Leitsatz (amtlich)
Verlegt der Inhaber eines Leitungsrechts eigenmächtig gegen den Willen des Grundeigentümers eine nach § 57 Abs. 1 TKG zu duldende neue Leitung, ist dies keine verbotene Eigenmacht.
Eine Dienstbarkeit, die dem Inhaber die unterirdische Verlegung, den Betrieb und die Unterhaltung einer Ferngasleitung mit Kabel und Zubehör (betriebsinterne Überwachungsleitung) gestattet, berechtigt nicht zu einer umfassenden telekommunikativen Nutzung der belasteten Grundstücke.
Der Anwendungsbereich von § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG ist nicht auf Inhaber von Leitungsrechten beschränkt, die zugleich über eine Übertragungswegelizenz verfügen und in dieser Auslegung verfassungsrechtlich unbedenklich.
Ein Grundstückseigentümer hat einen Anspruch auf einmaligen Ausgleich in Geld auch dann, wenn eine bislang nur der betriebsinternen Überwachung dienende und entsprechend dinglich abgesicherte Telekommunikationsleitung zu einer Leitung umgebaut wird, die zu Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit dient.
Die Höhe dieses Anspruchs richtet sich in erster Linie nach dem Entgelt, das nach den jeweiligen Marktverhältnissen für die Einräumung eines Leitungsrechts zu allgemeinen Telekommunikationszwecken gezahlt wird.
Normenkette
BGB § 858 Abs. 1; TKG § 57 Abs. 1; BGB § 1090; TKG § 57 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 14 Abs. 1 S. 2; TKG § 57 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird unter deren Zurückweisung im übrigen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. Oktober 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Antrag auf Zahlung abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer von Grundstücksflächen, die teilweise an eine Golfplatzbetreiberin und im übrigen zur landwirtschaftlichen Nutzung verpachtet sind. Mit Vertrag vom 27./28. November 1992 gestattete er der Rechtsvorgängerin der Beklagten, auf diesen Grundstücken innerhalb eines 8 m breiten Schutzstreifens eine Ferngasleitung sowie ein der Überwachung und Steuerung dienendes Meß- und Fernmeldekabel zu verlegen und zu nutzen. Dieses Recht wurde gegen Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 523.090,20 DM durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit dinglich gesichert. In einer Tiefe von 1,10 m wurde parallel zu einer ca. 2 km langen Gaspipeline ein 5 cm breites Kabelschutzrohr verlegt, in das ein Lichtwellenleiterkabel (LWL-Kabel) mit 4 Faserpaaren eingezogen wurde, das für die zur Überwachung und Steuerung der Anlage erforderliche betriebsinterne Kommunikation bestimmt war.
Nachdem der Beklagten wegen ihrer marktbeherrschenden Stellung auf dem Energieversorgungssektor die Erteilung einer Übertragungswegelizenz (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 TKG) versagt worden war, räumte sie das Nutzungsrecht an dem Kabelrohr mit Vertrag vom 20. Dezember 1995 der mit einer solchen Lizenz ausgestatteten Firma V. ein. Außerdem verlegte sie im November 1996 nach gescheiterten Vertragsverhandlungen ohne Wissen des Klägers ein leistungsstärkeres, mit 30 Faserpaaren bestücktes LWL-Kabel, das nicht nur zu innerbetrieblichen Datenübermittlung, sondern auch zur Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit geeignet war. Dieses Kabel wurde durch eine später wieder beseitigte Baugrube mittels Preßluft überwiegend anstelle, teilweise aber auch parallel zu dem bereits verlegten LWL-Kabel in das vorhandene Kabelschutzrohr eingeblasen.
Das Berufungsgericht wies einen Antrag des Klägers auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zur vorläufigen Untersagung der Inbetriebnahme des neuen Kabels zurück (NJW 1997, 3030 ff = Multi Media und Recht, MMR 1998, 40 ff). Im vorliegenden Hauptsacheverfahren hat das Landgericht (NJW 1997, 3031 ff = MMR 1998, 47 ff) dem auf Beseitigung des LWL-Kabels, hilfsweise auf Unterlassung seiner Nutzung zu betriebsfremden Zwecken und vorsorglich auf Entschädigung gerichteten Begehren des Klägers teilweise entsprochen. Es hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, die Nutzung des neu verlegten Kabels für Zwecke der Telekommunikation oder zu anderen nicht zur Überwachung bzw. dem Betrieb der Erdgaspipeline dienenden Zwecken bis zur Zahlung von 52.309,02 DM zu unterlassen. Das Berufungsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen (MMR 1999, 161 ff m. Anm. Hamm). Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er seine Klageanträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Kläger habe weder aus Besitz noch aus Eigentum Ansprüche auf Beseitigung oder Unterlassung. Die Neuverlegung und Nutzung des höherwertigen LWL-Kabels müsse er dulden. Diese Duldungspflicht ergebe sich zwar nicht aus der Dienstbarkeit, folge jedoch aus § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG, auch wenn die Beklagte nicht selbst Inhaberin einer Lizenz nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 TKG sei. Ein Ausgleichsanspruch nach § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG scheitere daran, daß schon bisher ein zur betriebsinternen Kommunikation genutzter Leitungsweg vorhanden gewesen sei. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zwinge zu keiner anderen Auslegung. Für eine Entschädigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) verbleibe neben dieser gesetzlichen Regelung kein Raum.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nur insoweit nicht stand, als ein Zahlungsanspruch abgewiesen worden ist.
II.
Rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht einen Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch.
