Leitsatz (amtlich)
Die Vereinbarung der Begehung einer Ordnungswidrigkeit, die „einvernehmlich” zur Verhängung eines Bußgeldes führt, ist grundsätzlich kein Vorteil im Sinne der Bestechungstatbestände.
Normenkette
StGB §§ 331-332
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 03.05.2004) |
Tenor
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 3. Mai 2004 wird verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf der Bestechlichkeit freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt und die Beweiswürdigung des Landgerichts beanstandet.
Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat zu dem in dem Anklagesatz der zugelassenen Anklage dem Angeklagten angelasteten Sachverhalt folgende Feststellungen getroffen:
Die Stadt H. führte im Jahr 1998 einen Ausschreibungswettbewerb durch, der die am M. gelegenen Grundstücke M. 22, 23 und 24 umfaßte. Eine Arbeitsgemeinschaft des Investors F. (im folgenden: F.) und des Architekturbüros K. erhielt den Zuschlag. Auf den Grundstücken sollte unter Erhalt der historischen Bausubstanz des denkmalgeschützten Gebäudes M. 23 ein Kaufhaus errichtet werden. In dem notariellen Kaufvertrag, mit dem die F. die Grundstücke M. 23 und 24 von der Stadt H. erwarb, hatte sich die F. verpflichtet, das Wohn- und Geschäftshaus M. 23 als Baudenkmal zu erhalten und zu sanieren.
Im Jahr 2001 beschloß die Stadt H., die bisher getrennten Amtsbereiche des Stadtplanungs- und Bauordnungamts unter der Leitung eines Beigeordneten zusammenzuführen. Dieses Amt trat am 15. Januar 2002 der Angeklagte an. Am 1. Februar 2002 kam es zu einer Besprechung des Angeklagten mit Vertretern der F., an der auch die Amtsleiter des Bauplanungs- und Bauordnungsamts teilnahmen. Im Verlauf der Besprechung wiesen die Vertreter der F. darauf hin, daß die Standsicherheit des Gebäudes M. 23 bei Durchführung des Bauvorhabens nur mit sehr hohen finanziellen Aufwendungen gewährleistet werden könne. Auf ihre wiederholte Frage, was geschehen werde, wenn das Gebäude einstürzt, erklärte der anwesende Leiter des Bauordungsamts, daß er dann von einem vorsätzlichen Geschehen ausgehen und ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einleiten müsse. In einem solchen Fall sei mit einem Bußgeld von 100.000 EUR bis 150.000 EUR zu rechnen. Darauf hin äußerte der Angeklagte sinngemäß: „Das ist die Lösung, laßt einfach einen Bagger dagegen fahren … F. müsse für die Vernachlässigung der Sicherungsmaßnahmen und das Einstürzen des Gebäudes natürlich ein Bußgeld zahlen. Das Problem sei dann aber erledigt”. Im Anschluß stellte der Angeklagte – nicht bedenkend, daß er über von der Stadt eingenommene Bußgelder keine unmittelbare Verfügungsmacht hatte – laut Überlegungen an, wofür er das von der F. zu zahlende Bußgeld verwenden könnte. In diesem Zusammenhang äußerte er, „daß er mit dem Geld die Prioritätenliste der Stadt H. ein wenig abarbeiten könnte, indem er 100.000 EUR für erforderliche Baumaßnahmen an Kindergärten verwenden und mit 50.000 EUR die mangelhafte Ausstattung seines Dezernatsbereichs mit Computern verbessern könne. Auf den Vorschlag des Angeklagten reagierten die Vertreter der F. weder zustimmend noch ablehnend. Zur Zahlung eines Bußgeldes kam es im weiteren nicht, da das Gebäude M. 23 weder abgerissen wurde noch aus sonstigen Gründen zum Einsturz kam.
2. Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Bestechlichkeit (§ 332 StGB) aus tatsächlichen Gründen mit der Begründung freigesprochen, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß nach dem Verständnis des Angeklagten die Verhängung eines Bußgeldes „lediglich ein notwendiges Übel für eine schnelle, unbürokratische Lösung der Probleme um das Gebäude M. 23 sein sollte.” Es lasse sich daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, daß er das an die Stadt zu entrichtende Bußgeld als Gegenleistung für eine eigene Diensthandlung oder deren Unterlassung angesehen habe. Auch eine Verurteilung wegen Vorteilsannahme (§ 331 StGB) scheide aus, da es auch insoweit an „der zweifelsfrei festzustellenden Verknüpfung” zwischen der Amtsausübung und der zu zahlenden Geldbuße fehle.
3. Der Freispruch hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Eine Strafbarkeit des Angeklagten gemäß §§ 331 ff. StGB wegen des in der zugelassenen Anklage erhobenen Schuldvorwurfs besteht bereits aus Rechtsgründen nicht. Auf die von der Revisionsführerin erhobenen Beanstandungen zur Beweiswürdigung des Landgerichts kommt es daher nicht an.
a) Eine Strafbarkeit wegen Vorteilsannahme oder Bestechlichkeit in der Tatbestandsalternative des „Forderns” setzt voraus, daß der Amtsträger den Vorteil entweder „für” die Dienstausübung (§ 331 StGB) oder „als Gegenleistung” für die Vornahme einer Diensthandlung (§ 332 StGB) fordert. Nach beiden Bestimmungen ist damit erforderlich, daß der Vorteil dem Empfänger mit Blick auf seine dienstliche Tätigkeit zugute kommen soll, daß er nach dem ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis der Beteiligten seinen Grund gerade in der Dienstausübung hat (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 15, 239 ff.; 39, 45, 46; BGHR StGB § 332 Abs. 1 Satz 1 Unrechtsvereinbarung 3, 4; BGH NStZ 1994, 488, 489; NJW 2004, 3569, 3571). An einer derartigen Verknüpfung zwischen Vorteil und Dienstausübung (sog. Unrechtsvereinbarung) fehlt es hier indes.
b) Die Zahlung eines Bußgeldes an die Stadt H. kommt als „(Dritt-) Vorteil” im Sinne der §§ 331 ff. StGB schon deshalb nicht in Betracht, weil sie die gesetzliche Folge der Verwirklichung eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes, nämlich eine repressive Maßnahme zur Ahndung von Verwaltungsunrecht, ist. Damit steht sie nicht in einem – wie auch immer gearteten – Beziehungsverhältnis zu der Dienstausübung des Angeklagten. Daher kommt es entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht darauf an, ob der Angeklagte den Vertretern der F. anläßlich der Besprechung vom 1. Februar 2002 (konkludent) zu verstehen gegeben hat, er werde dafür Sorge tragen, daß bauordnungsrechtliche Maßnahmen zur Verhinderung des Einsturzes des Gebäudes M. 23 unterlassen werden.
c) Auch die Begehung der die Zahlungspflicht auslösenden Ordnungswidrigkeit scheidet als vorteilsgewährende Handlung aus. Zwar ist unter Vorteil gemäß den §§ 331 ff. StGB jede Leistung zu verstehen, auf die der Amtsträger oder der begünstigte Dritte keinen Anspruch haben und die ihre wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv meßbar verbessert (vgl. Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 331 Rdnr. 4 mit zahlr. Nachw.). Jedoch würde es auch insoweit an dem Erfordernis der Gegenseitigkeit fehlen. Der ungenehmigte Abriß des denkmalgeschützten Gebäudes wäre – im Falle seiner Durchführung – nämlich ausschließlich im eigenen Interesse der F. und nicht um der Dienstausübung des Angeklagten willen erfolgt. Anders könnte es sich allerdings verhalten, wenn eine Ordnungswidrigkeit einvernehmlich ausschließlich zur Verschleierung einer „Spende” begangen würde. So liegt der Fall hier jedoch nicht.
d) Das dem Angeklagten angelastete Verhalten kann daher, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, rechtlich nur als eine – nach § 30 Abs. 1 StGB straflose – versuchte Anstiftung zu einem Vergehen (vgl. § 21 DenkmalschutzG Sachsen-Anhalt) oder zu einer Ordnungswidrigkeit (vgl. § 22 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 5 DenkmalschutzG Sachsen-Anhalt) gewertet werden.
