Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Aufklärungspflicht unter Gesellschaftern bei der Änderung von Gesellschaftsverträgen.
Orientierungssatz
1. Das Gesellschafts- und ein enges Verwandtschaftsverhältnis können die Pflicht des die Änderung betreibenden Gesellschafters begründen, seine Mitgesellschafter auf mit der Vertragsänderung für sie möglicherweise verbundene Nachteile hinzuweisen (hier: Fortfall eines bislang allen Gesellschaftern zustehenden Vorkaufsrechts von Gesellschaftsanteilen), wenn diese in jugendlichem Alter und in Fragen des Gesellschaftsrechts erkennbar unerfahren (19- und 20jährige Studenten) als Erben und Abkömmlinge des verstorbenen Mitgesellschafters und Bruders in dessen Rechtsnachfolge in die Gesellschafterstellung eingetreten sind. Die Verletzung dieser Pflicht kann, je nach Verschuldensgrad, die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder eine Vertragsanpassung wegen Verschuldens bei Vertragsschluß entsprechend der früheren Rechtslage rechtfertigen.
2. Zitierungen: Fortführung BGH, 1954-03-17, II ZR 248/53, LM Nr 1 zu § 276 (Fb) BGB; BGH, 1966-03-25, VIII ZR 225/65, NJW 1966, 1451; BGH, 1974-02-27, V ZR 85/72, WM IV 1974, 512 und BGH, 1979-01-31, I ZR 77/77, LM Nr 52 zu § 123 BGB unter 3.
Tatbestand
Der Kläger zu 1 ist der Vater des Klägers zu 2 und O. N., des verstorbenen Vaters der drei Beklagten. Laut Gesellschaftsvertrag der A.-Möbelwerke GmbH & Co. KG vom 1. Januar 1983 waren an dieser Gesellschaft, der Klägerin zu 4, als Kommanditisten der Kläger zu 1 mit einer Einlage von 1.000.000,– DM sowie der Kläger zu 2 und O. N. mit Einlagen von je 12.000.000,– DM beteiligt. Persönlich haftende Gesellschafterin war die A.-Möbelwerke GmbH, die Klägerin zu 3, mit einer Einlage von 20.000,– DM. Das Stammkapital der GmbH in Höhe von 50.000,– DM hielten der Kläger zu 2 und O. N. je zur Hälfte. Geschäftsführer waren die Kläger zu 1 und 2 sowie O. N. Am 12. Dezember 1984 verstarb O. N.; seine Abkömmlinge, die drei Beklagten, folgten ihm als Erben in die Gesellschafterstellungen nach.
Im Mai/Juni 1985 wurden einstimmig der Gesellschaftsvertrag der Klägerin zu 4 und die Satzung der Klägerin zu 3 geändert. Dabei wurde die damals noch minderjährige Beklagte zu 3 von einem Ergänzungspfleger vertreten. Der die Abtretung der Beteiligung regelnde § 13 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin zu 4 lautete vor der Änderung wie folgt:
Solange die beiden Gesellschaften A. N. und O. N. Gesellschafter sind, bedarf jede Abtretung oder sonstige Verfügung über eine Beteiligung oder Teile davon zugunsten von Nichtgesellschaftern der Zustimmung dieser beiden Gesellschafter. Nach dem Tode eines der beiden Gesellschafter A. N. oder O. N. bedarf die Abtretung oder sonstige Verfügung über die Beteiligung zugunsten von Nichtgesellschaftern keiner Zustimmung der Mitgesellschafter. Den Gesellschaftern desselben Familienstammes, danach allen Gesellschaftern, steht an der Beteiligung eines jeden Gesellschafters einzeln ein Vorkaufsrecht zu, das innerhalb von drei Monaten auszuüben ist. Wenn mehrere Gesellschafter von dem Vorkaufsrecht Gebrauch machen, erwerben sie die verkaufte Beteiligung gemeinschaftlich im Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligung mit der Maßgabe, daß eine zwischenzeitlich vorgenommene Abtretung erst wirksam wird, nachdem die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts abgelaufen ist. Eine eventuelle Genehmigung zur Abtretung der Beteiligung wird frühestens erst zu diesem Zeitpunkt voll gültig; dabei besteht Einigkeit darüber, daß die Abtretung an vorkaufsberechtigte Gesellschafter einer Genehmigung nicht bedarf.
