Leitsatz (amtlich)
Teilleistungen aus schwebenden Geschäften, die vor dem Ausscheiden des Gesellschafters bereits erbracht worden sind, dürfen nicht in die Abfindungsbilanz aufgenommen werden, wenn das Gesamtwerk zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt worden ist. Diese Teilleistungen sind vielmehr in die Gewinn-Verlustrechnung nach BGB § 740 Abs 1 einzubringen, die zu erstellen ist, wenn das schwebende Geschäft voll erfüllt worden ist.
Tatbestand
Der Kläger war vom Jahre 1976 an im Ingenieurbüro des Beklagten als Angestellter tätig. Mit notariellem Vertrag vom 4. November 1981 schlossen sich die Parteien zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen, um das Ingenieurbüro gemeinsam zu betreiben. Die Zusammenarbeit begann am 1. Oktober 1981. § 9 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages bestimmt u.a.:
„Kündigt eine Partei oder wird Herr A. Be. aus der Gesellschaft ausgeschlossen, so geht das Vermögen der Partnerschaft ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven auf Herrn D. P. über.
Im Auseinandersetzungsfall ist von den Partnern unverzüglich eine Auseinandersetzungsbilanz aufzustellen. In diese Bilanz sind alle Vermögensgegenstände einzusetzen, und zwar mit ihrem wirklichen Wert, abgestimmt auf den Auseinandersetzungszeitpunkt. Ein Firmenwert ist nicht zu berücksichtigen.”
Nachdem Unstimmigkeiten aufgetreten waren, kamen die Parteien überein, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum 31. Dezember 1982 zu beenden. Der Kläger schied aus der Gesellschaft aus, der Beklagte betrieb das Ingenieurbüro allein weiter.
Das Landgericht hat dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 103.797,93 DM zugesprochen. Dabei hat es die Bilanz des von dem Beklagten beauftragten Steuerberaters B. sowie die weiterführende Bilanz des von ihm bestellten Sachverständigen W. vom 19. Februar 1990 zugrunde gelegt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Dieser verfolgt mit der Revision seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Die Revision rügt, es liege keine Abfindungsbilanz, sondern eine für die Berechnung des Abfindungsanspruchs ungeeignete Steuerbilanz des Steuerberaters B. vor, die von dem Sachverständigen W. lediglich fortgeschrieben worden sei. Damit kann sie nicht durchdringen.
Richtig ist, daß nach dem Gesellschaftsvertrag vom 4. November 1981 der wahre Wert des Vermögens (ohne Firmenwert) zugrunde zu legen ist, nicht die Buchwerte der Jahresbilanz und auch nicht die Werte der Steuerbilanz. Den Parteien ist es aber unbenommen, sich auch mit einer nach steuerlichen Gesichtspunkten erstellten Bilanz grundsätzlich zufrieden zu geben. So liegt der Fall hier.
Der Steuerberater B. erstellte die Bilanz im Auftrag des Beklagten, nachdem der Kläger im Vorprozeß auf Auskunft über das Gesellschaftsvermögen durch Vorlage der Auseinandersetzungsbilanz geklagt hatte. Beide Parteien hatten gegen diese Bilanz keine grundsätzlichen Einwände, sondern erklärten den Vorprozeß übereinstimmend für erledigt. Im vorliegenden Prozeß hat der Kläger allerdings in der Klageschrift vorgetragen, es handele sich um eine reine Steuerbilanz und nicht um eine Abfindungsbilanz. Anschließend hat er sich aber lediglich gegen einige Punkte in der Bilanz gewandt, bei denen er die Berechnung für falsch hält. Die Einwände des Klägers führten sodann zu folgendem Beweisbeschluß des Landgerichts:
„Welches Auseinandersetzungsguthaben steht dem Kläger auf der Grundlage von § 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen B. und der dagegen erhobenen Einwendungen des Klägers gegen einzelne Wertansätze zu?”
Der Gutachter W. hat sich im wesentlichen auf die Prüfung der Bilanzposten beschränkt, die vom Kläger beanstandet worden sind. Das durfte er auch, weil der Beklagte seinerseits keinerlei Einwendungen erhoben hat. Wenn der Beklagte nunmehr die auf seine Veranlassung erstellte und von ihm anfangs auch akzeptierte Bilanz als gänzlich ungeeignet hinstellen will, setzt er sich mit seinem früheren Verhalten in Widerspruch. Abgesehen davon, legt er nicht dar, weshalb die Bilanz des Gutachters W. eine reine Steuerbilanz sein soll. Vor allem trägt er auch nicht vor, welchen wahren Wert die einzelnen Positionen haben sollen. Vielmehr begnügt sich die Revision mit anderen Einwänden gegen einzelne Punkte.
