Leitsatz (amtlich)
Ein Optionsrecht in einem Mietvertrag erlischt, sobald es ausgeübt und damit verbraucht worden ist. In einem Vertrag über die Verlängerung eines Mietvertrags, dessen Option bereits ausgeübt worden ist, ist eine unmißverständliche Vereinbarung der Parteien erforderlich, wenn das Optionsrecht wieder aufleben soll.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 16.10.1991) |
Tenor
1.
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 14. Dezember 1992 aufgehoben.
2.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 25 des Landgerichts Berlin vom 16. Oktober 1991 wird zurückgewiesen.
3.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelinstanzen.
Tatbestand
Die Beklagte betreibt in B. in gemieteten Räumen, deren Eigentümer jetzt die Kläger sind, ein Geschäft "des Do-ityour-self-Bereiches und des Bereiches Wand- und Bodenbeläge. Heimtextilien, Farben und Zubehör". Die Kläger sind in Mietverträge eingetreten, die die Voreigentümerin mit der Beklagten abgeschlossen hat. Den größten Teil der Gewerbefläche hat die Beklagte von der Voreigentümerin angemietet durch Mietvertrag vom 29. September 1972. Nach § 4 dieses Mietvertrages betrug die Miete einschließlich Nebenkosten 14.650,60 DM monatlich. Nach § 3 sollte das Mietverhältnis am 30. November 1977 enden; es sollte sich aber jeweils um ein Jahr verlängern, wenn es nicht von einer Partei drei Monate vor Ablauf der Mietzeit schriftlich gekündigt würde. Nach § 14 Nr. 1 wurde der Mieterin ein Optionsrecht für weitere fünf Jahre eingeräumt.
Durch einen weiteren Vertrag vom 31. Mai 1974, der ebenfalls zwischen der Beklagten und der Voreigentümerin abgeschlossen wurde, mietete die Beklagte für 508,41 DM monatlich einschließlich Nebenkosten weitere Gewerbeflächen hinzu. Auch dieses später beginnende Mietverhältnis sollte am 30. November 1977 enden, sich aber ebenfalls jeweils um ein Jahr verlängern, wenn keine Seite rechtzeitig vor Ablauf der Mietzeit die Kündigung erklärte. Auch dieser zweite Mietvertrag enthält in § 15 ein Optionsrecht für die Mieterin auf weitere fünf Jahre.
Die Beklagte machte im Jahre 1977 von ihren Optionsrechten Gebrauch, so daß sich beide Mietverhältnisse bis zum 30. November 1982 verlängerten. Im Jahre 1981 kam es zu Verhandlungen über eine weitere Verlängerung der Mietverträge. Am 28. Oktober 1981 wurde ein "3. Nachtrag zu den Mietverträgen vom 29.09.1972 und 31.05.1974" von beiden Seiten unterschrieben. In diesem Nachtrag wurde unter Nr. 1 vereinbart, daß sich das Mietverhältnis um zehn Jahre verlängere und dementsprechend am 30. November 1992 ende. Unter Nr. 2 wurde die monatlich zu zahlende Gesamtmiete auf 25.585,17 DM festgesetzt. Nr. 3 lautet:
"Die Mietverträge vom 29.09.1972 und 31.05.1974 bleiben im vollen Umfang bestehen, soweit sie nicht wie vorstehend geändert werden."
Weitere Vereinbarungen enthält der Nachtrag nicht. Im Jahre 1989 - inzwischen waren die Kläger auf Vermieterseite in das Mietverhältnis eingetreten - kam es zu einem Schriftwechsel zwischen den Parteien, weil die Beklagte aus den geschilderten Vereinbarungen ein Optionsrecht auf weitere fünf Jahre ab 1992 für sich in Anspruch nahm und erklärte, sie mache von diesem Optionsrecht Gebrauch, während die Kläger ein solches Optionsrecht nicht anerkennen wollten. Mit der im Frühjahr 1991 eingereichten Klage begehren die Kläger die Feststellung, daß die durch die Verträge vom 29. September 1972 und 31. Mai 1974 begründeten Mietverhältnisse am 30. November 1992 beendet seien. Durch Urteil vom 16. Oktober 1991 hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Im Frühjahr 1992 haben die Kläger in einem Parallelprozeß Räumungsklage erhoben. Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 3. Juni 1992 die Verhandlung des Parallelprozesses ausgesetzt bis zur Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits. Das Berufungsgericht hat unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Feststellungsklage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger den Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Beklagten weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten.
