Leitsatz (amtlich)

Ein Kreditinstitut, das von einer Spielbank von dieser Über beträchtliche Summen ausgestellte Wechsel erwirbt, handelt grob fahrlässig, wenn es dem sich aufdrängenden Verdacht nicht nachgeht, den Wechselforderungen könnten zu Spielzwecken gewährte – und damit wegen Sittenwidrigkeit nichtige – Darlehen zugrundeliegen.

 

Normenkette

WG Art. 16 Abs. 2; BGB § 276

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 08.08.1990)

LG Hannover (Urteil vom 25.10.1989)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 8. August 1990 aufgehoben und das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 25. Oktober 1989 abgeändert.

Die Klage wird unter Aufhebung des Wechselvorbehaltsurteils vom 3. August 1988 abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Ansprüche aus zwei Wechseln über 86.000 DM und 74.000 DM geltend, die von der Spielbank H. (Spielbank) am 7. September und 2. November 1987 ausgestellt und vom Beklagten angenommen, aber bei Vorlage nicht bezahlt wurden. Die Klägerin hat die Wechsel durch Indossamente der Ausstellerin erworben.

Der Beklagte hat geltend gemacht: Es habe sich um Prolongationswechsel gehandelt. Die ursprünglichen Wechsel, die mehrfach verlängert worden seien, habe er als Gegenleistung für Jetons akzeptiert. Auf diese Weise habe die Spielbank Spielkapital kreditiert. Wechselverbindlichkeiten seien nicht entstanden, da den Wechseln zu Spielzwecken eingegangene Darlehensverbindlichkeiten zugrunde gelegen hätten. Die Klägerin habe die Wechsel nicht gutgläubig erwerben können, da sie die Praxis der Spielbank gekannt habe. Zwischen der Klägerin und der Spielbank habe eine Vereinbarung bestanden, wonach die Wechsel zwar diskontiert, aber nicht gegenüber den Spielern, sondern ausschließlich gegenüber der Spielbank geltend gemacht werden sollten.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Abweisung der Klage.

1. Das Berufungsgericht hält die Ansprüche aus den Wechseln für begründet. Es hat dazu ausgeführt:

Zwar sei die zugrundeliegende Darlehensvereinbarung nach § 138 BGB nichtig, da es sich – wovon nach dem Beweisergebnis auszugehen sei – um die Gewährung eines Kredits zu Spielzwecken gehandelt habe. Ein solches Darlehen sei – auch wenn es um ein staatlich konzessioniertes Spiel gehe – nichtig, wenn der Darlehensgeber aus eigenem Gewinnstreben handele. Dies sei bei einem von der Spielbank selbst für Spielzwecke gewährten Kredit zu bejahen.

Die Klägerin habe die Wechsel jedoch gutgläubig erworben. Dem Beklagten sei der Nachweis nicht gelungen, daß die Klägerin beim Erwerb der Wechsel gewußt oder infolge grober Fahrlässigkeit verkannt habe, daß den Wechseln sittenwidrige Spielerdarlehen zugrunde gelegen hätten.

Keiner der Zeugen habe die Behauptung des Beklagten bestätigt, Mitarbeiter der Klägerin seien von selten der Spielbank über die „Spielerwechsel” in Kenntnis gesetzt worden. Auch die behauptete Absprache zwischen der Spielbank und der Klägerin, daß diese Wechsel nur gegenüber der Spielbank und nicht gegenüber den Bezogenen geltend gemacht werden sollten, sei nicht bewiesen worden. Es habe sich nur eine entsprechende Handhabung feststellen lassen.

