Maskenaffäre: Abgeordnete vom Vorwurf der Bestechlichkeit entlastet
Verabredung zum Maskengeschäft
Anfang März 2020 hatten sich zwei bayerische Unternehmer dazu entschlossen, Gesichtsmasken zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie aus Asien in die Bundesrepublik einzuführen, um diese mit Gewinn an Bundes- und Landesbehörden zu veräußern. Ein Landtags- sowie ein Bundestagsabgeordneter sollten ihren Einfluss geltend machen, um Behörden zu veranlassen, die Masken zu erwerben. In der Folgezeit wirkten die beiden Abgeordneten darauf hin, dass diverse Bundes- und Landesbehörden Kaufverträge mit den in die Operation eingebundenen Unternehmen über medizinische Masken abschlossen.
Diverse Maskenkäufe im 2-stelligen Millionenbereich
Die Kooperation verlief äußerst erfolgreich. Im März 2020 erwarb das Bundesministerium des Inneren auf Anregung der Abgeordneten FFP-2 Masken zum Nettoeinkaufspreis von 11,4 Mio Euro, das Bundesgesundheitsministerium im gleichen Zeitraum Masken zum Nettoeinkaufspreis von 37,25 Mio Euro. Der Freistaat Bayern erwarb zeitgleich auf Vermittlung des Landtagsabgeordneten Masken zu einem Einkaufspreis von 14,25 Mio Euro.
Provisionen nach Liechtenstein überwiesen
Abredegemäß erhielten die beiden Abgeordneten für ihre Mitwirkung eine Vergütung. Die diversen Rechnungen für Beratungs- und Provisionsleistungen sämtlicher Beteiligter wiesen einen Gesamtrechnungsbetrag aus in Höhe von etwas über 10 Mio Euro. Diese wurden von den maßgeblich beteiligten Unternehmen auf ein bei einer Liechtensteiner Bank geführtes Konto überwiesen.
Vermögensarrest über diverse Geldbeträge
Im Rahmen des von der StA eingeleiteten Ermittlungsverfahren kam es zu Razzien, die zur Sicherstellung und Arrestierung von Geldbeträgen in Höhe von 660.000 Euro sowie von 1,2 Mio Euro führten.
OLG sah keinen Korruptionsverdacht
Die beiden Abgeordneten sowie der mitbeschuldigte Unternehmer legten Beschwerde sowohl gegen die Durchsuchungsbeschlüsse als auch gegen die Vermögensarreste ein. Das zuständige OLG hob die Arrestbeschlüsse auf und erklärte eine von zwei angeordneten Durchsuchungen für rechtswidrig. Begründung: Der seitens der StA erhobene Vorwurf der Korruption sei rechtlich nicht haltbar. Die Abgeordneten hätten zwar die Autorität ihres Mandats sowie ihre Kontakte genutzt, um behördliche Entscheidungen dahingehend zu beeinflussen, die von ihnen unterstützten Geschäfte abzuschließen, eine solche Einflussnahme sei aber grundsätzlich nicht strafbar.
BGH bestätigt OLG-Entscheidung
Gegen die Entscheidungen des OLG hat die StA Beschwerde eingelegt, die der BGH nun in vollem Umfang zurückgewiesen hat. In rechtlicher Hinsicht stellte der BGH entscheidend auf die Straftatbestände der Bestechlichkeit von Abgeordneten gemäß § 108e Abs. 1 StGB sowie der Bestechung von Abgeordneten gemäß § 108e Abs. 2 StGB ab. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Strafvorschriften sind nach Auffassung des BGH im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Abgeordnetenbestechung setzt Unrechtsvereinbarung voraus
Der BGH stellte klar, dass die Strafvorschriften des § 108e Abs. 1 und Abs. 2 StGB eine erstrebte oder getroffene Unrechtsvereinbarung zwischen dem bestechenden und dem bestochenen Parlamentsmitglied voraussetzen. Diese Unrechtsvereinbarung müsse nach dem Wortlaut des Gesetzes den Inhalt haben, dass der Abgeordnete bei Wahrnehmung seines Mandats eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung eines Dritten vornimmt oder unterlässt.
