Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufgaben und Stellung eines Testamensvollstreckers
Leitsatz (amtlich)
Ist die Eingehung einer Verbindlichkeit durch den Testamentsvollstrecker für den Nachlass zur ordnungsgemäßen Verwaltung objektiv nicht erforderlich, kann dennoch eine wirksame Nachlaßverbindlichkeit zustande kommen, wenn der Vertragspartner bei Vertragsabschluß annimmt und ohne Fahrlässigkeit annehmen darf, die Eingehung sei zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich.
Normenkette
BGB §§ 670, 2046, 2204 Abs. 1, § 2206 Abs. 1, § 2218
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. November 1980 aufgehoben, soweit es den Berufungsantrag zu 2 des Beklagten (Zahlungen an Rechtsanwältin Dr. Clausnitzer-Hoth) zurückgewiesen hat.
Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien sind zwei von neun Erben des am 28. September 1969 verstorbenen Erblassers Fritz B. In seinem privatschriftlichen Testament vom 31. Juli 1969 hatte der Erblasser den Beklagten als seinen "Nachlaßverwalter" bestimmt und angeordnet, als Entgelt hierfür solle der Beklagte "50 % nach der Gebührenordnung" aus der Erbmasse erhalten. Nach dem Tode des Erblassers übernahm der Beklagte die Testamentsvollstreckung; diese ist noch nicht abgeschlossen. Als Vergütung für seine eigene Tätigkeit beansprucht der Beklagte 125.000,- DM; 83.000,- DM hat er dem Nachlaß bereits entnommen.
Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben als Testamentsvollstrecker hat der Beklagte sich von Anfang an der Rechtsanwältin Dr. C. H., B., (Dr. C.) bedient; diese hat für den Nachlaß verschiedene Rechtsstreitigkeiten geführt, aber auch bei der Erfassung, Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses mitgewirkt. Außer den Rechtsanwaltsgebühren für die von ihr geführten Rechtsstreitigkeiten hat sie aus dem Nachlaß weitere Vergütungen erhalten, und zwar für ihre Tätigkeit in Steuersachen 11.466,- DM, für Hausverwaltung 15.676,53 DM, für die Erstellung eines Auseinandersetzungsplans 10.700,- DM und für die Nachlaßabwicklung im allgemeinen 100.000,- DM. Der Beklagte hält sich für berechtigt, an Dr. C. für die allgemeine Nachlaßabwicklung nicht nur diese 100.000,- DM, sondern dafür insgesamt 125.000,- DM zu zahlen.
Die Klägerin hat anerkannt, daß der Beklagte berechtigt ist, aus dem Nachlaß a) für sich eine Testamentsvollstreckervergütung von 40.000,- DM zu beanspruchen und b) an Rechtsanwältin Dr. C. für die Abwicklung des Nachlasses (über geführte Rechtsstreitigkeiten und die ihm genannten Beträge von 11.466,- DM, 15.676,53 DM und 10.700,- DM hinaus) ein Honorar von 40.000,- DM zu zahlen. Eine höhere Vergütung könne der Beklagte nicht verlangen, und ein höheres Honorar an Dr. C. habe der Beklagte nicht zahlen dürfen. Auf die Widerklage hat das Landgericht entsprechend dem Anerkenntnis dar Klägerin erkannt und hat die darüber hinausgehende Widerklage auf Feststellung weiterer Vergütungsansprüche und Zahlungsrechte des Beklagten abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Der Beklagte hat Revision eingelegt mit dem Begehren festzustellen, daß er berechtigt sei, aus dem Nachlaß über die vom Landgericht festgestellten Beträge von je 40.000,- DM hinaus a) weitere 85.000,- DM als Testamentsvollstreckervergütung zu entnehmen und b) weitere 85.000,- DM als Honorar an Dr. C. zu zahlen. Der Senat hat die Revision nur wegen des zuletzt genannten Antrages zur Entscheidung angenommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt, soweit sie angenommen ist, zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Das Berufungsgericht meint, Rechtsanwältin Dr. C. könne außer den Gebühren und Auslagen für die Nachlaßprozesse, die sie geführt habe, ein Honorar für ihre sonstigen bei der Nachlaßabwicklung entfalteten Tätigkeiten nur dann verlangen, wenn sie Mittestamentsvollstreckerin wäre, oder wenn der Beklagte das Recht gehabt hätte, sie auch für solche Testamentsvollstreckeraufgaben in Anspruch zu nehmen, die ihre besonderen Fachkenntnisse nicht erforderten. Frau Dr. C. sei aber weder Testamentsvollstrecker, noch sei der Beklagte berechtigt gewesen, sie auf Kosten des Nachlasses mit allgemeinen Testamentsvollstreckeraufgaben zu beauftragen. Zwar habe der Beklagte Hilfspersonen hinzuziehen dürfen; die dafür zu zahlenden Vergütungen seien gemäß §§ 2218, 670 BGB aber nur dann als Aufwendungen aus dem Nachlaß zu erstatten, wenn der Beklagte die ausgeführten Arbeiten nicht selbst hätte erledigen können.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß Dr. C. nicht (Mit-)Testamentsvollstreckerin des Erblassers geworden ist. Dem Testament des Erblassers ist eine Ernennung der Rechtsanwältin Dr. C. zur (Mit-)Testamentsvollstreckerin nicht zu entnehmen.