Die Übertragung von Anteilen wurde in § 13, soweit es darauf in diesem Rechtsstreit ankommt, anderweitig wie folgt geregelt:
- Die Verfügung eines Gesellschafters unter Lebenden (z.B. Abtretung, Verpfändung, Bestellung des Nießbrauchs) über seine Gesellschaftsanteile oder Teile davon ist zulässig zugunsten von Mitgesellschaftern des eigenen Stammes und eigenen ehelichen-leiblichen Abkömmlingen (nachfolgeberechtigte Personen).
- Abgesehen von den Fällen des Absatzes 1 bedarf die Abtretung von Beteiligungen der Zustimmung der Gesellschafterversammlung.
In der Satzung der Klägerin zu 3 entfiel die Regelung, wonach die Erben des Klägers zu 2 und O. N. berechtigt sein sollten, einen alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer ihrer Wahl zu bestellen und abzuberufen, der die gleichen Geschäftsführungsbefugnisse wie der überlebende Geschäftsführer hat.
Am 30. März 1988 verkaufte der Kläger zu 1 seinen Kommanditanteil an der Klägerin zu 4 an den Kläger zu 2; abgetreten wurde der Anteil mit Wirkung vom 1. Januar 1988.
Nach Ansicht der Beklagten sind Gesellschaftsvertrags und Satzungsänderungen aus dem Jahre 1985 ebenso unwirksam wie die Abtretung des Kommanditanteils. Die Beklagten lehnen es ab, das Ausscheiden des Klägers zu 1 aus der Klägerin zu 4 zum Handelsregister anzumelden.
Die Kläger zu 1 und 2 klagen auf Feststellung, daß die Beklagten verpflichtet sind, den Gesellschafterwechsel zum Handelsregister anzumelden; ferner wollen sie festgestellt wissen, daß die Anteilsübertragung wirksam ist. Die Kläger zu 2 bis 4 klagen auf Feststellung, daß die Änderung des Gesellschaftsvertrages der Klägerin zu 4 wirksam ist. Die Beklagten haben Widerklage erhoben und unter anderem beantragt festzustellen, daß die Satzung der Klägerin zu 3 in der ursprünglichen Fassung nach wie vor gilt.
Das Landgericht hat durch Teilurteil der Klage stattgegeben und die Widerklage mit dem vorstehend wiedergegebenen Antrage abgewiesen; das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Der Senat hat die Revision der Beklagten nur angenommen, soweit sie sich dagegen richtet, daß der Klage stattgegeben worden ist. Insoweit verfolgen die Beklagten ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit der Senat sie angenommen hat.
1. Nach Meinung des Berufungsgerichts hat am 30. März 1988 der Kläger zu 1 seinen Kommanditanteil an der Klägerin zu 4 dem Kläger zu 2 wirksam abgetreten, so daß die Beklagten als Mitgesellschafter gemäß § 143 Abs. 2 HGB verpflichtet seien, das Ausscheiden des Klägers zu 1 beim Handelsregister anzumelden. Wirksamkeitsvoraussetzung der Abtretung sei nicht gewesen, daß die Mitgesellschafter von einem ihnen gesellschaftsvertraglich eingeräumten Vorkaufsrecht keinen Gebrauch machten. Denn den Gesellschaftsvertrag der Beklagten zu 4 vom 1. Januar 1983, nach dessen § 13 Abs. 2 allen Gesellschaftern an der Beteiligung eines jeden Gesellschafters ein Vorkaufsrecht zugestanden hat, hätten die Gesellschafter im Mai/Juni 1985 in diesem Punkt einverständlich geändert; danach sei das Vorkaufsrecht entfallen und die Verfügung eines Gesellschafters unter Lebenden über seinen Gesellschaftsanteil zugunsten eigener ehelich-leiblicher Abkömmlinge ohne Genehmigung möglich geworden. Die Gründe, aus denen die Beklagten die Nichtigkeit der Vertragsänderung herleiten, lägen alle nicht vor. Diese Beurteilung greift die Revision im Ergebnis mit Erfolg an.
