Leitsatz (amtlich)

Ob eine von dem Mieter von Geschäftsräumen beabsichtigte Geschäftserweiterung dem Zweck des Mietvertrages widerspricht und daher vertragswidrig ist, muß unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach den Grundsätzen von Treu und Glauben entschieden werden, (betrifft die Erweiterung des Betriebes einer Milchbar durch Hinzunahme der Verabreichung alkoholischer Getränke als Nebenartikel).

 

Normenkette

BGB §§ 242, 550

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 31.10.1955)

LG Aachen (Urteil vom 22.04.1955)

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Köln vom 31. Oktober 1955 teilweise aufgehoben und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts in Aachen vom 22. April 1955 abgeändert:

Es wird festgestellt, daß die Kläger auf Grund des zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrages berechtigt sind, unter Wahrung des Charakters der gemieteten Räume als Milchbar und äußerlicher Kennzeichnung der Räume als solche in diesen auch alkoholische Getränke nach Art eines Tageskaffees mit Alkoholausschank bis 22 Uhr zu verabreichen.

Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger mieteten durch schriftlichen Vertrag von dem Erstbeklagten und dem inzwischen verstorbenen Ehemann der Zweitbeklagten, dessen Erbin diese ist, ein Ladenlokal mit Nebenräumen in dem wieder aufgebauten Gebäude in A. P. straße …, „zum Betriebe einer Milchbar” für die Zeit vom 1. Oktober 1953 bis 30. September 1963. Die monatliche Miete war in dem Vertrag auf 450,– DM festgesetzt, wozu ein Pauschalbetrag von 20,– DM monatlich für allgemeine Beleuchtung, Wassergeld und zur Abgeltung sonstiger Nebenkosten hinzukam. Die Mieter hatten eine Mietvorauszahlung von 8000,– DM zu leisten, die in monatlichen Raten von 130,– DM durch Abzug von der Miete getilgt wird.

Entsprechend der der Zweitklägerin von dem Stadtbeschlußausschuß erteilten Erlaubnis haben die Kläger in der Milchbar nur alkoholfreie und mit Alkoholspritzern versehene Milchmischgetränke ausgeschenkt. Seit Herbst 1954 haben sie sich darum bemüht, auch die Erlaubnis zum Ausschank alkoholischer Getränke zu erhalten. Als die Beklagten hiervon erfuhren, haben sie erklärt, daß sie mit Alkoholausschank in weiterem Umfange in den Mieträumen keinesfalls einverstanden seien und ihn nicht dulden würden.

Die Kläger haben darauf Klage auf Feststellung erhoben, daß sie berechtigt seien, in der Milchbar alkoholische Getränke auszuschenken, und den Beklagten wegen des Ausschanks solcher Getränke in den Mieträumen kein Recht zur Kündigung des Mietvertrages zustehe. Ferner haben sie beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die Kläger an dem Ausschank von alkoholischen Getränken in der Milchbar nicht zu behindern.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung haben die Kläger die Feststellung begehrt, daß sie auf Grund des Mietvertrages berechtigt seien, unter Wahrung des Charakters der gemieteten Räume als Milchbar in diesen auch alkoholische Getränke auszuschenken, hilfsweise wenigstens nach der Art eines Kaffees mit Alkoholausschank und Geschäftsschluß um 24 Uhr.

Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen.

Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagten erstreben, verfolgen die Kläger ihre im Berufungsrechtszuge gestellten Anträge weiter, außerdem beantragen sie äußerst hilfsweise die Feststellung, daß die Kläger auf Grund des zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrages berechtigt sind, unter Wahrung des Charakters der gemieteten Räume als Milchbar und äußerlicher Kennzeichnung der Räume als solche in diesen auch alkoholische Getränke nach Art eines Kaffees mit Alkoholausschank und Schluß des Alkoholausschanks um 22 Uhr auszuschenken.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision erweist sich als teilweise begründet. Zwar können weder der Hauptantrag noch der ursprüngliche Hilfsantrag Erfolg haben, jedoch ist dem im Revisionsrechtszuge neu gestellten weiteren Hilfsantrag der Kläger stattzugeben.