Dagegen ist es verfehlt, wenn das Berufungsgericht die Vergütungen an Rechtsanwältin Dr. C. als Aufwendungen des Beklagten behandelt und prüft, ob der Beklagte gemäß §§ 2218 Abs. 1, 670 BGB Erstattung aus dem Nachlaß verlangen kann. Der Beklagte stützt sich nicht darauf, Aufwendungen aus seinem Vermögen gemacht zu haben, und beansprucht dementsprechend keinen Aufwendungsersatz aus dem Nachlaß. Er begehrt vielmehr die Feststellung, daß er zu bestimmten Zahlungen aus dem Nachlaß an Dr. C. auf eine von ihm eingegangene Nachlaßverbindlichkeit berechtigt sei (oder - soweit die Zahlungen bereits erfolgt sind - berechtigt gewesen sei; siehe dazu unten c). Zu entscheiden war hier daher nicht über einen Anspruch des Beklagten gegen den Nachlaß, sondern über die Berechtigung des Beklagten zu bestimmten Handlungen, nämlich zu den umstrittenen Zahlungen an Rechtsanwältin Dr. C.. Das hat das Berufungsgericht verkannt; schon deshalb kann seine Entscheidung nicht bestehen bleiben.
Für das weitere Verfahren vor dem Berufungsgericht ist auf folgendes hinzuweisen:
a)
Der Testamentsvollstrecker ist weder Vertreter des Erblassers noch Vertreter des Erben. Er hat die Stellung eines Treuhänders und ist Inhaber eines privaten Amtes (BGHZ 25, 275, 279). Seine Aufgabe ist es, den Willen des Erblassers auszuführen. Zu diesem Zweck räumt ihm das Gesetz umfangreiche Rechte ein (§§ 2205 f. BGB). Auf der anderen Seite sind dem Testamentsvollstrecker zum Beispiel in §§ 2216 ff. BGB im Interesse und zum Schutz der Erben besondere Pflichten auferlegt. Dazu gehört es, daß er den Nachlaß ordnungsmäßig zu verwalten (§ 2216 Abs. 1 BGB) und daß er sich unentgeltlicher Verfügungen über Nachlaßgegenstände grundsätzlich zu enthalten hat (§ 2205 Satz 3 BGB). Dementsprechend können die Erben insgesamt und jeder einzelne von ihnen jederzeit verlangen, daß der Testamentsvollstrecker seine Befugnisse nicht überschreite und daß er seine Pflichten erfülle (BGHZ 25, 275, 283).
