Leitsatz (amtlich)
a) Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen in der Presse unter namentlicher Benennung des Betroffenen über ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren berichtet werden darf (Verdachtsberichtserstattung).
b) Zur Abgrenzung zwischen Satire und Schmähkritik.
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
LG Waldshut-Tiengen |
OLG Karlsruhe |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlußrevision der Klägerin das Urteil des 14. Zivilsenats in Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 18. Dezember 1998 abgeändert.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 9. April 1998 wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten der Rechtsmittelzüge.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, die bis Ende 1993 als Sachbearbeiterin im Straßenbauamt der Stadt B.S. im Bereich des Vertrags- und Vergabewesens tätig war, bis Mitte 1995 kommunalpolitische Parteiämter innehatte und seit 1989 ehrenamtliche Vorsitzende eines Vereins zur Drogenbekämpfung ist, nimmt die Beklagte als Verlegerin und Herausgeberin des S.-Kuriers sowie des H.-Anzeigers wegen unzulässiger Berichterstattung auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Staatsanwaltschaft F. hatte im Oktober 1996 gegen die Klägerin ein Ermittlungsverfahren wegen Vorteilsnahme und Bestechlichkeit eingeleitet, weil bei der Durchsuchung der mit Straßenmarkierungsarbeiten befaßten Firma R. in L. u.a. ein an die Klägerin gerichteter Überweisungsbeleg gefunden worden war. Nach Durchsuchung der Privatwohnung der Klägerin und des Straßenbauamts in B.S. am 8. Oktober 1996 berichtete der S.-Kurier nach Kontaktaufnahme mit der Klägerin am 10. Oktober 1996 auf der Titelseite unter der Überschrift „Behörde unter Verdacht” ohne Namensnennung sowie im Leitartikel des Lokalteils mit Nennung des Namens der Klägerin unter der Überschrift „Ex-Mitarbeiterin unter schwerem Verdacht” über das Ermittlungsverfahren, wobei jeweils auch Spenden der Firma R. an den von der Klägerin geleiteten Verein erwähnt wurden.
Am 11. Oktober 1996 erwirkte die Klägerin eine am 12. Oktober 1996 zugestellte einstweilige Verfügung, durch die der Beklagten verboten wurde, über das Ermittlungsverfahren unter Nennung ihres Namens zu berichten. Über das Verfahren berichtete am 11. Oktober 1996 auf Veranlassung der Klägerin ein anderes Lokalblatt unter Nennung des Namens und Veröffentlichung eines Interviews der Klägerin mit deren Foto. In einem weiteren Artikel dieser Zeitung vom 12. Oktober 1996 heißt es, die Ermittlungen liefen nun in eine andere Richtung, da ein Prokurist der Firma R. in Verdacht stehe, fingierte Überweisungsbelege zur Vertuschung einer Unterschlagung gefertigt zu haben.
Am 16. Oktober 1996 erschien im H.-Anzeiger in der Rubrik „Sticheleien von Horaz” folgende Veröffentlichung:
„Wir, G. A., sind – persönlich – von Ihrer Unschuld überzeugt! Daß eine L. Firma im Auftrag Ihres a.D.-Amtes Straßenmarkierungsarbeiten am Hochrhein durchführte und gleichzeitig eine Spende an Ihren Drogen-Verein … pardon, natürlich „ANTI-Drogen-Verein” … überwies – wer mag da nicht an Zufall glauben?
Wir tun's!
Weil: Wer – wie Sie – uneigennützig bis ins Letzte ist, tut nie und nimmer Böses! Da geht bei uns nix! Da simmer voll auf Ihrer Seite!
Was wir Ihnen, G. A., deshalb raten wollen: Hüten Sie sich vor Leuten, die Ihnen aufrichtigen Trost in dieser schweren Zeit spenden, die auf Ihrer Seite stehen, die Ihnen nix Böses zutrauen – und erstmal den Ausgang der Ermittlungen abwarten wollen.
Schleimerschmarotzerpack!”
Die Staatsanwaltschaft stellte am 6. November 1996 das Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin mangels hinreichenden Tatverdachts ein, worüber der S.-Kurier am 9. November 1996 berichtete.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ersatz materiellen und immateriellen Schadens, weil die Veröffentlichungen vom 10. Oktober und 16. Oktober 1996 einen schweren Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht darstellten, unter dem auch ihre Gesundheit gelitten habe.