2. Dem Berufungsgericht ist allerdings darin zu folgen, daß es für die Wirksamkeit der Vertragsänderung nicht auf die Frage ankommt, ob der Ergänzungspfleger, der für die Beklagte zu 3 den Gesellschaftsvertrag abgeändert hat, fehlerhaft bestellt war. Die Beklagten haben geltend gemacht, der Vormundschaftsrichter habe die Beklagte zu 3 und deren Mutter, bevor er den Pfleger bestellte, nicht gehört und habe ferner einen Angestellten der Klägerin zu 4 und persönlichen Vertrauten des Klägers zu 2 nicht zum Pfleger bestellen dürfen. Nach Meinung des Berufungsgerichts kommt es hierauf nicht an, weil die Nachprüfung, ob die Voraussetzungen für die Bestellung des Ergänzungspflegers vorgelegen haben, dem Prozeßgericht nicht zustehe. Der Revision ist einzuräumen, daß der vom Berufungsgericht eingenommene Standpunkt in dieser Allgemeinheit nicht richtig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist zwar im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich daran festzuhalten, daß die verbindliche Kraft der Anordnungen, welche eine Behörde innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises trifft, nicht deshalb entfällt, weil sie mit dem materiellen Recht nicht im Einklang stehen. Dieser Grundsatz gilt aber nicht ausnahmslos. Nach der Rechtsprechung ist die Bestellung nichtig, wenn Normen verletzt sind, an deren Nichtbeachtung das Gesetz unzweideutig diese Rechtsfolge knüpft (vgl. BGHZ 33, 195, 201; BGHZ 41, 303, 309). Derartige Normen sind allerdings nicht betroffen, wenn entgegen §§ 50 a, 50 b FGG die persönliche Anhörung unterbleibt oder ein Ergänzungspfleger bestellt wird, der demjenigen persönlich nahesteht, demgegenüber er die Interessen des Minderjährigen wahren soll. In beiden Fällen ist die Bestellung des Pflegers nicht nichtig, vielmehr auf Beschwerde hin aufzuheben.
Der Revision ist allerdings einzuräumen, daß die Anfechtbarkeit der Bestellung nicht weiter hilft, wenn der Pfleger Rechtsgeschäfte vornimmt, bevor die Vollziehung gemäß § 24 Abs. 2 oder 3 FGG ausgesetzt oder die Bestellung aufgehoben worden ist; denn nach § 32 FGG bleiben die inzwischen vorgenommenen Rechtsgeschäfte wirksam. Dies ist der Grund, weshalb die Revision den Standpunkt ablehnt, wonach Mängel die Pflegschaft im Zweifel nur aufhebbar, nicht aber nichtig machen. Seit dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Mai 1986 (1 BvR 1542/84, WM 1986, 828 = ZIP 1986, 975) lasse sich – so die Revision – der Minderjährigenschutz in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz nur in der Weise lösen, daß jeder Mangel die Nichtigkeit der Pflegerbestellung zur Folge habe. Die Revision mißt damit dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts eine Bedeutung bei, die er nicht hat. Grundsätzlich sind Rechtsgeschäfte aufgrund der umfassenden Vertretungsmacht der Eltern (§ 1629 BGB) selbst dann wirksam, wenn sie sich für den Minderjährigen als schädlich erweisen. Grenzen der Vertretungsmacht ergaben sich bisher außer unter dem Gesichtspunkt ihres Mißbrauchs aus dem Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung für Rechtsgeschäfte, die der Gesetzgeber als abstrakt gefährlich angesehen hat. Eine weitere Begrenzung der Vertretungsmacht ergibt sich nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts aus dem verfassungsrechtlichen Verbot außergewöhnlicher Vermögensbelastung. Um mehr als um den Schutz vor dieser Belastung geht es in dem genannten Beschluß des Bundesverfassungsgerichts nicht (vgl. K. Schmidt, JUS 1990, 517, 518). Die Nichtigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers kann daraus nicht hergeleitet werden. Es verbleibt bei dem Grundsatz, daß sie im Interesse der Rechtssicherheit nur anfechtbar und nur in den genannten Ausnahmefällen nichtig ist. Wird ein Minderjähriger durch pflichtwidrige Handlungen des Vormundschaftsgericht geschädigt, so kann dies zu Schadensersatzansprüchen führen.
