Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 31.05.2005) |
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 31. Mai 2005 im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und Waffen sowie sichergestellte Betäubungsmittel eingezogen. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft ist, wie sich aus dem Zusammenhang der Revisionsbegründung eindeutig ergibt, wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Sie ist mit der Sachrüge begründet, so dass es auf die gleichfalls erhobene Aufklärungsrüge nicht ankommt.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte Mitte August 2004 ein Kilogramm Amphetaminzubereitung mit einem Wirkstoffgehalt von 4,9 % und Anfang Oktober 2004 450 Gramm Haschisch mittlerer bis guter Qualität, um das Rauschgift gewinnbringend weiter zu verkaufen und so auch seinen eigenen Drogenkonsum zu finanzieren. Die Betäubungsmittel bewahrte er im ersten Fall in seinem PKW, im zweiten Fall in der Wohnung eines Nachbarn gemeinsam mit einem Teleskopschlagstock beziehungsweise mit einer scharfen Pistole Kaliber 7,65 mm und zugehöriger Munition auf. Bei einer Durchsuchung am 12. Oktober 2004 wurden noch 813,5 Gramm Amphetamin und 419,9 Gramm Haschisch sichergestellt.
Der Angeklagte konsumierte – nach mehrjähriger Unterbrechung – ab Februar 2004 wieder Drogen, und zwar zunächst Amphetamin, ab März 2004 auch Kokain bis zu 3,5 Gramm pro Tag, daneben zwei bis drei, aber auch bis zu sieben Tabletten Rohypnol. Nach den Feststellungen des Landgerichts, das sich insoweit auf die Einlassung des Angeklagten gestützt hat, litt er während eines Urlaubs im August 2004 sowie während eines davor liegenden Versuchs, drogenfrei zu leben, unter Entzugserscheinungen, ebenso nach seiner Festnahme. Dabei hatte er Gelenk- und Knochenschmerzen, schwitzte, litt unter Appetitlosigkeit und Schlafstörungen. Die als Zeugin vernommene Schwester des Angeklagten hat überdies ausgesagt, dieser habe im Tatzeitraum Gedächtnislücken gehabt, Verabredungen nicht eingehalten oder sie nachts wegen Bagatellen angerufen.
Das Landgericht hat, gestützt hierauf sowie auf das Gutachten eines Sachverständigen, in beiden Fällen die Voraussetzungen des § 21 StGB als gegeben angesehen, weil die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit erheblich vermindert gewesen sei. Bei dem Angeklagten sei „deutlich von Sucht zu sprechen” (UA S. 8). Die Einnahme von Drogen habe der Bekämpfung von Entzugserscheinungen gedient. Die vom Angeklagten begangenen Taten stünden „in der Kontinuität der Drogeneinnahme” (UA S. 9); die Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten habe sich in einer erheblichen Störung der Handlungskontrolle niedergeschlagen (ebenda).
2. Von diesen Feststellungen wird die Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat, wie die Revision zutreffend einwendet, nicht getragen. Das bloße Vorliegen einer psychischen oder – wie hier vom Landgericht offenbar angenommen – körperlichen Betäubungsmittelabhängigkeit begründet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann nicht schon ohne Weiteres die Annahme dauerhaft erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit, wenn zur unmittelbaren Befriedigung oder zur Finanzierung der Abhängigkeit Betäubungsmittel erworben oder Handel mit ihnen getrieben wird (vgl. z. B. BGH NJW 1981, 1221; NStZ 1989, 17; 1996, 498; 1999, 448; NStZ-RR 2004, 39 f.; vgl. auch Theune NStZ 1997, 60; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl., § 21 Rdn. 21; jeweils m.w.N.). Eine solche Einschränkung im Sinne eines Dauerzustands kommt vielmehr in der Regel nur bei Vorliegen schwerer Persönlichkeitsveränderungen auf Grund langjährigen Rauschmittelkonsums in Betracht; überdies bei Beschaffungstaten unter erheblichen akuten Entzugserscheinungen (ebenda). Diese Voraussetzungen sind hier nicht festgestellt. Auch die Feststellungen zu der Entzugssymptomatik des Angeklagten sowie zu Auffälligkeiten im Verhalten des Angeklagten belegen zwar die Annahme einer Betäubungsmittelabhängigkeit, nicht aber damit schon die einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit in den konkreten Tatzeitpunkten. Ob sich die vom Angeklagten geschilderten körperlichen Entzugssymptome („Knochenschmerzen”) mit Art und Maß des Rauschmittelkonsums überhaupt ohne Weiteres vereinbaren lassen, kann daher dahinstehen, da das Landgericht für die Beurteilung der Steuerungsfähigkeit schon von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist. Gegen eine erhebliche Minderung der Steuerungsfähigkeit spricht im Übrigen auch die planvolle Tatausführung über einen längeren Zeitraum.
Auf diesem Rechtsfehler beruht die Strafzumessung, denn das Landgericht hat die Annahme minder schwerer Fälle des § 30 a Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BtMG gerade auf das Vorliegen des vertypten Milderungsgrunds gemäß § 21 StGB gestützt.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Bode, Otten, Fischer, Roggenbuck
Fundstellen
Haufe-Index 2554913 |
NStZ-RR 2006, 88 |