Sie meint, die Berichterstattung vom 10. Oktober 1996 stelle eine Vorverurteilung dar, die im Hinblick auf die grundsätzlich bestehende Unschuldsvermutung unzulässig sei. Die Nennung ihres Namens im Lokalteil sei ebenfalls nicht zulässig gewesen. Die dort erhobene Behauptung, gegen sie richte sich ein schwerer Verdacht, habe dem Ermittlungsstand nicht entsprochen. Unzulässigerweise habe die Beklagte auch eine Verbindung zwischen dem Ermittlungsverfahren und ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit hergestellt, zumal die Behauptung unzutreffend gewesen sei, der Schatzmeister des Vereins habe gegenüber der Beklagten Spenden der Firma R. erwähnt. Der Artikel vom 16. Oktober 1996 stelle eine diffamierende Schmähkritik dar und sei überdies trotz der einstweiligen Verfügung und ungeachtet des bereits in eine andere Richtung laufenden Ermittlungsverfahrens veröffentlicht worden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zur Zahlung von Rezept- und Arztkosten in Höhe von 1.083 DM nebst 4% Zinsen ab Rechtshängigkeit zu verurteilen sowie festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr weiteren Schaden aus der beanstandeten Berichterstattung zu ersetzen, ferner die Beklagte zum Ausgleich des immateriellen Schadens zur Zahlung eines Betrages zu verurteilen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, wobei die Klägerin einen Betrag von 20.000 DM für angemessen hält. Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung und Zulassung der Revision für beide Parteien hat das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin wegen des Artikels vom 16. Oktober 1996 immateriellen Schadensersatz in Höhe von 15.000 DM zu zahlen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Die Klägerin verfolgt mit ihrer Anschlußrevision ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht führt aus, der Klägerin stehe wegen des Artikels vom 10. Oktober 1996 kein Anspruch auf Schadensersatz zu. Zwar treffe die Presse bei einer Verdachtsberichterstattung eine erhöhte Prüfungspflicht hinsichtlich Wahrheit, Inhalt und Herkunft eines Verdachts; auch sei sie bei einer die Identifizierung des Betroffenen ermöglichenden Berichterstattung zu besonderer Zurückhaltung verpflichtet. Indessen habe die Beklagte sich in den Grenzen zulässiger Verdachtsberichterstattung gehalten, indem sie Mitteilungen der Staatsanwaltschaft, der Polizei und einer Presseagentur zutreffend wiedergegeben habe. Sie habe auch hinreichend zum Ausdruck gebracht, daß es sich nur um einen Verdacht handele, so daß für den unbefangenen Leser nicht der Eindruck einer Vorverurteilung habe entstehen können, zumal der Darstellung der Klägerin hinreichend Raum eingeräumt worden sei. Das gelte auch für den Bericht im Lokalteil. Hierbei sei auch die Nennung des Namens der Klägerin zulässig gewesen, da es sich um einen Verdacht von erheblichem Gewicht – nämlich eine Straftat im öffentlichen Dienst – gehandelt habe, die Klägerin wegen ihrer Tätigkeit für den Verein zur Drogenbekämpfung im Rampenlicht jedenfalls der regionalen Öffentlichkeit gestanden sei und die Verdachtsmomente im damaligen Ermittlungsstadium hinreichend greifbar gewesen seien.
Wegen des Artikels vom 16. Oktober 1996 stehe der Klägerin ein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz zu, weil diese Glosse auch unter Berücksichtigung ihres satirischen Charakters eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstelle. Bei der Abwägung zwischen diesem Rechtsgut und dem Recht auf Meinungsfreiheit sei zu berücksichtigen, daß die Beklagte sich unter Nennung des Namens der Klägerin über die zu deren Gunsten geltende Unschuldsvermutung geradezu lustig gemacht habe. Auch sei die ehrenamtliche Tätigkeit der Klägerin ins Lächerliche gezogen und sie selbst der öffentlichen Geringschätzung preisgegeben worden. Die Wortschöpfung „Schleimerschmarotzerpack” beziehe sich zwar nicht unmittelbar auf die Klägerin, zeige jedoch, wie tief diese gefallen sei und daß sie im Grunde allein stehe, wenn sich alle mit ihr Solidarität bekundenden Zeitgenossen als „Pack” bezeichnen lassen müßten. Es sei auch nicht ersichtlich, daß die Glosse einer kritischen Auseinandersetzung in der Sache diene. Selbst mit großer Phantasie lasse sich nicht erkennen, welchen Bezug die ablehnende Haltung des Kritikers zu welcher kritikwürdigen Angelegenheit oder Haltung aufweisen solle. Deshalb handele es sich um eine reine Schmähung der Klägerin, bei der die Diffamierung und Herabsetzung der Person im Vordergrund stehe. Insgesamt sei auch im Hinblick auf den Umfang der Verbreitung der Glosse eine Geldentschädigung von 15.000 DM angemessen. Ein Ersatz des materiellen Schadens hingegen komme nicht in Betracht, da dieser bereits durch die zulässige Berichterstattung vom 10. Oktober 1996 entstanden sei.
II.
Die Anschlußrevision der Klägerin erweist sich als unbegründet (A), während die Revision der Beklagten zur gänzlichen Klagabweisung führt (B).
A. Mit Recht hat das Berufungsgericht der Klägerin keinen Schadensersatz wegen des Zeitungsartikels vom 10. Oktober 1996 zuerkannt. Auch wenn die öffentliche Berichterstattung über eine Straftat den Beschuldigten erheblich in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, weil sie sein (mögliches) Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und damit seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert (vgl. BVerfGE 35, 202, 226), kann dies nur dann zu einem Schadensersatzanspruch führen, wenn der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht rechtswidrig und schuldhaft ist. Dies hat das Berufungsgericht unter den Umständen des Streitfalls rechts- und verfahrensfehlerfrei verneint.