1. Der Kläger hat solche Ansprüche nicht unter dem Gesichtspunkt des Besitzschutzes (§ 862 Abs. 1 BGB). Es spricht bereits vieles dafür, daß er an dem im Schutzstreifen verlegten Kabelschutzrohr und seinem Inhalt keinen unmittelbaren Teilmitbesitz inne hat, sondern – wie das Berufungsgericht angenommen hat – insoweit nur mittelbarer Besitzer ist (§ 868 BGB), der im vorliegenden Fall keinen Besitzschutz genießt (§ 869 Satz 1 BGB; vgl. auch BGH, Urt. v. 1. Dezember 1976, VIII ZR 127/75, WM 1977, 218). Auch wenn man mit der Revision von einem unmittelbaren Teilmitbesitz an der vorhandenen Anlage ausginge, fände ein Besitzschutz nicht statt, weil es sich hier um die Grenzen des dem einzelnen Mitbesitzer zustehenden Gebrauchs handelt (§ 866 BGB; vgl. auch BGHZ 29, 372, 377). Ein Besitzstörungsanspruch des Klägers scheitert aber vor allem daran, daß das Verhalten der Beklagten schon keine verbotene Eigenmacht darstellt, weil ihr die Verlegung der neuen Leitung gestattet ist (§ 858 Abs. 1 BGB). Wie noch ausgeführt wird, konnte der Kläger die Errichtung dieser Leitung nach § 57 Abs. 1 TKG „nicht verbieten”. Schon dieser Wortlaut des Gesetzes zeigt, daß der Beklagten damit nicht nur ein petitorischer Anspruch (vgl. § 863 BGB) auf Duldung der Leitung eingeräumt werden sollte, sondern sie diese auch gegen den Widerspruch des Grundeigentümers eigenmächtig bauen durfte. Dies steht im Einklang mit dem Gesetzeszweck, wonach schnellstmöglich ein Leitungsnetz für die Telekommunikation aufgebaut werden sollte (vgl. auch unten 2 Buchst. c). Damit unvereinbar wäre es, wenn die Energieversorgungsunternehmen einen Duldungsanspruch für die neue Leitung erst unter Umständen langwierig gerichtlich durchsetzen müßten (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1999, 956, 957; Schuster, MMR 1999, 137, 141 ff). Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, daß der Senat im vorliegenden Verfahren gleichzeitig mit Rechtskraftwirkung über die Berechtigung der Beklagten nach § 57 Abs. 1 TKG als kontradiktorisches Gegenteil des abgewiesenen Abwehranspruchs (§ 1004 BGB) entscheidet und auch deshalb die Besitzschutzklage scheitern müßte (§ 864 Abs. 2 BGB; vgl. auch BGHZ 73, 355; Senatsurt. v. 23. Februar 1979, V ZR 133/76, NJW 1979, 1359).
2. Ein Abwehranspruch des Klägers nach § 1004 BGB ist ausgeschlossen (§ 1004 Abs. 2 BGB).
a) Das Berufungsgericht sieht – entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung – zutreffend in der Dienstbarkeit keine Berechtigung zu einer umfassenden telekommunikativen Nutzung der betroffenen Grundstücke.
Angesichts des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs und des damit angestrebten Verkehrsschutzes ist zur Ermittlung des Inhaltes und Umfangs eines dinglichen Rechtes vorrangig auf den Wortlaut und den Sinn der Grundbucheintragung abzustellen, wie er sich aus dem Grundbuch und der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt. Umstände außerhalb dieser Urkunde dürfen zur Auslegung nur insoweit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind. Grundbucheintragung und in Bezug genommene Eintragungsbewilligung kann das Revisionsgericht dabei selbst auslegen (vgl. z.B. BGHZ 60, 226, 230; 92, 351, 355). Die im Vertrag vom 27./28. November 1992 nebst Anlagen enthaltenen Erklärungen sind in der bereits am 24. November 1992 gesondert beurkundeten Eintragungsbewilligung nicht erwähnt. Für den ursprünglichen Inhalt der bestellten Dienstbarkeit sind damit ausschließlich Grundbucheintragung und Eintragungsbewilligung maßgebend.
Der Grundbucheintrag selbst enthält keine nähere inhaltliche Festlegung des „Gasleitungsrechts”. Die in Bezug genommene Eintragungsbewilligung gestattet die unterirdische Verlegung, den Betrieb und die Unterhaltung einer Ferngasleitung mit Kabel und Zubehör (Anlage) in einem 8 m breiten Schutzstreifen. Damit stellt sie einen funktionalen Bezug zwischen Kabelverbindung und Pipelinebetrieb her und räumt keine Befugnis zum Betrieb eines allgemeinen Telekommunikationsnetzes ein. Außerbetriebliche telekommunikative Aktivitäten sind daher nach dem Inhalt des Grundbuchs von dem bestellten Leitungsrecht nicht umfaßt (vgl. auch OLG Oldenburg MMR 1999, 173; Schütz, NVwZ 96, 1056, 1058; ders. in Beck'scher TGK-Kommentar, 1997, § 57 Rdn. 9; a.A. Hamm, MMR 1999, 165, 166).
Auch daraus, daß sich der Inhalt einer Dienstbarkeit im Laufe der Zeit entsprechend dem Bedürfnis des Berechtigten unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung und einem dadurch gesteigerten Nutzungsbedarf erweitern kann, folgt nichts anderes. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt eine inhaltliche Erweiterung einer Dienstbarkeit in diesen Fällen nur in Betracht, wenn sich die Bedarfssteigerung in den Grenzen einer der Art nach gleichbleibenden Nutzung hält und nicht auf eine zur Zeit der Dienstbarkeitsbestellung unvorhersehbare oder willkürliche Benutzungsänderung zurückzuführen ist (BGHZ 44, 171, 172 f; Senatsurteile v. 30. September 1994, V ZR 1/94, NJW-RR 1995, 15, 16 und v. 20. Mai 1988, V ZR 29/87, NJW-RR 1988, 1229, 1230). Aufbau und Betrieb eines der Information der Öffentlichkeit dienenden Telekommunikationsnetzes sind aber eine nach diesen Maßstäben unzulässige qualitative Nutzungsänderung, die zudem auf einer Ausweitung des wirtschaftlichen Betätigungsfeldes der Energieversorgungsunternehmen auf den Telekommunikationssektor beruht, die bei Bestellung des Rechts nicht absehbar war (vgl. OLG Oldenburg MMR 1999, 173; a.A. Hamm MMR 1999, 166).
