Entscheidungsstichwort (Thema)
Mord
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 1. November 2000 aufgehoben, soweit das Landgericht eine besondere Schuldschwere im Sinne der §§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 57 b StGB verneint hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes und wegen gefährlicher Körperverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Die Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet mit der Sachrüge, daß das Schwurgericht die besondere Schwere der Schuld im Sinne der §§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 57 b StGB verneint hat. Das hierauf – zulässig (BGHSt 41, 57, 59) – beschränkte Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Nach den getroffenen Feststellungen drückte der alkoholisierte Angeklagte mit beiden Händen die Kehle seiner Ehefrau zu, nachdem sie sich geweigert hatte, mit ihm über die bestehenden Eheprobleme zu reden, und rief unter anderem mehrmals aus, daß er sie umbringen werde und daß dann, wenn er sie nicht haben könne, auch kein anderer sie kriege. Er würgte sie solange, bis sie in Atemnot geriet, Todesangst bekam und befürchtete, der Angeklagte wolle sie töten. Schließlich ließ er von ihr ab. Von dem Würgen trug sie eine Hautrötung über dem Kehlkopf und eine Distorsion der Halswirbelsäule davon; sie mußte sich in ärztliche Behandlung begeben. Die Kammer konnte nicht sicher feststellen, daß der Angeklagte den Vorsatz hatte, seine Ehefrau zu töten. Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB unter Zugrundelegung des nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.
Der Angeklagte hatte geraume Zeit nach diesem Vorfall mit seiner inzwischen von ihm getrennt lebenden Frau vereinbart, daß die gemeinsame Tochter Carolin und ihre beiden Stiefgeschwister, die 10jährige Susan und der 11jährige Kevin, ein Wochenende mit dem Angeklagten verbringen durften. In der Nacht faßte der Angeklagte den Entschluß, Kevin zu töten, um damit seine Ehefrau und Kevins Mutter zu bestrafen, weil diese in seinen Augen das Scheitern der Ehe verursacht hatte. Durch die Tötung des Kindes wollte er seiner Frau Leid zufügen. Er fesselte das zunächst noch schlafende Kind mit Handschellen, strangulierte es mit einer Kunststoffleine und verklebte den Mund während der Tatbegehung mit Paketklebeband, damit es nicht seine in dem selben Raum schlafenden Geschwister zu Hilfe rufen konnte. Susan, die wach geworden war und das Geschehen in vielen Einzelheiten wahrnahm, versuchte den Angeklagten zurückzuhalten. Nachdem dieser seine Stieftochter aufgefordert hatte, sich umzudrehen und weiterzuschlafen, drosselte er den sich heftig wehrenden und mit den Beinen strampelnden Kevin mit einer geflochtenen Kunststoffwäscheleine so lange, bis er tot war. Die beiden Stiefgeschwister verbrachten noch den Tag und die folgende Nacht in der Wohnung, in der die Leiche ihres Bruders zugedeckt lag, wobei zumindest Susan dies wußte. Das Landgericht hat wegen dieser Tat gegen den (unterhalb der Schwelle des § 21 StGB) in seiner Steuerungsfähigkeit vermindert schuldfähigen Angeklagten wegen Mordes (Heimtücke und niedrige Beweggründe) auf eine lebenslange Freiheitsstrafe erkannt.
Aus beiden Strafen hat es eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe gebildet. Von der Feststellung, daß die Schuld des Angeklagten besonders schwer wiegt, hat es abgesehen.
II.
Die Begründung, mit der das Schwurgericht eine besondere Schuldschwere verneint hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld i.S. des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB zu bejahen ist, hat der Tatrichter unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu treffen (vgl. BGHSt 40, 360, 370; 41, 57, 62; 42, 226, 227). Dem Revisionsgericht ist bei der Nachprüfung der tatrichterlichen Wertung eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt. Es hat nur zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat; es ist aber gehindert, seine eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen (BGH NStZ 1998, 352, 353).