1. Insbesondere trifft es zu, daß die Beklagte sich in den Grenzen gehalten hat, die von der Rechtsprechung für die Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung über laufende strafrechtliche Ermittlungen gezogen worden sind.
a) Zwar weist die Anschlußrevision mit Recht darauf hin, wegen der Gefahr, daß die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetze und deshalb auch im Fall einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht ausgeschlossen sei, daß vom Schuldvorwurf „etwas hängenbleibt”, seien erhöhte Anforderungen an die publizistische Sorgfaltspflicht zu stellen (vgl. hierzu Peters, NJW 1997, 1334, 1338 f.).
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Berichterstattung ist zunächst das Vorliegen eines Mindestbestandes an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert” verleihen (vgl. Senatsurteile vom 3. Mai 1977 – VI ZR 36/74 – NJW 1977, 1288, 1289 und vom 26. November 1996 – VI ZR 323/95 – NJW 1997, 1148, 1149). Dabei sind die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht um so höher anzusetzen, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird (Senatsurteile vom 20. Juni 1972 – VI ZR 26/71 – NJW 1972, 1658, 1659 und vom 3. Mai 1977 (aaO); ebenso OLG Brandenburg, NJW 1995, 886, 888). Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen strafbaren Handlung bereits überführt (OLG Brandenburg aaO; OLG München, NJW-RR 1996, 1487, 1488; 1493, 1494; OLG Frankfurt, NJW-RR 1990, 989, 990). Unzulässig ist nach diesen Grundsätzen eine auf Sensationen ausgehende, bewußt einseitige oder verfälschende Darstellung; vielmehr müssen auch die zur Verteidigung des Beschuldigten vorgetragenen Tatsachen und Argumente berücksichtigt werden (BVerfGE 35, 202, 232; Senatsurteil vom 12. Oktober 1965 – VI ZR 95/64 – NJW 1965, 2395, 2396). Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen (Senatsurteil BGHZ 132, 13, 25 m.w.N.). Schließlich muß es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist.
Andererseits dürfen die Anforderungen an die pressemäßige Sorgfalt und die Wahrheitspflicht nicht überspannt und insbesondere nicht so bemessen werden, daß darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leidet (BVerfGE 85, 1, 15; Senatsurteil BGHZ 132, 13, 24; zur Recherchierungspflicht vgl. auch Senatsurteil vom 16. Juni 1998 – VI ZR 205/97 – VersR 1998, 1250 = BGHZ 139, 95 ff.). Straftaten gehören nämlich zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung zu den Aufgaben der Medien gehört (BVerfGE 35, 202, 230 f.). Dürfte die Presse, falls der Ruf einer Person gefährdet ist, nur solche Informationen verbreiten, deren Wahrheit im Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits mit Sicherheit feststeht, so könnte sie ihre durch Art. 5 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Aufgaben bei der öffentlichen Meinungsbildung nicht durchweg erfüllen (BVerfGE 97, 125, 149; Senatsurteil vom 3. Mai 1977 (aaO)), wobei auch zu beachten ist, daß ihre ohnehin begrenzten Mittel zur Ermittlung der Wahrheit durch den Zwang zu aktueller Berichterstattung verkürzt sind. Deshalb verdient im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen dem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit regelmäßig die aktuelle Berichterstattung und mithin das Informationsinteresse jedenfalls dann den Vorrang, wenn die oben dargestellten Sorgfaltsanforderungen eingehalten sind. Stellt sich in einem solchen Fall später die Unwahrheit der Äußerung heraus, so ist diese als im Äußerungszeitpunkt rechtmäßig anzusehen, so daß Widerruf oder Schadensersatz nicht in Betracht kommen (BVerfG, NJW 1999, 1322, 1324; Senatsurteil vom 26. November 1996 (aaO)). Hiernach kann auch die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK – soweit sie überhaupt für die Presse gelten kann – die Freiheit der Berichterstattung zumindest dann nicht einschränken, wenn die Grenzen zulässiger Verdachtsberichterstattung eingehalten werden.
b) Nach diesen Grundsätzen ist die Berichterstattung in den Zeitungsartikeln vom 10. Oktober 1996 nicht zu beanstanden.
aa) Soweit es um die Veröffentlichung auf der Titelseite geht, räumt die Anschlußrevision ein, daß hierbei der Name der Klägerin nicht erwähnt wird. Sie zieht von daher die Zulässigkeit dieser Berichterstattung auch nicht grundsätzlich in Zweifel, meint aber, durch die Formulierung, die Staatsanwaltschaft werfe der Angestellten Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung vor, werde für den unbefangenen Leser der Eindruck erweckt, gegenüber dieser Angestellten – nämlich der Klägerin – bestehe ein weitergehender Vorwurf als ein bloßer Verdacht. Das trifft schon vom Sprachgebrauch der StPO her nicht zu. Hiernach wird nämlich jeder, gegen den wegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird (§ 152 Abs. 2 StPO), als „Beschuldigter” bezeichnet. Ob es insoweit heißt, die Staatsanwaltschaft beschuldige die Angestellte der Vorteilsnahme oder werfe ihr diese vor, bedeutet keinen maßgeblichen Unterschied zumal das Gesetz in den §§ 136, 163 a Abs. 4 StPO selbst davon spricht, daß dem Beschuldigten eine Straftat zur Last gelegt werde. Ausschlaggebend ist vielmehr, daß die Grundaussage über Inhalt und Stand des Ermittlungsverfahrens zutreffend ist und daß bereits aus der Überschrift des Artikels „Behörde unter Verdacht” hervorgeht, daß lediglich über einen Verdacht berichtet wird.
