Entscheidungsstichwort (Thema)
Bodenordnungsverfahren. Anschlussbeiträge. Erstattungsfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
a) Der nach Art. 233 § 2a EGBGB zum Besitz berechtigte Nutzer ist nicht verpflichtet, dem Grundstückseigentümer gezahlte Anschluss- und ähnliche Beiträge zu erstatten, wenn die endgültige Beitragspflicht vor dem Abschluss eines Kaufvertrags nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz oder dem Eigentumserwerb in einem Bodenordnungsverfahren entstanden ist.
b) Leistet der Grundstückseigentümer dagegen einen Vorschuss auf solche Beiträge und wird eine Vorauszahlung nach Beitragsrecht auf die endgültige Beitragspflicht verrechnet, kann er von dem nach Art. 233 § 2a EGBGB zum Besitz berechtigten Nutzer nach §§ 677, 683 BGB Erstattung verlangen, wenn die endgültige Beitragspflicht nach dem Vertragsschluss oder dem Eigentumserwerb im Bodenordnungsverfahren in seiner Person entsteht. Entsteht sie in der Person eines anderen Eigentümers, richtet sich der Erstattungsanspruch gegen diesen.
Normenkette
EGBGB Art. 233 § 2a Abs. 1; BGB §§ 677, 683
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Rostock vom 10.4.2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Am 14.6.1991 kaufte der Beklagte ein Grundstück in Mecklenburg-Vorpommern von der Stadt R. und die darauf stehenden Gebäude von der LPG, die sie errichtet hatte. Zu dem Erwerb des Eigentums an dem Grundstück kam es zunächst nicht, weil die Bundesvermögensverwaltung das Grundstück als Reichsvermögen für sich beanspruchte. Es wurde ihr am 17.7.2001 zugeordnet. Am 27.1.2003 gab der Zweckverband K. der Klägerin eine später auf 7.999,99 EUR reduzierte Vorauszahlung für den Anschluss des Grundstücks an die neue öffentliche zentrale Kläranlage auf. Die Klägerin leistete die Vorauszahlung und meldete sie in einem Bodenordnungsverfahren, in welches das Grundstück einbezogen worden war, zur Erstattung an. In diesem Bodenordnungsverfahren wurde dem Beklagten das Grundstück am 18.11.2003 gegen Zahlung einer Geldabfindung i.H.v. 36.794,52 EUR zugeteilt. Wegen der angemeldeten Erstattung wurde die Klägerin auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, ihr die geleistete Vorauszahlung in Höhe eines nach Verrechnung mit einer Forderung des Beklagten verbleibenden Restbetrags von 7.042,62 EUR zu erstatten.
[2] Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der von dem OLG zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, will die Klägerin weiterhin Erstattung der Vorauszahlung erreichen.
Entscheidungsgründe
I.
[3] Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung weder aus dem Gesichtspunkt des Gesamtschuldnerinnenausgleichs noch aus den Gesichtspunkten der Geschäftsführung ohne Auftrag oder der ungerechtfertigten Bereicherung zu. Ein Anspruch aus Gesamtschuldnerinnenausgleich scheide aus, weil ein Gesamtschuldverhältnis zwischen den Parteien nicht entstanden sei. Dafür habe dem Beklagten selbständiges Gebäudeeigentum i.S.v. § 286 ZGB zustehen müssen. Dazu gehöre LPG-Gebäudeeigentum indes nicht. Als Inhaber eines Gewerbetriebs habe der Beklagte nur dann in Anspruch genommen werden können, wenn die Satzung des Zwecksverbandes dies vorgesehen habe. Dazu habe die Klägerin nichts vorgetragen. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung schieden aus, weil die Klägerin aufgrund des Vorauszahlungsbescheids und zur Erfüllung ihrer eigenen Vorauszahlungspflicht gezahlt habe.
II.
[4] Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten stand.
[5] 1. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings einen Anspruch der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Gesamtschuldnerinnenausgleichs gem. § 426 Abs. 1 BGB oder § 426 Abs. 2 BGB i.V.m. § 8 Abs. 10 KAG M-V 1993/2001 verneint.
[6] a) Nach Ansicht des Berufungsgerichts scheitert der Anspruch schon daran, dass es an einem Gesamtschuldverhältnis nach § 8 Abs. 10 Satz 4 KAG M-V 1993/2001 fehlt. Das greift die Revision nicht an. Sie meint aber, das Berufungsgericht habe im Hinblick auf das laufende Bodenordnungsverfahren und den vorstehenden Eigentumswechsel ein gesamtschuldähnliches Rechtsverhältnis zwischen den Parteien annehmen und die Vorschriften entsprechend anwenden müssen. Das würde der Revision indessen nicht zum Erfolg verhelfen. Auch eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften auf den Grundstückseigentümer und den im Bodenordnungsverfahren zuteilungsfähigen Nutzer führt zu einer Erstattungspflicht des Nutzers nur, wenn und soweit dies der Lastenverteilung in ihrem Innenverhältnis zueinander entspricht. Das ist nicht der Fall.