Abgeordnetenmandat wird im Parlament wahrgenommen
Ihre Mitwirkungshandlungen im Rahmen der Anbahnung der Maskengeschäfte haben die beiden Abgeordneten nach der Bewertung des BGH aber nicht bei Wahrnehmung ihres Mandats erbracht, sondern unabhängig davon. Zur Mandatswahrnehmung gehören nach Maßgabe des Senats die unmittelbare Mitwirkung der Abgeordneten im Parlament, in den Parlamentsausschüssen oder in sonstigen parlamentarischen Gremien einschließlich der Fraktionen oder in den mit Abgeordneten besetzten Kommissionen.
Maskengeschäfte fanden außerhalb des Parlaments statt
Die hier von den Beteiligten getroffenen Absprachen betreffen nach der Bewertung des BGH lediglich außerparlamentarische Betätigungen. Dabei hätten die beiden Abgeordneten zwar ihren Status als Abgeordnete genutzt, um geschäftliche Entscheidungen diverser Ministerien zu beeinflussen. Diese an ihren Status als Abgeordnete und an die bestehenden politischen Beziehungen geknüpfte Tätigkeit sei keine parlamentarische Tätigkeit im Sinne des StGB.
Außerparlamentarische Tätigkeit wird vom Korruptionsstrafrecht nicht erfasst
Dieses Ergebnis entspricht nach Auffassung des BGH auch dem Willen des Gesetzgebers sowie dem Sinn und Zweck der Strafnorm. Der Gesetzgeber habe bewusst davon abgesehen, rein außerparlamentarische Betätigungen der Mandatsträger strafrechtlich zu erfassen. Das in zwei von der Bundesrepublik geschlossenen völkerrechtlichen Abkommen vorgesehene Korruptionsdelikt der missbräuchlichen Einflussnahme von und auf Mandatsträger habe der Gesetzgeber bisher nicht in deutsches Recht überführt.
Strafbarkeitslücke kann nur der Gesetzgeber schließen
Der Senat hat ausdrücklich offengelassen, ob und in welchem Umfang er eine Ausdehnung der Strafbarkeit in diesem Punkt für sinnvoll halten würde. Angesichts der Gesetzeslage sei es den Gerichten aber verwehrt, die bisher eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers zu korrigieren. Die Einbeziehung des außerparlamentarischen Wirkens der Abgeordneten in den Straftatbestand des § 108e StGB liefe auf eine Missachtung des klaren gesetzgeberischen Willens und der eindeutigen Gesetzesformulierung hinaus. Es ist allein die Aufgabe des Gesetzgebers, eine möglicherweise bestehende Strafbarkeitslücke zu schließen.
Abgeordnete bleiben straffrei
Nach dieser Entscheidung des BGH bleiben die Beschuldigten damit im Besitz der ihnen zugeleiteten Vergütungen. Eine weitere Strafverfolgung dürfte jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Bestechlichkeit und Korruption nicht in Betracht kommen.
(BGH, Beschluss v. 5.7.2022, StB 7-9/22)
Hintergrund:
Die Antikorruptionsorganisation „Transparency-Deutschland“ fordert bereits seit längerem, das Recht zu Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern in Deutschland zu verschärfen. Nach deren Einschätzung ist der Missbrauch der Autorität des Abgeordnetenmandats zu eigennützigen, finanziellen Zwecken international als Korruption zu bewerten. Jede Vorteilsannahme in Zusammenhang mit mandatsbezogenem Handeln müsse zur Bekämpfung von Korruption unter Strafe gestellt werden. Die Organisation fordert, Abgeordneten sowie von diesen dominierten Unternehmen private Geschäfte mit staatlichen Behörden zu untersagen. Für den normalen Bürger sei es unverständlich, dass das Verhalten der Abgeordneten in solchen Fällen straffrei bleibe und die gezogenen finanziellen Vorteile in ihrem Besitz verblieben.
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