Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigung wegen Dauer einer Gepäckkontrolle und deshalb versäumtem Flug
Leitsatz (amtlich)
Kein Anspruch auf Entschädigung wegen Aufopferung bzw. enteignenden Eingriffs, wenn ein Fluggast wegen der erforderlichen Dauer der Handgepäckskontrolle den Flug versäumt. Da sich jedermann einer solchen Kontrolle unterziehen muss, stellt die Versäumung des Flugs kein Sonderopfer dar (Abweichung vom OLG Frankfurt, U. v. 12.8.2013, Az. 1 U 276/12).
Normenkette
LuftSiG § 5; BPolG § 51; BGB § 839; GG Art. 34; EinlALR Art. 74-75
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.07.2015; Aktenzeichen 2-4 O 251/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main vom 10.07.2015 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Entschädigung im Zusammenhang mit einem verpassten Flug in Anspruch.
Der Kläger begab sich am 08.07.2012 morgens - frühestens um kurz vor 04.00 Uhr - mit seiner Lebensgefährtin und den gemeinsamen minderjährigen Kindern an den Sicherheitskontrollpunkt B im Terminal 1 des Flughafens Stadt1, um eine Urlaubsreise nach Malaga anzutreten. Der planmäßige Abflug war um 04.55 Uhr. Die Familie hatte bereits am Abend zuvor eingecheckt, so dass nur noch das mitgeführte Handgepäck zu kontrollieren war. Der Kläger und seine Lebensgefährtin legten ihr Handgepäck in den Röntgentunnel. Das Sicherheitspersonal meinte, aufgrund des Röntgenbildes im Handgepäck der Lebensgefährtin des Klägers eine Bombe bzw. Sprengstoff oder Sprengstoffspuren erkannt zu haben. Das Handgepäck wurde erneut kontrolliert und im Röntgentunnel vor- und zurückgefahren. Der Mitarbeiter des Sicherheitspersonals hielt Rücksprache mit einer Vorarbeiterin, welche in einem angrenzenden Büro einen Vorgesetzten informierte. Dieser erschien nach ein paar Minuten, um sich ebenfalls die Bilder anzusehen und das Handgepäck erneut mehrfach zu röntgen. Eine weitere Person der Sicherheitskontrolle führte sodann einen Sprengstofftest mittels eines Pappstreifens durch. Nachdem dieser Test negativ ausfiel, wurde die Tasche erneut manuell kontrolliert. Der Kläger und seine Familie durften die Sicherheitskontrolle um 04.40 Uhr passieren. Zu diesem Zeitpunkt war das Boarding bereits abgeschlossen, das Flugzeug befand sich bereits auf dem Rollfeld.
Der Kläger hat Entschädigung in Höhe seiner angeblichen Aufwendungen für vier Ersatztickets "Last Minute" für denselben Tag über Zürich nach Malaga begehrt. Die Parteien haben darüber gestritten, um welche Uhrzeit der Kläger und seine Familie bei der Sicherheitskontrollstelle eintrafen und wie lange die Sicherheitskontrolle andauerte. Die Beklagte hat behauptet, das Handgepäck sei erstmals um 04.26 Uhr kontrolliert worden. Es sei ein verkürztes Verfahren zur Anwendung gekommen. Bei strenger Anwendung der Vorschriften wäre die Hinzuziehung eines Sprengstoffbeamten notwendig gewesen, was weitere Zeit in Anspruch genommen hätte.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands der ersten Instanz im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger von der Beklagten für einen Gefahrerforschungseingriff gemäß § 5 Abs. 1, 2 und 3 i.V.m. § 11 des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) als Verantwortlicher in Anspruch genommen worden sei, weil der durch Tatsachen begründete, letztlich aber nicht bestätigte Verdacht bestanden habe, dass von dem Handgepäck seiner Lebensgefährtin eine Gefahr ausgehe. Für den durch die Kontrolle erlittenen Nachteil, die Versäumung eines von ihm für vier Personen gebuchten Fluges und den Verfall der hierfür erworbenen Flugtickets, könne er nach aufopferungsrechtlichen Grundsätzen wie ein Nichtverantwortlicher Entschädigung verlangen, weil er die Entstehung des Gefahrenverdachts nicht zu verantworten habe. Ein Sonderopfer liege hier vor, denn der Kläger und seine Mitreisenden hätten genügend Zeit für die Durchführung der Sicherheitskontrollen eingeplant. Unter Berücksichtigung, dass ein Vorabend-Check-In durchgeführt worden sei, sei die Ankunft des Klägers und seiner Familie im Sicherheitskontrollbereich gegen 04.00 Uhr, was nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erwiesen sei, nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit der Berufung und verfolgt ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. Das LG habe rechtsfehlerhaft einen Organisationsmangel bzw. ein Organisati...