Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 25. Juni 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien betreiben den Einzelhandel mit Geräten der Unterhaltungselektronik und der Telekommunikation.
In einer mehrseitigen, nachstehend auszugsweise und verkleinert wiedergegebenen Werbebeilage zur Süddeutschen Zeitung vom 4. Juli 1996 warb die Beklagte für ein Mobiltelefon der Marke Siemens zu einem sogenannten „Saturnpreis” von 5 DM, der gemäß der Werbung nur bei gleichzeitiger Freischaltung eines 12-monatigen Debitel-D1-Netzkartenvertrages gelten sollte. Als Preis „ohne Karte” gab die Beklagte 799 DM an:
Die Klägerin hat diese Werbung als wettbewerbswidrig und als einen Verstoß gegen die Zugabeverordnung beanstandet.
Sie hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber dem letzten Verbraucher für Mobilfunktelefone zu werben, die nur in Verbindung mit der Freischaltung eines mehrmonatigen Netzkartenvertrages abgegeben werden, wenn für diese Geräte ein Preis von weniger als 10 DM verlangt wird und/oder derart beworbene Geräte zu einem Preis unter 10 DM an letzte Verbraucher abzugeben,
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die in Ziffer 1 genannte Wettbewerbshandlung entstanden ist oder noch entstehen wird.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat einen Verstoß gegen die Zugabeverordnung verneint, in der beanstandeten Werbung jedoch ein nach § 1 UWG wettbewerbswidriges übertriebenes Anlocken gesehen und die Beklagte mit der Maßgabe antragsgemäß verurteilt, daß die festgestellte Schadensersatzverpflichtung auf den Zeitraum ab Erscheinen der Werbung am 4. Juli 1996 beschränkt ist.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Nach Einlegung der Revision hat die Klägerin die Klage zurückgenommen, soweit mit ihr der Ausspruch eines Veräußerungsverbotes gefordert worden ist. Auf einen den Parteien unterbreiteten Vorschlag des Senats, den Rechtsstreit durch Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen und Verständigung auf eine Kostenaufhebung beizulegen, hat die Klägerin den Rechtsstreit im übrigen für erledigt erklärt.
Die Beklagte hat der Teilrücknahme, nicht aber der Erledigungserklärung zugestimmt. Die Klägerin hat daraufhin erklärt, sie verfolge ihre ursprünglichen Klageanträge – soweit nicht zurückgenommen – weiter; die Erledigung der Hauptsache habe sie nur unter der Voraussetzung erklärt, daß der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt werde.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt hinsichtlich des nach der Teilrücknahme noch im Streit befindlichen Teils des Rechtsstreits zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Gegenstand des Rechtsstreits sind – mit Ausnahme des zurückgenommenen Teils der Klage – die ursprünglichen und vom Berufungsgericht zuerkannten Anträge auf Unterlassung und Feststellung der Schadensersatzpflicht. Die Klägerin hat ihre ursprünglichen Klageanträge in zulässiger Weise wieder aufgegriffen; an ihre – einseitig gebliebene – Erledigungserklärung ist sie nicht gebunden.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob im Streitfall die Voraussetzungen vorliegen, unter denen eine einseitige Erledigungserklärung in der Revisionsinstanz nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohne weiteres zuzulassen ist (vgl. hierzu BGHZ 106, 359, 368; 141, 307, 316; BGH, Urt. v. 28.6.1993 – II ZR 119/92, NJW-RR 1993, 1123, 1124; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 91a Rdn. 51; Musielak/Wolst, ZPO, 2. Aufl., § 91a Rdn. 33 a.E.). Ebensowenig bedarf es der Entscheidung, ob die Klägerin ihre Erledigungserklärung bedingt für den Fall abgeben konnte, daß die Beklagte zustimmt. Denn auch im Falle einer – im Revisionsverfahren beachtlichen – unbedingten Erledigungserklärung ist die Klägerin nicht daran gehindert, zu ihren ursprünglichen Anträgen zurückzukehren.
