Leitsatz (amtlich)
1. Verzichtet ein Fluggast auf die Einplanung eines ausreichenden Zeitpuffers von zwei bis drei Stunden vor dem Abflug, weil er das automatisierte Grenzkontrollsystem EasyPASS nutzen möchte, muss er sich rechtzeitig über dessen Modalitäten informieren, wenn er mit diesen nicht vertraut ist. Auf ersichtlich nicht abschließende Hinweise des Flughafenbetreibers auf dessen Internetseite darf er sich nicht verlassen.
2. Unterlässt er dies, riskiert er, die Systemvoraussetzungen nicht zu erfüllen und mangels hinreichenden Zeitpuffers den gebuchten Flug zu verpassen, zumal er sich auf die ständige Betriebsbereitschaft der computergestützten elektronischen Grenzkontrolle nicht ohne weiteres verlassen darf. Er begibt sich damit freiwillig in eine prekäre Situation, deren Folgen letztlich von ihm herbeigeführt und von ihm zu tragen sind.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1 S. 1; BGSG 1994 §§ 2, 4; LuftSiG § 5 Abs. 1 Sätze 1-2, § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 08.11.2021; Aktenzeichen 22 S 424/20) |
AG Düsseldorf (Entscheidung vom 12.11.2020; Aktenzeichen 49 C 143/20) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 8. November 2021 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger nimmt die Beklagte im Zusammenhang mit einem verpassten Flug auf Schadensersatz in Anspruch.
Rz. 2
Die Beklagte ist die Betreiberin des Flughafens D., der mit dem elektronischen Grenzkontrollsystem EasyPASS ausgestattet ist. Dieses ermöglicht ein schnelleres Passieren der Grenzkontrolle, indem die Identität des Reisenden, der - neben weiteren Voraussetzungen - mindestens zwölf Jahre alt sein muss, sowie die Echtheit und Gültigkeit des elektronischen Reisedokuments automatisiert überprüft werden. Die Beklagte wies auf ihrer Internetseite auf das EasyPASS-System hin, ohne das Mindestalter für dessen Nutzung zu erwähnen.
Rz. 3
Der Kläger hatte für sich, seine Ehefrau sowie die drei minderjährigen Kinder am 9. Oktober 2019 einen Flug von D. nach C. gebucht. Die planmäßige Abflugzeit war um 12.15 Uhr. Die Familie verpasste jedoch den Flug, da sie nach Durchlaufen der Sicherheits- und Passkontrollen das Abfluggate nicht mehr rechtzeitig erreichte.
Rz. 4
Der Kläger hat geltend gemacht, er habe am 9. Oktober 2019 zusammen mit seiner Familie das Reisegepäck um 10.07 Uhr am Check-in-Schalter aufgegeben. Um 11.10 Uhr habe er sich mit seiner Familie zu der Sicherheitskontrolle begeben und diese um 11.35 Uhr passiert. Anschließend sei die Familie zu den elektronischen Passkontrollen gegangen. Auf seine Frage, wo er sich anstellen müsse, habe er von einem Mitarbeiter der Beklagten die Auskunft erhalten, er könne die elektronischen Durchgänge nicht nutzen, da seine jüngste Tochter noch keine zwölf Jahre alt sei. Die Familie sei deshalb an die zwei mit Personal besetzten Durchgänge verwiesen worden. Dort sei bei der Kontrolle eines anderen Passagiers ein Problem aufgetreten, was zu einer Verzögerung von 20 Minuten geführt habe. Nach Eröffnung einer dritten Kabine für die Passkontrolle habe der Computer erst hochgefahren werden müssen und sei zunächst nicht funktionsfähig gewesen. Obwohl er eine weitere Mitarbeiterin der Beklagten auf das drohende Verpassen des Abflugs hingewiesen habe, sei er in der Warteschlange nicht vorgezogen worden.
Rz. 5
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 2.980,08 € (Erwerb eines Ersatztickets, zusätzliche Hotel- und Fahrtkosten) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage abgewiesen.
Rz. 6
Im Berufungsrechtszug hat der Kläger erstmals den fehlenden Hinweis auf der Internetseite der Beklagten auf das Mindestalter für die Nutzung des EasyPASS-Systems gerügt. Im Falle eines ordnungsgemäßen Hinweises hätte er nicht auf einen schnelleren Durchgang vertraut, sondern sich direkt an der Warteschlange vor den mit Beamten besetzten Schaltern angestellt. Im Hinblick auf ein einzukalkulierendes länger andauerndes Anstehen hätte er die entsprechenden Vorkehrungen getroffen.