Soweit Rechtsprechung und Literatur teilweise auch bei nicht voraussehbaren qualitativen Nutzungsänderungen eine inhaltliche Ausweitung von Dienstbarkeiten unter der Voraussetzung befürworten, daß sich die Nutzungsintensität hierdurch nicht erhöht (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 1990, 663 m.w.N.; MünchKomm-BGB/Falckenberg, 3. Aufl., § 1018 Rdn. 53; Schütz, aaO, § 57 Rdn. 10), kann dem der Senat nicht folgen. Solche inhaltlichen Erweiterungen entfernen sich zu weit von dem durch Grundbuch und Eintragungsbewilligung vorgegebenen Nutzungsrahmen und führen im ungünstigsten Fall zu einer uferlosen Ausweitung des dinglichen Rechts.
b) Die Bestückung des vorhandenen Kabelschutzrohrs mit einem leistungsstärkeren LWL-Kabel muß der Kläger aber – wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat – nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG dulden. Der Grundstückseigentümer kann die Verwendung einer durch ein Recht gesicherten Leitung oder Anlage für die Errichtung, den Betrieb oder die Erneuerung einer Telekommunikationslinie nicht verbieten, wenn die Nutzbarkeit des Grundstücks hierdurch nicht dauerhaft zusätzlich eingeschränkt wird. Das stellt gegenüber dem Duldungstatbestand des § 57 Abs. 1 Nr. 2 TKG (Duldung unwesentlicher Beeinträchtigungen) die speziellere Regelung dar (Schütz, aaO, § 57 Rdn. 6).
aa) Die Voraussetzungen von § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Der auf den Grundstücken des Klägers parallel zu der Ferngasleitung in einem Kabelschutzrohr verlegte, mit 4 Faserpaaren versehene LWL-Kabelstrang ist durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit dinglich gesichert. Die Verlegung des höherwertigen LWL-Kabels erfolgte unter Einsatz moderner Einblastechnik. Der Vorgang schränkte die Nutzbarkeit der betroffenen Grundstücke nicht zusätzlich dauerhaft ein. Die Erdarbeiten gingen von einer ca. 20 qm großen Baugrube aus, die auf einem vom Kläger an die Beklagte verpachteten Grundstück errichtet und umgehend wieder beseitigt wurde (vgl. auch OLG Düsseldorf in NJW 1999, 956, 957 = MMR 1998, 533, 534; Hoeren, MMR 1998, 2 f; Schuster, MMR 1999, 139). Auch das Vorhandensein des neu verlegten Kabels führt zu keiner spürbaren Nutzungsbeeinträchtigung, denn es nimmt gegenüber der ursprünglichen Leitung keinen zusätzlichen Raum in Anspruch. Es unterscheidet sich nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts nur in seiner Leistungsstärke von der bisherigen betriebsinternen Kommunikationsverbindung. Die Existenz dieser höherwertigen Telekommunikationsleitung stört damit zusätzlich weder den Betrieb des angelegten Golfplatzes noch eine sonstige, insbesondere landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks (vgl. auch OLG Frankfurt, MMR 1998, 41 = NJW 1997, 303; OLG Düsseldorf, NJW 1999, 956, 957 = MMR 1999, 533, 534; OLG Oldenburg, MMR 1999, 173, 174; Hoeren, MMR 1998, 3; Schuster, MMR 1999, 139; Schütz, NVwZ 1996, 1058 und Kommentar zum TKG § 57 Rdn. 14; Lammich, Kommentar zum TKG, Stand November 1996, § 50 Rdn. 6, § 57 Rdn. 3; Etling-Ernst, Praxis-Kommentar zum TKG, 2. Aufl., 1999, § 57 Rdn. 9; Schäfer/Just, ArchivPT 1997, 203 f).
Auch das von der Revision angeführte höhere abstrakte Haftungsrisiko für vom Grundstückseigentümer verursachte Kabelschäden führt nicht zu einer zusätzlichen Nutzbarkeitsbeschränkung (vgl. auch OLG Frankfurt NJW 1997, 3030, 3031 = MMR 1998, 40 f; Schuster MMR 1999, 139 f; Hoeren MMR 1998, 3, 5 f; a.A. Schmidt, ArchivPT 1997, 224; Schäfer/Just, ArchivPT 1997, 203, 204 [wohl nur für den Fall, daß Grabungsarbeiten beabsichtigt sind]). Der Gesetzgeber hat diesem Gesichtspunkt keine Bedeutung beigemessen (Schmidt, ArchivPT 1997, 224). Würde man ihn als zusätzliche dauerhafte Nutzungsbeeinträchtigung im Sinne des § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG werten, dann würde für diese Bestimmung kaum noch ein Anwendungsbereich verbleiben, weil jede Nutzungserweiterung einer bereits vorhandenen Leitung zu öffentlichen Telekommunikationszwecken mit einer entsprechenden Gefahrenerhöhung verbunden wäre. Ob dies bei Konkretisierung dieses Haftungsrisikos infolge beabsichtigter Tiefbauarbeiten anders zu beurteilen wäre (so wohl Etling-Ernst, aaO; Schäfer/Just, aaO), kann offen bleiben. Solche Erdarbeiten sind dem Kläger bereits aufgrund der in der Eintragungsbewilligung enthaltenen Verpflichtung verwehrt, im Bereich des festgelegten Schutzstreifens keine Einwirkungen vorzunehmen, die den Bestand oder den Betrieb der Anlage gefährden könnten.