Eine Erledigungserklärung ist grundsätzlich frei widerruflich, solange sich der Beklagte ihr nicht angeschlossen und das Gericht noch keine Entscheidung über die Erledigung der Hauptsache getroffen hat (vgl. OLG München OLG-Rep 1995, 107, 108; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 170; OLG Nürnberg NJW-RR 1989, 444, 445; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 91a Rdn. 38; Musielak/Wolst aaO § 91a Rdn. 30; MünchKomm.ZPO/Lindacher, 2. Aufl., § 91a Rdn. 37; Zimmermann, ZPO, 5. Aufl., § 91a Rdn. 21; Steiner in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 91a Rdn. 6; Zöller/Vollkommer aaO § 91a Rdn. 35; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 91a Rdn. 32; a.A. wohl Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 59. Aufl., § 91a Rdn. 93; offengelassen in BGH, Urt. v. 1.6.1990 – V ZR 48/89, NJW 1990, 2682). Nach zutreffender Ansicht handelt es sich bei der Erledigungserklärung um eine Prozeßhandlung, die – wenn sie einseitig bleibt – eine nach § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageänderung darstellt. Sie umfaßt für diesen Fall den Antrag festzustellen, daß sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat (vgl. BGHZ 106, 359, 366; BGH, Beschl. v. 26.5.1994 – I ZB 4/94, NJW 1994, 2363, 2364 – Greifbare Gesetzwidrigkeit II, m.w.N.; Musielak/Wolst aaO § 91a Rdn. 29). Solange über diesen Antrag noch nicht entschieden ist, kann die Rückkehr zu den ursprünglichen Klageanträgen ebenfalls als eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung behandelt werden. Eine unmittelbar prozeßgestaltende Wirkung geht von der Erledigungserklärung, solange sie einseitig bleibt, nicht aus (vgl. Musielak/Wolst aaO § 91a Rdn. 30; Zöller/Greger aaO vor § 128 Rdn. 18 und 23; Zöller/Vollkommer aaO § 91a Rdn. 35). Wie schon im Falle der einseitigen Erledigungserklärung, bestehen auch in der Revisionsinstanz gegen eine derartige Klageänderung ausnahmsweise keine Bedenken, weil der Sachverhalt, auf den sich die früheren Anträge stützen, vom Tatrichter bereits gewürdigt worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 18.6.1998 – IX ZR 311/95, NJW 1998, 2969, 2970; Lüke in Stein/Jonas aaO § 263 Rdn. 45).
2. Die Revision rügt mit Erfolg, daß sich die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Feststellung der Schadensersatzpflicht nicht aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens herleiten lassen.
Wie der Senat in mehreren nach Erlaß des Berufungsurteils ergangenen Entscheidungen vom 8. Oktober 1998 ausgeführt hat, stellt sich die Werbung mit der an den Abschluß eines Netzkartenvertrages gekoppelten unentgeltlichen oder besonders günstigen Abgabe eines Mobiltelefons als ein legitimer Hinweis auf den günstigen, durch verschiedene Bestandteile geprägten Preis der angebotenen Gesamtleistung dar, durch den die eigene Leistungsfähigkeit hervorgehoben wird (BGHZ 139, 368, 374 f. – Handy für 0,00 DM; BGH, Urt. v. 8.10.1998 – I ZR 7/97, GRUR 1999, 261, 263 = WRP 1999, 94 – Handy-Endpreis; Urt. v. 8.10.1998 – I ZR 147/97, WRP 1999, 517, 518 m.w.N.). Die damit verbundene Anlockwirkung ist nicht wettbewerbswidrig, sondern liegt als gewollte Folge in der Natur des Leistungswettbewerbs (vgl. BGH, Urt. v. 28.4.1994 – I ZR 68/92, GRUR 1994, 743, 744 = WRP 1994, 610 – Zinsgünstige Kfz-Finanzierung durch Herstellerbank; Urt. v. 25.9.1997 – I ZR 84/95, GRUR 1998, 500, 501 = WRP 1998, 388 – Skibindungsmontage). Im Hinblick auf die Senatsentscheidungen vom 8. Oktober 1998 tritt dem auch die Revisionserwiderung nicht mehr entgegen.
3. Das Berufungsgericht hat – aus seiner Sicht folgerichtig – ungeprüft gelassen, ob die beanstandete Werbung hinsichtlich der Darstellung der Preise für die Leistungen aus dem Netzkartenvertrag gegen das Irreführungsverbot oder gegen die Gebote der Preisangabenverordnung verstößt. Zu dieser Prüfung besteht nunmehr Veranlassung.
a) Gegenstand des Unterlassungs- und Feststellungsbegehrens ist auch die konkrete Verletzungsform in Gestalt der angegriffenen Werbung vom 4. Juli 1996, die der Klägerin Anlaß zur Klageerhebung gegeben hat.