Das Landgericht hat zwar bei der Prüfung der besonderen Schuldschwere eine zusammenschauende Würdigung des Mordgeschehens und der Täterpersönlichkeit vorgenommen. Dabei hat er jedoch einen zentralen Punkt – nämlich die Verwirklichung zweier Mordmerkmale – nur unzureichend in die Gesamtabwägung einbezogen. Das Landgericht hat insoweit ausgeführt, daß das Zusammentreffen zweier Mordmerkmale nicht schematisch zur Bejahung der besonderen Schuldschwere führe, es vielmehr einer Gesamtwürdigung anhand der Umstände des Einzelfalles bedürfe. Einem weiteren Mordmerkmal werde dann kein wesentliches Gewicht beizumessen sein, wenn es den Unrechts- und Schuldumfang gegenüber einem anderen Mordmerkmal nicht erweitere; das in den Bereich der Überschneidung fallende Unrecht könne dem Angeklagten nur einmal angelastet werden. Weiter, in einem gesonderten Absatz, hat das Landgericht ausgeführt, daß es dem Mordmerkmal der „Heimtücke” kein zusätzliches besonders schulderhöhendes Gewicht beigemessen habe, welches eine Feststellung nach § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB rechtfertigen könnte.
Diese Wertung begründet das Schwurgericht indessen nicht mehr. Das ist rechtsfehlerhaft, weil der Senat nicht überprüfen kann, ob das Landgericht bei dieser Wertung die zutreffenden Maßstäbe angewendet hat, zumal auch aus dem Zusammenhang der Gesamtabwägung nicht erkennbar wird, warum das Landgericht der Verwirklichung des Mordmerkmals der Heimtücke kein zusätzliches Gewicht beigemessen hat. Ein Fall der Überschneidung des Unrechts der Mordmerkmale liegt nicht vor. Der niedrige Beweggrund betrifft das Motiv, mit der Tat sollte in erster Linie die Ehefrau getroffen werden. Die Heimtücke kennzeichnet die Tatbegehung, sie richtete sich gegen den 11jährigen Sohn der Ehefrau.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Das Landgericht, das zutreffend die besondere Schuldschwere bereits bei der Einzelstrafe wegen Mordes geprüft hat (vgl. BGH NStZ 1997, 277 m. Anm. Stree), hat zwar nicht verkannt, daß bei der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe nach § 57 b StGB Anknüpfungspunkt für die Prüfung der besonderen Schuldschwere auch die Gesamtstrafe ist (vgl. BGH NStZ 1998, 352 f. m.w.Nachw.). Es hat jedoch im Hinblick auf die zu der Tötung des Kindes in Tatmehrheit stehende gefährliche Körperverletzung zum Nachteil der Mutter ausgeführt, daß mit einer weiteren Straftat nicht stets eine ins Gewicht fallende Schuldsteigerung verbunden sei; eine solche Schuldsteigerung vermöge die Strafkammer durch die eher von geringer Schuld gekennzeichnete gefährliche Körperverletzung nicht zu bejahen. Dabei hat die Strafkammer den Schuldgehalt der gefährlichen Körperverletzung und den zwischen beiden Taten bestehenden inneren (kriminologischen) Zusammenhang nicht erkennbar bedacht. Für die „eher von geringer Schuld” gekennzeichnete Tat – einen minder schweren Fall hat es abgelehnt – hat es immerhin auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten erkannt und dabei strafschärfend berücksichtigt, daß bereits im Oktober 1999 ein ähnlicher körperlicher Angriff auf seine Ehefrau stattgefunden habe, bei dem er sie gewürgt und ihr multiple Kopfprellungen beigebracht hatte. Nicht erkennbar berücksichtigt hat das Landgericht aber, daß auch die abgeurteilte gefährliche Körperverletzung, die es von ihrem äußeren Erscheinungsbild her als versuchten Totschlag bewertet, ihre Ursache in der maßlosen Eifersucht des Angeklagten und den zwischen ihm und seiner Ehefrau bestehenden massiven Ehe- und Beziehungsproblemen hat. Die Tötung des Stiefsohnes stand damit in einem engen Zusammenhang, weil durch sie die Ehefrau dafür bestraft werden sollte, daß sie in den Augen des Angeklagten das Scheitern der Ehe verursacht hatte.
Einer Aufhebung der Feststellungen bedurfte es nicht, weil diese von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind. Ergänzende Feststellungen bleiben zulässig.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Miebach, Winkler, von Lienen, Becker
Fundstellen