bb) Mit Recht hat das Berufungsgericht den Anwendungsbereich von § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG nicht auf Inhaber von Leitungsrechten beschränkt, die zugleich über eine Übertragungswegelizenz verfügen. Diese Vorschrift trifft im Gegensatz zu der für die Inanspruchnahme von Verkehrswegen geltenden Regelung des § 50 Abs. 1, Abs. 2 TKG keine ausdrückliche Bestimmung über die Person des Anspruchsberechtigten, sondern begnügt sich mit der Festlegung des zu duldenden Tatbestands. Rechtsprechung und Schrifttum haben sich daher mit der Frage befaßt, ob das Wegerecht in Anlehnung an § 50 Abs. 2 TKG nur einem mit einer Lizenz gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 TKG ausgestatteten Anspruchsinhaber zukommt. Dies ist jedoch in Übereinstimmung mit der überwiegend in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung (OLG Düsseldorf NJW 1999, 956, 957 = MMR 1999, 533, 534 f; OLG Frankfurt NJW 1997, 3030 = MMR 1998, 40, 41; Hoeren MMR 1998, 1, 3 ff; Schuster, MMR 1998, 137, 138 f; Ellinghaus, CR 1999, 420, 424 f; Lammich, Kommentar zum TKG, § 57 Rdn. 3; Geppert/Ruhle/Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, 1998, VI, Rdn. 157, Übersicht 12, S. 146; wohl auch Schütz, NVwZ 1996, 1056, 1059 f; ders. im Kommentar zum TKG, § 57 Rdn. 12) abzulehnen. Die gegenteilige Rechtsansicht (Schäfer/Just, ArchivPT 1997, 200, 203; Schmidt, ArchivPT 1997, 224, 225 f; Schäfer/Hoenike, EWiR 1999, 79, 80; Bullinger, ArchivPT 1998, 105, 117) findet weder im Gesetzeswortlaut noch in der Regelungssystematik eine hinreichende Stütze. Auch Gesetzeszweck und Entstehungsgeschichte sprechen gegen sie.
Der Gesetzestext selbst liefert keinen Hinweis auf die notwendige Identität von Rechtsinhaber und Lizenzträger. Die Gesetzessystematik belegt dies ebenfalls nicht. Zwar ist das Argument, daß Errichtung, Betrieb und Erneuerung von Telekommunikationslinien (§ 3 Nr. 20 TKG) im Gegensatz zum Betrieb von Übertragungswegen (§ 3 Nr. 22 TKG) nicht der Lizenzpflicht unterliegen, für sich allein nicht tragfähig, weil § 50 Abs. 2 TKG auch die lizenzfreie Nutzung von Telekommunikationslinien nur Lizenznehmern zubilligt. Entscheidend ist aber, daß § 50 TKG, der die Nutzung bei Verkehrsflächen nur Lizenzträgern gestattet, in einen inneren systematischen Zusammenhang mit der verfassungsrechtlich verankerten Liberalisierungsaufgabe steht und daher nicht isoliert betrachtet zur Auslegung anderer Nutzungstatbestände herangezogen werden darf. Die genannte Bestimmung trägt dem Umstand Rechnung, daß das in Fortführung des § 1 TWG dem Bund verliehene unentgeltliche Nutzungsrecht an öffentlichen Verkehrswegen zur Erfüllung des grundgesetzlich verbürgten Privatisierungs- und Infrastrukturauftrags (Art. 87 f GG) auf private Anbieter von Telekommunikationsleistungen, also auf Lizenznehmer im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 1 TKG, zu übertragen war (vgl. auch Gesetzesbegründung BT-Drucks. 13/3609, S. 48-49; Scholz, ArchivPT 1996, 95, 102 f). Bei privaten Grundstücken stellte sich weder die Privatisierungsproblematik noch trat ein durch die Lizenzpflicht zu gewährleistender Regulierungsbedarf (§§ 2, 8 TKG) auf.
Daß § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG die Anspruchsberechtigung nicht mit der Lizenzinhaberschaft verknüpfen will, wird zudem durch die Entstehungsgeschichte und den Zweck des Telekommunikationsgesetzes bestätigt. Der Gesetzgeber war sowohl durch die EG-rechtlichen Vorschriften (insbesondere Richtlinie 96/19 der Kommission vom 13. März 1996, ABl Nr. L 74/13) als auch durch Art. 87 f GG in die Pflicht genommen, eine flächendeckend angemessene und ausreichende Telekommunikationsversorgung der Bevölkerung durch die Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbes privater Anbieter zu gewährleisten (vgl. auch Begründung zum Gesetzentwurf BT-Drucks. 13/3609, S. 1-2, S. 33-36). Die Inanspruchnahme privater Grundstücke zu einer raschen Herstellung eines flächendeckenden Netzes terrestrischer Telekommunikationslinien war dabei sowohl aus volkswirtschaftlichen Gründen als auch zur Gewährleistung eines ausgewogenen Wettbewerbs gefordert worden (Gesetzesbegründung BT-Drucks. 13/3609, S. 50). Dabei wurde insbesondere verlangt, die Leitungsinfrastruktur der Energiewirtschaft einzubinden (Gesetzesbegründung aaO S. 50; Beschlußempfehlung des Ausschusses für Post- und Telekommunikation, BT-Drucks. 13/4864 (neu), S. 81). Die Energieunternehmen sind aber wegen ihrer in der Regel marktbeherrschenden Stellung durch § 14 TKG am Erwerb einer Lizenz gehindert, denn zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen ist die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen in diesen Fällen nur solchen Unternehmen gestattet, die rechtliche Selbständigkeit gegenüber der Muttergesellschaft besitzen (vgl. hierzu auch Schuster, MMR 1998, 139; Schäfer/Just, ArchivPT 97, 202 f). Die Beschränkung des Wegerechts auf lizenzierte Leitungsberechtigte würde damit der Absicht des Gesetzgebers widersprechen, den Aufbau von Telekommunikationsnetzen durch die Einbeziehung der Energieversorgungswirtschaft zu fördern.