Rz. 7
Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen, mit welcher dieser seinen Klageantrag weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Rz. 8
Die zulässige Revision ist unbegründet.
I.
Rz. 9
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 10
Das Amtsgericht habe einen Schadensersatzanspruch des Klägers zu Recht verneint. Ein solcher Anspruch folge insbesondere nicht aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Es könne offenbleiben, ob zwischen der Beklagten und der den Flug durchführenden Fluggesellschaft ein Bodenabfertigungsvertrag mit Fluggastabfertigung bestanden habe und der Kläger in den vertraglichen Schutzbereich einbezogen worden sei. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte eine auch dem Kläger gegenüber bestehende Pflicht aus einem etwaigen Bodenabfertigungsvertrag verletzt habe. Dessen Gegenstand sei hier vielmehr gar nicht berührt. Im hier allein betroffenen Sicherheitsbereich habe die Verantwortlichkeit der Beklagten als Flughafenbetreiberin geendet und die ausschließliche Verantwortlichkeit der Bundespolizei beziehungsweise der von ihr beauftragten Beliehenen begonnen. Am Flughafen D. habe die Bundespolizei die Sicherheitskontrollen auf eine Sicherheitsfirma als Beliehene übertragen. Die nachfolgende Passkontrolle führe sie mit eigenen Beamten durch. Die Beklagte könne weder die Öffnung zusätzlicher Gepäck- und Passkontrollstellen veranlassen, noch einzelnen Passagieren eine bevorzugte und beschleunigte Kontrolle ermöglichen.
Rz. 11
Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz erstmals rüge, dass die Beklagte auf ihrer Internetseite die EasyPASS-Kontrolle bewerbe, ohne dass dort auf das für die Nutzung erforderliche Mindestalter von zwölf Jahren hingewiesen werde, sei eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht erkennbar. Bei EasyPASS handele es sich um ein von der Bundespolizei hoheitlich betriebenes automatisiertes Grenzkontrollsystem. Auf Grund der Information der Beklagten über die Möglichkeit einer solchen automatisierten Grenzkontrolle habe sich der Kläger nicht darauf verlassen dürfen, diese vereinfachte und zügigere Art der Grenzkontrolle in jedem Fall durchlaufen zu können. Vielmehr hätte er sich zuvor selbst über die Modalitäten der Nutzung informieren müssen. Zudem sei sein Vortrag, welche Maßnahmen er im Fall eines entsprechenden Hinweises auf der Website der Beklagten ergriffen hätte, unsubstantiiert.
II.
Rz. 12
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
Rz. 13
Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es auf die Frage, ob ein etwaiger Bodenabfertigungsvertrag (mit Fluggastabfertigung) zwischen der Beklagten als Flughafenbetreiberin und der den gebuchten Flug durchführenden Fluggesellschaft (auch) Schutzwirkung zugunsten des Klägers entfaltet hat, nicht ankommt. Denn es würde jedenfalls an einer den Kläger zum Schadensersatz berechtigenden Pflichtverletzung der Beklagten im Sinne des § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB fehlen.
Rz. 14
1. Aus den Regelungen des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) und des Bundespolizeigesetzes (BPolG) ergibt sich eine klare Trennung des Verantwortungsbereichs des privaten Flughafenbetreibers von dem hoheitlichen Sicherheitsbereich, für den die Luftsicherheitsbehörde - das ist am Flughafen D. die Bundespolizei (siehe § 16 Abs. 3a LuftSiG; Schaefer, NJW 2019, 3029) - ausschließlich verantwortlich ist.
Rz. 15
a) Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LuftSiG ist der Betreiber eines Flugplatzes verpflichtet, die gesamte Flughafenanlage so zu erstellen, zu gestalten und zu unterhalten, dass die Zuführung von Passagieren und Gepäck sowie die sachgerechte Durchführung der personellen Sicherungs- und Schutzmaßnahmen und die Kontrolle der Bereiche der Luftseite ermöglicht werden. Dementsprechend fällt es in den Aufgabenbereich des Flughafenbetreibers, die Passagiere vom Check-in-Bereich zu dem Sicherheitsbereich im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 LuftSiG, wo die Personen-, Gepäck- und Grenzkontrollen erfolgen, zu leiten und möglichst frühzeitig einen gleichmäßigen Passagierzufluss zu den geöffneten Kontrollstationen herbeizuführen. Zum Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Flughafenbetreibers gehört auch, durch entsprechenden Einsatz von Personal und/oder die Einrichtung eines Personenleitsystems (z.B. durch das Aufstellen von Hinweisschildern oder Absperrungen) die Warteschlangen vor dem Sicherheitsbereich so zu organisieren, dass die nachfolgenden Sicherheitskontrollen möglichst reibungslos ablaufen können (vgl. LG Bonn, BeckRS 2018, 26417 Rn. 23; LG Düsseldorf, BeckRS 2018, 19384 Rn. 28).