bb) Keine unzulässige Vorverurteilung stellt entgegen der Auffassung der Anschlußrevision auch die Berichterstattung im Lokalteil des S.-Kuriers vom 10. Oktober 1996 mit der Überschrift „Ex-Mitarbeiterin unter schwerem Verdacht” dar. Insoweit beruht zwar die Bezeichnung als „schwerer Verdacht” seitens der Beklagten nicht auf Mitteilungen der Staatsanwaltschaft oder dem bisherigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens.
Indessen ist zu berücksichtigen, daß der Artikel von einem juristischen Laien verfaßt worden ist, dem die Abstufungen des Verdachts nach der Strafprozeßordnung, die den Begriff des schweren Verdachts ohnehin nicht kennt, nicht geläufig sein müssen. Für einen solchen Laien kann es vielmehr naheliegen, von einem gewichtigen oder schweren Verdacht auszugehen, wenn aufgrund eines gerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses eine mehrstündige Hausdurchsuchung erfolgt. Vor allem verkennt die Anschlußrevision, daß die Formulierung „schwerer Tatverdacht” nach allgemeinem Sprachgebrauch ohne weiteres auch dahin verstanden werden kann, daß der Verdacht einer von ihrem Gewicht her schweren Verfehlung besteht. Jedenfalls bei diesem Verständnis ist die Formulierung nach dem Stand der Ermittlungen im Zeitpunkt der Berichterstattung nicht zu beanstanden. Sind nämlich mehrere sich nicht gegenseitig ausschließende Deutungen des Inhalts einer Äußerung möglich, so ist der rechtlichen Beurteilung diejenige zugrunde zu legen, die dem auf Unterlassung in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt (Senatsurteil vom 16. Juni 1998 (aaO)).
cc) Soweit es um die Recherchierungspflicht der Beklagten geht, beanstandet die Anschlußrevision im Hinblick auf beide Artikel vom 10. Oktober 1996 ohne Erfolg, daß die dort erwähnten Spenden der Firma R. an den von der Klägerin geleiteten Verein zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des Ermittlungsverfahrens gewesen seien und auch die Stellungnahme des Schatzmeisters unzutreffend wiedergegeben worden sei. Insoweit trifft es zwar zu, daß bezüglich der Spenden von der Beklagten selbst recherchiert worden ist und das Berufungsurteil dies nicht ausdrücklich erwähnt. Es nimmt jedoch insoweit in zulässiger Weise (§ 543 Abs. 1 ZPO) auf die Entscheidungsgründe des Landgerichts Bezug. Dort wird zutreffend darauf hingewiesen, es komme nicht darauf an, ob – was zwischen den Parteien streitig ist – der Schatzmeister des Vereins auf telefonische Nachfrage der Beklagten am 9. Oktober 1996 erklärt habe, im Jahr 1991 seien einige Spenden der Firma R. auf dem Vereinskonto eingegangen, da sich nämlich aus dem Schreiben jener Firma vom 29. Oktober 1996, dessen Richtigkeit die Klägerin nicht bestritten hat, ergebe, daß von dieser Firma jedenfalls in den Jahren 1990 und 1993 jeweils Spenden in Höhe von 1.000 DM geleistet worden seien.
dd) Der Anschlußrevision kann auch nicht darin gefolgt werden, durch die Berichterstattung werde zumindest dem flüchtigen Leser suggeriert, der Verdacht der Staatsanwaltschaft stütze sich gerade auf die Verknüpfung von Spenden an den Verein mit der Vergabe von Aufträgen an die Firma R. Aus dem Artikel ergibt sich nämlich nicht, daß eine derartige Verbindung von der Staatsanwaltschaft vorgenommen worden ist. Vielmehr heißt es zunächst, die Staatsanwaltschaft werfe der Klägerin vor, Geld und Geschenke entgegengenommen zu haben. Erst danach geht der Bericht mit dem Einleitungssatz „Prekär an der Sache außerdem: …” auf die Spenden an den Verein ein, so daß hinreichend deutlich wird, daß es sich insoweit um den Standpunkt des Verfassers des Artikels handelt. Dabei liegt in der Verwendung des Wortes „prekär” auch keine unzulässige Vorverurteilung, weil damit eine wertende Stellungnahme ausgedrückt wird, die einen etwaigen Zusammenhang zwischen Auftragsvergabe und Spenden als bedenklich darstellt und sich damit im Rahmen der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit bewegt. Im übrigen bringt der Artikel entgegen der Auffassung der Anschlußrevision nicht zum Ausdruck, daß die geschilderte telefonische Nachfrage beim Schatzmeister des Vereins durch die Staatsanwaltschaft und nicht durch die Beklagte erfolgt wäre.
ee) Auch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Bericht im Lokalteil einer Darstellung des Vorwurfs aus der Sicht der Klägerin hinreichend Raum einräume, werden von der Anschlußrevision keine durchgreifenden Einwendungen erhoben.