Auch grobe Fahrlässigkeit beim Erwerb der Wechsel sei der Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vorzuwerfen. Allein die Tatsache, daß die Wechsel von der Spielbank ausgestellt worden seien, lasse noch nicht den sicheren Schluß auf ein sittenwidriges Darlehensgeschäft zu. Es sei vielmehr eine Reihe anderer nicht unwirksamer Grundgeschäfte denkbar. Die Spielbank hätte unabhängig vom Spielbetrieb Darlehen gewährt haben können, um Zinsgewinne zu erzielen, um private Vorhaben zu finanzieren oder um eine durch hohe Spielverluste entstandene Notlage eines Kunden zu überbrücken. Gelegentlich seien auch private Geschäfte des Aufsichtsratsvorsitzenden Über von der Spielbank ausgestellte Wechsel finanziert worden. Zwar sei auch an die Finanzierung von Spielschulden zu denken gewesen. Die Klägerin hätte jedenfalls dann der Vorwurf grober Fahrlässigkeit getroffen, wenn sie die Wechsel unbesehen ohne jede Prüfung entgegengenommen hätte. Wie der Leiter der Kreditabteilung der Klägerin bekundet hat, habe er sich im Sommer 1986 bei dem damaligen Geschäftsführer der Spielbank, dem Zeugen M., nach den Wechseln erkundigt und dabei erfahren, daß die Spielbank grundsätzlich keine Jetons gegen Wechsel zur Verfügung stelle. Solange die Wechsel ohne Schwierigkeiten eingelöst worden seien und an der Bonität der Spielbank als Ausstellerin keinerlei Zweifel bestanden hätten, sei es zumindest nicht grob fahrlässig gewesen, wenn sich die Klägerin mit einer solchen Auskunft begnügt habe.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Das Berufungsgericht ist nach dem Beweisergebnis ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß den Wechselforderungen der Klägerin zu Spielzwecken gewährte – und damit wegen Sittenwidrigkeit nichtige – Darlehen zugrundeliegen. Die Rechtsprechung hat die Sittenwidrigkeit solcher Darlehen stets angenommen, wenn der Darlehensgeber von eigennützigen Beweggründen geleitet wurde, wenn er das Darlehen aus eigenem Gewinnstreben gewährte und es sich für den Darlehensnehmer um bedeutende Summen handelte. Auch bei einer staatlich konzessionierten Spielbank ist es zu mißbilligen, wenn der Inhaber der Spielbank seines Gewinnes wegen Spielern größere Darlehen gewährt, um sie zum Weiterspielen zu veranlassen, zumal, wenn die Darlehen in Form von Jetons gegeben werden. Dadurch wird der Spieler in die Gefahr gebracht, immer tiefer in erhebliche Spielschulden zu geraten (BGH, Urteil vom 9. Februar 1961 – VII ZR 183/59, LM Nr. 1 zu § 762 BGB; BGH, Urteil vom 4. Juli 1974 – III ZR 66/73, NJW 1974, 1821). Aus diesen Gründen waren auch im vorliegenden Fall die von der Spielbank gewährten Darlehen nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

b) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die für die nichtige Darlehensverbindlichkeit akzeptierten Wechsel lediglich kondizierbar seien oder ob die Begebungsverträge selbst wegen Sittenwidrigkeit nichtig seien. Der Beklagte ist hier jedoch nicht auf die Einwendung beschränkt, das der Wechselbegebung zugrundeliegende Darlehensgeschäft sei nichtig. Diese auf der unmittelbaren Beziehung des Beklagten zur Ausstellerin der Wechsel, der Spielbank, beruhende Einwendung könnte er der Klägerin nach Art. 17 WG nur entgegensetzen, wenn diese beim Erwerb der Wechsel bewußt zu seinem Nachteil gehandelt hätte. Im vorliegenden Fall sind jedoch auch die zwischen dem Beklagten und der Spielbank bei der Begründung der Wechselverbindlichkeiten abgeschlossenen Begebungsverträge wegen Sittenwidrigkeit als nichtig anzusehen. Ist das Grundgeschäft – hier also der jeweilige Darlehensvertrag – wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB nichtig, so läßt dies zwar wegen der abstrakten Natur der Wechselerklärungen grundsätzlich die Wirksamkeit der Wechselbegebungsverträge unberührt (Senatsurteil vom 3. Oktober 1989 – XI ZR 154/88, NJW 1990, 384, 385 bezüglich der gleichliegenden Problematik beim Scheck). Doch kann auch die Wechselverpflichtung als solche nichtig sein, wenn gerade mit der Begebung ein sittenwidriger Zweck verfolgt wird (vgl. Baumbach/Hefermehl, WG und ScheckG, 17. Aufl., Art. 17 WG Rdn. 50; Bülow, WG, ScheckG, AGB Art. 17 WG Rdn. 41). Davon ist hier auszugehen. Denn die Spielbank hat dadurch, daß sie sich die nichtige Darlehensforderung durch die vom Beklagten als Darlehensnehmer akzeptierten Wechsel noch absichern ließ, erneut gegen die guten Sitten verstoßen (vgl. BGH LM Nr. 1 zu § 762 BGB). Da die Begebungsverträge nichtig waren, hat die Spielbank die Wechsel nicht wirksam erworben. Sie ist nicht Eigentümerin der Wechsel geworden. Sie konnte sie auch nicht als Berechtigte an die Klägerin weiterübertragen.

c) Die Klägerin hat die an sie indossierten Wechsel auch nicht gutgläubig erworben (Art. 11 Abs. 1, 14 Abs. 1, 16 Abs. 2 WG).

Wie unter b) dargelegt wurde, sind die Wechsel aus denen die Klägerin ihre Ansprüche herleitet, ohne rechtswirksame Begebungsverträge in fremde Hände gelangt und daher abhanden gekommen im Sinne des Art. 16 Abs. 2 WG (vgl. Baumbach/Hefermehl aaO, Art. 16 WG Rdn. 9 m.w.Nachw.). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Vorwurf gerechtfertigt, daß die Klägerin beim Erwerb der Wechsel grob fahrlässig gehandelt hat.