Rz. 16
b) Gemäß § 2 Satz 2 Nr. 1 LuftSiG hat demgegenüber die Luftsicherheitsbehörde die Aufgabe, die Fluggäste und deren Gepäck nach Maßgabe des § 5 LuftSiG zu kontrollieren beziehungsweise durch Beliehene kontrollieren zu lassen (§ 16a Abs. 1 Nr. 1 LuftSiG).
Rz. 17
Der Bundespolizei obliegt grundsätzlich auch der Grenzschutz (§ 2 Abs. 1 BPolG). Dieser umfasst unter anderem die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich der Überprüfung der Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a BPolG). Dabei setzt die Bundespolizei an Flughäfen zur Erleichterung der Grenzkontrolle für die Reisenden, die Inhaber von elektronisch lesbaren Pässen unter anderem der Staaten der Europäischen Union sind, und zur Entlastung der eingesetzten Beamten das Grenzkontrollsystem EasyPASS ein, das die Identität der Reisenden sowie die Gültigkeit und Echtheit der elektronischen Reisedokumente automatisiert überprüft (zu näheren Informationen siehe die EasyPASS-Homepage der Bundespolizei: https://www.easypass.de).
Rz. 18
Alle diese Maßnahmen sind hoheitlicher Natur und können bei Verzögerungen im Betriebsablauf unter Umständen Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG (z.B. bei Organisationsmängeln) oder Entschädigungsansprüche unter dem Gesichtspunkt der öffentlich-rechtlichen Aufopferung beziehungsweise des enteignenden Eingriffs oder nach § 51 Abs. 2 Nr. 1 BPolG auslösen (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2017 - III ZR 48/17, NJW 2018, 1396 Rn. 8 ff, 18; OLG Frankfurt am Main, BeckRS 2017, 102019 Rn. 23 ff und MDR 2022, 701 Rn. 13 ff). Eine Haftung der Luftfahrtunternehmen oder des Flughafenbetreibers für Verzögerungen im Sicherheitsbereich kommt nicht in Betracht, da die Fluggast- und Grenzkontrollen ausschließlich in Händen der Polizei liegen. Die Luftfahrtunternehmen und die Flughafenbetreiber haben auf den Ablauf und die Dauer der Fluggast- und Grenzkontrollen keinen Einfluss, so dass ihnen insoweit auch keine Verantwortung für eine zügige Abfertigung zugewiesen werden kann (vgl. BeckOK Fluggastrechte-Verordnung/Schmid, Art. 5 Rn. 172 [23. Edition, Stand: 1. Juli 2022]; Schaefer aaO). Soweit in der amtsgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur vereinzelt die Auffassung vertreten wird, der Flughafenbetreiber sei auch für die effektive Durchführung der Sicherheitskontrollen verantwortlich (z.B. AG Erding, NJW 2017, 1123 mit Anm. Führich; Mäsch, JuS 2017, 884, 885), trifft dies aus den vorgenannten Gründen nicht zu.
Rz. 19
2. Eine in den Verantwortungsbereich der Beklagten fallende Verzögerung im Zusammenhang mit der Organisation und Durchführung der Luftsicherheits- und Grenzkontrollen ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht. Danach hat er sich um 11.10 Uhr zur Sicherheitskontrolle begeben und diese bereits um 11.35 Uhr passiert. Anhaltspunkte für eine nicht effektive Organisation des Wartebereichs vor den Kontrollstationen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dagegen spricht auch die relativ geringe Wartezeit.
Rz. 20
Soweit der Kläger eine Verzögerung bei der Passkontrolle behauptet, würde diese in den Verantwortungsbereich der Bundespolizei fallen. Denn die Grenzkontrolle ist, wie ausgeführt, gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a BPolG deren hoheitliche Aufgabe. Der Flughafenbetreiber hat insoweit keine Einflussmöglichkeiten, insbesondere ist es ihm verwehrt, einzelne (verspätete) Reisende durch ein "Vorziehen der Passkontrolle" gegenüber rechtzeitig erschienenen Passagieren zu privilegieren. Auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des Berufungsgerichts wird Bezug genommen (LGU 9).