2. Das angefochtene Urteil läßt auch keinen Rechtsfehler erkennen, soweit es hinsichtlich des Artikels im Lokalteil die Nennung des Namens der Klägerin für zulässig hält.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Presse bei einer die Identifizierung des Beschuldigten enthaltenden oder ermöglichenden Berichterstattung über das Vorliegen des Verdachts einer Straftat besondere Zurückhaltung auferlegt ist. Hiernach setzt die namentliche Erwähnung des Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren zusätzlich zu den oben dargestellten Anforderungen an eine zulässige Verdachtsberichterstattung voraus, daß auch unter Berücksichtigung des Geheimhaltungsinteresses des Betroffenen bei der erforderlichen Abwägung das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt. Danach kommt eine Namensnennung grundsätzlich nur in Fällen schwerer Kriminalität oder bei Straftaten in Betracht, die die Öffentlichkeit besonders berühren (BGH, Urteil vom 17. März 1994 – III ZR 15/93 – NJW 1994, 1950, 1952; vgl. auch LG Berlin, NJW-RR 1999, 1253 f.). Wenngleich die vorliegend in Rede stehenden Delikte der Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung von der Strafandrohung her (§§ 331 ff. StGB) lediglich dem Bereich der mittleren Kriminalität zugeordnet werden können, handelt es sich doch um Straftaten, die ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit auf sich ziehen und bei denen der Informationsfunktion der Presse wegen der Verbindung von staatlichem Handeln mit dem strafbaren Verhalten von Amtsträgern erhöhte Bedeutung beikommt. In solchen Fällen kann wegen der Stellung der Person des Beschuldigten und der Art der Straftat eine namentliche Berichterstattung auch unterhalb der Schwelle der Schwerkriminalität zulässig sein (vgl. Löffler/Steffen, Presserecht, 4. Aufl., LPG § 6 Rdn. 208).
b) Keinen Bedenken begegnet auch die Auffassung des Berufungsgerichts, daß im Streitfall das Ausmaß des im Zeitpunkt der Veröffentlichung bestehenden Tatverdachtes einer Namensnennung nicht entgegenstand (vgl. hierzu Senatsurteil BGHZ 132, 13, 26 sowie BGH, Urteil vom 17. März 1994 (aaO)). Während die Presse bei einer nur dürftigen Tatsachen- und Recherchengrundlage zumindest eine Anonymisierung vorzunehmen oder sogar gänzlich von einer Berichterstattung abzusehen hat, gab es vorliegend im Hinblick auf den bei der Firma R. aufgefundenen, auf den Namen der Klägerin lautenden Überweisungsbeleg und die unstreitig an den Verein erfolgten Zahlungen hinreichende Belegtatsachen, die eine namentliche Benennung der Klägerin statthaft erscheinen lassen konnten.
c) Mit Recht hat das Berufungsgericht auch ein besonderes Interesse an der Person der Klägerin bejaht, deren Stellung in der Öffentlichkeit durch die vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei gewürdigten Presseveröffentlichungen hinreichend belegt und von der Anschlußrevision auch nicht in Zweifel gezogen wird. Zutreffend sieht das Berufungsgericht einen weiteren Beleg für die hervorgehobene Rolle der Klägerin auch darin, daß ein anderes Lokalblatt am 11. Oktober 1996 neben einem Bericht über das Ermittlungsverfahren auch ein Interview mit der Klägerin nebst Bild abgedruckt hat. Da sie bereits durch ihre Tätigkeit für den Verein zur Drogenbekämpfung in das Licht der regionalen Öffentlichkeit getreten war, kann deren Informationsinteresse an einer etwaigen Verstrickung der Klägerin in ein Ermittlungsverfahren, das einen Zusammenhang zwischen der früheren beruflichen Tätigkeit der Klägerin und Firmenspenden an den von dieser geleiteten Verein als möglich erscheinen ließ, nicht verneint werden. Insoweit kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Beklagte den Namen der Klägerin nur im Lokalteil erwähnt hat und daß jedenfalls im lokalen Bereich die Identifizierung der Klägerin durch die Beschreibung ihrer Tätigkeit im Straßenbauamt sowie als Vorsitzende des Vereins zur Drogenbekämpfung für die Öffentlichkeit auch ohne ausdrückliche Namensnennung unschwer möglich gewesen wäre.
Nach alledem kann die Klägerin aus der Berichterstattung vom 10. Oktober 1996 keinen Anspruch auf Schadensersatz herleiten, so daß die Anschlußrevision zurückzuweisen war.