II. Die Revision meint, das Berufungsgericht habe die vom Beklagten behaupteten Zahlungen von 152.694,74 DM, denen angeblich gegen die Gesellschaft gerichtete Forderungen zugrundegelegen haben sollen, nicht als unschlüssig behandeln dürfen. Dabei beachtet sie nicht hinreichend, daß die entsprechende Passage in der Berufungsbegründung lediglich lautet:
„Der Beklagte überreicht ferner eine weitere Aufstellung über Zahlungen auf Forderungen, welche gegen die GbR gerichtet waren, die er aber aus eigenen Mitteln beglichen hat. Die Summe beläuft sich auf 152.694,74 DM (Beweis: Vorlage der Buchungsunterlagen, SV-Gutachten).”
Jede weitere Erklärung fehlt ebenso wie eine zulässige Bezugnahme auf das Vorbringen erster Instanz. Der Vortrag ist damit nicht genügend substantiiert.
III. Das Landgericht hat das Vorbringen des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 19. Oktober 1990 als verspätet zurückgewiesen. Die Berufungsbegründung enthält hierzu keine Rüge, auch nicht in der Richtung, daß die (vorsorglich) beantragte Anhörung des Sachverständigen nicht stattgefunden hat. Deshalb kann der Beklagte mit seinen entsprechenden Rügen im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben.
IV. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den vom Beklagten behaupteten Zahlungen an M. greift die Revision mit der Behauptung an, der Kläger habe sie nicht bestritten. Das ist unrichtig. Der Kläger hat sie mit Nichtwissen bestritten (GA II 416 f.).
V. Die Revision rügt dagegen mit Erfolg, daß der Steuerberater B. und ihm folgend der Sachverständige W. in die Abfindungsbilanz bei den Aktiva für „unfertige Arbeiten” einen Betrag aufgenommen hat, den der Sachverständige W. mit insgesamt 335.872,– DM festgesetzt hat. Dieses Vorgehen widerspricht § 740 BGB.
1. § 740 BGB ist auf eine zweigliedrige Gesellschaft bürgerlichen Rechts anwendbar. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, daß der Gesellschaftsvertrag auch bei einer zweigliedrigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts die liquidationslose Übernahme des Gesamthandsvermögens durch den verbleibenden „Gesellschafter” vorsehen kann. Eine solche Bestimmung enthält § 9 Abs. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages vom 4. November 1981. Dem Berufungsgericht ist weiterhin darin zu folgen, daß die Parteien ersichtlich davon ausgehen, diese Regelung gelte entsprechend für das einvernehmliche Ausscheiden des Klägers. Die Revision erhebt hiergegen auch keine Einwände.
Dementsprechend sind in solchen Fällen schwebende Geschäfte nach § 740 BGB abzuwickeln (vgl. RGZ 56, 16, 19; Soergel/Hadding, BGB 11. Aufl. § 740 Rdnr. 5).
2. Der in die Abschichtungsbilanz aufgenommene Posten „unfertige Arbeiten” fällt unter § 740 BGB.
a) Schwebende Geschäfte im Sinne des § 740 BGB sind unternehmensbezogene Rechtsgeschäfte, an die im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters die Gesellschaft schon gebunden war, die aber beide Vertragspartner bis dahin noch nicht voll erfüllt hatten (vgl. Sen.Urt. v. 29. April 1985 – II ZR 167/84, WM 1985, 1166; v. 16. Dezember 1985 – II ZR 38/85, WM 1986, 709, 710 = ZIP 1986, 301, 303; v. 9. Juni 1986 – II ZR 229/85, WM 1986, 967, 968; Neuhaus, Unternehmensbewertung und Abfindung, 1990, S. 139 m.w.N.).
b) Um solche schwebenden Geschäfte handelt es sich bei den von dem Sachverständigen unter der Rubrik „unfertige Arbeiten” aufgeführten Leistungen. Sämtliche Aufträge, die diesen Arbeiten zugrunde lagen, waren zum Stichtag noch nicht vollständig abgewickelt; zu diesem Zeitpunkt waren von den beteiligten Vertragsparteien jeweils nur Teilleistungen erbracht worden. Solche Teilleistungen genügen nicht, um die Anwendung des § 740 BGB auszuschließen.