3. Aus demselben Grunde gibt der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts nichts für die Ansicht der Revision her, daß die Änderung des Gesellschaftsvertrages der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft hätte. Genehmigungsbedürftig ist nach § 1822 Nr. 3 BGB die rechtsgeschäftliche Beteiligung eines nicht voll Geschäftsfähigen am Betrieb einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft. Eine Änderung des Gesellschaftsvertrages bedarf nach § 1822 Nr. 10 BGB der Genehmigung, wenn sie zu einer Erweiterung der Haftung des nicht voll Geschäftsfähigen führt, sei es, daß er in die Komplementärstellung wechselt oder die Haftsumme erhöht wird. Im vorliegenden Falle hat die Vertragsänderung weder die Haftung erweitert noch eine außergewöhnliche Vermögensbelastung der Beklagten zu 3 zur Folge gehabt. Für den hier zu beurteilenden Sachverhalt ist deshalb an der Rechtsprechung des Senats festzuhalten, wonach aus Gründen der Rechtssicherheit der Kreis der genehmigungsbedürftigen Geschäfte rein formal und nicht nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen ist (vgl. BGHZ 38, 26, 28; BGHZ 52, 316, 319; BGHZ 55, 267, 269; BGHZ 92, 259, 261; BGHZ 107, 23, 30; vgl. auch Staub/Ulmer, HGB, 4. Aufl., § 105 Rdn. 85; Staub/Schilling, HGB, 4. Aufl., § 161 Rdn. 26). Das Berufungsgericht ist somit zu Recht davon ausgegangen, daß eine Genehmigung nicht erforderlich war.
4. Die Revision steht ferner zu Unrecht auf dem Standpunkt, daß die Kläger zu 1 und 2 ein verbotenes Insichgeschäft vorgenommen hätten, als sie den Gesellschaftsvertrag änderten. Da die Kläger zu 1 und 2 als Vertretungsorgan der GmbH und zugleich als Kommanditisten den Kommanditgesellschaftsvertrag änderten, hätten sie vom Verbot des Insichgeschäfts befreit sein müssen; hierzu habe das Berufungsgericht nichts festgestellt. Die Revision übersieht, daß das Berufungsgericht insoweit nichts festzustellen brauchte, weil die Beklagten die Vertretungsmacht der Geschäftsführer zu keiner Zeit in Zweifel gezogen haben. Im übrigen waren die Kläger zu 1 und 2 nicht nur gemäß § 6 Abs. 4 der Satzung der Klägerin zu 3, vielmehr auch deshalb vom Verbot des § 181 BGB befreit, weil alle Gesellschafter an der Vertragsänderung mitgewirkt haben; hierin lag zugleich die Erlaubnis für den Kläger zu 2, sowohl als Geschäftsführer der Klägerin zu 3 als auch im eigenen Namen als Kommanditist an der Vertragsänderung mitzuwirken (vgl. Sen.Urt. v. 24. Mai 1976 – II ZR 164/74, WM 1976, 738, 739). Der Kläger zu 1 hat als Geschäftsführer der Klägerin zu 3 nicht mitgewirkt.
5. Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Vertragsänderung nicht daran gescheitert ist, daß den Beteiligten – wie die Beklagten behaupten – die Willenserklärungen ihrer Vertragspartner nicht zugegangen sind. Die Revision macht geltend, weder seien die Erklärungen der Beklagten zu 1 und 2 dem Ergänzungspfleger noch dessen Erklärungen den Beklagten zu 1 und 2 zugegangen. Die Erklärungen der Beklagten zu 1 und 2 sollen dem Ergänzungspfleger deshalb nicht zugegangen sein, weil die Beklagten, als sie den Vertrag unterzeichneten, glaubten, die Beklagte zu 3 würde von ihrer Mutter vertreten. Hierauf kommt es nicht an. Nicht entscheidend ist, wen die Beklagten für den gesetzlichen Vertreter gehalten haben; es kommt gemäß § 131 Abs. 1 BGB allein darauf an, daß ihre Erklärungen diesem zugehen sollten und zugegangen sind. Daran besteht kein Zweifel. Als der Ergänzungspfleger unterschrieb, lagen ihm die Unterschriften der Beklagten zu 1 und 2 vor. Daß den Beklagten zu 1 und 2 die Person des Vertreters so wesentlich gewesen wäre, daß sie ihren Willen dem Ergänzungspfleger nicht erklärt hätten, hat keiner behauptet.
Fehlerfrei ist auch die Feststellung des Berufungsgerichts, wonach die Beklagten zu 1 und 2 auf den Zugang der Willenserklärung des Ergänzungspflegers verzichtet haben. Unerheblich ist entgegen der Ansicht der Revision, wann der Ergänzungspfleger den Vertrag unterzeichnet hat; erheblich ist allein die rechtlich einwandfreie Feststellung, daß er unterzeichnet hat. Gegen die Feststellung, der Verzicht sei erklärt worden, erhebt die Revision keine Einwände. Daß auf den Zugang der Willenserklärung eines Ergänzungspflegers verzichtet werden kann, ist entgegen der Ansicht der Revision rechtlich ebenso möglich wie bei jeder anderen Willenserklärung.
6. Erfolg hat die Revision, soweit sie sich gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts wendet, wonach dem Kläger zu 2 weder eine arglistige Täuschung noch ein Verschulden beim Vertragsschluß zur Last fällt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Wirtschaftsprüfer Dr. D. im Auftrag des Klägers zu 2 den Beklagten den Entwurf des abgeänderten Gesellschaftsvertrages erläutert, so daß diese in der Lage gewesen seien, die ihnen mitgeteilte Rechtsansicht des Klägers zu 2 überprüfen zu lassen. Zu mehr sei der Kläger zu 2 nicht verpflichtet gewesen; insbesondere habe er den Beklagten keine Rechtsberatung über die von ihm vorgeschlagenen Änderungen geschuldet.
Gegen diese Beurteilung wäre möglicherweise dann nichts einzuwenden, wenn den Klägern zu 1 und 2 anläßlich der Neugestaltung des Gesellschaftsverhältnisses der wirtschaftlich erfahrene Vater der Beklagten als Mitgesellschafter gegenüber gestanden hätte. In dem Falle hätte einiges für die Ansicht des Berufungsgerichts sprechen können, daß er nicht auf alle Umstände hätte hingewiesen werden müssen, die für seine Entschließung von Bedeutung sein konnten, also beispielsweise auf den Wert, den das Vorkaufsrecht für die gleichmäßige Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und die zu treffenden geschäftlichen Entscheidungen hatte; denn die Kläger konnten davon ausgehen, daß er diesen Wert kannte oder sachverständigen Rat von dritter Seite einholte, falls das nicht der Fall war. Der Umstand, daß die Kläger zu 1 und 2 nicht mit O. N., sondern mit dessen Abkömmlingen das Gesellschaftsverhältnis abänderten, erfordert jedoch eine andere Beurteilung.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann ein erkennbarer Mangel an Lebens- und Geschäftserfahrung des Vertragsgegners, wie er insbesondere bei Jugendlichen vorliegen kann, Aufklärungspflichten für die übrigen am Vertragsschluß Beteiligten begründen (vgl. BGH, Urt. v. 25. März 1966 – VIII ZR 225/65, NJW 1966, 1451; v. 27. Februar 1974 – V ZR 85/72, WM 1974, 512, 514 f.). Eine Pflicht zur Aufklärung besteht insbesondere dann, wenn hinzukommt, daß zwischen den am Vertragsschluß Beteiligten ein persönliches Vertrauensverhältnis besteht oder begründet werden soll (vgl. Sen.Urt. v. 17. März 1954 – II ZR 248/53, LM BGB § 276 (Fb 1); BGH, Urt. v. 31. Januar 1979 – I ZR 77/77, LM BGB § 123 Nr. 52 unt. 3).