Rz. 21
Dessen ungeachtet ergeben sich aus dem Klägervortrag keine Anhaltspunkte für eine unangemessene, auf einem Organisationsmangel beruhende Verzögerung der Passkontrolle. Nach seinen Angaben hat er um 11.35 Uhr die Sicherheitskontrolle passiert und das Abfluggate kurz nach zwölf Uhr erreicht. Die Passkontrolle ist somit zügig durchgeführt worden, zumal wenn man bedenkt, dass der Kläger sich zunächst irrigerweise zu den elektronischen Passkontrollen begeben hatte und anschließend die ordnungsgemäße Kontrolle eines anderen Passagiers 20 Minuten beanspruchte. Dieser nicht von vornherein absehbaren Verzögerung ist durch Öffnung einer dritten Kabine für die Passkontrolle hinreichend Rechnung getragen worden.
Rz. 22
3. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht eine Pflichtverletzung der Beklagten auch insoweit zu Recht abgelehnt, als diese auf ihrer Internetseite zwar auf die Möglichkeit der EasyPASS-Kontrolle hingewiesen, das Mindestalter von zwölf Jahren aber nicht erwähnt hat. Der Kläger hat vielmehr die Gefahrenlage, die die Versäumung des Flugs zur Folge hatte, selbst herbeigeführt, indem er auf die Einplanung eines Zeitpuffers von vornherein verzichtet hat, ohne sich rechtzeitig über die Nutzungsmodalitäten des automatisierten Grenzkontrollsystems zu informieren. Dies wäre ihm über die von der Bundespolizei eigens zu diesem Zweck eingerichtete Homepage ohne weiteres möglich und auch zumutbar gewesen.
Rz. 23
a) Nach der Senatsrechtsprechung muss jeder Passagier einen ausreichenden Zeitpuffer für die Sicherheits- und Passkontrollen am Flughafen einkalkulieren. Denn es ist nicht von vornherein absehbar, wie lange die einzelnen Kontrollen andauern werden. Je nach Andrang, Zahl der Kontrollstellen und Geschwindigkeit der Kontrollen kann es zu erheblichen Verzögerungen kommen. Auf derartige Verzögerungen im Ablauf, die trotz zweckmäßiger Organisation der Kontrollen und ausreichenden Personaleinsatzes nicht zu vermeiden sind, muss sich jeder Fluggast einstellen und Wartezeiten entsprechend einkalkulieren. Darauf beruhen auch die allgemeinen Empfehlungen der Fluggesellschaften und Flughafenbetreiber, zwei bis drei Stunden vor dem Abflug am Flughafen zu erscheinen (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2017 - III ZR 48/17, NJW 2018, 1396 Rn. 11, 14; siehe auch OLG Frankfurt am Main, BeckRS 2017, 102019 Rn. 25 und MDR 2022, 701 Rn. 18 f; LG Bonn, BeckRS 2018, 26417 Rn. 19; LG Düsseldorf, BeckRS 2018, 19384 Rn. 21). Derjenige, der erst eine knappe Stunde vor dem Abflug und eine halbe Stunde vor dem "Boarding" bei der Sicherheitskontrolle eintrifft, begibt sich in die von vornherein vermeidbare Gefahr, auch bei einer sachgemäß verlaufenden Sicherheits- oder Passkontrolle seinen Flug zu versäumen. Verwirklicht sich diese Gefahr, so hat der Passagier die hieraus folgenden Nachteile zu tragen, da er die Gefahrenlage und das mit ihr verbundene Verspätungsrisiko maßgeblich mit geschaffen hat. Er kann sich dann im Rahmen der Staatshaftung nicht auf ein unter dem Gesichtspunkt der öffentlich-rechtlichen Aufopferung oder des enteignenden Eingriffs entschädigungspflichtiges Sonderopfer berufen (Senatsbeschluss aaO Rn. 14). Ein fehlender Zeitpuffer stellt regelmäßig auch eine vertragliche Obliegenheitsverletzung im Verhältnis zu der Fluggesellschaft dar, bei der der Flug gebucht wurde (vgl. Schaefer aaO S. 3031).
