Leitsatz (amtlich)
a) Will jemand aus einem Titel vollstrecken, den er in seiner früheren Eigenschaft als Konkursverwalter erwirkt hat, so ist der Titel vorher umzuschreiben. Der Einwand fehlender Titelumschreibung kann nicht mit der Vollstreckungsgegenklage, sondern nur mit der Vollstreckungserinnerung erhoben werden.
b) Droht trotz unterbliebener Titelumschreibung eine Vollstreckung, so kann eine Vollstreckungsgegenklage zulässig sein, wenn der Schuldner andere Einwendungen, die den durch den Titel festgestellten Anspruch selbst betreffen, geltend machen will.
Normenkette
ZPO § 727 Abs. 1, § 766 Abs. 1, § 767 Abs. 1
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 5. März 1991 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Klage stattgegeben worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit einer Vollstreckungsgegenklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich vom 30. Oktober 1989.
Parteien des durch diesen Vergleich beendeten Rechtsstreits waren die Gesellschafter der in Konkurs gefallenen I. L. GmbH für Nachrichtenkommunikation (im folgenden: I. L.), und zwar der Kläger auf der einen und seine drei Mitgesellschafter auf der anderen Seite. Zum Zwecke des Vergleichsabschlusses war der Beklagte als Verwalter im Konkurse über das Vermögen der Gemeinschuldnerin dem Rechtsstreit beigetreten.
In Ziff. 5 des Vergleichs war vorgesehen, daß der Beklagte als Konkursverwalter verschiedene Rechte sowie die Betriebs- und Geschäftsausstattung an den Kläger verkaufen sollte. Ziff. 7 lautete wie folgt:
„Rechtsanwalt H. (= der Beklagte) als Konkursverwalter über das Vermögen der Firma I. L…. verpflichtet sich, den von Herrn P … F … (= Kläger) zu zahlenden Kaufpreis zur Tilgung von anerkannten Masse- und Vorrechtsforderungen sowie anschließend zur Tilgung der sonstigen angemeldeten und anerkannten Forderungen zu verwenden und das verbleibende Restvermögen der GmbH an die Gesellschafter im Verhältnis ihrer nominellen Beteiligung am Stammkapital der I. L… auszuzahlen … Zur Erreichung dieses Verwendungszwecks verpflichtet sich Herr P… F…. den Kaufpreis in Raten zu zahlen wie folgt:
- DM 100.000,– am 3. November 1989
- DM 87.910,71 am 3. Februar 1990
- DM 64.769,15 am 3. Mai 1990.”
Ein entsprechender Kaufvertrag wurde am 31. Oktober 1989 abgeschlossen. Der Kläger bezahlte die beiden ersten Kaufpreisraten gemäß Ziff. 7 des Vergleichs. Damit wurden die Konkursgläubiger vollständig befriedigt. Das Konkursverfahren wurde am 23. Mai 1990 aufgehoben. Die dritte Rate bezahlte der Kläger nicht. Deswegen versuchte der Beklagte am 28. Mai 1990, aus dem Vergleich zu vollstrecken.
Mit seiner Klage hat der Kläger beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich für unzulässig zu erklären. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben und eine in der Berufungsinstanz erhobene Widerklage, mit der der Beklagte die Feststellung begehrte, hinsichtlich der im Vergleich titulierten Forderung Rechtsnachfolger zu sein, als unzulässig abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Entscheidung des Rechtsstreits hänge davon ab, ob dem Beklagten trotz Beendigung des Konkurses noch das Recht geblieben sei, als ehemaliger Konkursverwalter die Zwangsvollstreckung fortzusetzen. Mit Aufhebung des Konkursverfahrens habe er das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über die Konkursmasse verloren und damit auch die Befugnis, aus dem Titel zu vollstrecken. An seine Stelle sei der Träger der Rechte getreten. Das sei entweder die I. L. selbst oder der Beklagte als deren vertraglich bestellter Treuhänder und Liquidator. In beiden Fällen hätte indessen der Titel umgeschrieben werden müssen. Daß hier der ehemalige Konkursverwalter möglicherweise auch Treuhänder sei, ändere daran nichts. Soweit der Kläger den Beklagten als Konkursverwalter verklagt habe, gehe die Klage ins Leere, weil das Amt mit Beendigung des Konkurses erloschen sei. Da der Beklagte als angeblicher Treuhänder der I. L. die Vollstreckung aus dem nicht umgeschriebenen Titel fortgesetzt habe, sei das Klagebegehren als Vollstreckungsabwehrklage gegen den Beklagten persönlich umzudeuten. Insoweit sei die Klage auch begründet, weil der Beklagte vor Umschreibung des Titels nicht daraus vollstrecken dürfe.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. In dem Berufungsurteil wird als streitentscheidende Frage herausgestellt, ob dem Beklagten trotz Beendigung des Konkurses noch das Recht geblieben sei, als ehemaliger Konkursverwalter die Zwangsvollstreckung fortzusetzen. Darum geht es aber nicht. Als früherer Konkursverwalter wird der Beklagte nicht mehr in Anspruch genommen. Der Kläger hat in der zweiten Instanz beantragt, die Zwangsvollstreckung „durch den Beklagten” (nicht in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter) aus dem Vergleich für unzulässig zu erklären. Darin liegt ein als Klageänderung zu behandelnder Parteiwechsel (BGH, Urt. v. 6. Juli 1989 – IX ZR 280/88, WM 1989, 1546, 1549; v. 26. Oktober 1990 – V ZR 122/89, WM 1991, 383, 384). Dann bedarf es nicht zusätzlich einer „Umdeutung” des Klagebegehrens, von der in den Gründen des Berufungsurteils die Rede ist.
2. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, daß der Beklagte persönlich aus dem Titel nicht ohne weiteres vollstrecken darf. Tituliert ist nur eine Forderung des Beklagten als Konkursverwalter auf Zahlung zur Masse, nicht aber ein Anspruch des Beklagten persönlich. Das folgt daraus, daß im Vorprozeß der Beklagte „als Konkursverwalter” dem Rechtsstreit zum Zwecke des Vergleichsschlusses beigetreten ist und sich in dem Vergleich „als Konkursverwalter” verpflichtet hat, den Kaufgegenstand an den Kläger zu veräußern (Ziff. 5) und den Kaufpreis in bestimmter Weise zu verwenden (Ziff. 7). Mit der Befriedigung der Konkursgläubiger und Aufhebung des Konkursverfahrens (§ 163 KO) hat die Verfügungsbefugnis des Konkursverwalters geendet. Verfügungsbefugt ist nunmehr der Rechtsträger. Wer das ist, läßt das Berufungsgericht offen. In Betracht kommen insbesondere die (frühere) Gemeinschuldnerin oder der Beklagte, falls dieser als (echter) Treuhänder anzusprechen ist. Nicht anders als die frühere Gemeinschuldnerin nach Aufhebung des Konkursbeschlags (OLG Kiel OLGZ 16 (1907), 322; KG OLGZ 25 (1912), 219; OLG Celle NJW-RR 1988, 447, 448; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 20. Aufl. § 727 ZPO Rdnr. 26; Zöller/Stöber, ZPO 17. Aufl. § 727 ZPO Rdnr. 18; Thomas/Putzo, ZPO 17. Aufl. § 727 Anm. 1 c; Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 6 Rdnr. 97; Kuhn/Uhlenbruck, KO 10. Aufl. § 6 Rdnr. 26; Kilger, KO 15. Aufl. § 6 Anm. 5) könnte auch der Beklagte als Treuhänder aus dem Titel, den er als Konkursverwalter erlangt hat, erst vollstrecken, wenn jener auf ihn umgeschrieben ist.
Das Berufungsgericht hat indessen übersehen, daß die Einwendung, der Beklagte könne vor der Umschreibung aus dem Titel nicht vollstrecken, mit einer Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) nicht geltend gemacht werden kann.
Die Vollstreckungsgegenklage ist der richtige Rechtsbehelf, wenn Einwendungen erhoben werden sollen, „die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen” (§ 767 Abs. 1 ZPO). Sie steht auch gegenüber Forderungen aus einem Prozeßvergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) zur Verfügung, wenn deren Wegfall oder Hemmung geltend gemacht werden soll (BGH, Urt. v. 27. November 1952 – IV ZR 57/52, NJW 1953, 345; v. 5. Juli 1967 – VIII ZR 66/65, NJW 1967, 2014; v. 4. November 1976 – VII ZR 6/76, NJW 1977, 583; Beschl. v. 14. Mai 1987 – BLw 5/86, WM 1987, 1209).
Die Einwendung, daß der Beklagte als Treuhänder vor der Umschreibung des Titels nicht vollstrecken dürfe, ist keine Einwendung gegen den titulierten Anspruch, sondern betrifft allein die Art und Weise der Zwangsvollstreckung. Solche Einwendungen sind nicht mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO, sondern mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO geltend zu machen (Stein/Jonas/Münzberg, § 766 ZPO Rdnr. 14; Zöller/Stöber, § 766 ZPO Rdnr. 15; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 50. Aufl. § 766 ZPO Anm. 3 C).
III.
Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Denn der Rechtsstreit ist noch nicht entscheidungsreif.
Anders wäre es nur dann, wenn der Beklagte unter keinen Umständen Vollstreckungsgläubiger sein könnte. Dann wäre die Klage bereits jetzt abzuweisen. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand kann davon aber nicht ausgegangen werden. Das Berufungsgericht, das den Beklagten beiläufig als „Treuhänder und Liquidator” bezeichnet, hat zu seiner Rechtsstellung keine Feststellungen getroffen. Das muß nachgeholt werden.
Wenn der Beklagte – etwa als (echter) Treuhänder – selbst Rechtsinhaber sein sollte, muß der Kläger von seiner Seite eine Vollstreckung befürchten. Darauf deutet seine als unzulässig abgewiesene Widerklage hin, mit der er letztlich die Erteilung der Vollstreckungsklausel für sich persönlich erstrebte. Aus diesem Grunde kann hier ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsgegenklage schon vor der – nach Lage der Sache erforderlichen – Umschreibung der Vollstreckungsklausel bestehen (OLG Celle NdsRpfl 1963, 37 f.; OLG Köln VersR 1990, 403, 404; Stein/Jonas/Münzberg, § 767 ZPO Rdnr. 10; Zöller/Schneider, § 767 ZPO Rdnr. 8; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 767 ZPO Anm. 3 A; Thomas/Putzo, § 767 ZPO Anm. 5 b aa).
Die Begründetheit der Vollstreckungsgegenklage hängt dann davon ab, ob gegen den Beklagten die von dem Kläger geltend gemachten Gegenrechte – Zurückbehaltungsrecht, Aufrechnung mit Gegenforderungen – bestehen, denen das Berufungsgericht bisher nicht nachgegangen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 609765 |
BB 1992, 1309 |
NJW 1992, 2159 |
ZIP 1992, 850 |
JZ 1993, 94 |
JuS 1993, 79 |