Entscheidungsstichwort (Thema)
Folge der Unvermögens eines Vermieters, dem Mieter einer Standfläche, wie vertraglich vereinbart, eine geeignete Ersatzstandfläche anzubieten
Leitsatz (redaktionell)
1. Haben die Parteien eines Mietvertrags über eine Standfläche vereinbart, dass der Mieter für die Dauer von Bauarbeiten auf eine vom Vermieter angebotene geeignete Ersatzfläche ausweichen muss, hat der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ihm die Erfüllung des Vertrags mangels geeigneter Ersatzfläche unmöglich geworden ist.
2. In diesem Fall kann, da der Vermieter das Risiko der Erfüllbarkeit des Vertrags übernommen und sein Unvermögen somit zu vertreten hat, der Mieter Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen, vom Vertrag zurücktreten oder den Vertrag kündigen.
Normenkette
BGB §§ 985, 325 a.F., § 542 a.F.
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 05.10.2000) |
LG Berlin (Urteil vom 21.01.2000) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des KG v. 5.10.2000 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Berlin v. 21.1.2000 wird zurückgewiesen, soweit ihre Klage im Hauptantrag abgewiesen worden ist. Wegen der weiter gehenden Berufung - Entscheidung über den Hilfsantrag - wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt Räumung und Herausgabe einer vor ihrer Kaufhalle gelegenen Standfläche, die sie mit Vertrag v. 23.3.1994 an die Beklagte zum Betrieb eines mobilen Imbiss-Standes vermietet hat. Im Hinblick auf die von der Klägerin beabsichtigte Neugestaltung des gesamten Kaufhallengeländes trafen die Parteien in § 15 des Mietvertrages folgende Vereinbarungen:
§ 15
Standortentwicklung
Dem Mieter ist bekannt, dass der Vermieter beabsichtigt, das gesamte Kaufhallen- bzw. Gaststättengelände zu entwickeln, d. h. Neu-, Um- oder Anbauten vorzunehmen.
Im Falle der Standortentwicklung der Kaufhalle bzw. der Gaststätte ist der K. berechtigt, eine vorübergehende Verlagerung des Standortes auf dem Grundstück zu verlangen. K. hat die Standortentwicklung 3 Monate vor Baubeginn dem Mieter anzuzeigen. Sollte das Verlagerungsverlangen für den Mieter unzumutbar sein und er dies binnen einer Frist von 3 Monaten nach Zugang des Verlagerungsverlangens dem Vermieter schriftlich anzeigen oder eine Verlagerung tatsächlich nicht möglich sein, ist der Vermieter berechtigt, die vorübergehende Schließung des Standortes für die Bauarbeiten zu verlangen. Für den Fall der vorübergehenden Schließung verlängert sich die Laufzeit des jeweiligen Einzelmietvertrages um den Schließungszeitraum. Für die Zeit der Schließung der Imbisseinrichtung ruht dann die Mietzahlung der Firma S. GmbH. Ein eventueller Anspruch der Firma S. GmbH auf Ersatz entgangenen Gewinns für den Schließungszeitraum ist ausgeschlossen.
Die Firma S. GmbH ist berechtigt, nach Abschluss der Bauarbeiten einen gleichwertigen Standort zu verlangen. Kann auf dem Gelände kein neuer Standort angeboten werden, wird der Vermieter dem Mieter einen gleichwertigen Ersatzstandort anbieten. Weiter gehende Ansprüche des Mieters sind ausgeschlossen. ...
Anfang 1999 begann die Klägerin auf dem Grundstück mit Um- und Neubaumaßnahmen, die eine Verlagerung der vermieteten Standfläche erforderlich machten. Die Parteien einigten sich für die Zeit ab März 1999 auf einen Ersatzstandort auf dem Grundstück. Mit Schreiben v. 9. und 19.7.1999 verlangte die Klägerin von der Beklagten die Räumung auch dieses Ersatzstandortes und bot ihr unter Androhung der Kündigung im Weigerungsfall einen anderen Standort an. Diesen lehnte die Beklagte mit Schreiben v. 6.8.1999 als unzumutbar ab. Daraufhin kündigte die Klägerin mit Schreiben v. 20.8.1999 den Mietvertrag fristlos.