cc) Diese Auslegung ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Errichtung und der Betrieb von öffentlichen Telekommunikationsnetzen stellt zwar unbestreitbar auch dann einen Eingriff in das Eigentum an Grund und Boden dar, wenn damit keine spürbare Beeinträchtigung der Nutzbarkeit des Grundstücks verbunden ist. Den betroffenen Eigentümern wird das Recht, die Nutzung ihrer Grundstücke zu Telekommunikationszwecken entweder zu untersagen (§ 903 BGB) oder sich marktgerecht vergüten zu lassen, beschnitten (vgl. auch Schütz, NVwZ 1996, 1060). Es handelt sich hierbei aber um eine nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung, die das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht jedenfalls dann in ausreichendem Maße respektiert, wenn den vermögensrechtlichen Belangen der Grundeigentümer bei der Anwendung der Ausgleichsregelung des § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG hinreichend Rechnung getragen wird (für uneingeschränkte Verfassungskonformität: Schütz, NVwZ 1996, 1056, 1060 f; Spoerr/Deutsch, DVBl 1997, 300, 305; Schuster, MMR 1999, 137, 138; Hoeren, MMR 1998, 1, 2; einschränkend: Schmidt, ArchivPT 1997, 222, 224; Schäfer/Just ArchivPT 1997, 200, 203, 205 f; Schäfer/Hoenike, EWiR 1999, 79, 80; wohl auch Bullinger, ArchivPT 1998, 105, 117 f).
Dem Gesetzgeber war es bei der Neuordnung des Telekommunikationswesens nicht verwehrt, bisher mit dem Eigentumsrecht verbundene Befugnisse einzuschränken (BVerfGE 83, 201, 212 m. w. N.). Die gestattete Inanspruchnahme privater Grundstücke zum Ausbau von Telekommunikationsnetzen bringt bei entsprechender Handhabung von § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG (dazu unten III) auch die schutzwürdigen Interessen der Eigentümer und die Belange der Allgemeinheit zu einem gerechten Ausgleich, ohne dabei den Kernbereich der Eigentumsgarantie, also die Privatnützigkeit und die grundsätzlichen Verfügungsbefugnisse über das Eigentum auszuhöhlen (BVerfGE 91, 294, 308 m.w.N.). Die Regelung erfüllt den Auftrag des Art. 87 f GG, eine flächendeckende privatisierte Infrastruktur im Bereich des Telekommunikationswesens zu gewährleisten, und ist damit durch das Wohl der Allgemeinheit (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG) legitimiert. Ohne entsprechende gesetzliche Regulierung könnten die Leitungssysteme der Energiewirtschaft nur nach individueller Abstimmung mit einer Vielzahl von Grundstückseigentümern der allgemeinen Telekommunikation zugänglich gemacht werden. Das Grundeigentum ist zudem wegen seiner besonderen volkswirtschaftlichen und sozialen Bedeutung im besonderen Umfang der Sozialbindung unterworfen (BVerfGE 52, 1, 32 f; BVerfGE 21, 73, 83). Durch die Fassung von § 57 Abs. 1 Nr. 1 und 2 TKG wurde sicher gestellt, daß die Belange der Grundeigentümer nur insoweit tangiert werden, als dies zur Realisierung des Auftrags in Art. 87 f GG erforderlich ist. Eine Duldungspflicht wird den Grundstückseigentümern außer in den Fällen unwesentlicher Beeinträchtigungen (§ 57 Abs. 1 Nr. 2 TKG) nur dann abverlangt, wenn diese ihr Eigentum durch die Einräumung eines Leitungsrechtes bereits belastet haben und diese freiwillig eingegangene Bindung nicht durch eine zusätzliche dauerhafte Nutzbarkeitseinschränkung verschärft wird (vgl. Schütz, NVwZ 1996, 1060 f).
Die unterbliebene Begrenzung des Kreises der von der Duldungspflicht Begünstigten auf diejenigen Leitungsrechtsinhaber, die auch über eine Lizenz gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 TKG verfügen, berührt dagegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht (a.A. Schäfer/Just, ArchivPT 1997, 203; Schäfer/Hoenike, EWiR 1999, 80; wohl auch Schmidt, ArchivPT 1997, 225). Die nur dem Schutz von Allgemeinbelangen dienende Lizenzpflicht hat keinen Einfluß auf Umfang oder Qualität des Eigentumseingriffs. Sie besteht unabhängig davon, ob für die telekommunikative Übertragung fremde oder eigene Grundstücke bzw. Verkehrswege in Anspruch genommen werden (so auch BVerfG NVwZ 1999, 520). Auch der bei einer eigentumsrechtlichen Inhaltsbestimmung zu beachtende Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet keine Einschränkung des Kreises der Berechtigten. Entgegen der auf Art. 3 Abs. 1 GG gestützten Rüge der Revision stimmen die Regelungen der §§ 50 Abs. 1, Abs. 2 TKG und § 57 Abs. 1 TKG in ihrer Kernaussage überein. In beiden Fällen wird die Nutzungsberechtigung originär einer Rechtspersönlichkeit zugewiesen (Bund, Leitungsrechtsinhaber), die dieses Recht auf einen Lizenznehmer überträgt, der die Erfüllung des grundgesetzlichen Infrastrukturauftrages sicherstellen soll. Verbleibende Unterschiede im Regelungsgehalt dieser Vorschriften finden ihre sachliche Rechtfertigung darin, daß die Umsetzung des in Art. 87 f Abs. 2 GG verbürgten Liberalisierungsauftrages bei öffentlichen Verkehrswegen weitergehende gesetzliche Regulierungen erfordert.