[7] b) Im Innenverhältnis zwischen dem Grundstückseigentümer und einem nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz anspruchsberechtigten oder im Verfahren nach § 64 LwAnpG im Hinblick auf solche Ansprüche zuteilungsfähigen Nutzer trägt der Grundstückseigentümer die Lasten des Grundstücks allein.
[8] aa) Die Frage ist umstritten. Teilweise wird, jedoch nur unter Hinweis auf §§ 683, 670 BGB, eine Pflicht des Nutzers zum Ausgleich von Erschließungskosten und Anliegerbeiträgen angenommen (Vossius, SachenRBerG, 2. Aufl., § 75 Rz. 6). Andere verneinen eine solche Pflicht, weil die Berücksichtigung solcher Kosten in § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SachenRBerG abschließend geregelt sei (MünchKomm/BGB/Grüneberg, 4. Aufl., § 75 SachenRBerG Rz. 3; Krauß, OV-Spezial 1995, 242, 247 f.).
[9] bb) Der Senat hält die zweite Meinung im Ergebnis für richtig.
[10] (1) Der nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz anspruchsberechtigte und als Folge davon im Verfahren nach § 64 LwAnpG zuteilungsfähige Nutzer ist dem Eigentümer des genutzten Grundstücks gegenüber nach Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 3 EGBGB kraft Gesetzes zum Besitz des Grundstücks berechtigt. Seine Pflichten ggü. dem Grundstückseigentümer bestimmen sich grundsätzlich allein nach dieser Vorschrift. Diese sieht in ihrem Abs. 1 Sätze 4 und 8 keine Pflicht zur Tragung, Übernahme oder Erstattung öffentlicher Lasten vor, sondern eine gestaffelte Verpflichtung zur Zahlung von Nutzungsentgelt, die deshalb auch nicht ausgeschlossen (BVerfG v. 8.4.1998 - 1 BvR 1680/93, 1 BvR 183/93, 1 BvR 1580/94, BVerfGE 98, 17, 32 f., 44f.) und nur durch Vereinbarung mit dem Eigentümer selbst eingeschränkt (Senat, Urt. v. 25.7.2003 - V ZR 2/03, BGHReport 2003, 1313 = VIZ 2004, 38, 39) werden kann. Weitergehende Pflichten treffen den Nutzer nach Art. 233 § 2a Abs. 1 Sätze 9 und 10 EGBGB nur, wenn er das mit dem Grundstückseigentümer vereinbart hat oder eine besondere gesetzliche Bestimmung dies vorsieht. Dass die Parteien eine abweichende Vereinbarung getroffen hätten, ist weder festgestellt noch vorgetragen. Ob die geleistete Vorauszahlung im Bodenordnungsverfahren etwa bei der Bemessung der Geldabfindung hätte berücksichtigt werden können, bedarf keiner Entscheidung, weil die Bodenordnungsbehörde die Berücksichtigung dieser Vorauszahlung bestandskräftig abgelehnt und die Klägerin auf den Zivilrechtsweg verwiesen hat.
[11] (2) Auch das Sachenrechtsbereinigungsgesetz sieht einen weitergehenden Ausgleich nicht vor. Nach § 75 Abs. 1 SachenRBerG kann der Grundstückseigentümer von dem Nutzer die Übernahme der öffentlichen Lasten von dem Vertragsschluss an, nicht aber die Erstattung für vorher geleistete Zahlungen auf öffentliche Abgaben verlangen. Das gilt auch bei Leistungen auf Erschließungs- und Anliegerbeiträge. Solche Leistungen wirken sich nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz nur auf die Ermittlung des maßgeblichen Bodenwerts aus. Nach § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SachenRBerG entfällt nämlich der an sich gem. § 19 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SachenRBerG vorzunehmende pauschale Abzug für die Baureifmachung des Landes, wenn der Grundstückseigentümer die Kosten für die Erschließung getragen hat. Andere Folgen haben solche Leistungen des Grundstückseigentümers nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz nicht.
[12] 2. Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich aber ein Erstattungsanspruch der Klägerin nach §§ 683, 670 BGB aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht ausschließen.
[13] a) Die Klägerin hat zwar mit der Zahlung auf den Vorauszahlungsbescheid des Zweckverbands K. die sie als damalige Eigentümerin des Grundstücks treffende eigene Verpflichtung zur Leistung einer Vorauszahlung erfüllt. Der Beklagte war, wie ausgeführt, bis zum Erwerb des Eigentums an dem Grundstück im Bodenordnungsverfahren nach Art. 233 § 2a EGBGB im Verhältnis zur Klägerin nicht zur Tragung und Übernahme der öffentlichen Lasten verpflichtet. Die Klägerin kann aber dennoch ein Geschäft des Beklagten geführt haben und aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 683, 670 BGB berechtigt sein, von dem Beklagten Erstattung der Vorauszahlung zu verlangen.
[14] b) Das ergibt sich aus den Wirkungen, die das Kommunalabgabenrecht des Landes Mecklenburg-Vorpommern einer Vorauszahlung beimisst.