B. Erfolg hat dagegen die Revision der Beklagten, weil der Klägerin auch wegen der Veröffentlichung im H.-Anzeiger vom 16. Oktober 1996 kein Anspruch auf Schadensersatz zusteht.
1. Zutreffend ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß dieser von ihm als Glosse bezeichnete Zeitungsbeitrag in seiner Eigenschaft als Satire grundsätzlich unter dem Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG steht.
Gegenüber den wertenden Elementen dieser Äußerung tritt nämlich ihr tatsächlicher Gehalt deutlich zurück, so daß sie insgesamt den für die Meinungsäußerung geltenden Regeln zu unterstellen ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 132, 13, 21 sowie vom 28. Juni 1994 – VI ZR 273/93 – VersR 1994, 1123 und vom 12. Oktober 1993 – VI ZR 23/93 – VersR 1994, 57, 58 f.). Durch die Glosse wird auch nicht etwa der Eindruck erweckt, die Klägerin sei bereits verurteilt oder auch nur angeklagt, so daß auch die Grenzen zulässiger Verdachtsberichterstattung (oben A) nicht überschritten werden. Vielmehr wird am Schluß der Glosse ausdrücklich nahegelegt, den Ausgang des Ermittlungsverfahrens abzuwarten.
2. Mit Recht beanstandet die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht die Äußerung als unzulässige Schmähkritik angesehen hat.
a) Zwar findet die in Form einer Satire geäußerte Meinung und Kritik am Verhalten anderer Personen ihre Grenze dort, wo es sich um reine Schmähkritik oder eine Formalbeleidigung handelt bzw. die Äußerung die Menschenwürde antastet (BVerfGE 86, 1, 13; 82, 272, 283 f.; 75, 369, 380; BVerfG, NJW 1995, 3303, 3304, 3307; 1993, 1462; Senatsurteile vom 16. Juni 1998 (aaO) und vom 12. Oktober 1993 (aaO)). Diese Grenze wird vorliegend jedoch nicht überschritten.
Schon vom Ansatz her ist der Begriff „Schmähkritik” wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts eng auszulegen. Von einer Schmähkritik kann deshalb nur dann die Rede sein, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik persönlich herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll (BVerfG, NJW 1995, 3303, 3304; NJW 1991, 1475, 1477; Senatsurteile, BGHZ 91, 117, 122 und vom 12. Oktober 1993 (aaO)). Insoweit hat das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, nicht nur das redaktionelle Umfeld der Glosse unberücksichtigt gelassen, mit der in Form einer regelmäßig erscheinenden Kolumne unter der Bezeichnung „Sticheleien von Horaz” – wobei „Horaz” eine abkürzende Anspielung auf den Namen des Lokalblatts darstellt – regional bekannte Zeitgenossen oder Organisationen einer gelegentlich scharfen Kritik unterzogen werden. Es hat vor allem infolge einer unzulänglichen Erfassung des Aussagehaltes verkannt, daß der Glosse durchaus ein Sachbezug zukommt, und ist von daher zu der unrichtigen Auffassung gelangt, daß sie sich ohne sachlichen Gehalt in gegen die Klägerin gerichteten Ausfällen von schmähendem Inhalt erschöpfe und deshalb als „Schmähkritik” einzustufen sei.
b) Voraussetzung für die richtige rechtliche Wertung ist nämlich, daß der Sinn der Äußerung zutreffend erfaßt worden ist. Ob dies der Fall ist, unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (Senatsurteile BGHZ 132, 13, 21; 78, 9, 16). Bei der Bewertung der Glosse als Schmähkritik hat das Berufungsgericht insbesondere verkannt, daß die rechtliche Beurteilung einer Satire zunächst die Trennung zwischen dem Aussagegehalt und dem vom Verfasser gewählten satirischen Gewand erfordert, damit ihr eigentlicher Inhalt ermittelt wird (BVerfGE 75, 369, 377 f.; 86, 1, 12; BVerfG, NJW 1998, 1386, 1387). Dieser Aussagekern und seine Einkleidung sind sodann gesondert daraufhin zu überprüfen, ob sie eine Kundgabe der Mißachtung gegenüber der betroffenen Person enthalten.
aa) Soweit das Berufungsgericht zum ersten Teil der Glosse darauf abstellt, es stelle eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin dar, daß der Autor in ironischem Ton vorgebe, von ihrer Unschuld überzeugt zu sein, sich tatsächlich jedoch über die Unschuldsvermutung lustig mache, fehlt es bereits an der gebotenen Trennung von Aussagekern und satirischer Einkleidung. Naheliegender Aussagekern ist nämlich die Äußerung des Verfassers, er persönlich sei von der Unschuld der Klägerin nicht überzeugt. Für diese Aussage bezieht er mit einem klassischen Stilmittel der Satire die Gegenposition, indem er vorgibt, den Standpunkt eines naiven, geradezu törichten und nicht einmal der korrekten Rechtschreibung fähigen Menschen zu vertreten, der blindlings an einen nur zufälligen Zusammenhang zwischen den Aufträgen an die Firma R. und deren Spenden an den Verein und die Uneigennützigkeit der Klägerin glaubt.