1. Wenn auch die Formel des Berufungsurteils nur dahin lautet, daß die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen wird, so ergeben doch die zur Auslegung der Formel heranzuziehenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, daß das Berufungsgericht über sämtliche im zweiten Rechtszug gestellten Anträge der Kläger, also auch über den in diesem Rechtszuge neu eingeführten Hilfsantrag, hat entscheiden wollen. Das Urteil ist mithin dahin zu verstehen, daß beide im zweiten Rechtszuge gestellten Anträge der Kläger abgewiesen worden sind. In diesem Umfange ist daher die Sache in den Revisionsrechtszug gediehen.

Der im Revisionsrechtszuge gestellte weitere Hilfsantrag stellt sich trotz gewisser Abweichungen im Wortlaut in Wirklichkeit nur als eine bloße Einschränkung des ursprünglichen Hilfsantrags dar, der bereits Gegenstand des Berufungsverfahrens war. Denn nach dem Sinn dieses neuen Hilfsantrages soll lediglich der Schluß des Alkoholausschanks von 24 auf 22 Uhr vorverlegt werden, außerdem sollen die Kläger zwecks Wahrung des Charakters der gemieteten Räume als Milchbar zur äußerlichen Kennzeichnung des Betriebes als solche verpflichtet sein. Es handelt sich also um Beschränkungen des ursprünglichen Hilfsantrages, die sich allein zu Gunsten der Beklagten auswirken können, und nicht, wie die Revisionserwiderung meint, um eine im Revisionsrechtszuge unzulässige Klageänderung.

2. Durch den zwischen den Parteien zustande gekommenen Mietvertrag sind die Kläger zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mieträume berechtigt. Die Beklagten können lediglich einen solchen Gebrauch der Mieträume untersagen, der nicht vertragsmäßig ist. Der eigentliche Streit der Parteien geht hier darum, ob der Ausschank alkoholischer Getränke in den Mieträumen innerhalb des vertragsmäßigen Gebrauches liegt, wie die Kläger geltend machen, oder ob ihnen, wie die Beklagten meinen, nach dem Inhalt des abgeschlossenen Vertrages jeder Alkoholausschank verboten ist, der über die Beigabe von Alkoholspritzern in Milch-Mischgetränken hinausgeht. Da die Beklagten ausdrücklich erklärt haben, daß sie einem Alkoholausschank in weiterem Umfange mit allen Mitteln entgegentreten würden, und die Kläger, wie die Sachlage ergibt, ein rechtliches Interesse an den von ihnen mit ihren Haupt- und Hilfsanträgen begehrten Feststellungen haben, ist ihre Feststellungsklage zulässig.

Der Zulässigkeit der mit den Hilfsanträgen begehrten Feststellungen steht nicht entgegen, daß die Beklagten behaupten, die Kläger würden für den Betrieb einer Milchbar mit Alkoholausschank keine behördliche Erlaubnis erhalten. Die Kläger haben diese Behauptung bestritten, und es erscheint nicht ausgeschlossen, daß die Kläger selbst dann, wenn der Stadtbeschlußausschuß in Aachen ihnen die Genehmigung versagen sollte, durch Einlegung von Rechtsmitteln eine ihnen günstigere Entscheidung herbeiführen könnten. Auch mit dieser Begründung läßt sich daher das Feststellungsinteresse nicht verneinen.

3. Nach der einleitenden Bestimmung des Mietvertrages sind den Klägern die Räume „zum Betriebe einer Milchbar” vermietet. Darunter wurde, wie das Berufungsgericht feststellt, zur Zeit des Vertragsschlusses, als die Milchbars erst aufkamen, allgemein ein Betrieb ohne Ausschank von Alkohol verstanden. Auch die Parteien, so hat das Berufungsgericht die eigenen Erklärungen des klagenden Ehemannes und die Angaben seiner ebenfalls als Partei vernommenen Ehefrau gewertet, sind bei Abschluß des Mietvertrages davon ausgegangen, daß ein allgemeiner Ausschank alkoholischer Getränke in den Mieträumen nicht stattfinden sondern entsprechend der beantragten Erlaubnis nur Milch und Milch-Mischgetränke ausgeschenkt werden würden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts rechtfertigen indes diese Feststellungen, wie die Revision mit Recht geltend macht, noch nicht die Abweisung des Feststellungsbegehrens der Kläger.

