Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittelbefugnis des Klägers. Zulässigkeit der Berufung
Leitsatz (amtlich)
Die im ersten Rechtszug unterlegene Partei ist unabhängig davon, ob sie an dem materiellen Rechtsverhältnis beteiligt und "richtige" Partei ist, zur Einlegung eines Rechtsmittels befugt.
Normenkette
ZPO § 511
Verfahrensgang
OLG Rostock (Urteil vom 06.05.2002) |
LG Schwerin |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Rostock v. 6.5.2002 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger J. H. und E. M. gründeten durch Gesellschaftsvertrag v. 1.3.1991 die Gesellschaft bürgerlichen Rechts "Gut G. ". Die " 'Gut G. GbR', bestehend aus den Gesellschaftern J. H. und R. He. , geschäftsführend vertreten durch R. He. " (früherer Kläger zu 2), nunmehr alleiniger Kläger), nahm die Beklagte vor dem LG auf Herausgabe mehrerer Gegenstände und Zahlung in Anspruch. Entsprechend einer Anregung des LG wurde die Klage dahin umgestellt, dass Kläger ... "J. H. , R. He. und E. M. in Gesellschaft bürgerlichen Rechts 'Gut G. GbR', vertreten durch die Geschäftsführer R. He. und E. M. ", sein sollten. Unter diesem Rubrum wies das LG die Klage als unbegründet ab, weil der Kläger nicht zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft berechtigt sei.
Gegen das Urteil des LG wurde mit Schriftsatz v. 28.2.2001 "Berufung des Herrn R. He. , Kläger zu 2) und Berufungskläger in Gesellschaft bürgerlichen Rechts 'Gut G. GbR' ..." eingelegt. Während des Laufs der Berufungsbegründungsfrist übernahm der Kläger die Anteile seiner Mitgesellschafter. Das OLG hat die Berufung als unzulässig erachtet. Dagegen richtet sich die - zugelassene - Revision des Klägers, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
I. Nach Meinung des OLG scheitert die Zulässigkeit der Berufung an der fehlenden Rechtsmittelbefugnis des Klägers. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei nach neuerer Rechtsprechung rechts- und parteifähig. Daher sei nur die Gesellschaft "Gut G. " befugt, ihr zustehende Forderungen im Klagewege zu verfolgen. Werde die Klage der Gesellschaft abgewiesen, könne nur die Gesellschaft, aber nicht einer ihrer Gesellschafter dagegen mit einem Rechtsmittel vorgehen.
II. Diese Ausführungen halten nur im Ergebnis revisionsrechtlicher Prüfung stand.
1. Der Kläger ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts als erstinstanzlich unterlegener Streitgenosse rechtsmittelbefugt.
a) Die Parteistellung für das Rechtsmittelverfahren wird durch den Inhalt der angefochtenen Entscheidung, die zum Vorteil oder Nachteil einer bestimmten Partei ergeht, begründet. Zur Einlegung der Berufung ist darum derjenige berechtigt, gegen den sich das Urteil richtet (BGH BGHZ 4, 328 [332]; Beschl. v. 9.11.1977 - VIII ZB 34/77, MDR 1978, 304; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 511 Rz. 9). Handelt es sich um eine subjektive Klagehäufung, kann jeder durch das Urteil beschwerte Streitgenosse unabhängig von den übrigen Streitgenossen Berufung einlegen (Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 511 Rz. 5; Wieczorek/Rössler, ZPO, 2. Aufl., § 511 G I b).
b) Zwar hat der Kläger - in der Annahme seiner alleinigen Vertretungsmacht - die Klage für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts "Gut G. " erhoben. Auf Veranlassung des LG ist die Klage jedoch dahin umgestaltet worden, dass anstelle der Gesellschaft ihre Gesellschafter als Kläger auftraten. Damit haben die Kläger zu 1) bis 3), wie es früherem Verständnis bei der Geltendmachung von Ansprüchen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts entsprach (vgl. die Nachweise bei BGH v. 29.1.2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 [348] = BGHReport 2001, 237 = AG 2001, 307), als notwendige Streitgenossen (§ 62 Abs. 1 Fall 2 ZPO) um Rechtsschutz nachgesucht. Folgerichtig weist das Urteil des LG die Parteistellung nicht der Gesellschaft "Gut G. ", sondern den Klägern zu 1) bis 3) zu. Darum richtet sich die durch das klageabweisende Urteil begründete Beschwer gegen die Kläger zu 1) bis 3) und nicht die Gesellschaft "Gut G. ". Als Streitgenosse, dessen Klagebegehren der Erfolg versagt blieb, kann dem Kläger die Rechtsmittelbefugnis nicht abgesprochen werden.