Mithin stellt der Aussagekern bei richtigem Verständnis trotz seiner ironischen Verfremdung eine für den Leser klar erkennbare Meinungsäußerung des Verfassers dar, die sich als Beitrag zum geistigen Meinungskampf im zulässigen Rahmen bewegt und deshalb den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG genießt, zumal es im Hinblick auf den im Raum stehenden Korruptionsvorwurf um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage geht (vgl. Senatsurteil vom 12. Oktober 1993 (aaO)).
bb) Das Berufungsgericht hat bei seiner Bewertung der Äußerung als Schmähkritik auch nicht berücksichtigt, daß die übrigen Formulierungen wie „Ihres a.D.-Amtes”, „Spende an Ihren Drogen-Verein … pardon, natürlich ANTI-Drogen-Verein”, „Wer – wie Sie – uneigennützig bis ins Letzte ist, tut nie und nimmer Böses” lediglich die satirische Einkleidung darstellen. Auch insoweit hat es den Prüfungsmaßstab verfehlt, zumal die hier anzulegenden Maßstäbe im Hinblick auf das Wesensmerkmal der Satire weniger streng sind als diejenigen, die für die Beurteilung des Aussagekerns gelten (BVerfG, NJW 1998, 1386, 1387). Es ist nämlich zu berücksichtigen, daß es der Satire wesenseigen ist, mit Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen zu arbeiten, und sie von daher durch eine erkennbar unernste, durch Wortwitz bis hin zu Albernheiten geprägte Sprache gekennzeichnet ist, weil sie vordergründig zum Lachen reizen will, um zum Lesen anzuregen und hierdurch die Aufmerksamkeit des Lesers auf ihren Gegenstand zu lenken (vgl. BVerfGE 86, 1, 11; NJW 1998, 1386, 1387; Senatsurteil vom 8. Juni 1982 – VI ZR 139/80 – NJW 1983, 1194, 1195). Deshalb können weder die Bezeichnung „a.D.-Amt” noch der absichtliche „Versprecher” zur Zielsetzung des Vereins als unzulässige Mißachtung der Klägerin gedeutet werden, wobei auch darauf hinzuweisen ist, daß gerade im Bereich der Satire die Grenzen des guten Geschmacks und des einwandfreien Sprachgebrauchs oft überschritten werden und eine „Niveaukontrolle” nicht stattfinden darf (BVerfGE 75, 369, 377). Das Berufungsgericht verkennt auch, daß die Glosse nicht darauf abzielt, die ehrenamtliche Tätigkeit der Klägerin ins Lächerliche zu ziehen, sondern daß der von ihm beanstandete „Versprecher” ebenfalls ein Stilmittel kritisch-satirischer Darstellung ist. Im übrigen wird durch den Artikel eindeutig klargestellt, daß der Verein sich nicht für, sondern gegen Drogen einsetzt.
cc) Die Revision rügt ferner mit Recht, daß das Berufungsgericht auch beim zweiten Teil der Glosse den Aussagegehalt nicht zutreffend erfaßt und insbesondere den Sachbezug nicht erkannt hat. Hierbei geht es um den Ratschlag an die Klägerin, sich vor Personen zu hüten, die ihr „aufrichtigen Trost in dieser schweren Zeit spenden, die auf Ihrer Seite stehen, die Ihnen nix Böses zutrauen, – und erst mal den Ausgang der Ermittlungen abwarten wollen”. Damit richtet sich die Glosse erkennbar gegen solche Personen, die schon jetzt ohne nähere Prüfung der Vorgänge nach außen für die Klägerin Stellung nehmen, tatsächlich aber den Ausgang der Ermittlungen abwarten wollen und wegen dieser Haltung vom Verfasser als „Schleimerschmarotzerpack” bezeichnet werden.
Zu dieser Wortschöpfung hat das Berufungsgericht zwar zutreffend erkannt, daß sie sich nicht auf die Klägerin selbst bezieht. Soweit es sie gleichwohl als deren Herabwürdigung bewertet, weil sich aus einer solchen Bezeichnung der ihr nahestehenden Personen ergebe, wie tief die Klägerin gesunken sei und daß sie im Grunde allein dastehe, ist dies schon vom Aussagegehalt der Äußerung her nicht naheliegend und verstößt zudem gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze. Insoweit wurde schon oben (A 1 b bb) darauf hingewiesen, daß, wenn mehrere sich nicht gegenseitig ausschließende Deutungen des Inhalts einer Äußerung möglich sind, der rechtlichen Bewertung diejenige zugrunde zu legen ist, die dem auf Unterlassung in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt (BVerfG, NJW 1995, 3303, 3305; Senatsurteil vom 16. Juni 1998 (aaO)). Zwar braucht das Gericht insoweit nicht auf entfernte oder gar abstrakte Deutungsmöglichkeiten einzugehen, die in den konkreten Umständen keine Anhaltspunkte finden. Lassen Formulierungen oder Umstände jedoch eine nicht ehrenrührige Deutung zu, so verstößt ein diesen Grundsatz mißachtendes Verständnis des Aussagegehalts gegen Art. 5 Abs. 1 GG (BVerfG aaO). Das ist hier der Fall.
