Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Hinterlegung einer Erbengemeinschaft als Teilhaberin einer Miteigentümergemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
Ist eine Erbengemeinschaft Teilhaberin einer Miteigentümergemeinschaft, der eine Geldforderung gegen einen Dritten zusteht, so kann jeder Miterbe den Anspruch auf Hinterlegung gemäß § 432 Abs. 1 Satz 2 BGB geltend machen, soweit nichts anderes vereinbart ist.
Normenkette
BGB §§ 432, 432 Abs. 1 S. 2, § 2039
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. Juli 1981 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 25. Juli 1980 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtsmittelzüge.
Tatbestand
Die Klägerin fordert als Miterbin von der Beklagten Hinterlegung von Pachtzinsen zugunsten einer Bruchteilsgemeinschaft, die aus dem Kaufmann Herbert S. (dem Bruder der Klägerin) zur einen Hälfte und einer Erbengemeinschaft zur anderen Hälfte besteht, welcher die Klägerin und ihr Bruder angehören.
Zum Nachlaß des 1958 verstorbenen Vaters der Klägerin und ihres Bruders gehörten u.a. der hälftige Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück L. straße ... in D., dessen anderer Anteil Eigentum des Bruders der Klägerin ist. Letzterer und die 1975 verstorbene Witwe des Erblassers, die als Vorerbin eingesetzt war, hatten eine in diesem Haus befindliche Gaststätte mit Werkswohnung an eine Frau von K. verpachtet. Durch Vertrag vom 5. Oktober 1973 übernahm die Beklagte die Verwaltung des Pachtobjektes. In § 3 dieses Vertrages heißt es:
"Insbesondere übernimmt es die Brauerei Ri., sich um den Einzug des Pachtzinses und seiner Nebenkosten zu kümmern, der jeweils spätestens zum 3. Werktag eines jeden Monats auf dem Konto Herbert Sch., Kreissparkasse D., 1021788 (Hauskonto L. straße 7) eingegangen sein muß."
Nur Herbert Sch. war befugt, über dieses Konto zu verfügen.
In der Folgezeit übernahm die Beklagte selbst gegenüber den Verpächtern die Zahlung des Pachtzinses anstelle der Pächterin, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen war. Sie verrechnete ihrerseits die Pacht durch Aufschläge auf die Preise ihrer Bierlieferungen mit der Pächterin.
Mit Schreiben vom 2. Dezember 1975 teilte die Klägerin, die mit ihrem Bruder über die Verwaltung und Auseinandersetzung des Nachlasses in Streit geraten war, der Beklagten mit, der Pachtzins könne nicht mehr mit befreiender Wirkung auf das angegebene persönliche Konto Herbert Sch. überwiesen werden; sie empfehle deshalb Hinterlegung. Gleichwohl überwies die Beklagte für die Zeit vom 1. Januar 1976 bis 31. Mai 1978 den Pachtzins einschließlich Nebenkosten in der unstreitigen Höhe von insgesamt DM 86.179,91 weiterhin auf das genannte Konto. Über die durch den Tod der Vorerbin geänderte Rechtslage auf seiten der Verpächter war die Beklagte schon früher schriftlich unterrichtet worden.
Die Klägerin fordert Hinterlegung des genannten Betrages nebst Zinsen zugunsten der Bruchteilsgemeinschaft bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Düsseldorf. Sie meint, die Zahlungen auf das im Pachtvertrag angegebene Konto hätten die Beklagte nicht von ihrer Schuld befreit.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils die Klage abgewiesen.
Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin
die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der geltend gemachte Hinterlegungsanspruch der Klägerin könne nur als Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung gerechtfertigt sein. Dem kann aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden.
Für die Entscheidung ist es ohne Bedeutung, ob die Beklagte gegenüber den Verpächtern die Verpflichtung zur Zahlung der Pacht anstelle der Pächterin übernommen hatte oder ob sie die Zahlung leistete, um den mit der Pächterin verrechneten Pachtzins aufgrund ihrer Verpflichtung aus dem Verwaltungsvertrag abzuführen. Maßgebend ist allein, daß die Beklagte unstreitig aufgrund Vertrages verpflichtet war, für die Zeit vom 1. Januar 1976 bis zum 31. Mai 1.978,00 DM 86.179,91 an die Bruchteilsgemeinschaft zu bezahlen.
Der Anspruch auf diese Zahlung richtet sich aber nicht, wie das Berufungsgericht rechtsirrig meint, auf Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung. Die Klägerin macht vielmehr einen Anspruch auf Erfüllung geltend. Der Streit geht darum, ob die Beklagte durch die von ihr auf das Konto des Bruders der Klägerin geleisteten Zahlungen ihre Verpflichtung bereits erfüllt hat und das Schuldverhältnis dadurch erloschen ist (§ 362 BGB).
II.
