Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufopferungsentschädigung bei verpasstem Flug
Leitsatz (amtlich)
Entschädigung für zusätzliche Flugkosten, wenn überlange Wartezeit vor der Sicherheitskontrolle zur Versäumung des Fluges führt
Normenkette
BGB § 839; GG Art. 34
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 05.08.2020; Aktenzeichen 2-4 O 405/19) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5.8.2020 dahin abgeändert, dass die Verurteilung zur Freistellung von Kosten für die vorgerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen in Höhe von 413,64 EUR entfällt und die Klage insoweit abgewiesen wird.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerinnen wollten zusammen mit der Zeugin Vorname1 A und deren Tochter Vorname2, der Klägerin in der Parallelsache OLG Frankfurt ..., an einer Karibikkreuzfahrt teilnehmen und deshalb am 17.3.2018 - damals waren hessische Osterferien - ab Frankfurt nach Stadt1 in der Dominikanischen Republik fliegen. Abflugzeit war 11:50, Boardingtime war 10:50; das Gate schloss um 11:30 Uhr. Diesen Flug verpassten die Klägerinnen, da sie zu spät die Sicherheitskontrolle passierten und das Boarding bereits abgeschlossen war, als die Klägerinnen den Flugsteig erreichten. Wegen der ihnen entstandenen Kosten für Ersatztickets und eine zusätzliche Übernachtung nehmen die Klägerinnen die Beklagte in Anspruch. Sie meinen, die Beklagte habe die Sicherheitskontrolle nicht ausreichend organisiert, so dass es zu unzumutbaren Wartezeiten gekommen sei.
Nach ihrem Vortrag seien sie am Abflugtag um 8.15 Uhr am Flughafen eingetroffen. Check-in und die Gepäckaufgabe seien zwischen 8.30 und 9.00 Uhr erfolgt. Danach hätten sie sich zur Sicherheitskontrolle begeben wollen. Bereits vor der Zugangstür zur Luftsicherheitskontrolle habe sich eine lange Schlange gebildet gehabt, die etwa bis zu einem Bistro gereicht habe. Dort hätten sich die Klägerinnen noch etwas gekauft und sich danach oder zugleich angestellt, also - wie sich aus einem Kaufbeleg ergebe - um 9.36 Uhr bzw. "gegen 10.00 Uhr".
Die Beklagte meint, dass die Klägerinnen sich zu spät angestellt hätten, denn sie hätten - unstreitig - erst um 11.22 Uhr die Bordkartenkontrolle passiert. Die maximale Wartezeit an beiden Kontrollstellen habe aber 35 bis 38 Minuten betragen, so dass es ausgeschlossen sei, dass sich die Klägerinnen, wie behauptet, um 9.36 Uhr oder gegen 10.00 Uhr bereits angestellt hätten.
Das Landgericht hat nach persönlicher Anhörung der Klägerinnen und nach Vernehmung der Zeugin Vorname1 A und des Zeugen B festgestellt, dass die Klägerinnen sich rechtzeitig um 9.36 Uhr angestellt hatten und die Kontrolldauer amtspflichtwidrig zu lang war. Es hat dabei der Darstellung der Klägerinnen bzw. der Zeugin geglaubt und die Aussage des Zeugen B so verstanden, dass dieser nur Angaben über die Dauer der Wartezeit ab dem Zeitpunkt der Bordkartenkontrolle habe machen können, während die Dauer des Anstehens vor der Bordkartenkontrolle nicht gemessen werde.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, zu deren Begründung vorgebracht wird, dass die Klägerinnen jeweils angegeben hätten, (erst) gegen 10.00 Uhr sich angestellt zu haben, also nicht schon um 9.36 Uhr. Außerdem beziehe sich die von dem Zeugen B angegebene Wartezeit auf die gesamte Wartezeit einschließlich der Zeit für die Bordkartenkontrolle. Bei der von den Klägerinnen benutzten Kontrollstelle seien nach der Aussage des Zeugen B alle Spuren besetzt gewesen. Ein Organisationsverschulden liege daher nicht vor.
Die Klägerinnen verteidigen das angefochtene Urteil.
Der Senat hat die Zeugin A und den Zeugen B und im zeitgleich verhandelten Berufungsverfahren in der Parallelsache ... die Klägerinnen dieses Verfahrens als Zeuginnen vernommen; die Ergebnisse der letztgenannten Vernehmung werden im vorliegenden Verfahren wie informatorische Anhörungen der Klägerinnen verwertet.
II. Die Berufung bleibt erfolglos. Das angefochtene Urteil trifft im Ergebnis zu.
Allerdings vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Beklagte bei der Organisation der Sicherheitskontrolle ihr obliegende Amtspflichten verletzt, insbesondere zu wenig Personal für die Sicherheitskontrolle eingesetzt hat. Der Umstand, dass einzelne Passagiere wegen der Dauer der Sicherheitskontrolle ihren Flug verpasst haben, ist als solcher nicht hinreichend, um einen Organisationsmangel zu beweisen. Der Zeuge B hat glaubhaft angegeben, dass die für die Organisation und Durchführung der Sicherheitskontrolle zuständige Bundespolizei von dem Flughafenbetreiber Angaben über die zu erwartenden Passagierzahlen erhält und anhand dieser Mitteilungen die Besetzung und Öffnung der Spuren für die Sicherheitskontrolle bemisst. Am fraglichen Reisetag se...