4. Bei der von den Klägern erstrebten Ausdehnung des Geschäftsbetriebes der von ihnen in den Mieträumen betriebenen Milchbar auf den Ausschank alkoholischer Getränke, die nach den im Berufungsrechtszuge gestellten Anträgen „unter Wahrung des Charakters der gemieteten Räume als Milchbar” erfolgen soll, handelt es sich um eine Erweiterung des Geschäftsbetriebes, die auch dann, wenn die Vertragsparteien bei Abschluß des Mietvertrages hieran nicht gedacht haben, nicht grundsätzlich unzulässig ist, sondern von dem Vermieter im Rahmen des ihm nach Treu und Glauben Zumutbaren hingenommen werden muß. Vertragswidrig ist nämlich nur ein solcher Gebrauch der Mietsache, der dem Vertragszweck widerspricht (Roquette, Mietrecht 4. Aufl. S. 316). Wenn Mittelstein (Die Miete, 4. Aufl. § 39 2 S. 245) bemerkt, der Mieter sei, falls Räumlichkeiten für einen bestimmten Gewerbebetrieb vermietet werden, nur befugt, sie dazu zu benutzen, so steht diese Ansicht der von dem erkennenden Senat vertretenen Auffassung nicht entgegen; denn der Charakter des Gewerbebetriebes als Milchbar soll nach dem Willen der Kläger gewahrt bleiben und nicht geändert werden. Staudinger (BGB 11. Aufl. § 550 Nr. 22) hält ebenfalls eine Benutzung der Mietsache zu einem anderen Zwecke als dem, zu welchem die Vermietung erfolgte, für vertragswidrig. Er kommt jedoch bei der Erörterung der Frage, ob jemand, der einen Laden zum Betrieb eines bestimmt bezeichneten Geschäfts gemietet hat, später ein anderes Geschäft oder einen anderen Geschäftszweig darin betreiben darf, zu dem Ergebnis, daß ein solcher Wechsel grundsätzlich nur dann nicht statthaft sei, wenn das neue Geschäft ein wesentlich anderes ist, oder wenn durch die Änderung eine Belästigung des Vermieters oder der übrigen Hausbewohner eintritt. Im Einzelfall könne allerdings, so fährt er fort, auch ein besonderes Interesse des Vermieters gegeben sein, daß gerade das bestimmte ursprüngliche Geschäft weiterbetrieben werde. Ebenso könne eine Erweiterung des Geschäftsbetriebes unter Umständen vertragswidrig sein (aaO Nr. 23). Auch die Ansicht von Staudinger steht daher nicht in Widerspruch zu dem Standpunkt des erkennenden Senats, daß unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu entscheiden ist, ob eine von dem Mieter beabsichtigte Geschäftserweiterung vertragswidrig ist oder sich im Rahmen des abgeschlossenen Vertrages hält und daher von dem Vermieter nicht verhindert werden kann. Das von dem Berufungsgericht zu Unrecht als Beleg für die Richtigkeit der von ihm vertretenen Meinung angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Januar 1954 – VI ZR 50/53 (LM BGB § 550 Nr. 1 = ZMR 1954, 211) stimmt in seinen Gedankengängen mit der Auffassung des erkennenden Senats durchaus überein. Zwar weisen die zu beurteilenden Tatbestände gewisse Unterschiede auf, jedoch kam es dort ebenso wie in dem hier zu entscheiden Falle wesentlich darauf an, ob der Mieter von Gewerberäumen diese in anderer Weise verwenden darf, als es zu Beginn des Vertragsverhältnisse geschehen war. Bestehen hierüber keine besonderen Abreden und fehlt es auch an einer stillschweigenden Willensübereinstimmung, so ist wie der VI. Zivilsenat betont hat, diese Frage nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Belange beider Teile zu entscheiden. Das gilt nach Ansicht des VI. Zivilsenats sogar dann, wenn ein Gastwirt eine Änderung des Gesamtcharakters einer Gastwirtschaft vorgenommen hat, während in dem hier zu entscheidenden Falle der Charakter der gemieteten Räume als Milchbar gewahrt bleiben soll.

5. Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, daß sich die Milchbars allgemein nicht der besonderen Anziehungskraft erfreut hätten, die man bei ihrem Aufkommen erhofft habe, und daß daher auch die erwarteten Gewinne bei ihrem Betrieb nicht erzielt worden wären. Gerade hierauf ist es aber zurückzuführen, daß inzwischen, wie das Berufungsgericht ebenfalls festgestellt hat, zahlreiche Milchbarbetriebe, die anfangs nur Milch und Milch-Mischgetränke ausgeschenkt hatten, sich um die Erlaubnis zum Ausschank von Alkohol bemüht und diese auch erhalten haben. Die Beklagten haben in den Tatsachenrechtszügen entgegen ihrer Darstellung in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat keine diesen Feststellungen widersprechenden Behauptungen vorgetragen und können daher nicht mehr geltend machen, daß die Feststellungen unrichtig seien. Vielmehr sind sie für den erkennenden Senat bindend. Werden sie zu Grunde gelegt, so ist also die Entwicklung dahin gegangen, daß viele Milchbarbetriebe, die ursprünglich nur Milch-Mischgetränke mit Alkoholspritzern führten, nunmehr auch Alkohol ausschenken, um weiterbestehen zu können. Von dieser Sachlage muß bei der Prüfung ausgegangen werden, ob die Beklagten nach Treu und Glauben auf Grund des Mietvertrages berechtigt sind, den Klägern die Ausdehnung ihres Gewerbebetriebes auf den Ausschank alkoholischer Getränke zu versagen, und in diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen daß den Klägern auf Grund dieses Vertrages, wie das Berufungsgericht es ausgedrückt hat, „hohe Leistungen” obliegen und daß ferner der Vertrag für die lange Zeit von zehn Jahren abgeschlossen worden ist. Gerade diese Umstände sprechen dafür daß es unbillig ist, den Klägern grundsätzlich die von ihnen begehrte Ausdehnung ihres Gewerbebetriebes, die im Zuge der allgemeinen Entwicklung derartiger Betriebe liegt, zu verwehren (vgl. OLG Karlsruhe OLG 41, 116; KG GrdE 1930, 494). Das in ZMR 1954, 372 abgedruckte Urteil des Landgerichts Wiesbaden betrifft den Sonderfall der Umwandlung eines Tageskaffees ohne Alkoholausschank in ein ausgesprochenes Nachtkaffee mit Alkoholausschank, dessen Betrieb für die anderen Hauseinwohner erhebliche Belästigungen mit sich brachte. Auch das Urteil des erkennenden Senats vom 17. September 1957 – VIII ZR 320/56 – läßt sich nicht zu Gunsten der Beklagten verwerten, denn dort hatten die Mieter von Gastwirtschaftsräumen das in ihnen betriebene gut bürgerliche Schanklokal in einen barähnlichen Betrieb mit Tanzgelegenheit umgestaltet. Diese Fälle liegen daher tatbestandlich wesentlich anders, so daß sich schon aus diesem Grunde die auf den jeweiligen Sachverhalt zugeschnittenen Erwägungen nicht auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen lassen.

6. Das Berufungsgericht hat allerdings am Ende der Entscheidungsgründe ausgeführt, es könne nicht zweifelhaft sein, daß bei Ausschank von Alkohol auch in dem von den Klägern gewünschten Rahmen der Charakter des erlaubten Milchbarbetriebes eine grundlegende Änderung erfahren könne, insbesondere was die Besucher anbetrifft. Diese von dem Berufungsgericht unterstellte Möglichkeit reicht indes, wie die Revision zutreffend hervorhebt, nicht aus, um die Weigerung der Beklagten als im Einklang mit dem Grundsatz von Treu und Glauben stehend erscheinen zu lassen. Es mag zutreffen, daß die Zusammensetzung des Besucherkreises des Betriebes der Kläger sich ändert, wenn diese in den Mieträumen Alkohol ausschenken. Die Beklagten können aber, darin ist der Revision zu folgen, wegen einer möglichen oder zu erwartenden Änderung des Besucherkreises der von den Klägern geplanten Ausdehnung ihres Gewerbebetriebes nach Treu und Glauben nur dann widersprechen, wenn ihre Belange hierdurch in einer Weise berührt werden, die eine unbillige Belastung der Beklagten oder der sonstigen Mieter des Hauses bedeutet. Eine solche Entwicklung könnte aber allenfalls dann befürchtet werden, wenn die Kläger ihren Milchbarbetrieb in ein Nachtlokal umgestalten würden. (vgl. die erwähnte Entscheidung des Landgerichts Wiesbaden). Dagegen ist nichts dafür vorgetragen und auch kein Anhalt für die Annahme ersichtlich, daß eine den Beklagten oder sonstigen Mietern des Hauses nicht zumutbare Änderung des Besucherkreises eintreten würde, wenn unter Wahrung des Charakters des Betriebes als Milchbar dort ähnlich wie in Tageskaffees Alkohol ausgeschenkt wird. Bisher setzt sich der Besucherkreis der Milchbar, wie die Parteien übereinstimmend vorgetragen haben vorwiegend aus Jugendlichen zusammen. Würde nach der geplanten Ausdehnung des Betriebes auf den Ausschank alkoholischer Getränke die Milchbar nunmehr auch oder gar überwiegend von erwachsenen Personen besucht werden, so ist eine solche Änderung des Besucherkreises wenn nicht besondere, hier nicht einmal behauptete Gründe vorliegen, im allgemeinen nicht geeignet, die Verweigerung der Zustimmung zu rechtfertigen. Die Lebenserfahrung spricht vielmehr dafür, daß jugendliche Besucher einer Gaststätte, gleichgültig, wie diese geartet ist, sich gewöhnlich lauter und rücksichtsloser zu benehmen pflegen und die übrigen Hausbewohner daher mehr stören als Erwachsene.

7. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung läßt sich daher die Weigerung der Beklagten gegen die Erweiterung des Betriebes der Kläger auf den Ausschank alkoholischer Getränke nicht rechtfertigen. Auch andere Gründe hierfür sind nicht ersichtlich. Vielmehr sind die Beklagten angesichts der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nach Treu und Glauben nicht berechtigt, den Klägern die begehrte Zustimmung zu jeglichem Alkoholausschank zu versagen. Allerdings geht der Hauptantrag der Kläger zu weit, denn bei einer Verurteilung der Beklagten nach diesem Antrag würden die Kläger den Standpunkt einnehmen können, daß sie alkoholische Getränke einschließlich Faßbier als Hauptartikel führen und den Betrieb bis weit in die Nacht hinein offen halten dürften. Eine solche Umstellung des Betriebes, die Belästigungen und Störungen der Hausbewohner leicht nach sich ziehen und deshalb die Interessen der Beklagten ungebührlich beeinträchtigen würde, könnte in der Tat den Beklagten nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden.

Wohl aber ist der eingeschränkte Hilfsantrag der Kläger begründet. Dadurch, daß der Ausschank alkoholischer Getränke sich im Rahmen des in einem Kaffee mit Alkoholausschank Zulässigen halten soll, ist zum Ausdruck gebracht, daß alkoholische Getränke, wie es in Tageskaffees üblich ist (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 1955 – VI ZR 274/53 – LM BGB § 536 Nr. 2), nur nebenher geführt werden dürfen, was den Klägern billigerweise nicht verwehrt werden kann.

Um die Interessen der Beklagten ausreichend zu berücksichtigen und auszuschließen, daß die Milchbar in einen Nachtbetrieb umgewandelt wird, erscheint es allerdings erforderlich, daß der Alkoholausschank bereits in nicht zu später Abendstunde endet. Deshalb ist es nicht angängig, den Klägern entsprechend dem ursprünglichen Hilfsantrag den Alkoholausschank bis 24 Uhr zu gestatten. Jedoch bestehen keine Bedenken dagegen, Alkoholausschank, wie es in sehr vielen Tageskaffees üblich ist, bis 22 Uhr zuzulassen. Durch einen Alkoholausschank, der sich auf diese Zeitspanne beschränkt, sind nach Lage der Sache Störungen und Belästigungen nicht zu befürchten. Ein auf diesen Zeitraum beschränkter Alkoholausschank wird vielmehr den Belangen beider Parteien in ausreichendem Maße gerecht.

Das Berufungsurteil muß auf die Revision der Kläger mithin insoweit aufgehoben werden, als es auch den im Revisionsrechtszuge zulässigerweise eingeschränkten Hilfsantrag der Kläger abgewiesen hat, und es war gemäß diesem Hilfsantrag zu erkennen, da die Aufhebung des angefochtenen Urteils nur wegen einer Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 ZPO. Für sie ist es ohne Bedeutung, daß die Kläger den Hilfsantrag, mit dem sie obgesiegt haben, in dieser Form erst im Revisionsrechtszuge gestellt haben (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 29. Januar 1957 – VIII ZR 204/56 – LM ZPO § 92 Nr. 4). Bei der Kostenverteilung ist berücksichtigt worden, daß die Kläger, wenn auch ihr Hauptantrag keinen Erfolg gehabt hat, in erheblichem Umfange das erreicht haben, was sie mit der Klage erstrebten. Es erschien daher geboten die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.

 

Unterschriften

Dr. Großmann, Dr. Gelhaar Artl, Dr. Dorschel, Dr. Mezger

 

Fundstellen

Haufe-Index 950573

NJW 1957, 1833

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