Sinn und Zweck des § 740 BGB ist es, die Auseinandersetzung mit dem ausgeschiedenen Gesellschafter und die Erstellung der Abfindungsbilanz davon zu entlasten, die bei dem Ausscheiden schwebenden Geschäfte im Wege der Schätzung (§ 738 Abs. 2 BGB) berücksichtigen zu müssen. Die Berechnung des Abfindungsanspruchs soll mit diesen Geschäften nicht belastet werden, über sie soll vielmehr selbständig und gesondert entschieden werden (vgl. Sen.Urt. v. 9. Juli 1959 – II ZR 252/58, WM 1959, 1034; v. 15. April 1965 – II ZR 189/64, WM 1965, 765; v. 12. Februar 1979 – II ZR 106/78, WM 1979, 432, 434). Der Anspruch auf Beteiligung am Ergebnis der schwebenden Geschäfte wird im allgemeinen später fällig als derjenige auf das Abfindungsguthaben nach § 738 BGB oder den Ausgleich des negativen Kapitalkontos nach § 739 BGB. Seine Berücksichtigung bei der Ermittlung des Abfindungsanspruchs würde dessen Feststellung in der Regel verzögern; dem trägt § 740 BGB Rechnung (vgl. Sen.Urt. v. 9. Juli 1959, aaO; v. 16. Januar 1969 – II ZR 115/67, WM 1969, 494). Diese Vorschrift findet aber auch Anwendung, wenn der Anspruch aus den schwebenden Geschäften ausnahmsweise einmal der Höhe nach früher feststeht als derjenige aus § 738 BGB oder § 739 BGB. Das Gesetz hat den Anspruch aus schwebenden Geschäften gegenüber dem Abfindungsanspruch ohne Einschränkung verselbständigt (vgl. Sen.Urt. v. 15. April 1965 – II ZR 189/64, WM 1965, 765, 766; v. 16. Januar 1969 – II ZR 115/67, WM 1969, 494, 495; v. 12. November 1970 – II ZR 23/69, WM 1971, 130, 131).
c) Aus der Selbständigkeit des Anspruchs aus schwebenden Geschäften folgt, daß diese bei der Erstellung der Abschichtungsbilanz außer Betracht bleiben. Demgemäß entspricht es nicht der gesetzlichen Regelung, daß sie an dieser Stelle in irgendeiner Weise Berücksichtigung finden. Des weiteren ergibt sich hieraus, daß Rückstellungen, die in der Jahresbilanz wegen voraussichtlicher Verluste aus noch schwebenden Geschäften vorgenommen wurden, in die Abfindungsbilanz nicht eingestellt werden dürfen (vgl. Sen.Urt. v. 9. Juli 1959 – II ZR 252/58, aaO). Dasselbe gilt für nach dem Stichtag erfolgte Zahlungen auf den Gewinn aus schwebenden Geschäften (vgl. Sen.Urt. v. 12. Februar 1979 – II ZR 106/78, aaO).
Dementsprechend dürfen auch Teilleistungen, die vor dem Ausscheiden des Gesellschafters bereits erbracht worden sind, nicht in die Abschichtungsbilanz aufgenommen werden, wenn das Gesamtwerk zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt worden ist. Diese Teilleistungen sind vielmehr in die Gewinn- und Verlustrechnung nach § 740 Abs. 1 BGB einzubringen, die zu erstellen ist, wenn das schwebende Geschäft voll erfüllt worden ist.
Aus diesen Gründen ist dem Berufungsgericht zu folgen, soweit es – allerdings mit anderer Begründung – Rückstellungen für das unfertige Projekt Wu. nicht in die Abschichtungsbilanz eingestellt hat.
3. Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, daß die „unfertigen Arbeiten” inzwischen sämtlich beendet sind. Deshalb hat der Kläger nunmehr neben seinem Abfindungsanspruch gleichzeitig einen Anspruch auf Gewinnbeteiligung. Dieser Anspruch ist mit dem objektiv feststehenden Ergebnis der schwebenden Geschäfte fällig (vgl. Sen.Urt. v. 4. November 1979 – II ZR 245/78, WM 1980, 212, 213). Er kann im Wege der objektiven Klagenhäufung geltend gemacht werden. Das hat der Kläger allerdings bisher nur ansatzweise getan. Unschädlich ist zwar, daß er die „unfertigen Arbeiten” in die Abfindungsrechnung einstellen will; entscheidend ist aber, daß er nach seinen Ausführungen am Ergebnis dieser Arbeiten beteiligt sein will. Allerdings fehlen Ausführungen darüber, wann die schwebenden Geschäfte beendet worden sind und in welcher Höhe ein Gewinn entstanden ist. Dies kann dem Kläger indes nicht zum Nachteil gereichen.
Sowohl die Sachverständigen als auch die Instanzgerichte haben die „unfertigen Arbeiten” rechtsirrig in die Abfindungsrechnung eingestellt.
Der Beklagte rügt dies erstmals in der Revisionsinstanz. Bei dieser Sachlage kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; dem Kläger muß vielmehr Gelegenheit gegeben werden, seinen Sachvortrag insoweit zu ergänzen.
VI. Die Revision hat im Ergebnis weiterhin Erfolg, soweit das Berufungsgericht es abgelehnt hat, die Forderung „P.” entsprechend dem Vortrag des Beklagten zu bewerten.
Der Beklagte hat in der Berufungsbegründung vorgetragen, P. habe lediglich ein Honorar von 30.000,– DM anerkannt (GA III 461): Tatsächlich hat P. die Forderungen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts um 30.000,– DM gekürzt (GA III 573). Das Schreiben der Firma P. vom 5. März 1984, aus dem sich dies ergibt, hatte der Beklagte dem Sachverständigen übersandt. Es gelangte jedoch nicht zur Gerichtsakte, sondern wurde dem Berufungsgericht erst durch den nicht nachgelassenen Schriftsatz bekannt. Das Berufungsgericht hat den Beklagten, wie dieser selber einräumt, darauf hingewiesen, daß sich dieses Schreiben nicht bei den Akten befindet.
Trotzdem hat er nicht beantragt, im Falle des Widerrufs des im Termin vom 24. Juni 1991 geschlossenen Vergleichs, der tatsächlich widerrufen worden ist, wegen des neu bekannt gewordenen Umstandes erneut zu verhandeln oder eine Schriftsatzfrist zu gewähren. Deshalb mußte das Berufungsgericht die mündliche Verhandlung auch nicht wieder eröffnen.
Diesen Posten, der unter die Position „unfertige Arbeiten” fällt, kann das Berufungsgericht nunmehr aber bei der Feststellung des auf den Kläger fallenden Gewinnanteils aus den inzwischen beendeten schwebenden Geschäften berücksichtigen.
VII. Die hilfsweise Aufrechnung des Beklagten mit Schadensersatzansprüchen wegen fehlerhafter Leistungen bei Arbeiten für das Kreiskrankenhaus L., das Bundesgesundheitsamt und das Objekt Wu. bezieht sich ausschließlich auf den Posten „unfertige Arbeiten”. Diese Ansprüche sind daher nicht unselbständige Rechnungsposten der Abfindungsbilanz, sondern können einem etwaigen Anspruch des Klägers auf Gewinnbeteiligung an beendeten schwebenden Geschäften ausschließlich im Wege der Aufrechnung gegenübergestellt werden. Deshalb ist § 530 Abs. 2 ZPO anwendbar.
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß der Kläger nicht in die Aufrechnung eingewilligt hat. Die Aufrechnung wurde erstmals im Schriftsatz vom 14. Juni 1991 erklärt. Im Termin vom 24. Juni 1991 widersprach der Kläger der Aufrechnung zwar nicht. Doch wurde ihm eine Schriftsatzfrist bis 19. August 1991 zur Erwiderung auf den Schriftsatz des Beklagten vom 14. Juni 1991 eingeräumt. Innerhalb dieser Frist antwortete der Kläger: „Soweit nunmehr erstmals weitere Angaben zu den Ansprüchen gemacht werden, mit denen aufgerechnet werden soll, wird der Verwertung … widersprochen.” Von einer rügelosen Einlassung kann also keine Rede sein.
Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Sachdienlichkeit lassen keinen Rechts- und Ermessensfehler erkennen.
Fundstellen
Haufe-Index 649041 |
BB 1993, 401 |
NJW 1993, 1194 |
ZIP 1993, 195 |