Entscheidungsstichwort (Thema)
Untreuetatbestand, wenn der Angeklagte als Nachlasspfleger aufgrund von steuerberatenden und rechtsberatenden Leistungen zivilrechtliche Aufwendungsersatzansprüche erworben hat. Untreue
Normenkette
StPO § 154 Abs. 2
Tenor
- Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 13. Mai 1996 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Hinblick auf die Teileinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO wird klargestellt, daß der Angeklagte der Untreue in vier Fällen schuldig ist.
- Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im übrigen wegen Untreue in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung und zu einer Gesamtgeldstrafe von 220 Tagessätzen zu je 400 DM verurteilt. Gegen die Verurteilung wendet sich die Revision des Angeklagten mit der näher ausgeführten Sachrüge.
Der Senat hat in der Revisionshauptverhandlung auf Antrag des Generalbundesanwalts das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich der Fälle V und VI der Urteilsgründe mit Blick auf die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen I bis IV der Urteilsgründe eingestellt. Hinsichtlich der verbleibenden Taten führt das Rechtsmittel zur Aufhebung des Strafausspruchs.
Nach den Feststellungen war der Angeklagte lange Jahre für die Geschäftsfrau Ida W. und zwei Kommanditgesellschaften, an denen diese beteiligt war, als Steuer- und teilweise auch Rechtsberater tätig. Nach dem Tod Ida W. am 11. März 1987 wurde er mit notarieller Urkunde vom 11. Juni 1987 zum Pfleger ihres umfangreichen Nachlasses bestellt. Wenngleich diese Bestellung erst am 9. März 1989 aufgehoben wurde, war die Nachlaßpflegertätigkeit des Angeklagten bereits im Juni 1988 faktisch beendet. Dafür setzte das Nachlaßgericht eine Pflegervergütung von 358.760 DM fest, die der Angeklagte dem Nachlaß entnahm. Den Gegenstand des strafrechtlichen Vorwurfs bilden weitere Entnahmen aus dem Nachlaß während der Zeit der Nachlaßpflegschaft.
I.
Der Schuldspruch in den Fällen I bis IV der Urteilsgründe ist nicht zu beanstanden.
Noch im zweiten Halbjahr 1987 hatte der Angeklagte dem Nachlaß in vier Teilbeträgen insgesamt 459.600 DM entnommen (Fälle I-IV der Urteilsgründe) und dies damit begründet, er habe noch zu Lebzeiten Ida W. für diese steuer-, rechts- und anlageberatende Tätigkeiten entfaltet, die noch nicht bezahlt gewesen seien. Tatsächlich hat er insoweit - wie das Landgericht zutreffend errechnet hat - insgesamt 319.838,28 DM veruntreut.
Das Landgericht hat dazu ohne Rechtsfehler dargelegt, der Angeklagte habe dem Nachlaß das Geld in dem Wissen entnommen, daß er darauf keinen Rechtsanspruch gehabt habe. Wie im angefochtenen Urteil näher ausgeführt ist, waren die drei Honorarabrechnungen, auf die der Angeklagte seine Entnahmen stützen will, von ihm erst im Mai 1988 erstellt und auf den 15. Juli 1987 rückdatiert worden. Dabei hat er einerseits Leistungen aufgeführt, die schon über eine der beiden Kommanditgesellschaften abgerechnet waren, andererseits persönliche Anlageberatung in Rechnung gestellt, die so nie geleistet worden war, schließlich bewußt überhöhte Gutachterkosten abgerechnet. Nur eine der drei Rechnungen war in Höhe eines Teilbetrages von 139.761,72 DM gerechtfertigt. Auch wenn dies in der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils nicht ausdrücklich dargelegt ist, durfte das Landgericht - wie dem Zusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen ist - aus dieser Abrechnungsweise den Schluß ziehen, der Angeklagte habe schon kurz nach seiner Bestellung zum Nachlaßpfleger den Entschluß gefaßt, sich unberechtigt aus dem Nachlaß zu bedienen, und die späteren Abrechnungen seien überwiegend zu dem Zweck erstellt worden, die entsprechenden Entnahmen zu kaschieren.
Soweit die Revision sich gegen diese Feststellungen richtet, erschöpft sie sich in dem unzulässigen Versuch, die tatrichterliche Beweiswürdigung durch eigene Erwägungen zu ersetzen. Rechtlich war es dem Landgericht auch nicht verwehrt, zu prüfen, ob der Ansatz von jeweils 30/10 Gebühren für in Auftrag gegebene, jedoch nicht fertiggestellte Rechtsgutachten sich noch innerhalb des billigen Ermessen im Sinne des Leistungsbestimmungsrechts des Angeklagten bewegte. Die nach Abwägung der Umstände vorgenommene Rückführung auf zwei 10/10 Gebühren ist nicht zu beanstanden.