c) Die Rechtsmittelbefugnis des Klägers wird - anders als das OLG meint - nicht durch die mit dem Senatsurteil v. 29.1.2001 (BGH v. 29.1.2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = MDR 2001, 459 = BGHReport 2001, 237 = AG 2001, 307) begründete neuere Rechtsprechung, wonach die Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Zivilprozess aktiv und passiv parteifähig ist, berührt. Die Parteistellung wird durch Urteilsausspruch und -inhalt ohne Rücksicht auf die Beteiligung an dem materiellen Rechtsverhältnis erworben. Für die Begründung des Prozessrechtsverhältnisses ist es ohne Bedeutung, ob die Kläger zu 1) bis 3) die "richtigen" Kläger sind. Der nach materiellem Recht unberechtigte Kläger ist also gleichwohl rechtsmittelbefugt (BGH BGHZ 4, 328 [332, 334]).
2. Der Zulässigkeit der Berufung des Klägers steht aber die vom BGH in ständiger Rechtsprechung geforderte Zulässigkeitsvoraussetzung entgegen, dass die Berufungsbegründung erkennen lassen muss, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen das angefochtene Urteil unrichtig sein soll (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 519 a. F. Rz. 35m.N. aus der Rspr.).
a) Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Berufungskläger die durch das erstinstanzliche Urteil begründete Beschwer beseitigen will. Sie ist unzulässig, wenn sie die Richtigkeit der erstinstanzlichen Klageabweisung gar nicht in Zweifel zieht, sondern lediglich, etwa im Wege der Klageänderung, einen neuen, bisher nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Die Änderung der Klage im Berufungsverfahren kann nicht allein das Ziel des Rechtsmittels sein, sondern setzt dessen Zulässigkeit voraus (BGH, Urt. v. 20.3.2000 -- II ZR 250/99, MDR 2000, 778 = NJW 2000, 1598; Urt. v. 6.5.1999 -- IX ZR 250/98, MDR 1999, 953 = NJW 1999, 2118 f.; Beschl. v. 21.9.1994 -- VIII ZB 22/94, MDR 1995, 309 = NJW 1994, 3358 f. jeweils m. w. N.).
b) Die Berufungsbegründung muss auf den Streitfall zugeschnitten sein und erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art sowie aus welchen Gründen der Berufungskläger das angegriffene Urteil für unrichtig hält (st. Rspr. des BGH; BGH v. 25.11.1999 - III ZB 50/99, BGHZ 143, 169 [171] = MDR 2000, 291; Urt. v. 27.9.2001 - V ZB 29/01, BGHReport 2002, 257; Urt. v. 9.10.2001 - XI ZR 281/00, BGHReport 2002, 302). Der Kläger hat sich in seiner Berufungsbegründung mit dem angefochtenen Urteil überhaupt nicht auseinander gesetzt, sondern die im Berufungsrechtszug geltend gemachten Ansprüche ausschließlich auf den nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils verwirklichten Erwerb der Anteile seiner Mitgesellschafter gestützt. Damit hat der Kläger weder die dem Ersturteil innewohnende Beschwer bekämpft, noch Beanstandungen gegen die Richtigkeit der Entscheidungsgründe erhoben.
Fundstellen
Haufe-Index 1157799 |
BB 2004, 1190 |
DStR 2004, 1535 |
BGHR 2004, 1118 |
FamRZ 2004, 1189 |
NJW-RR 2005, 118 |
NZG 2004, 612 |
WM 2004, 1054 |
ZIP 2004, 1335 |
MDR 2004, 960 |
ProzRB 2004, 245 |