c) Der Kläger kann seine Duldungspflicht nicht von der Zahlung eines angemessenen Ausgleichsbetrags (§ 57 Abs. 2 Satz 2 TKG, dazu nachfolgend III) abhängig und insoweit ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) geltend machen (offengelassen vom Berufungsgericht). Ein solches Zurückbehaltungsrecht ist hier schon nach der Gesetzessystematik sowie nach Sinn und Zweck des Gesetzes ausgeschlossen. Der Kläger ist nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG uneingeschränkt zur Duldung des neuen LWL-Kabels und dessen Nutzung verpflichtet, was nach dem Gesetzesaufbau nicht von der Erfüllung seiner eventuellen Ansprüche nach § 57 Abs. 2 TKG abhängt (vgl. auch Schuster, MMR 1999, 137, 142). Das Telekommunikationsgesetz verfolgt den Zweck, flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation zu leisten (§ 1 TKG). Mit diesem Zweck unvereinbar wäre es, wenn ein Grundstückseigentümer das gesamte Leitungsnetz quasi solange unterbrechen könnte, bis auch über Grund und Höhe seines Ausgleichsanspruchs entschieden wäre. Dies kann im übrigen auch schon deshalb nicht richtig sein, weil er die Leitung im bisherigen Umfang ohnehin zu dulden hat und die gesetzlich erweiterte Duldungspflicht davon abhängt, daß die Nutzbarkeit seines Grundstücks nicht dauerhaft zusätzlich eingeschränkt ist.
III.
Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht jedoch, soweit es den hilfsweise geltend gemachten Zahlungsanspruch verneint.
1. Erfolglos rügt die Revision allerdings, das Berufungsgericht habe § 57 Abs. 2 Satz 1 TKG nicht in seine Beurteilung einbezogen. Auch wenn sich das Berufungsgericht mit dieser Regelung nicht ausdrücklich befaßt hat, bringt es in seiner Urteilsbegründung hinreichend deutlich zum Ausdruck, der Eingriff der Beklagten stelle keine über das zumutbare Maß hinausgehende Beeinträchtigung dar. Rechtsfehler sind ihm dabei nicht unterlaufen. Weder der mit schonender Verlegungstechnik erfolgte Austausch des bisherigen LWL-Kabels durch ein leistungsstärkeres Kabel noch die Nutzung des neuen Kabels verlangt dem Kläger ein unzumutbares Sonderopfer im Sinne dieser Vorschrift ab (AG Halberstadt/LG Marburg, ArchivPT 1997, 336; Hoeren, MMR 1998, 4; Schuster, MMR 1999, 142, Lammich, Kommentar zum TKG, § 57 Rdn. 5; Etling-Ernst, Praxiskommentar zum TKG, § 57 Rdn. 19). Die Frage, ob im Falle von Wartungs- und Reparaturarbeiten anderes zu gelten hat, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
2. § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG erfaßt diejenigen Fälle, in denen eine „erweiterte Nutzung zu Zwecken der Telekommunikation” nicht unter Verwendung eines bereits existierenden, für die Zwecke der Telekommunikation einsetzbaren Leitungswegs erfolgt. Weder dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift läßt sich eindeutig entnehmen, ob auch der Übergang von einer betriebsinternen Datenübermittlung zur kommerziellen öffentlichen Telekommunikation einen Anspruch auf einmalige Ausgleichszahlung auslöst. Die in diesem Fall zulässige und gebotene verfassungskonforme Auslegung (vgl. BVerfGE 18, 97, 111; BVerfGE 67, 70, 88 f) ergibt, daß den betroffenen Eigentümern eine finanzielle Kompensation auch dann zu gewähren ist, wenn die vorhandene Trasse – wie im Streitfall – bis zum Inkrafttreten des TKG nicht zur Erbringung von Telekommunikationsleistungen für die Öffentlichkeit genutzt werden konnte und durfte.
a) Nach dem Wortlaut der Norm soll die Kompensationsverpflichtung dann nicht eingreifen, wenn bisher schon ein Leitungsweg besteht, der zu Zwecken der Telekommunikation genutzt werden konnte. Die Formulierung „zu Zwecken der Telekommunikation” erweist sich bei näherer Betrachtung als auslegungsbedürftig. Zwar wird der Begriff der Telekommunikation in § 3 Nr. 16 TKG als der technische Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangs von Nachrichten jeglicher Art in Form von Zeichen, Sprache, Bildern oder Tönen mittels Telekommunikationsanlagen (§ 3 Nr. 17 TKG) legal definiert, ohne daß dies auf den Bereich der öffentlichen Informationsübermittlung beschränkt wird. Diese Definition macht somit – isoliert betrachtet – keinen Unterschied hinsichtlich des Zwecks oder Umfangs der Übertragung (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucks. 13/3609 S. 37) und umfaßt folglich auch die bloße Übermittlung von Betriebsdaten (vgl. Hoeren, MMR 1998, 5; Schuster, MMR 1999, 143; Ellinghaus, CR 1999, 425; Hamm, MMR 1999, 165, 168; Scherer, NJW 1998, 1607, 1614; Geppert/Ruhle/Schuster, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation VI Rdn. 158; einschränkend Schmidt, ArchivPT 1997, 225; a.A. wohl Schäfer/Just, ArchivPT 1997, 204). An die im Definitionskatalog des § 3 TKG vorgenommene Differenzierung zwischen öffentlichen Telekommunikationsnetzen (§ 3 Nr. 12 TKG), Telekommunikationsdienstleistungen (§ 3 Nr. 18 TKG) und Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit (§ 3 Nr. 19 TKG) wurde in § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG nicht angeknüpft. Ob damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, ein Ausgleichsanspruch solle dann ausscheiden, wenn ein vorhandener Leitungsweg bislang nur zur betriebsinternen Informationsübertragung genutzt wurde oder werden konnte, nun aber der öffentlichen Telekommunikation zugänglich gemacht wird, ist dennoch nicht zweifelsfrei. Die Wortwahl „erweiterte Nutzung zu Zwecken der Telekommunikation” erlaubt auch die Interpretation, daß ein Ausgleichsanspruch nicht nur in den Fällen einer erstmaligen telekommunikativen Nutzung besteht, sondern auch durch eine Ausweitung der bisherigen betrieblichen Nachrichtenübermittlung auf kommerzielle Telekommunikation ausgelöst wird (Schmidt, ArchivPT 97, 225).