b)
Was die umstrittenen Zahlungen des Beklagten an Rechtsanwältin Dr. C. angeht, um die es hier geht, wird das Berufungsgericht zu klären haben, ob es sich dabei ganz oder teilweise um unentgeltliche Leistungen aus dem Nachlaß handelt, die dem Testamentsvollstrecker grundsätzlich verwehrt sind. Das liegt nahe, soweit der Testamentsvollstrecker Zahlungen (geleistet hat oder) leisten möchte, die über die am 16. Juni 1978 vereinbarten Zahlungen hinausgehen. Dagegen ist das Recht des Beklagten zu entsprechenden Zahlungen nicht zweifelhaft, soweit es sich um die Erfüllung von Nachlaßverbindlichkeiten handelt (§ 2206 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zur Erfüllung der Nachlaßverbindlichkeiten ist der Beklagte gemäß §§ 2204 Abs. 1, 2046 BGB nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet. Hier wird es zunächst darauf ankommen, ob der Beklagte sich bei der Hinzuziehung der Rechtsanwältin Dr. C. und bei seinen Vereinbarungen mit dieser im Rahmen seiner Befugnisse gemäß § 2206 Abs. 1 BGB gehalten hat, insbesondere darauf, ob die eingegangene Verbindlichkeit im Sinne dieser Vorschrift zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich war. Zur Beurteilung dieser Frage wird das Berufungsgericht alle Umstände, die die Parteien hierzu vorgetragen haben, heranzuziehen haben. Dazu gehören namentlich der Umfang und die Schwierigkeiten der angefallenen Arbeiten, die Möglichkeiten und die Vorbildung des Beklagten sowie die Tatsache, daß seine Vergütung auf 50 % "nach der Gebührenordnung" begrenzt ist; ferner die (mündlichen) Erklärungen des Erblassers über das Vorgehen des Beklagten, die angebliche Vereinbarung des Erblassers mit der Rechtsanwältin Dr. C. von Ende Juli/August 1969 über deren Tätigkeit und Vergütung, die das Berufungsgericht bisher nicht behandelt hat.
Aber selbst wenn der Beklagte die ihm durch seine Pflicht zu ordnungsmäßiger Verwaltung gesetzten Grenzen überschritten haben sollte, kann nach der herrschenden Meinung dennoch eine wirksame Nachlaßverbindlichkeit zugunsten der Rechtsanwältin Dr. C. entstanden sein. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 83, 348, 353; 130, 131, 134) und nach der weit überwiegenden Meinung des neueren Schrifttums (vgl. z.B. MK-Brandner, BGB § 2206 Rdn. 7; Planck/Flad, BGB 4. Aufl. § 2206 Anm. 3), der sich der Senat anschließt, genügt es für die Anwendung von § 2206 Abs. 1 Satz 1, wenn derjenige, mit dem der Testamentsvollstrecker den Vertrag abgeschlossen hat, bei Vertragsschluß annahm und ohne Fahrlässigkeit annehmen konnte, die Eingehung der Verbindlichkeit sei zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses erforderlich. Auch eine so begründete Nachlaßverbindlichkeit war aus dem Nachlaß zu erfüllen; die Berechtigung und die Verpflichtung des Testamentsvollstreckers hierzu folgen auch insoweit aus §§ 2204 Abs. 1, 2046 BGB.
c)
Ob der Beklagte bei einer derartigen Fallgestaltung schuldhaft gehandelt haben und sich infolgedessen gemäß § 2219 BGB schadenersatzpflichtig gemacht haben würde, ist eine andere, hiervon unabhängig zu beurteilende Frage; über sie hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus mit Recht - bisher nicht entschieden. Allerdings kann es nach den Ausführungen des Berufungsgerichts unter H (BU 12 Abs. 1 a.E.) den Anschein erwecken, als erstrebe der Beklagte ferner eine Klärung dahin, daß er berechtigt war, der Rechtsanwältin (die bereits gezahlten) 100.000,- DM zuzusagen, ohne schadensersatzpflichtig zu werden. Ein derartiges Prozeßziel des Beklagten wäre sachdienlich zu verfolgen mit Hilfe eines Antrages festzustellen, daß der Beklagte den Erben gegenüber infolge seiner Zusage nicht schadensersatzpflichtig geworden ist. Das Berufungsgericht wird Gelegenheit haben, auch diese Frage mit den Parteien zu erörtern und gegebenenfalls auf eine entsprechende Klarstellung der Anträge hinzuwirken.
Unterschriften
Dr. Hoegen
Rottmüller
Dehner
Dr. Schmidt-Kessel
Dr. Zopfs
Fundstellen