Der umstrittene Anspruch stand der Bruchteilsgemeinschaft (§ 741 BGB) zu, der der Bruder der Klägerin zur einen Hälfte und die aus ihm und der Klägerin bestehende Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB) zur anderen Hälfte angehörten. Die Forderung war im Rechtssinne unteilbar, weil sie den beiden Gläubigern gemeinsam zustand (BGH Urteil vom 11. Juli 1958 - VIII ZR 108/57 = LM BGB § 743 Nr. 1 = NJW 1958, 1723; Urteil vom 29. Januar 1969 - VIII ZR 20/67 = LM BGB § 387 Nr. 46 - NJW 1969, 839). Die Beklagte konnte deshalb mit befreiender Wirkung nur an beide Gläubiger leisten (§ 432 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Sowohl im Pachtvertrag als auch im Verwaltungsvertrag war allerdings bestimmt, daß die Zahlung für beide Gläubiger auf das Konto des Bruders der Klägerin erfolgen sollte. Diese Vertragsbestimmung bedeutete im Außenverhältnis zwischen den Verpächtern und der Beklagten eine Vollmacht (oder Ermächtigung) für den Bruder der Klägerin zum Empfang der Zahlung auch für den anderen Rechtsinhaber, verbunden mit einer vertraglichen Bestimmung über die Art und Weise der Leistung.
Das Berufungsgericht hat sich nicht mit der Frage befaßt, ob und gegebenenfalls auf welche Weise etwa diese Vollmacht erloschen ist. Es kommt für die Entscheidung darauf aber auch nicht an. Die Vollmacht war nämlich allenfalls für Zahlungen an die Teilhaber gemäß § 432 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam. Hatte die Klägerin jedoch mit Recht für die Erbengemeinschaft Hinterlegung des der Bruchteilsgemeinschaft zustehenden Betrages für beide Teilhaber gemäß § 432 Abs. 1 Satz 2 BGB gefordert, so verlor dadurch zugleich die Empfangsvollmacht ihres Bruders die Wirksamkeit für die von der Beklagten geschuldeten Leistungen. Eine Hinterlegung konnte nämlich nur bei dem im Klageantrag zutreffend bezeichneten Amtsgericht als Hinterlegungsstelle vorgenommen werden. Es kommt somit allein darauf an, ob die Forderung auf Hinterlegung wirksam vor dem 1. Januar 1976 geltend gemacht wurde.
III.
Das Berufungsgericht hält den mit Schreiben vom 2. Dezember 1975 erhobenen Anspruch der Klägerin auf Hinterlegung nach § 432 Abs. 1 Satz 2 BGB für unberechtigt. Es meint, die Klägerin könne Hinterlegung auch nicht nach § 2039 Satz 1 BGB für die Erbengemeinschaft fordern. Zwar gehöre zum Nachlaß im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich jeder Anspruch, der Bestandteil des Sondervermögens der Erbengemeinschaft sei. Das gelte jedoch nicht für den Hinterlegungsanspruch nach § 432 Abs. 1 Satz 2 BGB, denn § 2039 Satz 2 BGB enthalte für die Erben eine eigene Regelung. Die Klägerin könnte allenfalls die erforderliche Mitwirkung ihres Bruders zur Ausübung des Rechts der Erbengemeinschaft auf Hinterlegung gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB durch Klage erzwingen.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Zum Nachlaß gehörte der vertragliche Anspruch der Erbengemeinschaft gegen die Beklagte, Zahlung an beide Teilhaber der Miteigentümergemeinschaft gemeinschaftlich und gegebenenfalls Hinterlegung für beide Teilhaber gemäß § 432 Abs. 1 BGB zu verlangen. Daß es sich dabei um einen Anspruch im Sinne von § 2039 BGB, nämlich um das Recht handelte, von der Beklagten ein Tun zu verlangen (§ 194 Abs. 1 BGB), wird auch vom Berufungsgericht nicht bezweifelt. Dann besteht aber kein Anlaß, die Klägerin als Miterbin auf den Umweg einer Klage nach § 2038 BGB gegen ihren Bruder als Miterben zu verweisen. Vielmehr kann sie den genannten Anspruch unmittelbar für die Erbengemeinschaft, die ihrerseits Teilhaberin der Forderung ist, gemäß § 2039 BGB geltend machen. Rechtlich zutreffend hat daher bereits der 10. Zivilsenat des Berufungsgerichts in seinem Urteil vom 15. November 1979 (10 U 121/79), das in einem ähnlich gelagerten Rechtsstreit zwischen derselben Klägerin und einem Mieter in demselben Hause ergangen ist, in der "Verschachtelung" der Erbengemeinschaft in der Bruchteilsgemeinschaft kein Hindernis gesehen, das dem über § 2039 BGB auf § 432 Abs. 1 Satz 2 BGB gestützten Hinterlegungsbegehren der Klägerin entgegenstände.
IV.