1.
Obwohl die Kläger von vornherein Leistungsklage auf zukünftige Räumung (§ 257 ZPO) hätten erheben können (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21. Dezember 1989 - IX ZR 234/88 - BGHZ ZPO § 256 Abs. 1 Feststellungsinteresse 16) und obwohl sie in einem Parallelprozeß später Räumungsklage erhoben haben, bleibt die Feststellungsklage in der vorliegenden besonderen Fallgestaltung ausnahmsweise zulässig (vgl. BGHZ 99, 340, 342 f. m.N.).
2.
Das Berufungsgericht führt aus, die Klage sei unbegründet, weil die Kläger die Mietverhältnisse frühestens zum 30. November 1997 ordentlich kündigen könnten. Aus dem Nachtrag vom 28. Oktober 1981 zu den beiden Mietverträgen ergebe sich für die Beklagte ein Optionsrecht für weitere fünf Jahre, das sie rechtzeitig ausgeübt habe. Auszugehen sei von dem schriftlichen Text der Vereinbarung vom 28. Oktober 1981. Die Kläger hätten nämlich in der Beweisaufnahme nicht nachweisen können, bei Abschluß dieser Vereinbarung habe zwischen den Vertragspartnern Einigkeit darüber bestanden, daß der Mieterin ein Optionsrecht nach Ablauf der Mietzeit (30. November 1992) nicht zustehen solle. In der Vereinbarung seien ausdrücklich lediglich die Mietzeit und die Höhe der Miete neu geregelt worden; nach Nr. 3 hätten die bestehenden Mietverträge im übrigen uneingeschränkt weiter gelten sollen. Das bedeute, daß auch das in den Mietverträgen enthaltene Optionsrecht weiterhin bestehe. Dem stehe nicht entgegen, daß das ursprünglich vereinbarte Optionsrecht bereits ausgeübt und damit verbraucht gewesen sei. "Der Verbrauch der ursprünglichen Option" hindere "die Parteien nicht, eine gleichlautende Vereinbarung auch für die verlängerte (neue) Vertragszeit zu treffen". Die Parteien hätten in dem Nachtrag vom 28. Oktober 1981 auf die ursprünglichen Mietverträge Bezug genommen und es sich lediglich erspart, den genauen Wortlaut dieser Verträge zu wiederholen.
Gegen diese Auslegung des Vertrages wendet sich die Revision mit Erfolg.
3.
Die Auslegung eines Vertrages ist zwar Sache des Tatrichters und kann in der Revisionsinstanz nur darauf überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (st.Rspr. des Bundesgerichtshofs, vgl. Urteil vom 25. Februar 1992 - X ZR 88/90 - BGHR ZPO § 549 Abs. 1 Vertragsauslegung 1 = NJW 1992, 1967, 1968 m.N.). Die Revision rügt aber zu Recht, daß das Berufungsgericht anerkannte Auslegungsregeln verletzt hat.