b) Auch die Entstehungsgeschichte des § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG läßt beide Deutungsmöglichkeiten zu. Die fragliche Entschädigungsregelung war in der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfs nicht enthalten. Sie fand erst, nachdem mehrere Bundesratsausschüsse und ihnen folgend auch der Bundesrat selbst (BR-Drucks. 80/1/96 S. 38; BR-Drucks. 80/96 S. 35) die Gewährung eines Ausgleichsanspruchs im Hinblick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG befürwortet hatten, durch einen von der Bundestagsfraktion der CDU/CSU eingebrachten Änderungsvorschlag Eingang in die Gesetzesvorlage. In der Begründung hierzu heißt es, daß ein angemessener Ausgleich nur „für den Fall der völlig neuen Nutzung einer Trasse zu Zwecken der Telekommunikation” verlangt werden könne. Diese Beschränkung der Entschädigungspflicht fand auch die Billigung des Ausschusses für Post und Telekommunikation, der in seiner Beschlußempfehlung vom 12. Juni 1996 die Gewährung eines Ausgleichs „für den Fall, daß bisher ausschließlich die Durchleitung von Strom, Gas oder Wasser vertraglich geregelt (und dinglich gesichert) war, nun aber eine völlig neue Nutzung gesetzlich zu dulden ist, die vertraglich nicht geschuldet ist”, als interessengerecht bewertete (BT-Drucks. 13/4864 [neu] S. 81). Sowohl in den Ausführungen der CDU/CSU-Fraktion als auch im Ausschußbericht wurde dabei besonders hervorgehoben, daß die vorgeschlagene Entschädigungsregelung „in der Praxis nur in beschränktem (eingeschränktem) Umfang zu einer Belastung der Energieversorgungsunternehmen (Versorgungsunternehmen)” führe. Da die Materialien zur Frage der Ausgleichspflicht bei der Erweiterung einer betrieblichen Datenübermittlung auf öffentliche Telekommunikationszwecke keine konkreten Aussagen treffen, können sie einerseits als Beleg dafür herangezogen werden, den Energieunternehmen einen in der Regel entschädigungslosen Übergang von der bereits erlaubten internen Datenübertragung zur öffentlichen Telekommunikation zu ermöglichen (Hoeren, MMR 1998, 5; Scherer, NJW 1998, 1607, 1614). Andererseits lassen sie aber auch die Interpretation zu, jede nicht in einem funktionalen Bezug zur Energieversorgung stehende telekommunikative Nutzung sei als „völlig neue Nutzung” mit einer Kompensationspflicht verbunden (vgl. Schmidt, ArchivPT 1997, 225; Schäfer/Just, ArchivPT 1997, 204).
c) § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG muß verfassungskonform dahin verstanden werden, daß auch in Fällen der Ausweitung bisher gestatteter betriebsinterner Telekommunikation auf Dienstleistungen für die Öffentlichkeit eine einmalige Ausgleichszahlung geschuldet wird.
Von Verfassungs wegen ist es allerdings nicht geboten, die in § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG angeordnete Duldungspflicht generell mit einem finanziellen Ausgleich zu verbinden. Im Einzelfall übermäßig belastende Beeinträchtigungen werden – bei richtigem Verständnis dieser Norm – durch die gesetzlichen Entschädigungstatbestände ausreichend abgemildert (vgl. BVerfGE 58, 137, 148 f; BVerfGE 79, 174, 192; weitergehend Spoerr/Deutsch, DVBl 97, 305). Die betroffenen Grundeigentümer können ihre Grundstücke faktisch in unvermindertem Maße und in gleicher Weise wie bisher nutzen. Im vorliegenden Zusammenhang geht es nicht um einen finanziellen Ausgleich für eine (zusätzliche) Nutzungseinschränkung, sondern darum, daß den Eigentümern ihr Recht beschnitten wird, mit der Sache nach Belieben zu verfahren (§ 903 BGB) und eine Fremdnutzung zu untersagen, oder sich marktgerecht vergüten zu lassen. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zwingt den Gesetzgeber zu einer finanziellen Ausgleichsregelung, wenn sonst kein gerechtes und ausgewogenes Verhältnis zwischen den Eigentümerinteressen und den Belangen der Allgemeinheit erzielt werden kann (vgl. BVerfGE 58, 137, 147 f; 79, 174, 192). Das ist hier der Fall. Die betroffenen Eigentümer müssen nicht hinnehmen, daß Dritte ihre Grundflächen zu Telekommunikationszwecken vermarkten, daraus Gewinn erzielen und sie dafür keinen Geldausgleich erhalten. Dies läßt sich auch mit der besonderen Sozialbindung des Grundeigentums und dem mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Zweck (vgl. hierzu BVerfGE 58, 137, 148) nicht mehr rechtfertigen. Die den Eigentümern in aller Regel für die Einräumung der schon bestehenden Leitungsrechte gezahlten Vergütungen decken die neue Nutzungsdimension nicht ab. Eine unentgeltliche Verpflichtung zur Duldung einer solchen Umnutzung ist auch vom Schutzzweck des § 57 TKG nicht mehr gedeckt (vgl. hierzu allgem. BVerfGE 79, 174, 198). Der aus der Nutzung der betroffenen Grundflächen zur kommerziellen Telekommunikation erzielte Ertrag kommt auch nicht vorrangig der Allgemeinheit, sondern vielmehr den Inhabern eines Leitungsrechts und deren mit einer Lizenz ausgestatteten Vertragspartnern zugute.