Rz. 24
b) Verzichtet der Fluggast auf die Einplanung eines ausreichenden Zeitpuffers, weil er das automatisierte Grenzkontrollsystem EasyPASS nutzen möchte, muss er sich rechtzeitig über dessen Modalitäten informieren, wenn er mit diesen nicht vertraut ist. Dies ist ohne weiteres auf einfache und schnelle Weise über die von der Bundespolizei zur Verfügung gestellte Homepage möglich. Andernfalls riskiert er, die Systemvoraussetzungen nicht zu erfüllen und mangels hinreichenden Zeitpuffers den gebuchten Flug zu verpassen. Er begibt sich dann freiwillig in eine prekäre Situation, deren Folgen letztlich von ihm herbeigeführt und von ihm zu tragen sind.
Rz. 25
Im Übrigen darf er sich auch nicht auf die ständige Betriebsbereitschaft der computergestützten elektronischen Grenzkontrolle verlassen.
Rz. 26
Dies gilt nicht nur im Rahmen der Staatshaftung, sondern auch im Verhältnis zum Flughafenbetreiber, der - wie hier - über seine Homepage auf die EasyPASS-Kontrolle hinweist, ohne die Nutzungsbedingungen im Einzelnen zu erläutern. Die allgemeine Information über das Vorhandensein des von der Beklagten nicht verantworteten EasyPASS-Systems war überobligatorisch und als solche zutreffend. Sie diente nicht der abschließenden Unterrichtung der Fluggäste. Dies war ohne weiteres ersichtlich, weil der Hinweis - mit Ausnahme der Wendung "Scannen Sie Ihren elektronischen Reisepass (e-Pass)…" - keine Angaben zu den Nutzungsvoraussetzungen der automatisierten Grenzkontrolle enthielt. Kam es dem Kläger auf die Einzelheiten an, weil er, seine Ehefrau und die drei minderjährigen Kinder das EasyPASS-System erstmals nutzen wollten, hätte er sich auf der von der Bundespolizei eingerichteten Website www.easypass.de einfach und bequem unterrichten können und müssen. Der Kläger hätte sich außerdem noch am Flughafen die nötigen Informationen rechtzeitig beschaffen können. Obwohl er - wie er vorgetragen hat - bereits um 10.07 Uhr das Gepäck am Check-in-Schalter aufgegeben hatte, hat er sich erst um 11.10 Uhr mit seiner Familie zur Sicherheitskontrolle begeben. Es hätte somit vor Ort noch genügend Zeit zur Verfügung gestanden, sich hinsichtlich der Nutzungsbedingungen von EasyPASS zu erkundigen. Stattdessen hat der Kläger mit seiner Familie rund eine Stunde leichtsinnig verbummelt, indem unter anderem "in das ein oder andere Geschäft geschaut" wurde (Revisionsbegründung, S. 8 Abs. 1).
Rz. 27
c) Soweit die Revision geltend macht, die unvollständige Information über das EasyPASS-System auf der Internetseite der Beklagten stehe nach ihrem sozialen Sinngehalt einem im Flughafenbereich aufgestellten unrichtigen Wegweiser oder einer falschen Auskunft durch einen Flughafenmitarbeiter gleich, trifft dies nicht zu. Wie oben bereits ausgeführt wurde, war der Hinweis der Beklagten auf das Vorhandensein des von der Bundespolizei betriebenen EasyPASS-Systems überobligatorisch, inhaltlich zutreffend und - für den durchschnittlichen Fluggast erkennbar - nicht abschließend. Demgegenüber betreffen die von der Revision angeführten Beispiele (unrichtige Ausschilderung, unzutreffende Auskunft eines Flughafenmitarbeiters) die ordnungsgemäße Zuführung der Passagiere auf dem Flughafengelände zu dem Sicherheitsbereich und damit den unmittelbaren Verantwortungsbereich des Flughafenbetreibers im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LuftSiG.
Rz. 28
Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, ob das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers, wie er sich bei einem Hinweis auf der Internetseite der Beklagten auf das Mindestalter für die Nutzung des EasyPASS-Systems verhalten hätte, zutreffend als unsubstantiiert bewertet hat.
Herrmann |
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Reiter |
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Kessen |
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Herr |
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Liepin |
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Fundstellen
NJW 2023, 691 |
ZAP 2023, 173 |
JZ 2023, 179 |
MDR 2023, 233 |
NZV 2023, 8 |
VersR 2023, 406 |
ZLW 2023, 147 |
DVBl. 2023, 341 |
VRR 2023, 2 |
r+s 2023, 629 |
SRTour 2023, 4 |