Der Begriff der groben Fahrlässigkeit ist zwar ein Rechtsbegriff. Die Feststellung der Voraussetzungen ist jedoch tatrichterliche Würdigung und mit der Revision nur beschränkt angreifbar. Der Nachprüfung unterliegt aber jedenfalls, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (st.Rspr. BGH, Urteil vom 12. Januar 1988 – VI ZR 158/87, NJW 1988, 1265, 1266 m.w.Nachw.). Ist das der Fall, kann das Revisionsgericht die Beurteilung des Verschuldensgrades selbst vornehmen, wenn die Feststellungen des Berufungsgerichts ein abgeschlossenes Tatsachenbild ergeben (BAG, Urteil vom 1. Dezember 1988 – 8 AZR 65/84, NJW 1989, 2076 m.w.Nachw.; BGH, Urteil vom 11. März 1991 – II ZR 88/90, NJW 1991, 1415, 1417). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die für die Entstehung der Wechselverbindlichkeiten und den Erwerb der Wechsel durch die Klägerin maßgebenden Tatsachen sind aufgrund des Tatsachenvortrages der Parteien und nach einer umfangreichen Beweisaufnahme vom Berufungsgericht umfassend festgestellt worden.

Eine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung liegt nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde, wenn ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte. Bei der groben Fahrlässigkeit handelt es sich um eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit des § 276 Abs. 1 BGB erheblich übersteigt (BGH NJW 1988, 1265, 1266; BGHZ 10, 14, 16 f.; BAG NJW 1989, 2076).

Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin grob fahrlässig gehandelt. Dabei kam es gem. § 166 Abs. 1 BGB hinsichtlich der Kenntnis oder des Kennenmüssens bestimmter Umstände im Zusammenhang mit dem Erwerb der Wechsel auf die Angestellten der Klägerin an, die als Vertreter – hier insbesondere als Leiter der Kreditabteilung der Klägerin – oder Verhandlungsgehilfen mit dem Erwerb der Wechsel befaßt waren.

Einem Kreditinstitut, das von einer Spielbank auf Privatpersonen gezogene Wechsel in beträchtlicher Höhe zum Diskont hereinnimmt, muß sich die Frage aufdrängen, ob es sich um Spielerwechsel handelt. Daß es sich nicht um rediskontfähige Warenwechsel handelte, war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch der Klägerin klar. Sie hat die Wechsel nicht mit dem dafür vorgesehenen günstigeren Zinssatz diskontiert und sie auch nicht zum Rediskont weitergegeben. Die vom Berufungsgericht erwogene Möglichkeit, die Wechsel könnten Schadensersatzansprüche der Spielbank abgedeckt haben, stellt ebenso wie die unterstellte Darlehensgewährung für andere als Spielzwecke eine theoretische Überlegung dar, die die Klägerin nicht von Nachforschungen freistellen konnte. Die Annahme, es könne sich um Überbrückungsdarlehen für Spieler handeln, die durch Verluste in eine akute Notlage geraten waren, schied schon wegen der Höhe der Wechsel als ernsthafte Erklärung aus.

Auch das Berufungsgericht geht ungeachtet der von ihm als möglich angesehenen unverfänglichen Sicherungszwecke zutreffend davon aus, daß die Klägerin sich den Vorwurf grober Fahrlässigkeit gefallen lassen müßte, wenn sie die Wechsel „unbesehen ohne jegliche Prüfung entgegengenommen” hätte. Entgegen seiner Ansicht wird dieser Vorwurf aber nicht dadurch ausgeräumt, daß der Leiter der Kreditabteilung der Klägerin im Jahre 1986 anläßlich der Absprache von Tagesdispositionen auf seine beiläufige Frage von dem damaligen Geschäftsführer der Spielbank die Auskunft erhalten hat, es würden grundsätzlich keine Jetons auf Wechsel zur Verfügung gestellt. Damit war weder die Gewährung von Darlehen für Spielzwecke als Grund für die Wechselhingabe eindeutig ausgeschlossen noch ein anderer plausibler Grund dargelegt. Die Tatsache, daß die Spielbank nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die eingereichten Wechsel bis zur Konkurseröffnung bei Fälligkeit jeweils selbst bezahlte und Prolongationspapiere einreichte, mag die Klägerin der Sorge um die Bonität der Akzeptanten enthoben und deshalb ihr Interesse gemindert haben, der Frage nach dem Zweck der Wechsel nachzugehen. Das Maß der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt und die Würdigung ihrer Außerachtlassung richten sich jedoch nicht nach dem Sicherungsbedürfnis der Klägerin, sondern nach den oben genannten Kriterien. Die festgestellte reibungslose Aufnahme fälliger Wechsel durch die Spielbank selbst sprach eher für als gegen die Annahme von Wechseln für Spielzwecke und war daher nicht geeignet, den sich der Klägerin aufdrängenden Verdacht auszuräumen oder auch nur zu mindern.

3. Die Sache war zur Endentscheidung reif. Die angefochtenen Urteile waren aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

 

Unterschriften

Schimansky, Dr. Halstenberg, Dr. Schramm, Dr. Siol, Nobbe

 

Fundstellen

Haufe-Index 1134388

NJW 1992, 316

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1991, 1477

ZBB 1992, 56

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