Es kann dahinstehen, ob mit der fraglichen Bezeichnung, wie die Revision dies nahelegen will, als eigentliche Zielgruppe die der Klägerin nach Meinung des Verfassers der Glosse „willfährige Lokalredaktion des Konkurrenzblattes” gemeint ist, die durch ihr Eintreten für die Klägerin („Schleimer”) die Erhöhung ihrer Auflage angestrebt und dadurch „schmarotzt” habe. Jedenfalls richtet sich der zweite Teil der Glosse nach Sinn und Wortlaut ausschließlich gegen die Parteigänger der Klägerin, die vom Verfasser wegen ihrer unkritischen Haltung zum Ermittlungsverfahren kritisiert werden.
Bei dieser Würdigung des Aussagegehalts ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts deutlich erkennbar, welcher kritischen Auseinandersetzung in der Sache die Glosse dienen soll, nämlich der Warnung davor, sich schon vor dem Abschluß der Ermittlungen vorschnell auf die Seite der Klägerin zu stellen.
3. Erweist sich die Glosse mithin nicht unter dem Blickpunkt der Schmähkritik als unzulässig, sondern fällt sie vielmehr in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG, so bedarf es einer Abwägung mit dem gleichfalls grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht der Klägerin. Diese Abwägung kann der erkennende Senat selbst vornehmen, weil es weiterer tatsächlicher Feststellungen nicht bedarf. Sie führt zum Ergebnis, daß die Äußerung nicht rechtswidrig ist und schon deshalb die Zuerkennung einer Geldentschädigung nicht in Betracht kommt.
a) Nach Lage des Falles kann nämlich das Persönlichkeitsrecht der Klägerin sowohl vom Aussagegehalt her als auch wegen des oben dargestellten Sachbezugs der Glosse keinen Vorrang vor dem Grundrecht der Meinungsfreiheit genießen. Maßgeblich hierfür ist, daß sich die satirische Veröffentlichung nach ihrem Aussagekern weitgehend gar nicht gegen die Klägerin selbst richtet und auch die satirische Einkleidung sich im zulässigen Rahmen bewegt. Soweit die Glosse Zweifel an der Unschuld der Klägerin zum Ausdruck bringt, muß dies im Hinblick auf den oben (A) dargelegten Stand des Ermittlungsverfahrens als Meinungsäußerung zulässig sein, zumal in tatsächlicher Hinsicht die Grenzen der Verdachtsberichterstattung nicht überschritten werden.
b) Mit Recht beanstandet die Revision insoweit, daß das Berufungsgericht meint, im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Glosse am 16. Oktober 1996 habe sich bereits abgezeichnet, daß der Verdacht gegen die Klägerin unbegründet sei. Sie weist zutreffend darauf hin, daß das Ermittlungsverfahren erst am 6. November 1996 eingestellt worden ist und daß die vom Berufungsgericht herangezogene, der Klägerin günstigere Berichterstattung des anderen Lokalblatts ausschließlich auf den Angaben der Rechtsanwälte der Klägerin beruht hat. Deshalb vermag auch diese Erwägung das angefochtene Urteil nicht zu stützen.
c) Schließlich kann es im Rahmen dieser Abwägung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht darauf ankommen, ob die Beklagte in einem außergerichtlichen Schreiben vom 29. November 1996 die Glosse als „unmöglich und unnötig” bezeichnet hat oder ob diese, wie das Berufungsgericht meint, schon „an sich fehl am Platze” war. Die Meinungsfreiheit ist nämlich grundsätzlich unabhängig vom Inhalt und der Form der geäußerten Meinung geschützt, ohne daß es darauf ankommt, ob die Äußerung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder rational ist (BVerfGE 85, 1, 14 f.; BVerfG, NJW 1995, 3303, 3304; Senatsurteil vom 12. Oktober 1993 (aaO)). Ausschlaggebend ist vielmehr, daß die Bewertung der Glosse als unzulässige Schmähkritik keinen Bestand haben kann und sie sich bei richtigem Verständnis ihres Aussagegehalts nicht als ein rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin darstellt.
Unterschriften
Groß, Dr. v. Gerlach, Dr. Müller, Dr. Dressler, Wellner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 07.12.1999 durch Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556322 |
BGHZ |
BGHZ, 199 |
NJW 2000, 1036 |
NJW-RR 2000, 1356 |
Nachschlagewerk BGH |
WuB 2000, 689 |
AfP 2000, 167 |
DVP 2000, 306 |
JA 2000, 622 |
JZ 2000, 618 |
VersR 2000, 327 |
WRP 2000, 310 |
ZUM 2000, 397 |
KomVerw 2000, 193 |
FSt 2000, 847 |
FuBW 2000, 453 |
FuHe 2000, 645 |
FuNds 2000, 577 |