. Dezember 1996 vollendet gewesen. Sie sei durch die rechtzeitig beantragten und demnächst zugestellten Mahnbescheide nicht unterbrochen worden. Die Beklagten hätten mehr als zwei Jahre nach Einstellung der Arbeiten des Klägers nicht erkennen können, welche Forderungen den Mahnbescheiden zugrunde gelegen hätten, da die Schlußrechnung vom 23. September 1996 nicht beigefügt gewesen sei. Die Forderung des Klägers ergebe sich nicht aus dem Vertrag, sondern sei das Ergebnis einer komplizierten Berechnung des restlichen Werklohns und der Vergütung für angebliche Sonder- oder Zusatzleistungen.
II.
Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Anspruch des Klägers ist nicht verjährt, selbst wenn die Parteien, wie das Berufungsgericht angenommen hat, die VOB/B nicht wirksam vereinbart hatten.
1. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, der Werklohnanspruch des Klägers sei ohne Abnahme im November 1994 fällig geworden. Spätestens mit dem Anwaltsschreiben der Beklagten vom 25. November 1994 ist ein Abrechnungsverhältnis entstanden, das eine Abnahme entbehrlich machte. Eine Schlußrechnung ist für die Fälligkeit des Anspruchs aus einem BGB-Bauvertrag nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1980 – VII ZR 41/80, BGHZ 79, 176). Die Verjährung begann demnach am 1. Januar 1995 und endete mit dem 31. Dezember 1996.
2. Die Verjährung ist durch die am 17. Dezember 1996 beantragten und am 10. Januar 1997 zugestellten Mahnbescheide rechtzeitig unterbrochen worden (§ 209 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 693 Abs. 2 ZPO). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts genügten die Mahnbescheide den Individualisierungsanforderungen des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
a) Für die Individualisierung im Sinne des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist keine Substantiierung des mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Anspruchs oder gar seine Begründung erforderlich. Vielmehr genügt die Bezeichnung des Anspruchs unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung. Der Anspruch muß durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden können, daß er über einen Vollstreckungsbescheid Grundlage eines Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung möglich ist, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will oder nicht. Wann diesen Anforderungen genüge getan ist, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 30. November 1999 – VI ZR 207/98, NJW 2000, 1420).
b) Die Angaben in den vorliegend zu beurteilenden Mahnbescheiden sind sehr knapp. Dabei kann, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, zur Individualisierung des Anspruchs nicht auf die in den Mahnbescheiden in Bezug genommene Schlußrechnung vom 23. September 1996 abgestellt werden, da sich ihr Zugang an die Beklagten nicht feststellen läßt. Vielmehr verbleibt zur Kennzeichnung des Anspruchs nur die Mitteilung, daß es sich um eine Forderung aus einem Werkvertrag/Werklieferungsvertrag handelt, für die die Beklagten als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden sollen. Trotz der Dürftigkeit dieser Angaben war unter den hier gegebenen Umständen den Individualisierungsanforderungen hinreichend genüge getan. Entscheidend ist, daß zwischen den Parteien außerhalb des hier in Rede stehenden Bauvertrages keine rechtlichen Beziehungen bestanden. Für die Beklagten konnte kein Zweifel bestehen, daß diese Forderung den Restwerklohn aus dem mündlich geschlossenen Bauvertrag mit dem Kläger betraf. Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger mit den Mahnbescheiden sonstige Ansprüche geltend machen wollte, bestanden nicht. Die Beklagten waren somit in der Lage, eine Entscheidung dahin zu treffen, ob sie sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen wollten oder nicht.
Nicht erforderlich war demgegenüber, schon im Mahnbescheid Einzelangaben zur Berechnung der Höhe des Werklohnanspruchs zu machen. Die insoweit erforderliche Substantiierung eines Werklohnanspruchs konnte im Laufe des Rechtsstreits beim Übergang in das streitige Verfahren nachgeholt werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1999 – VI ZR 207/98, aaO). Das gilt auch für die Angaben des Klägers zur Berechnung des Restwerklohns aus dem Pauschalpreisvertrag und zu den behaupteten Zusatzleistungen. Beide Angaben haben ihren Grund in dem mündlich geschlossenen Bauvertrag und seiner Ausführung bis zur Auftragsentziehung; dementsprechend wären bei Anwendung der VOB/B alle Positionen in einer Schlußrechnung abzurechnen gewesen (§ 14 Nr. 1 Satz 4 VOB/B).
III.
1. Das Berufungsgericht hält die Klage hilfsweise aus anderen Erwägungen für unbegründet. Der Kläger habe die substantiierten Einwände der Beklagten in ihrer Berufungserwiderung gegen seine Schlußrechnung nicht entkräftet. Er habe ferner nicht in nachvollziehbarer Weise dargetan, daß es sich bei den mit einem Anteil von 83.635,41 DM in der Schlußrechnung enthaltenen Sonderleistungen um Arbeiten gehandelt habe, die nicht in der Leistungsbeschreibung enthalten gewesen seien oder denen einschneidende Änderungen zugrunde gelegen hätten. Schließlich könnten die Beklagten wegen der unstreitig noch vorhandenen Mängel ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen, um die uneingeschränkt geltend gemachte Klageforderung zu Fall zu bringen.
2. Diese Hilfserwägungen tragen die Klageabweisung nicht.
- Die vom Berufungsgericht nicht näher festgestellten Einwendungen der Beklagten in ihrer umfassenden Berufungserwiderung bilden keine hinreichende Grundlage für die Beurteilung, der vom Berufungsgericht erkennbar als schlüssig beurteilte Vortrag des Klägers sei nunmehr unschlüssig geworden.
- Die Zusatzleistungen hat der Kläger im einzelnen aufgeführt und unter Beweis gestellt. Bereits das Landgericht hat sich damit befaßt und einen wenn auch nur geringfügigen, von den Beklagten anerkannten Teil als berechtigt angesehen. Folglich konnte und mußte sich das Berufungsgericht damit auseinandersetzen, wenn es die Klage insoweit abweisen wollte.
- Es kann dahinstehen, ob den Beklagten aufgrund der vom Berufungsgericht nicht näher bezeichneten unstreitigen Mängel aus Rechtsgründen noch ein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Dies könnte nur zu einer Zug-um-Zug-Verurteilung, nicht aber zu einer Klageabweisung führen.
Unterschriften
Ullmann, Haß, Hausmann, Kuffer, Kniffka
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 06.12.2001 durch Heinzelmann, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 666311 |
BB 2002, 327 |
DB 2002, 685 |
NJW 2002, 520 |
BGHR 2002, 248 |
BauR 2002, 366 |
BauR 2002, 469 |
IBR 2002, 65 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 398 |
ZAP 2002, 140 |
ZfIR 2002, 78 |
JuS 2002, 401 |
MDR 2002, 286 |
Rpfleger 2002, 214 |
ZfBR 2002, 107 |
ZfBR 2002, 252 |
NZBau 2002, 155 |
JbBauR 2003, 320 |