4. Der Bestand des angefochtenen Urteils wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß das Landgericht das spätere Geschehen vom 4. März 2002 nicht zum Gegenstand der Aburteilung gemacht hat.
a) Nach den Feststellungen fand am 4. März 2002 in Anwesenheit des Angeklagten eine weitere Besprechung mit den Vertretern der F., S. und Dr. C., statt. Gegenstand dieser Zusammenkunft war die Möglichkeit der Erteilung einer Genehmigung für den Abriß und Neubau des Gebäudes M. 23. Hierbei wurden die Vertreter der F. von Seiten der Stadt H. schließlich aufgefordert, kurzfristig einen begründeten Abbruchantrag einzureichen. Unmittelbar nach der Besprechung wurde S. vom Angeklagten darauf angesprochen, „sich als in H. tätiges Unternehmen für die Belange der Stadt (zu) engagieren”. Als S. daraufhin von einer seit längerem geplanten Spende für das H.haus der Stadt berichtete, „erhob der Angeklagte die Forderung, dies ihm einmal schriftlich mitzuteilen”. Noch an demselben Nachmittag versandten S. und Dr. C. ein Schreiben an den Angeklagten, in welchem sie sich für das vorausgegangene Gespräch bedankten. Ferner erklärten sie, daß sie „vor dem Hintergrund der in Aussicht gestellten Kooperationsbereitschaft der Stadt bezüglich des Projektes M. gerne bereit (seien), das H.haus mit einer Spende von 50.000 Euro zu unterstützen” und versuchen werden, auch den Generalunternehmer … zu einer Spende von weiteren 50.000 Euro zu bewegen”.
b) Das Landgericht hat diesen Sachverhalt, der eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 332 StGB nahelegt, keiner eigenen strafrechtlichen Überprüfung unterzogen, sondern ihn lediglich im Rahmen der Beweiswürdigung zu dem Tatgeschehen vom 1. Februar 2002 berücksichtigt. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, da das Geschehen vom 4. März 2002 von der zugelassenen Anklage nicht erfaßt wird.
Der Anklagesatz der Anklage vom 19. Februar 2003 schildert nur den Ablauf der Besprechung vom 1. Februar 2002. Die – eher beiläufige – Schilderung der Besprechung vom 4. März 2002 im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen reicht nicht aus, um dieses Geschehen zum Gegenstand der Aburteilung zu machen (vgl. BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 16; Kuckein, StraFo 1997, 33, 34).
Beide Vorkommnisse sind auch nicht Teil eines einheitlichen geschichtlichen Lebensvorganges, der die Annahme einer prozessualen Tat im Sinne des § 264 StPO rechtfertigen könnte. Zwar betreffen beide Vorgänge die dienstliche Tätigkeit des Angeklagten in Bezug auf das Gebäude M. 23. Während jedoch die Besprechung vom 1. Februar 2002 ausschließlich die Frage eines rechtswidrigen Abrisses betraf, hatte das spätere Treffen vom 4. März 2002 die Erteilung einer Abrißgenehmigung durch die Stadt H. zum Gegenstand. Im ersten Fall ging es zudem nur um die mögliche Verwirkung eines Bußgeldes, während bei dem zweiten Vorfall die Zahlung einer „Spende” inmitten war. Beide Geschehnisse sind damit nicht derart unmittelbar miteinander verknüpft, daß der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann (vgl. hierzu BGHSt 45, 211, 213). Dies gilt namentlich vor dem Hintergrund, daß zwischen beiden Vorgängen ein Zeitraum von über einem Monat lag und auch materiellrechtlich Tatmehrheit anzunehmen wäre.
Unterschriften
VRi'inBGH Dr. Tepperwien ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben. Maatz, Athing, Maatz, Ernemann, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 2557007 |
NJW 2005, 3011 |
NStZ 2005, 692 |
Nachschlagewerk BGH |
JA 2006, 251 |
NJW-Spezial 2005, 475 |
StV 2005, 554 |
LL 2006, 45 |