Die erweiterte Duldungspflicht mit Ausgleichsregelung ist – wie dargelegt – eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie muß allen übrigen Verfassungsnormen gerecht werden, wozu insbesondere der Gleichheitssatz gehört (BVerfGE 70, 191/200; 79, 174, 198; 87, 114, 139). Die vom Berufungsgericht vertretene Auslegung von § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG führt zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung. Wäre die Ausgleichspflicht allein auf jene Fälle beschränkt, in denen die Leitungsrechtsinhaber ihre Befugnis zum erstmaligen Einbau eines telekommunikationsfähigen Leitungsweges (neben der ohnehin gesicherten Leitung) Gebrauch machen, dann ist kein sachlicher Grund erkennbar, warum ein Ausgleichsanspruch bei Auswechslung und Umnutzung einer bisher nur betriebsintern genutzten Telekommunikationsleitung versagt werden soll. In beiden Fällen ist der Eingriff in das Grundeigentum von gleicher Qualität, weil er die Nutzbarkeit des Grundstücks nicht dauerhaft zusätzlich einschränken darf (§ 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG). Von einem eingeräumten Leitungsrecht sind beide Fälle nicht gedeckt. Es handelt sich jedes Mal nur darum, ob man dem Grundstückseigentümer einen Ausgleich für die neue Nutzungsdimension gewähren soll, weil Dritte über das erweiterte Leitungsrecht das Grundstück zur privaten Gewinnerzielung vermarkten. Für diesen Ansatz spielt es keine Rolle, ob im Rahmen der Duldungspflicht nach § 57 Abs. 1 TKG eine bisher nur betriebsintern benutzbare Leitung ausgetauscht oder eine neue Leitung gebaut wird.
Durch eine Ausgleichspflicht wird zugleich das den Eigentümern aufgebürdete zusätzliche Schadensersatzrisiko im Falle verschuldeter Kabelschäden ausgeglichen. Deren Haftungssituation wird zwar nicht unzumutbar verschärft, denn das Gefahrenpotential beschränkt sich auf den regelmäßig festgelegten Schutzstreifen, in dem von vornherein Erdarbeiten nur mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werden durften (Hoeren, MMR 1998, 5 ff). Durch den Betrieb einer Telekommunikationslinie zu öffentlichen Zwecken erfährt es aber eine erhebliche Ausdehnung, da sich die Haftung zwar nicht auf mittelbare Schäden Dritter erstreckt (Schuster, MMR 1999, 139; Hoeren, MMR 1998, 6), wohl aber alle den Lizenznehmern entstandenen Schäden umfaßt (vgl. Schmidt, ArchivPT 1997, 224).
d) Bei der Bemessung der Ausgleichszahlung muß jedoch berücksichtigt werden, daß die in Art. 87 f verbürgte und in § 1 TKG zum gesetzgeberischen Regelungsziel erhobene Verwirklichung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Telekommunikationsleistungen unter gleichzeitiger Förderung des Wettbewerbs notwendigerweise voraussetzt, daß die privaten Anbieter zur Verminderung des Wettbewerbsvorsprungs der Deutschen Telekom AG ohne unzumutbaren Kostenaufwand auf das Leitungsnetz der Energieindustrie zurückgreifen können. Die von den Leitungsrechtsinhabern an die Grundstückseigentümer zu zahlende Vergütung führt aber zwangsläufig zu einer Verteuerung der von den Telekommunikationsanbietern zu entrichtenden Entgelte und schließlich der Endabnehmerpreise. Nicht sachgerecht erscheint es daher, die Höhe der Ausgleichszahlung an dem wirtschaftlichen Nutzen auszurichten, der aus dem Betrieb der Telekommunikationslinie gezogen wird. Ein solcher Ansatz erwiese sich auch – zumal für eine Einmalzahlung – als wenig praktikabel (Schmidt, ArchivPT 1997, 225; Schuster, MMR 1999, 143). Als Bemessungsgrundlage kommt in erster Linie die Höhe des Entgelts in Betracht, das nach den jeweiligen Marktverhältnissen für die Einräumung eines Nutzungsrechts zu Telekommunikationszwecken gezahlt wird (vgl. Schütz, Kommentar zum TKG, § 57 Rdn. 21). Sollte sich ein solcher Marktwert noch nicht gebildet haben, müßte auf Vergütungen zurückgegriffen werden, die üblicherweise für die Verlegung von Versorgungsleitungen entrichtet werden (vgl. Schuster, MMR 1999, 143; Schmidt, ArchivPT 1997, 225; Schäfer/Just, ArchivPT 1997, 204). Bei der Bemessung des Ausgleichsbetrags wird zu berücksichtigen sein, daß der Kläger für die Einräumung des Leitungsrechts, das ein Lichtleiterkabel zur betriebsinternen Nutzung einschloß, bereits ein Entgelt erhalten hat. Die konkrete Festlegung der Anspruchshöhe ist Aufgabe des Tatrichters, die weitere Feststellungen erfordert. Die Sache ist damit im Umfang der Aufhebung noch nicht entscheidungsreif.
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Schneider, Krüger, Klein
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 07.07.2000 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BGHZ |
BGHZ, 16 |
DB 2000, 2592 |
NJW 2000, 3206 |
BGHR |
BauR 2001, 136 |
BauR 2001, 844 |
NJW-RR 2001, 161 |
NVwZ 2000, 1329 |
NVwZ 2000, 1398 |
CR 2000, 823 |
DNotI-Report 2000, 187 |
EWiR 2000, 983 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 2342 |
ZfIR 2000, 708 |
AgrarR 2001, 151 |
DÖV 2001, 84 |
DNotZ 2001, 64 |
MDR 2000, 1241 |
RdE 2001, 15 |
Rpfleger 2000, 540 |
VersR 2002, 890 |
ZUM-RD 2000, 475 |
DVBl. 2001, 71 |
K&R 2000, 505 |
MMR 2000, 689 |
NotBZ 2000, 334 |
GK/Bay 2001, 279 |
RTkom 2001, 29 |