Mit der Klage verlangt die Klägerin Räumung und Herausgabe des Ersatzstandortes, hilfsweise Zug um Zug gegen Bezeichnung eines auf einem Lageplan gekennzeichneten anderen Ersatzstandortes. Das LG hat Haupt- und Hilfsantrag der Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das KG das Urteil des LG abgeändert und der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die angenommene Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Klageabweisung, im Übrigen zur Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, es könne offen bleiben, ob die Kündigungen der Klägerin wirksam seien, was zweifelhaft sei. Die Klägerin habe gem. § 985 BGB einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe. Der Beklagten stehe kein Recht zum Besitz zu, weil der Mietvertrag dadurch beendet worden sei, dass seine Erfüllung der Klägerin auf Dauer unmöglich sei. Die Beklagte sei zwar gem. § 15 Abs. 2 des Mietvertrages berechtigt, einen gleichwertigen Standort zu verlangen. Da die Beklagte jedoch bestritten habe, dass die von der Klägerin angebotenen Standorte gleichwertig seien, obliege ihr die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es einen geeigneten Ersatzstandort gebe. Hierzu habe die Beklagte weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch Beweis angeboten.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Mietvertrag sei durch Unmöglichkeit der Erfüllung beendet worden, beruht auf Rechtsfehlern.
a) Das Berufungsgericht verstößt gegen die Regeln über die Darlegungs- und Beweislast, wenn es der Beklagten entgegenhält, sie habe nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass es einen geeigneten Ersatzstandort gebe. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt derjenige, der aus einer Norm zu seinen Gunsten eine bestimmte Rechtsfolge ableitet, bzw. sich auf eine solche Rechtsfolge stützt, die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Anwendbarkeit der Norm ergibt. Demnach obliegt der Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass ihr die Erfüllung des Vertrages unmöglich ist. Die Klägerin hat aber selbst nicht einmal behauptet, dass sie keinen gleichwertigen Ersatzstandort anbieten könne. Sie hat vielmehr unter Beweisantritt im Einzelnen dargelegt, dass die von ihr angebotenen Ersatzstandorte gleichwertig seien. Schon deshalb kann von einer Unmöglichkeit der Vertragserfüllung nicht ausgegangen werden.
b) Die Revision rügt weiter zu Recht, dass, selbst wenn ein Unvermögen der Klägerin zur Erfüllung feststünde, eine Beendigung des Vertrages auch deshalb nicht in Betracht komme, weil die Klägerin ihr Unvermögen zu vertreten habe.
Die Klägerin hat dadurch, dass sie sich in § 15 S. 8 des Vertrages dazu verpflichtet hat, der Beklagten einen gleichwertigen Ersatzstandort zur Verfügung zu stellen, das Risiko der Erfüllbarkeit dieser Verpflichtung übernommen. Es stand in ihrem Belieben, ob sie auf einem der ihr gehörenden Grundstücke einen Standplatz schafft, der für den Imbisswagen geeignet ist. Die Rechtsfolgen des vom Vermieter zu vertretenden Unvermögens regelt § 325 BGB a. F. Danach kann der Mieter Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten; er kann auch gem. § 542 BGB a. F. kündigen (BGH, Urt. v. 25.11.1998 - XII ZR 12/97, MDR 1999, 287 = NJW 1999, 635; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rz. 348; Kraemer in Bub/Treier, 3. Aufl., III Rz. 1192). Das von dem Vermieter zu vertretende Unvermögen führt aber nicht ohne weiteres zu einer Beendigung des Mietvertrages.
c) Die Klägerin hat auch kein Recht, den Mietvertrag wegen des von ihr zu vertretenden Unvermögens aus wichtigem Grund zu kündigen. Selbst wenn die Voraussetzungen für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage vorlägen, könnte sie sich darauf nicht berufen, weil die Gründe hierfür in ihrem Risikobereich liegen (BGH, Urt. v. 29.11.1995 - XII ZR 230/94, MDR 1996, 355 = NJW 1996, 714).
3. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563a ZPO a. F.). Der Mietvertrag ist insbesondere nicht durch die fristlosen Kündigungen der Klägerin beendet worden. Die Kündigungen sind unwirksam.
a) Die Klägerin konnte am 20.8.1999 nicht mit der Begründung kündigen, die Beklagte habe ihre Verpflichtung zur nochmaligen Umsetzung ihres Imbiss-Standes nicht erfüllt. Selbst wenn die Beklagte gem. § 15 des Mietvertrages verpflichtet gewesen wäre, während der Bauphase mehrere vorübergehende Verlagerungen des Standortes zu dulden, fehlt es an der Einhaltung der in § 15 vorgeschriebenen dreimonatigen Ankündigungsfrist, binnen der sich die Beklagte zu dem Verlagerungsverlangen der Klägerin äußern konnte. Die Klägerin hat erstmals am 9.7.1999 den erneuten Standortwechsel angekündigt. Zum Zeitpunkt der fristlosen Kündigung, am 20.8.1999, war somit die Dreimonatsfrist noch nicht abgelaufen. Auch die Kündigung v. 1.10.1999 ist aus diesem Grund unwirksam.
b) Die Kündigung v. 2.2.2000 wegen Mietrückständen in der Zeit von Oktober 1999 bis Januar 2000 ist ebenfalls unwirksam. Die Beklagte war gemäß Urteil des LG v. 22.10.1999 im einstweiligen Verfügungsverfahren (64 S 421/99) nur bis zum Ende der Baumaßnahmen, längstens bis zum 31.10.1999 verpflichtet, ihren Imbissstand auf den Ersatzstandort zu verlegen. Danach war sie berechtigt, den Standort als unzumutbar abzulehnen (§ 15 S. 4 des Mietvertrages). Während der Schließung des Imbiss-Standes war sie gem. § 15 S. 6 des Mietvertrages zur Mietzahlung nicht verpflichtet.
Das LG hat somit die Klage zu Recht abgewiesen, soweit sie auf uneingeschränkte Räumung und Herausgabe gerichtet war.
4. Der Senat ist nicht in der Lage, abschließend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO a. F.). Der Rechtsstreit ist bezüglich des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs auf Verurteilung der Beklagten zur Räumung des bisherigen Standortes Zug um Zug gegen Bezeichnung eines auf einem Lageplan gekennzeichneten Ersatzstandortes auf den Grundstücken G.-Straße ... oder Ga.-Straße ... in B. ohne weitere Feststellungen nicht entscheidungsreif. Die Klägerin hat gem. § 15 S. 8 des Mietvertrages, nachdem die Bauphase abgeschlossen ist, einen Anspruch gegen die Beklagte auf Räumung des bisherigen nur vorübergehend zugewiesenen Standortes Zug um Zug gegen Zuweisung eines anderen gleichwertigen, endgültigen Standortes, der auf dem bisherigen Mietgrundstück und, wenn dies nicht möglich ist, auf einem anderen Grundstück gelegen ist. Da die Beklagte bestreitet, dass auf dem bisherigen Mietgrundstück kein geeigneter Standort vorhanden sei und dass die von der Klägerin im Hilfsantrag genannten Standorte gleichwertig seien, sind ggf. nach weiterem Beweisantritt die von der Klägerin angebotenen Beweise zu erheben. Die Sache muss deshalb an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 1087072 |
BGHR 2004, 287 |
ZMR 2004, 248 |
GuT 2004, 12 |
MietRB 2004, 103 |
JWO-MietR 2004, 13 |
NJOZ 2004, 87 |