Alle diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle gegeben. Die Parteien waren nicht nur gesellschaftsrechtlich verbunden und deshalb einander zur Treue verpflichtet; der Kläger zu 2 ist zugleich der Onkel der Beklagten zu 1 und 2. Diese waren erst mit dem Tode ihres Vaters am 12. Dezember 1984 Gesellschafter geworden. Ausweislich des notariellen Protokolls vom 10. Juni 1985 waren sie Studenten und erst 20 bzw. 19 Jahre alt. In Fragen des Gesellschaftsrechts waren sie erkennbar unerfahren und deshalb ohne sachlichen Rat außerstande, rechtlich zu durchschauen, welche Bedeutung der Tatsache zukam, daß in der Neufassung des Gesellschaftsvertrages ein Vorkaufsrecht zugunsten der Gesellschafter nicht vorgesehen war. Da sie ferner aufgrund des Gesellschafts- und Verwandtschaftsverhältnisses annehmen durften, daß ihr Onkel ihnen keine Vertragsänderung zumutete, ohne sie zugleich auf die Nachteile hinzuweisen, die sich für sie daraus ergeben konnten, hatte der Kläger zu 2 dieser Erwartung nach Treu und Glauben zu entsprechen. Die Verletzung dieser Pflicht kann – je nach Verschuldensgrad – die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder eine Vertragsanpassung wegen Verschuldens beim Vertragsschluß entsprechend der früheren Rechtslage rechtfertigen.
Im übrigen ist derjenige, der es unabhängig vom Bestehen einer gesetzlichen Verpflichtung übernimmt, einen Vertragspartner über die rechtliche Bedeutung der einzelnen Vertragsänderungen aufzuklären, verpflichtet, auf alle Risiken hinzuweisen; er darf die auf diese Weise geweckte Erwartung des anderen Teils nicht dadurch enttäuschen, daß er bestimmte Risiken von seiner Aufklärung ausnimmt.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger zu 2 den Beklagten den Entwurf des abgeänderten Gesellschaftsvertrages erläutern lassen. Die Beklagten waren aber nicht allein über den Inhalt des neuen Vertrages, vielmehr auch darüber aufzuklären, was in diesem im Vergleich zur alten Fassung fehlte, eben das Vorkaufsrecht und dessen Bedeutung, die darin bestand, daß es dem Kläger zu 1 die Möglichkeit nahm, seinen Kommanditanteil unter Umgehung der Beklagten dem Kläger zu 2 zu verkaufen. Da das Berufungsgericht zu der Frage, ob im Rahmen der den Beklagten zuteil gewordenen Aufklärung auch in diesem Punkt für Klarheit gesorgt worden ist, nichts festgestellt hat, ist das Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, damit die Feststellung nachgeholt werden kann.
7. Fallen die Willenserklärungen der Beklagten zu 1 und 2 infolge Anfechtung weg, ist die Vertragsänderung nicht deshalb wirksam, weil sie nach § 8 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages mit einer Mehrheit von 2/3 aller Stimmen der Gesellschafter beschlossen werden konnte. Die Kläger zu 1 und 2 sowie die Beklagte zu 3 erreichten zusammen mit der Komplementär-GmbH diese Mehrheit nicht. Im übrigen dürfte der Wegfall des Vorkaufsrechts den Kernbereich der Mitgliedschaft aller Gesellschafter mit Ausnahme des Klägers zu 1 betreffen, so daß alle Beklagten zuzustimmen hatten.
Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft sind auf eine Vertragsänderung, die – wie hier – die Nachfolge regelt, nicht anwendbar (vgl. BGHZ 62, 20, 27).
Fundstellen
Haufe-Index 648042 |
BB 1991, 2325 |
NJW 1992, 300 |
ZIP 1991, 1489 |
DNotZ 1992, 172 |
GmbHR 1991, 569 |