Das Recht der Erbengemeinschaft, Hinterlegung zugunsten der Bruchteilsgemeinschaft zu verlangen, ist nicht etwa durch Vereinbarung der Zahlungsweise im Pachtvertrag und im Verwaltungsvertrag ausgeschlossen worden.
Ein solcher Ausschluß durch Vertrag wäre rechtlich möglich. Anlaß zur Erörterung dieser Frage könnte der Umstand bieten, daß in den Verträgen jeweils das Konto des Bruders der Klägerin als Zahlstelle angegeben war. Darin könnte im Innenverhältnis der beiden Gläubiger (Teilhaber der Bruchteilsgemeinschaft) eine Einigung über die Verwaltung des gemeinschaftlichen Rechts gemäß § 745 BGB liegen. Es könnte auch im Verhältnis zwischen der Bruchteilsgemeinschaft und der Beklagten eine bindende Vereinbarung über die Art und Weise der Zahlung getroffen worden sein.
Das Berufungsgericht hat im angefochtenen Urteil - wenn auch in anderem rechtlichen Zusammenhang - die Verträge dahin ausgelegt, es beständen keine Anhaltspunkte dafür, daß durch die Angabe dieser Zahlstelle dem Interesse der Pächterin an einfacher Zahlungsabwicklung der Vorrang vor den gesetzlichen Hinterlegungsansprüchen der Verpächter gebühren solle. Der Vertragsklausel sei auch nicht eindeutig zu entnehmen, daß die Rechte aus § 432 Abs. 1 Satz 2 BGB selbst zu Lasten der Rechtsnachfolger der Verpächter abbedungen worden seien. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Kontoangabe in § 3 des Verwaltervertrages mit der Beklagten. Wenn der Klägerin ein Hinterlegungsanspruch zustände, wäre ihr Bruder (auch) im Innenverhältnis zwischen sich und der Erbengemeinschaft nicht zur Entgegennahme der Pachtzinsforderungen befugt gewesen.
Diese tatrichterliche Auslegung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Insoweit stimmt das Berufungsgericht mit der Entscheidung des 10. Zivilsenats desselben Gerichts a.a.O. überein. Es ist rechtlich möglich und liegt in der Tat nahe, daß die Angabe des Kontos des Bruders der Klägerin als Zahlstelle lediglich der technischen Abwicklung der Pachtzahlungen dienen sollte und von jedem der Verpächter einseitig geändert werden konnte. Der Senat ist an diese Feststellung des Berufungsgerichts gebunden. Aus ihr folgt auch, daß die Angabe der Zahlstelle gegenüber der Beklagten nicht unwiderruflich war.
V.
Die Beklagte kann sich auch nicht etwa darauf berufen, sie habe auf den Fortbestand der Empfangsvollmacht des Bruders der Klägerin vertraut. Sie war vor dem 1. Januar 1976 auf die veränderte Rechtslage hingewiesen und zur Hinterlegung aufgefordert worden. Wäre sie über die Person des Empfängers der Zahlungen oder das Hinterlegungsrecht schuldlos im Zweifel gewesen, so hätte sie sich von ihrer Schuld ohnehin durch Hinterlegung nach § 372 Satz 2 BGB befreien können. Damit hätte sie zugleich aber dem Hinterlegungsbegehren der Klägerin entsprochen. Indem sie gleichwohl weiterhin auf das Konto des Bruders der Klägerin zahlte, ging sie das Risiko ein, von ihrer Schuld nicht befreit zu werden und noch einmal zahlen oder hinterlegen zu müssen.
Unter diesen Umständen kann in dem Klagebegehren kein Verstoß gegen Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 242 BGB) gesehen werden.
VI.
Das Berufungsgericht hat schließlich erwogen, die Klage könne schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das Vermögen der Klägerin oder das der Erbengemeinschaft durch das Verhalten der Beklagten nicht geschädigt worden sei.
Diese Erwägungen beruhen auf dem Rechtsirrtum, es handele sich um eine Klage auf Schadensersatz. Da aber - wie oben ausgeführt - die Klägerin einen Anspruch auf Erfüllung des vertraglichen Schuldverhältnisses und gerade nicht auf Schadensersatz wegen Vertragsverletzung geltend macht, kommt es nicht darauf an, ob der Klägerin oder der Erbengemeinschaft ein Schaden entstanden ist.
VII.
Das angefochtene Urteil kann somit nicht bestehen bleiben. Da weitere Tatsachenfeststellungen den Umständen nach weder geboten noch zu erwarten sind, ist der Rechtsstreit zur Entscheidung reif. Die Berufung der Beklagten gegen das im Ergebnis zutreffende Urteil des Landgerichts ist daher unter Aufhebung des Berufungsurteils zurückzuweisen.
Unterschriften
Dr. Hoegen
Rottmüller
Dehner
Dr. Schmidt-Kessel
Rassow
Fundstellen
Haufe-Index 1456166 |
NJW 1983, 2030 |