Untreue ist hier nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Angeklagte möglicherweise während seiner Tätigkeit als Nachlaßpfleger aufgrund von Steuer- und rechtsberatenden Leistungen Aufwendungsersatzansprüche erwarb, die er nach den §§ 1835 Abs. 1, 670 BGB in Verbindung mit den §§ 1915 Abs. 1, 1960, 1962 BGB neben seiner Pflegervergütung gesondert hätte in Rechnung stellen und dem Nachlaß ohne Einschaltung des Nachlaßgerichts entnehmen können (dazu BVerfGE 54, 251, 274 ff; Diederichsen in Palandt, BGB 56. Aufl. § 1835 Rdn. 2 und 18 mit Hinweis auf KG in JW 1935, 546 und in OLG 18, 299; Damrau in Soergel, BGB 12. Aufl. § 1835 Rdn. 19; BayObLG FamRZ 1989, 433 und 1119; 1991, 861; OLG Köln NJW 1967, 2408). Diese Forderungen des Angeklagten konnten jedenfalls nicht mit den den Fällen I bis IV zugrundeliegenden Entnahmen verrechnet werden. Schon der Umstand, daß - wie das Landgericht unbeschadet der Teileinstellung durch den Senat rechtsfehlerfrei festgestellt hat - er wegen seiner möglichen Aufwendungsersatzansprüche ab Mai 1988 (Fälle V und VI) weitere Gelder aus dem Nachlaß entnahm, zeigt, daß die früheren Entnahmen der Fälle I bis IV ihrerseits nicht dem Zweck dienen konnten, solche berechtigten Aufwendungsersatzansprüche zu befriedigen, sondern mit dem Vorsatz rechtswidriger Bereicherung erfolgten. Der Angeklagte hat dem Nachlaßvermögen damit auch einen Nachteil im Sinne von § 266 StGB zugefügt, denn durch die Verschleierung des wahren Verwendungszwecks der Entnahmen mit Hilfe fingierter Rechnungen hat er zunächst erfolgreich verhindert, daß diese Entnahmen seitens des Nachlaßvermögens mit möglicherweise berechtigten Aufwendungsersatzansprüchen verrechnet werden konnten. Bei dieser Sachlage ist auch unerheblich, daß der Angeklagte aufgrund seiner Vermögensverhältnisse finanziell in der Lage gewesen wäre, den Untreueschaden jederzeit gutzumachen, denn da er keine Wiedergutmachung beabsichtigte, konnte er zu diesem Zweck auch keine Mittel bereithalten.
II.
Wegen der Teileinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO entfallen die Schuldsprüche in den Fällen V und VI der Urteilsgründe, ferner die insoweit verhängten Einzelstrafen. Weiter werden aber auch die übrigen Einzelstrafen und damit der gesamte Strafausspruch davon erfaßt, denn der Senat kann nicht ausschließen, daß insbesondere der vom Landgericht im Fall V angenommene große Schuldumfang und die dafür verhängte zweithöchste Einzelstrafe von einem Jahr und fünf Monaten die in den Fällen I bis IV erkannten Einzelstrafen zum Nachteil des Angeklagten beeinflußt haben könnten. Das folgt auch daraus, daß das Landgericht dem Angeklagten in allen Fällen straferschwerend angelastet hat, sein den Nachlaß schädigendes Verhalten habe sich über einen Tatzeitraum von neun Monaten erstreckt. Dieser Tatzeitraum hat sich durch die Verfahrensbeschränkung auf nur noch ca. vier Monate verkürzt.
Der neue Tatrichter wird bei der Begründung der neu festzusetzenden Strafen und der Darlegung, inwieweit sich dabei die schon vom ersten Tatrichter angesprochenen ungewöhnlichen Verfahrensverzögerungen jeweils auf die Strafhöhe ausgewirkt haben, die Maßstäbe zu berücksichtigen haben, die das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die Überprüfbarkeit dieser besonderen Kompensation aufgestellt hat (vgl. dazu BVerfG NJW 1984, 967; 1992, 2472; 1993, 3254; 1995, 1277, jeweils unter Bezugnahme auf EGMR EuGRZ 1983, 378, und BVerfG, Beschluß des Vorprüfungsausschusses des 2. Senats vom 7. März 1997 - 2 BvR 2173/96 -).
Unterschriften
Schäfer
Ulsamer
Maul
Brüning
Wahl
Fundstellen