Ein Verstoß gegen Auslegungsregeln liegt u.a. dann vor, wenn die Auslegung in sich widersprüchlich ist (vgl. Senatsurteil vom 17. September 1980 - IVb ZR 550/80 - FamRZ 1980, 1104; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 21. Aufl. §§ 549, 550 Rdn. 36; MünchKommZPO/Walchshöfer § 550 Rdn. 15). Einen solchen Widerspruch enthalten die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Auslegung der Nachtragsvereinbarung vom 28. Oktober 1981. Das Berufungsgericht führt ausdrücklich aus, vor Abschluß dieser Nachtragsvereinbarung seien die ursprünglich vereinbarten Optionsrechte bereits ausgeübt und dadurch verbraucht gewesen und mit der Nachtragsvereinbarung hätten die Vertragsparteien lediglich die Mietdauer und die Höhe der Miete ändern wollen. Andererseits nimmt das Berufungsgericht aber ohne nähere Begründung an, die Vertragsparteien hätten durch Einbeziehung der ursprünglichen Mietverträge in die Nachtragsvereinbarung die darin enthaltenen Optionsrechte neu vereinbart und es sich lediglich erspart, "den gesamten Wortlaut dieser Verträge zu wiederholen". Beides ist miteinander nicht zu vereinbaren. Die Vertragsparteien haben entweder nur die Mietdauer und die Miethöhe geändert oder sie haben auch entsprechend den ursprünglichen Verträgen ein Optionsrecht neu vereinbart. Wegen dieses Widerspruchs kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Der Senat ist in der Lage, abschließend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
a)
Da weitere Feststellungen nicht erforderlich und auch nicht zu erwarten sind, kann der Senat die Auslegung der Nachtragsvereinbarung selbst vornehmen (BGHZ 65, 107, 112; vgl. auch Stein/Jonas/Grunsky a.a.O. Rdn. 39 m.N.; Münch-KommZPO/Walchshöfer a.a.O. Rdn. 16). Die Vertragsparteien haben in dem Nachtrag vom 28. Oktober 1981 vereinbart, daß die Dauer der Mietverhältnisse um zehn Jahre - bis zum 30. November 1992 - verlängert werde, daß die monatliche Gesamtmiete auf 25.585,17 DM erhöht werde und daß es im übrigen bei den bestehenden Mietverträgen bleiben solle. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist diese Vereinbarung dahin auszulegen, daß sich an den bestehenden Mietverhältnissen, abgesehen von dem Mietzins und der Mietdauer, nichts ändern sollte, daß sie vielmehr im übrigen so weitergeführt werden sollten, als hätte es die Nachtragsvereinbarung nicht gegeben. Das bedeutet, daß der Beklagten schon deshalb keine Optionsrechte mehr zustanden, weil sie die ursprünglich vereinbarten Optionsrechte bereits ausgeübt und damit verbraucht hatte. Anhaltspunkte dafür, daß durch die Nachtragsvereinbarung ein Optionsrecht neu geschaffen werden sollte, sind nicht ersichtlich.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erlischt sogar ein bestehendes, noch nicht ausgeübtes Optionsrecht, wenn die Vertragsparteien das Mietverhältnis durch eine Vereinbarung um mehr verlängern, als es durch die Ausübung des Optionsrechts verlängert werden könnte. Soll in einem solchen Falle das Optionsrecht abweichend von diesem Grundsatz fortbestehen, "so bedarf dies einer unmißverständlichen Vereinbarung der Vertragsparteien" (BGH. Urteil vom 14. Juli 1982 - VIII ZR 196/81 - NJW 1982, 2770 f). Im vorliegenden Falle wäre erst recht "eine unmißverständliche Vereinbarung der Vertragsparteien" erforderlich gewesen, um das bereits verbrauchte Optionsrecht wieder aufleben zu lassen.
b)
Da der Beklagten keine weiteren Optionsrechte eingeräumt worden sind, waren die Kläger befugt, die Mietverhältnisse unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ablauf der vereinbarten Mietdauer (also zum 30. November 1992) ordentlich zu kündigen. Eine Kündigungserklärung der Kläger ist zumindest darin zu sehen, daß sie im Frühjahr 1992 in dem Parallelprozeß Räumungsklage erhoben haben mit der Begründung, die Mietverhältnisse endeten am 30. November 1992. Das Landgericht hat somit zutreffend der entsprechenden Feststellungsklage der Kläger stattgegeben. Die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil war zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 3018915 |
NJW-RR 1995, 714 (Volltext mit red. LS) |