Dies gilt ungeachtet der abstrakten und weiten Fassung der Klageanträge. Sie beziehen sich – ebenso wie die ihnen weitgehend entsprechende Verurteilung – schlechthin auf die Werbung für Mobiltelefone zu einem Preis von weniger als 10 DM, wenn die Abgabe an den Abschluß eines mehrmonatigen Netzkartenvertrages gekoppelt ist, und gehen damit weit über die konkrete Verletzungsform hinaus. Diese ist aber als Minus in den Klageanträgen enthalten. Denn dem zur Auslegung der Anträge heranzuziehenden Klagevorbringen, das zur Begründung des erstrebten Verbots auch auf Einzelheiten der konkreten Werbeanzeige eingeht, läßt sich mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, daß jedenfalls die konkrete Verletzungsform Gegenstand des begehrten Unterlassungsausspruchs und der daran anknüpfenden Schadensersatzpflicht sein soll (vgl. BGH, Urt. v. 15.9.1999 – I ZR 131/97, GRUR 2000, 436, 438 = WRP 2000, 383 – Ehemalige Herstellerpreisempfehlung; Urt. v. 10.12.1998 – I ZR 141/96, GRUR 1999, 509, 511 = WRP 1999, 421 – Vorratslücken; Urt. v. 3.12.1998 – I ZR 74/96, GRUR 1999, 760 f. = WRP 1999, 842 – Auslaufmodelle II).
b) Allerdings hat sich die Klägerin in den Vorinstanzen im Zusammenhang mit den Bedingungen des Kartenvertrages nicht ausdrücklich auf einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot oder gegen die Preisangabenverordnung berufen. Dies ist nicht allein eine Frage der dem Gericht obliegenden rechtlichen Einordnung eines vorgetragenen Sachverhalts, weil sich die zugrundeliegenden Lebenssachverhalte unterscheiden können und es sich daher auch um verschiedene Streitgegenstände handeln kann (BGH, Urt. v. 8.6.2000 – I ZR 269/97, GRUR 2001, 181, 182 = WRP 2001, 28 – dentalästhetika). So setzt eine irreführende Werbung die Gefahr einer Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise voraus. Auch was den Verstoß gegen die Preisangabenverordnung angeht, muß sich aus dem Klagebegehren ergeben, daß sich der Kläger – ungeachtet der anzuwendenden Norm – gerade gegen die Art und Weise der Darstellung der Preise in der fraglichen Werbung richtet.
c) Im Streitfall lassen sich dem Klagevorbringen aber genügend Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß die Klägerin als Angriffsziel der Klage jedenfalls auch eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise und unvollständige Preisangaben im Blick hatte. Sie hat sich – wie die Revisionserwiderung mit Recht geltend macht – unter anderem darauf berufen, daß die Bedingungen des Netzkartenvertrages unübersichtlich dargestellt seien, so daß die angesprochenen Verbraucher über die tatsächliche Preisgestaltung im Unklaren gelassen würden. Dieses Vorbringen in Verbindung mit dem weiteren Tatsachenvortrag, wonach die angegriffene Werbeanzeige auf dem knappen zur Verfügung stehenden Raum nur schwer erkennen lasse, daß unabhängig von einer konkreten Nutzung des Netzzugangs mit Vertragsabschluß insgesamt rund 600 DM (Grundgebühr: mtl. 44 DM × 12 zuzüglich Anschlußgebühr: 49 DM) zu leisten seien, steht einer Abweisung der Klage auf der Grundlage des bisherigen Parteivorbringens entgegen.
d) Die Klägerin hatte in der Tatsacheninstanz bislang keine Veranlassung, den Gesichtspunkt der unvollständigen und damit irreführenden Preisangaben besonders zu betonen, weil sie mit dem weiterreichenden Klageziel, die Werbung unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens zu verbieten, durchzudringen schien. Hätte das Berufungsgericht Bedenken gehabt, das beantragte Verbot unter dem Gesichtspunkt eines gegen § 1 UWG verstoßenden übertriebenen Anlockens auszusprechen, hätte es im Hinblick auf entsprechend deutliche Anhaltspunkte im Vorbringen der Klägerin nach § 139 ZPO auf eine Klarstellung dringen müssen, ob sich die Klage auch gegen irreführende oder unvollständige Preisangaben richten sollte. Unter diesen Umständen gebietet es der Anspruch der Parteien auf ein faires Verfahren, daß Gelegenheit für eine entsprechende Klärung besteht (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.1997 – I ZR 69/95, GRUR 1998, 489, 492 = WRP 1998, 42 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III).
4. Das angefochtene Urteil ist danach – soweit es nicht durch Teilklagerücknahme bereits wirkungslos geworden ist (§ 269 Abs. 3 Satz 1 2. Hs. ZPO) – aufzuheben. Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Bornkamm, Pokrant, Büscher
Fundstellen
Haufe-Index 657793 |
BGHR 2002, 431 |