[15] aa) Eine Vorauszahlung wird nach § 8 Abs. 8 Satz 2 KAG M-V 1993/2001 ebenso wie nach dem seit dem 31.3.2005 geltenden § 7 Abs. 4 Satz 3 KAG M-V 2005 auch dann auf die endgültige Beitragspflicht verrechnet, wenn der Vorausleistende nicht endgültig beitragspflichtig ist. Dieser Fall tritt etwa dann ein, wenn zwischen der Vorauszahlung und dem Entstehen der endgültigen Beitragspflicht ein Eigentumswechsel stattgefunden hat. Das hat zur Folge, dass die Leistung einer Vorauszahlung nur dann ein i.S.v. § 677 BGB eigenes Geschäft des Vorausleistenden bleibt, wenn die endgültige Beitragspflicht entsteht, solange er Eigentümer des Grundstücks ist. Entsteht die endgültige Beitragspflicht hingegen später, wird der endgültige Beitrag nicht von dem Vorausleistenden, sondern von dem neuen Eigentümer geschuldet. Da die Vorauszahlung aber auf diese fremde Schuld angerechnet wird, ist sie in dieser Fallkonstellation nicht nur die Erfüllung einer eigenen Vorauszahlungsverpflichtung, sondern zugleich auch die vorweggenommene Erfüllung der endgültigen Beitragspflicht des neuen Eigentümers. Die Erfüllung der endgültigen Beitragspflicht durch Vorauszahlung ist jedenfalls auch ein Geschäft des neuen Eigentümers. Die Führung eines Geschäftes, das auch ein fremdes Geschäft ist, ist Geschäftsführung ohne Auftrag (BGHZ 65, 354, 357; 65, 384, 387; BGH v. 8.3.1990 - III ZR 81/88, BGHZ 110, 313, 315 = MDR 1990, 903, allgemeine Meinung).
[16] bb) Ob und ggf. wann die endgültige Beitragspflicht entstanden ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Deshalb ist für das Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin davon auszugehen, dass die endgültige Beitragspflicht entstanden ist und dass dies nach dem Eintritt der Bestandskraft des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2003 (wohl der 18.3.2004) der Fall war. Dann aber wäre die Leistung der Vorauszahlung zugleich auch ein Geschäft des Beklagten. Dass die Klägerin den Willen hatte, neben ihrer eigenen Pflicht zur Vorauszahlung auch die endgültige Beitragspflicht des Beklagten zu erfüllen, ergibt sich daraus, dass sie den Betrag im Bodenordnungsverfahren mit Blick auf den dabei zu erwartenden Eigentumswerber des Beklagten angemeldet hat. Der Beklagte wäre der Klägerin dann nach §§ 683, 670 BGB zur Erstattung verpflichtet.
[17] cc) An der Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts ist der Senat nicht gehindert. Dass die Klägerin nur zur Leistung einer Vorauszahlung herangezogen worden ist, ergibt sich aus dem Bescheid und ist von dem Berufungsgericht festgestellt. Deren Wirkungen folgen unmittelbar aus dem Kommunalabgabengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Eine Auslegung der genannten Vorschriften dieses Gesetzes durch das OLG wäre zwar nach § 545 Abs. 1 ZPO der Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen, weil sich ihr Geltungsbereich nicht über den Bezirk des OLG Rostock hinaus erstreckt. Das steht der Berücksichtigung irrevisiblen Landesrechts durch das Revisionsgericht aber nicht entgegen, wenn das Berufungsgericht den zu seiner Berücksichtigung führenden Gesichtspunkt übersehen und sich infolgedessen mit dem dazu heranzuziehenden Landesrecht nicht befasst hat (BGHZ 21, 214, 216 f.; 24, 159, 164 [Senat]; 40, 197, 201 [Senat]; BGH, Urt. v. 11.7.1996 - III ZR 133/95, MDR 1996, 1241 = NJW 1996, 3151; MünchKomm/ZPO/Wenzel, 2. Aufl., § 549 Rz. 12; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., §§ 549, 550 Rz. 10). Das gilt insb. dann, wenn die Nichtberücksichtigung des Landesrechts, wie hier, zu einer Verletzung von Bundesrecht führt.
III.
[18] In der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht festzustellen haben, ob die Beitragspflicht schon entstanden ist, wann und nach welchen Vorschriften (noch § 8 Abs. 7 KAG M-V 1993/2001 oder schon nach §§ 10, 9 Abs. 3, 6 und 7 KAG M-V 2005) dies der Fall war und ob zu diesem Zeitpunkt noch die Klägerin oder schon der Beklagte Eigentümer war. Sollte die Beitragspflicht entstanden und die Klägerin dann noch Eigentümerin gewesen sein, schiede ein Anspruch endgültig aus. Sollte der Beklagte bei Entstehen der endgültigen Beitragpflicht schon Eigentümer geworden sein, wäre er zur Erstatzung verpflichtet. Sollte die Beitragspflicht noch nicht entstanden sein, würde ein Erstattungsanspruch erst mit dieser entstehen und sich gegen denjenigen richten, der dann Eigentümer ist.
Fundstellen